Schmuckband Kreuzgang

Sonntagsgedanken zum 29. März

Alles bleibt anders als gedacht

Holger Allmenroeder (c) St. Marien
Holger Allmenroeder
Datum:
28.03.2020

Liebe Schwestern & Brüder, liebe Freundinnen und Freunde unserer Gemeinden,

es ist bereits der dritte Sonntag, an dem wir als Gottesdienstgemeinde nicht zusammenkommen können. Ich vermisse Sie und die Feier der Gottesdienste, doch noch möchte und kann ich mich damit arrangieren, weil es dem hohen Gut der Gesundheit Vieler dienen soll. Alles wird schon wieder! In zwei Monaten sollte doch alles vorüber sein, und wir können zu unserem gewohnten Alltag zurückkehren! Vielleicht brauchen wir einen längeren Atem, als wir derzeit vermuten ....... und damit bin ich auch schon bei der sehr langen Lesung aus dem Johannesevangelium (Kap. 11, Verse 1-45)

Am fünften Fastensonntag, 28./29. März 2020 wird dieser Text in unserer Kirche gelesen. Jesu Freund Lazarus, Bruder von Martha und Maria stirbt. Jesus hat einen langen Atem, die Jünger und die Schwestern eher nicht. Jesus soll sich beeilen, damit Lazarus gar nicht erst stirbt. Doch er lässt sich Zeit, ist über den "Notfall Lazarus" nicht aus der Ruhe zu bringen. Und dann, als sein Tod festgestellt wird, hat er es nach dem Text nicht eilig. Maria, Martha, die Jünger reagieren verwundert, verärgert, vorwurfsvoll. Sprüche wie "Lazarus wird auf-er-stehen" kommen in diesem Moment bei Martha, der praktisch Denkenden, gar nicht gut an. Vertröstet werden mag sie nicht. Wie gut ich das verstehen kann. Das passiert auch in der Seelsorge immer wieder: Menschen bekommen den Eindruck, vertröstet zu werden, z.B. mit frommen Phrasen.

Das Johannesevangelium ist aber kein Lehrstück über ein schwieriges seelsorgerliches Gespräch. Aus der nachösterlichen Betrachtung bettet es menschliche Sterblichkeit am Beispiel des Lazarus in das Sterben und Auferstehen Jesu ein. Da kann der Mensch noch so gottvertrauend sein - die Trauer um einen geliebten gestorbenen Menschen erschüttert die Seele, fordert den Glauben heftig heraus. Es braucht oft einen langen Atem, um damit fertig zu werden. Vielleicht muss der eigene Glaube hinterfragt werden. Vielleicht muss die Glaubensidee über GOTT auf den Prüfstand. Mit den vorwurfsvollen Worten, "wärest du hiergewesen, Herr, dann wäre mein Bruder nicht gestorben", begrüßt Martha Jesus. Das ist menschlich verständlich, vielleicht typisch für menschliches Reagieren. Vorwürfe, Schuldige suchen scheint tief als Reaktion eingepflanzt, vielleicht ist diese Reaktion aber auch nur kulturell erworben. Bei Nichtreligiösen wie religiösen Menschen sind diese Muster anzutreffen. 

Um Auf-er-stehung geistlich zu verstehen, braucht es einen langen Atem, der durch unsere Gemeinschaft als Gottesdienstgemeinde, und auch in der außerordentlichen Situation, dass wir derzeit "nur" im Geiste miteinander verbunden sind, gestützt werden soll. Die Jünger gerieten nach der Kreuzigung in den Zustand der Enttäuschung. Krise! Was nun! Manche hatten keinen langen Atem und waren dann fort. Eine größer werdende Anzahl jedoch bewiesen langen Atem und konnten schließlich GEISTLICH verstehen, wurden GEISTLICH reif.
Zurück zu Lazarus. Er riecht schon! Die Schwestern und Jünger haben ihn gefordert. Nun sollen sie bekommen, was sie sich wünschen: Lazarus soll leben! Und so bekommt Lazarus ein weiteres Quantum Leben geschenkt. "Löst ihm die Binden und lasst ihn gehen!" Ja, er lebt - für eine Weile - weiter. "Lasst ihn weggehen", er bleibt für eine Weile unter den Menschen, aber anders als gedacht, denn er geht, wohin auch immer. Es fällt schwer loszulassen. Menschen hadern und kämpfen damit. Glaube soll gefälligst so etwas wie ein Versicherungsschein gegen den menschlichen Verlust sein. Was nützt es mir zu glauben, wenn Glaube nicht jetzt und jederzeit Effekt, quasi magische Wirkkraft zeigt? Maria, die Emotionale, die Martha, die Praktische, und Jesu Jünger, die stets überfordert wirkenden Lernenden müssen umdenken. Sie werden lernen umzudenken, dass Glaube nicht vor der Krise bewahrt, aber mit langem Atem wieder aus der Krise herausführt. Wenn Sie sich das ganze als einen Tunnel vorstellen: wie wird es wohl auf der anderen Seite des Tunnels ausschauen? Wie auf der Eintrittsseite? Vielleicht nicht!

Ich wünsche Ihnen in Ihrem Gottvertrauen einen langen Atem. Sie dürfen sicher sein, viele andere atmen mit Ihnen lange durch. Bleiben Sie wenn möglich gesund und einander verbunden, auch wenn "Alles anders bleibt".

Übrigens: auch an diesem Sonntag werde ich um 9:30 Uhr und 11:00 Uhr in den Kirchen präsent sein. Bitte achten Sie darauf, dass nie viele auf einmal in der Kirche sind. Die behördlichen Anordnungen sind unbedingt zu beachten, sprich Distanz ist unbedingt einzuhalten.

Vorankündigung: Am Palmsonntag werden gesegnete Palmkreuze zur Selbstbedienung an der Altarstufe stehen. Falls Sie freiwillig einen Obolus (0,50 €) beitragen wollen, sind wir Ihnen dankbar.

Für telefonische Gespräche stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung: Telefon 0175-4034798

Gott segne Sie und Ihre Familien und FreundInnen!

Holger Allmenroeder, Pfarrer