Nicht immer kommen die Jünger besonders gut weg in den Evangelien: Entweder sie sind begriffsstutzig, eigennützig oder ängstlich – oder sie verraten und verleugnen den Herrn. Je weiter die Lebens- und Leidensgeschichte Jesu voranschreitet, desto zumutungsreicher wird auch das Verhalten der künftigen Apostel.
Im Evangelium des fünften Sonntags der Osterzeit sind es gleich zwei Jünger, die Jesu Geduld und Nachsichtigkeit auf die Probe stellen: Thomas und Philippus. Sie stellen jeweils eine Frage, die Jesus vor Augen führt, wie wenig sie ihn bislang verstanden haben. Jesus scheint darauf weniger mit Ungeduld und Ärger zu reagieren als durch eine leise Traurigkeit, in die sich sogar ein wenig Verzweiflung eingeschlichen hat.
Zunächst ist es der ungläubige Thomas, der von ihm wissen will: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“ Darin steckt zunächst einmal das große Verlangen, den Weg Jesu weiter mitzugehen. Es ist keine Absonderung oder Fahnenflucht, ganz im Gegenteil. Doch der Wunsch allein vermag noch nicht die Augen zu öffnen. Es braucht die klare Aus- und Zusage des Herrn, um Orientierung zu bekommen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“
Die Erkundigung des Philippus wenig später kommt nicht als Frage daher, sondern als Aufforderung. Damit ist sie noch zudringlicher und offenbart zugleich noch mehr Unverständnis: „Zeig uns den Vater; das genügt uns.“ Eine bescheidene Bitte, so hat es den Eindruck und außerdem sehr berechtigt und nachvollziehbar. Jesu Reaktion macht aber deutlich, dass der Schüler Philippus allzu wenig aufgepasst hat. Man muss fast um sein Klassenziel fürchten: „Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt?“
Jesus ist eben nicht der einsame Wolf in der Steppe. Er steht nicht für sich selbst. Auch verfolgt er nicht die Absicht, die Jünger exklusiv an sich zu binden; er ist das Gegenteil eines Sekten-Gurus. Das, was er sagt, das, was er tut, soll die Menschen seiner Umgebung zu Gott, dem Vater, führen. Sie sollen nicht bei ihm stehenbleiben, weder unter dem Kreuz noch angesichts seiner Auferstehung.
Der „Vater“ ist keine religiöse Chiffre und auch kein spiritueller Überbau. Der „Vater“ ist das höchste Lebensprinzip, das Ziel aller gläubigen Lebenswege. Jesus gibt diesem Gott auf dieser Welt schon ein Gesicht, er verweist auf ihn und macht sich auf ihn hin durchsichtig. Wer Jesus sieht, hat wirklich den Vater gesehen!