Der Pfarrgemeinderat spricht sich bezüglich des Pastoralen Weges im Dekanat Seligenstadt mehrheitlich für die Errichtung einer Pfarrei aus.
Die folgenden Gründe sind für uns ausschlaggebend:
- Synergie
Durch die Errichtung einer Pfarrei lässt sich die anfallende Verwaltung bündeln, es entstehen bei Priestern und anderen Hauptamtlichen Freiräume für seelsorgerliche Tätigkeiten. Dazu kann und muss Verwaltungsarbeit zunehmend von hauptamtlichen Laien übernommen werden, was in einer größeren Pfarrei mit einem höheren Stellenanteil realisiert werden kann. Im dann größeren Pastoralteam lässt sich ein charismenorientierter Einsatz von Haupt- und Ehrenamtlichen umsetzen. Zusammenarbeit und Vernetzung bei der Umsetzung neuer Wege führen zu einer höheren Effektivität.
- Vielfalt und Netzwerk
Auf dem Boden des heutigen Dekanats entsteht ein Raum größerer Vielfalt an Kirchorten und Profilen. Die sich ausbildende Kooperation bietet die Möglichkeit, aber auch die Notwendigkeit gegenseitiger Toleranz und vertrauensvoller Zusammenarbeit gleichberechtigter Gemeinden. Damit sind auch verschiedene theologische Ausprägungen umsetzbar. Die Profile der Ortsgemeinden, die den Mitgliedern Orientierung und Heimat bieten, zu erhalten ist möglich und angesichts der Größe der neuen Struktur unumgänglich. Die Gefahr der Dominanz einer einzigen Pfarrei ist ungleich geringer.
- Zukunftsfähigkeit
Bei der immer noch gültigen Verfasstheit der Kirche in Deutschland dergestalt, dass an der Spitze einer Pfarrei ein Pfarrer stehen muss, ist angesichts des beklagenswerten Rückgangs der Zahl an Priestern absehbar, dass bei Einrichtung von zwei Pfarreien in wenigen Jahren wiederum nachgesteuert werden muss. Mit einer Pfarrei dagegen wird eine zukunftsfähigere Struktur geschaffen.
Bei den Diskussionen in unserem Gremium wie auch bei der Umfrage, die wir in unseren Gemeinden durchgeführt haben und die trotz der schwierigen Corona-Lage zu erfreulich vielen Rückmeldungen führte, zeigen sich aber auch Ängste und Bedenken gegen eine (zu) große neue Struktur.
Dieser Prozess des Pastoralen Weges gerade auch zu einer großen Pfarrei wird unserer Ansicht nach nur gelingen, wenn
- ... die neue Pfarrei auch weiterhin den Mitgliedern eine Heimat bietet. Dazu gehört, dass Kirche vor Ort präsent bleibt mit kurzen Wegen insbesondere für ältere Menschen, dass es weiterhin einen verlässlichen Rhythmus an Gottesdiensten und Gemeindeaktivitäten gibt, dass die persönliche Nähe durch Hauptamtliche erhalten und vertrauensvolle seelsorgliche Begleitung weiterhin möglich bleibt, dass das Pfarrbüro nicht nur auf digitalem Wege, sondern auch stundenweise in Präsenz vor Ort erreichbar ist. Die Mitgestaltung der Wortgottesleiter*innen spielt diesbezüglich eine entscheidende Rolle.
- ... die neue Pfarrei die einzelnen Kirchorte mit aller Kraft zu erhalten versucht. Für unsere Gemeinden haben unsere Kirchen Alleinstellungsmerkmale – St. Marien mit ihrer aus dem 2. Vatikanum erwachsenen Architektur mit dem Altar in der Mitte und Gläubigen, die sich gegenseitig in den Blick nehmen können, St. Margareta mit seiner Ausgestaltung, der gemalten Lebenslinie an der Decke und der Christusfigur, die Kreuzigung und Auferstehung vereint – und sind in keiner Weise verzichtbar. Dazu gehören natürlich auch die Gemeindezentren als Versammlungsorte der Gemeinden.
- ... die neue Pfarrei den einzelnen Gemeinden die Luft zum Atmen lässt. Dazu gehören Gestaltungsfreiheit des Gemeindelebens, Entscheidungsfreiheit bezüglich pastoraler Inhalte und das Einräumen der Möglichkeit, eigene und auch neue Wege gehen zu dürfen. Jede Gemeinde muss ihre Identität bewahren und weiterentwickeln dürfen. Dazu gehört auch, dass Entscheidungen, die die einzelne Gemeinde betreffen, vor Ort im Gemeinderat gefällt werden und der Pfarreirat nicht versucht, dort hineinzuregieren.
- ... die neue Pfarrei den Gemeinden auch in Hinblick auf die Finanzen mit Respekt begegnet. Dazu gehört der Erhalt der gebundenen Vermögenswerte der jetzigen Pfarreien ebenso wie ein eigenes Budget für die Gemeinde vor Ort.
