Jesus feierte am Vorabend zu Pessach das häusliche Sedermahl, um mit dem ganzen Volk Israel die Befreiung aus der Knechtschaft zu feiern. Ungesäuertes Brot wird gebrochen und gesegnet, wie auch der Kelch mit Wein. Dazu werden unterschiedliche Speisen gereicht, auch Bitterkräuter, um dieser bitteren Zeit zu gedenken. Jenseits der Tempelliturgie findet diese Feier in der Familie und auch mit Freunden statt. Die Geschichte der Befreiung wird dazu erzählt, um nie zu vergessen, welche Mühe und wohl auch Menschenleben der Weg der Befreiung gekostet hat. Und besonders nicht zu vergessen: der Urgrund der Befreiung ist der Weg mit Gott. Ein vor allen Dingen auch geistlicher Weg, allen inneren ungeistlichen Widerständen zum Trotz. Auch in der Zerstreuung, der Vereinzelung, der Diaspora, den Konzentrationslagern, hat Israel bis heute nie aufgegeben, Pessach zu feiern, zur Not still, leise, im Verborgenen.
Aber die Menschen Israels, das heutige Judentum wie auch wir Christinnen und Christen der verschiedenen Konfessionen, Nationen, Kulturen, Ethnien, wären keine typischen Menschen, wenn es uns nicht manchmal zum Grienen, Klagen, Heulen wäre. Das Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste: ein schwacher Haufen, der so manchem "goldenen Kalb" quasi als Ersatzbefriedigung nachlief, weil der geistliche Halt nicht so stark war, wie es gebraucht hätte. Die Jünger Jesu: auch nicht unbedingt ein Vorbild an Glaubensstärke. Verrat, nicht genau zuhören wollen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, nämlich der angesagte Tod Jesu. Die gläubigen (und zweifelnden) Menschen heute haben ebenfalls Gottes langen Atem nötig, um mit bruchstückhaftem Glauben durch die Krise zu kommen. Der Autor dieses Beitrags nimmt sich davon nicht aus.
Heute Abend trifft die Sinnstiftung des Abendmahls, das den lebendigen Christus in unserer Mitte aufnimmt und verkündet, auf die bittere Wirklichkeit des Karfreitags. Ich wünsche uns allen, dass wir das nicht nur in der Liturgie aushalten, sondern auch in den aktuellen Krisen, bitteren Wahrheiten unserer Tage. Auszuhalten so manchen Tod, so manchen finanziellen Absturz, das geht kaum mit Gleichmut. Das fordert Alle ganz, auch die, die vielleicht in diesem Moment privilegiert erscheinen, die aber auch nicht universal-gefeit sind. Die Freiheit, die Gott uns gönnt, zielt über unser empfundenes Unfrei-Sein hinaus. Ich möchte mit Ihnen versuchen, das mit Herzen und Verstand, also geistlich zu verstehen.
Seien Sie an diesem Abend gesegnet und geben Sie Segen weiter!
Holger K. Allmenroeder, Pfarrer