Schmuckband Kreuzgang

Leserbrief von Mathias Biondino

Herr, stell eine Wache vor meinen Mund, eine Wehr vor das Tor meiner Lippen! Psalm 141, Vers 3

Leserbrief (c) Redaktion
Leserbrief
Datum:
Di. 24. Jan. 2023
Von:
Mathias Biondino

Beim Lesen einer Kurzfassung der Regel des Heiligen Benedikts in zeitgemäßer Sprache hat mich die Regel 6 zum Thema Schweigsamkeit getroffen. Ja, ich gehöre auch zu den Geschwätzigen, die besser mal den Mund geschlossen oder die Tastatur in Ruhe lassen sollte.  Papst Franziskus hat in seiner Weihnachtsansprache im Jahr 2014 insgesamt 15 Krankheiten der Kurie benannt. (Quelle https://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2014/december/documents/papa-francesco_20141222_curia-romana.html) Die 9. Krankheit ist jene des Geredes, des Gemunkels und des Tratsches.

Ein schwer kranker Patient diesbezüglich scheint mir Erzbischof Gänswein zu sein. Offenbar hat er sich während der Pflege von Papst emeritus Benedikt XVI. diese Krankheit geholt oder die Krankheitssymptome haben sich massiv verschlechtert. Denn nur so kann ich mir erklären, wie man auf die Idee kommt, keine zwei Wochen nach dem Tod des zurückgetretenen Pontifex ein Buch mit Geschichten, Plaudereien und Indiskretionen unter dem Titel „Nient'altro che la Verità“ (Nichts als die Wahrheit) zu veröffentlichen. Doch dies war keine kurzfristige Entscheidung. Das Buch lag geschrieben beim Verlag. Alle Verträge waren unterschrieben. Man hat nur auf den Tod von Benedikt gewartet. Ist das nicht geschmacklos und ein unverzeihlicher Vertrauensbruch?! Und so ein Verhalten von einem Erzbischof, einem Mitarbeiter der Kurie, der sonst immer gerne das Heilige der katholischen Kirche hervorhebt und sich von der konservativen Klicke gerne feiern lässt.

Mit meiner Empörung über das Verhalten von Herrn Gänswein bin ich nicht alleine. Sogar die Bistumszeitung „Glauben und Leben“ berichtet in der Ausgabe vom 22.01.2023 auf Seite 2 unter dem Titel „Umstrittene Plauderei“ hierüber. Doch sollte ich nicht besser den Mund halten, so wie der Beter im Psalm 141 im Vers 3 klagt?

Nein, manchmal darf man nicht schweigen, insbesondere dann nicht wenn es darum geht, schwere Missstände aufzuzeigen. Herr Gänswein hat mit seinem Buch der römisch-katholischen Kirche einen Bärendienst erwiesen. Sein Verhalten ist Wasser auf die Mühlen der Kirchenkritiker die sagen: „Seht, diese Kirche ist in ihrem Verhalten auch nicht besser als korrupte Unternehmen ohne Wertekodex. Wenn nicht jetzt austreten, wann dann!“.

Die Konservativen jubeln und fühlen sich durch den Inhalt des Buches in ihrer Auffassung bestärkt, dass Papst Franziskus kein „richtiger“ Papst ist. Unter www.kath.net kann man beispielhaft eine Menge davon lesen. Dass diese „guten Katholiken“ sich aus meiner Sicht mit ihrer Haltung vom Papstamt und damit von der römisch-katholischen Kirche getrennt haben, ist ihnen offenbar nicht bewusst.

Was bleibt: Meine Fassungslosigkeit! Mein Vater hätte vielleicht gesagt: „Drückt dem Gänswein einen Besen in die Hand, dann hat er bei Wind und Wetter was zu tun!“. Ja, der Petersplatz zum Kehren ist groß genug und man kann den Menschen nahe sein, näher als hinter den Mauern des Vatikans.

 

(Leserbriefe spiegeln nicht im Detail die Meinung der Redaktion)