Schmuckband Kreuzgang

Leben und Existenzen wurden weggespült!

Flut (c) c
Flut
Datum:
Fr. 23. Juli 2021
Von:
Walter Montigny

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“ Ob dieser weise Satz nun so oder mit anderen Worten von Michail Gorbatschow im Oktober 1989 gesagt wurde, ist nicht so entscheidend. Entscheidend ist, was er aussagt.

Ende Oktober 1989 bestätigt sich diese Aussage durch die *friedliche Revolution* und den Fall der Mauer. Die Ignoranz der politischen Elite der DDR zu dem im Lande seit Jahren andauernden Unmut der Menschen bezüglich Freiheit, Mitbestimmung, Stacheldraht und Mauer usw. wurde sprichwört­lich bestraft. Die Bürger gingen mit Ihren Forderungen auf die Straße, entzogen der Politik die Macht, rissen die Mauer nieder und bereiteten die Grundlage für ein gemeinsames Deutschland.

Vor ein paar Wochen zog ein Tornado über das Grenzgebiet von Bayern und Tschechien und machte ganze Ortschaften dem Erdboden gleich.

Sie fragen sich, was dieses Unglück mit der Bestrafung fürs zu spät kommen zu tun hat?

Anfang letzter Woche führte eine verheerende Wetterlage punktuell in Teilen von NRW und Rhein­land-Pfalz und anderen Teilen innerhalb und außerhalb Deutschlands zu sintflutartigen Niederschlä­gen. Die Bündelung der Wassermassen zerstörte binnen Stunden große Teile der Infrastruk­tur, Gebäude wurden niedergerissen und viele Menschen wurden verletzt oder haben ihr Leben verloren.

Es ist nicht vorstellbar, was die betroffenen Menschen, die überlebt haben, zukünftig an Angst und Verzweiflung mit sich tragen und verarbeiten müssen. Seien es die katastrophalen materiellen Zer­störungen, der Verlust von Angehörigen oder Nachbarn. Der Anblick des Todes. Das miterleben und zusehen des Ertrinkens, ohne helfen zu können. Wir können ihnen zwar beistehen, wir können Solidarität zeigen, aber letztendlich ist ihre Verzweiflung individuell und persönliches Leid, dass sich nicht teilen lässt. Wir können ihren Schmerz nicht erleben, wir können nur für sie da sein.

Jede weitere Beschreibung könnte das geschehene nicht annähernd abbilden als die Bilder aus den Nachrichten.

Wetter, wie wir es früher schätzten, gibt es immer weniger und wird durch Klima ersetzt. Es stimmt vieles nicht mehr.

Das hat mich zutiefst erschrocken und erschüttert. Dieses Ausmaß an unsäglichem Leid durch die ge­waltigen Kräfte der Natur konnte ich mir in dieser Dimension kaum vorstellen. Und schon gar nicht mehr oder weniger vor der Haustür.

„Dein Wille geschehe“ beten wir im Vaterunser und suchen Trost und Hoffnung für alles, was wir vermeintlich nicht erklären können. Dabei ist es unser christlicher Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, die uns als Geschenk überhaupt erst ein Leben auf der Erde ermöglicht. Wir stehen in der Verantwortung gegenüber unserem Schöpfer.

Seit Jahrzehnten haben sich diese Ereignisse angekündigt. Die Wissenschaft wurde und wird nicht müde, auf die Ursachen hinzuweisen und beschreibt sehr genau was notwendig ist, um diesen Wan­del zu verlangsamen.

Und die Politik? Sie hat über Jahrzehnte trotz besserem Wissen und aus Rücksicht auf die sogenann­ten Sachzwänge nur halbherzig oder gar nicht gehandelt. Erst seit junge Menschen freitags die Schule schwänzten und auf die Straße gingen, gibt es echte Bewegung (in vielen Ländern). Jedoch hätte das Eingreifen in den Klimawandel durch mehr und effizientere Maßnahmen weder dieses Unglück ver­hindert, noch sind von effektiver Klimapolitik kurzfristige Erfolge zu erwarten. Was wir in hundert Jahren zerstört haben, kann auch, wenn überhaupt, nur in hundert Jahren evtl. aufgelöst werden. Wir müssen geduldig und wachsam sein!

Die politisch Verantwortlichen haben den betroffenen Menschen unverzügliche und unkomplizierte materielle Hilfe zum Neuanfang zugesagt. Alles andere würde ich auch als Schande empfinden.

Jedoch halte ich es für zielführend, auch aufgrund der Erfahrungen des politischen Handels in den letzten Jahrzehnten und den bestehenden Lobby-Strukturen, dass die Thematik des Klimawandels und der dringend erforderlichen Frühwarn­systeme in die Hände einer unabhängigen Kommission aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik übertragen werden. Diese Kommission sollte öffentlich agieren und Rahmenbedingungen festlegen, an der sich die Politik zu orientieren hat.

Ob die sich daraus ergebenden Ziele und Laufzeiten ausreichend sind, wir also nicht zu spät kommen, wird man sehen. Es wäre jetzt eine gute Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen. Und es wäre für die Überlebenden ein Zeichen, dass wir sie ernst nehmen und ihnen in ihrer Trauer beistehen.

Für jeden Christen sollte es eine Verpflichtung sein.