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Thema Bestattunggesetz:Wenn ich nicht mehr bin

Mit dem neuen Bestattungsgesetz in Rheinland-Pfalz entfällt die Friedhofspflicht. Wird das die Art und Weise verändern, wie Menschen Abschied nehmen und trauern? Die letzte Ruhestätte – das ist meist der Friedhof. Die Namen Verstorbener sind auf Grabsteinen zu lesen, manchmal auch auf einem kleinen Schild an einem Baum in einem Bestattungswald. Der Name verortet – die Trauer wie zuvor das Leben.
Herbstlicher Weg auf dem Friedhof
Von:
Glaube und Leben | Gertrud Wellner

Neue Bestattungsformen in Rheinland-Pfalz möglich

Das kann sich jetzt ändern. Denn: Im neuen rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetz, das seit Oktober gilt, ist die Friedhofspflicht aufgehoben. Damit sind neue Bestattungsformen in Rheinland-Pfalz möglich, aber nur, wenn der letzte Hauptwohnsitz dort war. Es gilt als „modernstes Bestattungsgesetz in Deutschland“ – so sagt es jedenfalls die Landesregierung.

Bisher war es erforderlich, für solche Bestattungsformen ins Ausland zu gehen, etwa in die Niederlande oder die Schweiz. Nun kann die Asche eines geliebten Menschen in den großen Flüssen – Rhein, Mosel, Saar und Lahn – beigesetzt werden. In einer wasserlöslichen Kapsel wird dabei die Asche in den Fluss gelassen. Eine Vorgehensweise, wie sie bereits seit Längerem bei der Seebestattung in Ost- und Nordsee bekannt ist. Außerdem kann die Asche in Rheinland-Pfalz verstreut werden – auf einer ausgewiesenen Fläche innerhalb des Friedhofs oder außerhalb. Es ist nun auch möglich, einen Teil der Asche zu entnehmen, um einen Diamanten pressen zu lassen. Und die Urne darf mit nach Hause genommen werden.

Die genannten Bestattungsformen sind anonym, das heißt, im öffentlichen Raum gibt es keine feste Stelle, die an die verstorbene Person erinnert – kein Namensschild am Fluss oder an der Stelle, an der die Asche verstreut wurde. Wer bei der Beisetzung nicht da war, kennt den Ort nicht und kann ihn auch nicht finden.

Für den Mainzer Bischof Peter Kohlgraf widersprechen diese anonymen Bestattungsformen „dem kirchlichen Verständnis von der Einmaligkeit und Würde eines jeden Menschen sowie der Bedeutung eines konkreten Ortes für die Trauer und eine bewusste, öffentliche Gedenkkultur“, wie er in einem Brief an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pastoralen Dienst schreibt.

Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit

In eine ähnliche Richtung argumentiert Barbara Wolf aus dem Bistum Mainz. Dort ist sie im Dezernat Seelsorge Referatsleiterin für Seelsorge in Einrichtungen der Gesundheits- und Altenhilfe. Für sie zeigt der Friedhof: „Es gab Menschen vor uns, und es wird sie auch nach uns geben.“ Der Friedhof führt damit zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit – etwas, das gerne verdrängt werde. Außerdem sei der Friedhof ein öffentlicher Ort – und so gibt er allen, die mit der verstorbenen Person verbunden waren, auch die Möglichkeit, bei der Beisetzung Abschied zu nehmen – selbst wenn man nicht eng verbunden war und den Angehörigen in ihrem Schmerz einfach beistehen will. Alle können kommen – auch wenn man zerstritten war. Ein Grab ist eine Chance für alle, die nicht bei der Beisetzung dabei sein konnten: ein Ort für einen persönlichen Abschied.

Verena Maria Kitz ist Leiterin des Fachzentrums Trauerseelsorge im Bistum Limburg – sie hat derzeit ein großes Projekt: die erste Begräbniskirche in Hessen. In St. Michael im Frankfurter Nordend entsteht ein Trauerort mit 2500 Urnenplätzen. Für Kitz ist es wichtig, an die Hinterbliebenen zu denken: „Wenn ein Mensch für sich selbst entscheiden kann, ich möchte meine Asche verstreuen lassen, dann mag das für ihn oder sie vielleicht auch eine wichtige und richtige Entscheidung sein. Aber es kann eben auch wiederum auf Menschen, die mit diesem Menschen etwas zu tun hatten, Auswirkung haben.“

Sie warnt davor, dass die anonyme Bestattung den Trauernden einen wichtigen Ort nehmen könnte, an dem sie ihre Trauer verarbeiten können. Ein Ort, der mit dem Namen des Verstorbenen verbunden ist, ist für viele ein wichtiger Anker. „Nicht wenige stellen das nach dem Tod eines lieben Menschen mit Überraschung fest, weil Friedhöfe oder Gräber vorher für sie wenig Bedeutung hatten.“

Doch das schätzen nicht alle so ein. Bei Sina Müller-Cunradi vom Bestattungsinstitut Grünewald*Baum in Mainz klingelte das Telefon bereits, bevor das Gesetz beschlossen war. In ihrem Institut verteilt sich der Anteil der Erdbestattungen bisher im Schnitt auf 15 bis 20 Prozent, entsprechend 80 bis 85 Prozent auf Feuerbestattungen. Bereits vor der Gesetzesänderung wurde die Asche bei fünf bis zehn Prozent der Feuerbestattungen außerhalb des Friedhofs beigesetzt – beispielsweise in einem Bestattungswald.

