Liebe Leserinnen und Leser,
da bleiben mir doch für einen kurzen Augenblick die Worte im Hals stecken. Da haben die Herren der „Glaubenskongregation“ samt Papst das Kunststück der Gläubigenverblödung vollendet. Jeden Unsinn hat „Mutter Kirche“ liebevoll gesegnet; so manch tötliche Waffe, so manches Objekt wurde und wird mit heiliger Liturgie drapiert und geheiligtem Wasser besprengt, um den Segen Gottes eiskalt in die Welt zu bringen. Und dann kommt ein Häuflein lustig anachronistisch gekleideter Männer anmaßend daher und sagt „die Kirche dürfe hier nicht segnen - dies sei schlicht verboten.“
Der gereifte, gottvertrauende Mensch fragt sich da, welche Definition von Segen dieser Aussage wohl zu Grunde liegen mag? Hat „die Kirche“ wirklich die Autorität, den Wunsch nach Gottes Segen zu untersagen? Wer sich mit den biblischen Schriften ein wenig befasst, weiß, dass Gottes Segen kaum ein institutionell autorisiertes Vehikel in den Händen einer Sakramentenverwalterkaste (hauptsächlich Bischöfe und Priester) ist, sondern das oft schwere Ringen von Einzelnen, Paaren, Gruppen, Gemeinden, Völkern um glückendes Leben auch angesichts von Widerständen. Das Ringen Jakobs am Jabbok ist ein existentielles Beispiel dafür. Jacob (Genesis 32) ringt unter lebensbedrohlichen, ja feindlich gesonnenen Umständen um die Vision auf eine LebensZukunft und um Glück. GOTT lässt sich Segen abringen - die Kirche, die so gerne im Namen Jesu Barmherzigkeit und Zeichen der Liebe und Versöhnung predigt, tut dies in ihrer Selbstüberschätzung nicht.
Mutter Kirche, vertreten durch hauptsächlich „sittenstrenge“ alte Männer, die scheinbar in einer Sonderwelt leben, hat keinen Zweifel daran, dass der Geist Gottes aus dem Tempel schon nicht flüchten wird, so wie es einst der Prophet Ezechiel/Hesekiel als Vision erlebte. Manche Päpste, Bischöfe und Kleriker verwechselten schon all zu oft den „Zeitgeist“ mit den vom Vatikanum II gesichteten „Zeichen der Zeit“. Ein Zeichen der Zeit ist gewiss auch, dass selbst gottvertrauendste Katholiken und Katholikinnen sich von angemaßter Autorität eines Klerikerstandes nicht mehr unkritisch verblöden lassen. Das sogenannte Lehramt will nicht begreifen, erscheint lernumwillig, dass geistliche Autorität auch ein Gegenüber braucht, welches es ernst nimmt. Wenn ein gereiftes Kind in unserer Lebenswelt Mutter oder Vater erklärt, es habe seine Liebe gefunden und freue sich über elterlichen Segen, dann kann es schon sein, dass Mutter oder Vater sich eine andere Liebe für das Kind vorgestellt hat. In vergangenen Zeiten hätte das Kind nach einem "Nein" womöglich die Vision der Liebe verworfen. Heute käme es wohl meist zu einer Verwerfung, einer Distanzierung oder gar dem Bruch mit Mutter oder Vater. Und das ist kein Verstoß gegen die Weisung, Mutter und Vater zu ehren! Analog dazu wird dies die unheilvolle Konsequenz im Verhältnis zwischen einer Institution namens Kirche und dem Glauben mündiger Menschen sein. Die Kirche, repräsentiert durch alte Männer, die meinen, über geistliche Vollmacht oder Autorität zu verfügen, wird sich belehren lassen müssen, dass diese mit dieser Sicht und diesem Anspruch ins Leere predigen.
In den Gemeinden vor Ort wird es trotzdem Menschen geben, die Segen empfangen werden, wenn sie sich danach sehnen und darum ringen - und trotz Verbot in einer katholischen Kirche, und trotz Verbot in Worte gebracht durch einen Priester oder andere. Verbote werden das nicht verhindern können. Ich hoffe, dass die ins Wort gebrachte Hartherzigkeit und Uneinsichtigkeit des „Lehramtes“, bedingt durch eine veraltete Anthropologie und eine erbärmliche „Theologie“, die einstige Autoritätshörigkeit im Volk Gottes zum Einsturz bringt. Gottes Segen lässt sich eben nicht an die Fessel des Tempels legen, weder des Tempels in Jerusalem, noch des Tempels in Rom. Ich jedenfalls werde mir das Ins-Wort-bringen von Segnen nicht verbieten lassen.
Holger K. Allmenroeder, Pfarrer