Schmuckband Kreuzgang

Geistliche Gedanken zum 10. Mai (5. Sonntag der Osterzeit)

Pfarrer Holger Allmenroeder (c) HolgerAllmenroeder
Pfarrer Holger Allmenroeder
Datum:
09.05.2020

Liebe Gemeinde,

Manchmal bin ich richtig ταράσσω [tarásso], Sie auch? 
Wenn ein Mensch verliebt ist, ist er "ταράσσω", doch bekommt jemand die Beziehung gekündigt, kann dieser ebenfalls "ταράσσω" sein. Wird ein Mensch gelobt oder befördert, wird dieser wohl "ταράσσω" in einem guten Sinne "ταράσσω" sein, wenn jemand abgemahnt oder gefeuert wird, allerdings auch .... "ταράσσω". Erleben Menschen als Kollektiv eine vernichtende Niederlage - wie am 8. Mai 1945 - dann ist "ταράσσω" stark untertrieben, bei einem genialen Sieg - wie z.B. beim Titelgewinn der Fussball-WM - dann kann "ταράσσω" ebenfalls untertrieben sein.

Die Wortbedeutung ist in der Übersetzung oft nicht eindeutig. Wie, wenn das deutsche Wort "Himmel" ins z.B. Englische übertragen werden muss, dann stellt sich die Frage, ob der astronomische Himmel (sky) oder der göttliche Himmel (heaven) gemeint ist. Ταράσσω hat eine Bedeutungsbreite von "verwirrt sein" bis "erregt sein". Im Johannes-Evangelium (Kap. 14, Verse 1-12) spricht Jesus seine Jünger mit diesem Wort an: "Lasst euch im Herzen nicht verwirren!" ...  Petrus wie auch Thomas sind eher verunsichert als freudig erregt. Darin versucht Jesus sie zu begleiten: "Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit, ich bin das Leben ...." Das ist einerseits Glaubenszeugnis des Evangelisten in eigener schwierigen Zeit viele Jahrzehnte nach dem ersten Ostern und andererseits Beziehungsgeschehen des Auferstanden mit seinen Jüngern.

Ich muss gestehen: Ratlosigkeit, Verunsicherung, Widerständigkeit im Denken, im Herzen, im Glauben sind mir sehr bekannt. All das kann durch vieles ausgelöst werden: die Corona-Pandemie ist nur ein aktuell gewichtiger Auslöser. Eine Beziehungskrise, Turbulenzen in der Gesundheit, Misserfolge bei Prüfungen, bei der Arbeit, in Politik und Gesellschaft sind nur beispielhaft zu nennen. Weder der unverfügbare Gott noch Jesus als Christus nehmen mir und uns die kniffeligen Lebensrätsel ab. Jesus setzt nicht nur nach Johannes auf Beziehung. Doch Beziehung ist in der Regel keine Einbahnstrasse, eine geistliche Beziehung schon mal gar nicht.

Worin besteht die Stärke unseres christlichen Glaubens? Wir bekommen einen Weg und sogar Wege gezeigt, es geht um Wahrheiten jenseits einer Doktrin, die geistliche Beziehung hält mich/uns lebendig, motiviert mich/uns nicht aufzugeben.

Krise! Als wüsste Gott nicht, wie leicht Menschen irre werden in Sinn- und Lebenskrisen, in der bedrohten Existenz, wie leicht mein Herz, unsere Herzen sich verwirren lassen. "tarasso" ταράσσω! Gott traut den Menschen einiges zu, und Jesus motiviert besonders seine Jünger, männlich und weiblich, den Beziehungsschatz des neu erworbenen Gottvertrauens => Glaubens nicht aufzugeben.

Das wünsche ich Ihnen und uns als Gemeinschaft der christlich Glaubenden.

Weiterhin gesegnete Ostern - jetzt erst recht!

Ihr Holger K. Allmenroeder, Pfarrer