Jüngere wählen eher neue Beisetzungsarten

Für diese Beisetzungsarten ist laut der Bestatterin oft ein jüngeres Alter ausschlaggebend – sowohl der Menschen, die versterben, als auch derer, die begleiten. Für Müller-Cunradi spielt es zudem eine große Rolle, ob man im Glauben und in der Heimatgemeinde verortet ist. „Und die ältere Generation hat eben noch viele Familiengräber“, sagt sie. „Ich glaube, es wird eine Generationenfrage sein, bis sich eine neue Trauerkultur entwickelt hat, die den Friedhof nicht mehr als klassisches Zentrum sieht.“

In den vielen Diskussionen im Vorfeld des neuen Gesetzes zeigte sich, dass es auch eine Chance birgt: das Thema Tod und Trauer aus seiner Tabu-Zone zu holen. Oder wie es die Bestatterin ausdrückt: „Tod und Trauer ins Leben zurückbekommen.“ Denn die neuen Bestattungsformen in Rheinland-Pfalz werden nur möglich, wenn die verstorbene Person diesen Wunsch vor dem Tod entsprechend in einer Verfügung hinterlassen hat. Außerdem muss sie mit jemandem darüber gesprochen haben, der diesen letzten Wunsch erfüllt. Dennoch können die Angehörigen frei entscheiden, ob sie den Wunsch erfüllen wollen – oder können. Der Weg auf den Friedhof bleibt immer offen.

Wer keine Beisetzung auf einem Friedhof wünscht, der muss seinen Wunsch schriftlich festhalten. Und vor allem der Person seines Vertrauens, diesen letzten Wunsch vermitteln. Das Miteinander-Reden ist wichtig. Das stellt auch eine Studie des Rheingold-Instituts im Auftrag des Unternehmens Friedwald fest: Auf die Frage, inwieweit vorab mit der verstorbenen Person über die Bestattung gesprochen wurde, gab knapp die Hälfte der Befragten an, dass es vage bis gar keine Gespräche gegeben habe. Das bestätigt auch Sina Müller-Cunradi: „Es ist ein ganz großer Schmerz, wenn Menschen bei uns sitzen und nicht wissen, was der Verstorbene gewollt hat.“ Die neue Regelung kann für Referatsleiterin Wolf bewirken, dass Menschen miteinander ins Gespräch kommen: „Um für die Trauer gut aufgestellt zu sein, sollten wir uns zu Lebzeiten damit auseinandersetzen: Es wird Zeiten geben, wenn Du nicht mehr da sein wirst.“

 

 

 

Hintergrund

Seit dem 27. September 2025 gilt das neue Bestattungsgesetz in Rheinland-Pfalz. Mit einer Totenfürsorgeverfügung kann der eigene Bestattungswunsch außerhalb eines Friedhofs zu Lebzeiten festgehalten werden. Dabei gilt es einiges zu beachten: Die Erklärung kann formlos sein, allerdings müssen Name, Anschrift und Geburtsdatum sowie die Person, die sich um die Umsetzung der Verfügung kümmern soll, ebenfalls mit Name, Anschrift und Geburtsdatum genannt sein. Der gewählte Bestattungswunsch muss klar dargestellt sein. Ebenso dürfen die eigenhändige Unterschrift der verfügenden Person sowie das Datum der Erstellung nicht fehlen. In der Verfügung kann nur eine einzelne Person für die Durchführung benannt werden.

Erinnerungsstücke, die aus der Asche der Verstorbenen gefertigt wurden, wie etwa Schmuckstücke, Schmucksteine, Gemälde oder Keramiken, können von der Person an andere Personen weitergegeben werden, wenn dies festgelegt wurde. Bei einer Flussbestattung erfolgt die Beisetzung einer Ascheurne aus sofort wasserlöslicher Zellulose; sie kann nur von Bestatterinnen und Bestattern durchgeführt werden. Ein Verstreuen der Asche in den Fluss oder am Ufer ist nicht erlaubt.

Falls die für die Totenfürsorge bestimmte Person nicht mehr dazu in der Lage ist, muss die Asche der verstorbenen Person durch die gesetzlich bestimmten Verantwortlichen auf einem Friedhof beigesetzt werden. Eine Weitergabe oder gar „Weitervererbung“ der Urne ist nicht vorgesehen.

Alle Details zum neuen Bestattungsgesetz in Rheinland-Pfalz: mwg.rlp.de/themen/gesundheit/bestattungsgesetz

Auch in Hessen gab es kürzlich eine Gesetzesänderung: https://hessen.de/presse/neues-friedhofs-und-bestattungsgesetz-beschlossen