- ... die neue Pfarrei, ihre Leitung und ihre Gremien wie Pfarreirat und Verwaltungsrat alle ihre Entscheidungen transparent den Gemeinden gegenüber macht. Nur so wird Vertrauen in die neuen Strukturen wachsen können.
- ... die neue Pfarrei die erforderliche Transparenz auch durch die satzungsmäßige Ausgestaltung ihrer Gremien realisiert. Dazu gehört, dass unterhalb des Pfarreirates Gemeinderäte vor Ort von den Gemeindemitgliedern in einem demokratischen Prozess (wie jetzt auch) zu wählen sind. Dazu gehört, dass diese Gemeinderäte mit Gestaltungs- und Entscheidungsbefugnis vor Ort auszustatten sind. Dazu gehört dann, dass aus den so gewählten Gemeinderäten Vertreter*innen in den Pfarreirat gewählt werden, wobei darauf zu achten ist, dass jede Gemeinde und die Jugend hinreichend vertreten ist und das Gremium dennoch arbeitsfähig bleibt. Dazu gehören schließlich analoge Strukturen im Hinblick auf den Verwaltungsrat mit eigenständigem Budget vor Ort.
und schließlich als zentraler Punkt:
- ... die neue Pfarrei ihren einzelnen Gemeinden eigene Profile zugesteht. Dazu gehört auch die eigenverantwortliche Nutzung digitaler Darstellungs- und Kommunikationsformen.
Für unsere beiden Gemeinden hat sich dieses Profil seit Jahrzehnten ausgeformt, im Falle St. Marien letztlich seit ihrer Gründung im Jahr 1966.
Dieses Profil gründet auf dem Gemeindeverständnis als einer Gemeinschaft mündiger Christen. Mit Blick auf das „allgemeine Priesteramt“, wie es schon in der Urkirche gepflegt wurde, begegnen sich Hauptamtliche und Ehrenamtliche, Priester und Laien auf Augenhöhe. Auf dieser Basis wird ehrenamtliches Engagement in Katechese, Pastoral, Liturgie etc. willkommen geheißen, das Einbringen von Charismen und Talenten von Laien wird nicht nur akzeptiert, sondern ausdrücklich begrüßt und gefördert. Dies zeigt sich an vielen Stellen, bei freien Fürbitten im Gottesdienst, Vortragen auch des Evangeliums, bei vielfältiger musikalischer Gestaltung, alternativen Gottesdienstformen wie „GoSpecial“ oder parallelen Wortgottesdiensten für Kinder und Kleinstkinder, um nur einige zu nennen. Ein entscheidender Punkt ist für uns die Beauftragung von Wort-Gottesleiter*innen, wie sie in unseren beiden Gemeinden seit Jahren etabliert ist. Dies ist geradezu unverzichtbar, um auch im nächsten Jahrzehnt regelmäßig Gottesdienste an jedem Kirchort zu halten. Wir begreifen diesen wertvollen Dienst nicht als Lösung aus der Notlage des Priestermangels. Es ist vielmehr eine Chance, die Charismen qualifizierter Laien zur Gestaltung lebendiger Gemeinschaft einzubinden.
Wichtig für den Fortbestand der Gemeinde ist deren personifizierte Zukunft. Daher legen wir großen Wert auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (monatliche „Kindertage“, Kinderfreizeiten, Ministranten, Zeltlagerfahrten, offene Jugendarbeit etc.). Diese Arbeit benötigt zwingend Räumlichkeiten in den Gemeindezentren, Kinder und Jugendliche brauchen einen Anlaufpunkt, wo sie sich angenommen fühlen.
Mit einer zeitgemäßen Theologie als Fundament, die auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen fußt und aktuelle kirchliche Themen miteinbezieht, versuchen wir Menschen anzusprechen, die der Kirche schon vielfach den Rücken gekehrt haben. Dazu gehört die Offenheit gegenüber Andersdenkenden ebenso wie die Gemeinschaft mit wiederverheirateten Geschiedenen, Paaren in konfessionsverschiedenen Konstellationen und gleichgeschlechtlichen Paaren.
Die Ökumene liegt uns nicht nur wegen der unmittelbaren Nachbarschaft des evangelischen Gemeindezentrums am Herzen.
Dieses Profil unserer beiden Gemeinden gilt es während und nach der Gründung der neuen Pfarrei zu erhalten. Die vielen Christinnen und Christen, die von außerhalb zu unseren Gottesdiensten und Veranstaltungen kommen, nehmen gerade deswegen die Wege auf sich.
Die Entwicklung der Kirche steht auf dem Hintergrund des Bistumsprozesses an einer Weggabelung. Wenn der eingeschlagene Weg nur zu einer bloßen Verwaltungsreform führt, droht er zu scheitern. Alle am Prozess Beteiligten müssen die Frage, die sich der Pastorale Weg selbst als Überschrift gegeben hat – „Was brauchen die Menschen?“ – sehr ernst nehmen. Die Pfarrgemeinden St. Marien Seligenstadt und St. Margareta Froschhausen sind zur aktiven Mitarbeit bereit.
Diese Stellungnahme wurde im Pfarrgemeinderat der beiden Gemeinden am 28.04.2021 beschlossen.