Ich hoffe, Sie verzeihen mir, wenn ich heute ein möglicherweise etwas kontroverses Thema anspreche: Es geht um Prahlerei in den sozialen Medien.
Für die tägliche „taktische“ Kommunikation mit Kindern und Ehepartner sowie in Eltern- Freundes- und Arbeitsgruppen ist WhatsApp, Threema & Co. kaum noch fortzudenken, Facebook erlaubt uns, auch Familienereignisse bei fernen Freunden mitzuverfolgen und LinkedIn erleichtert das Aufrechterhalten von professionellen Verbindungen. In WhatsApp-Familiengruppen halten viele den Kontakt mit Freundeskreis und der Verwandtschaft. Ich bekomme von meinen Lieben sehr viel mehr mit als in alten Zeiten, wo man sich normalerweise nur bei Familienfesten sah. Das ist eine wunderbare Sache!
Leider besteht aber die Versuchung, dass man sich in all diesen Plattformen immer nur von der besten Seite zeigt. Dass man in erster Linie Erfolge reportiert - die heile Familie, der tolle Job, die teure Reise, das neue Haus. Ich gebe zu: da habe ich schon oft fröhlich mitgemischt.
Aber was spricht denn gegen ein wenig Schaumschlägerei? Oder andersherum: Warum soll man sich nicht einfach mit dem anderen mitfreuen, der sich jetzt schon den zweiten Skiurlaub in diesem Jahr leisten kann? Wer hat, der hat! Gönnen wir doch dem Erfolgreichen sein Glück!
Es gibt konkrete Argumente gegen das Prahlen: Manchmal, so ist meine Erfahrung, braucht es nur einen aktiven Prahlhans, um eine ganze Kommunikationsgruppe zu vergiften. Auf das Prahlen wird mit Gegenprahlen geantwortet – schnell werden ausschließlich solche Inhalte publiziert, die den Urheber in dem besten Licht erscheinen lassen. Prahlerei eskaliert. Am Ende wird dann von einem Teil der Gruppe über nichts Anderes mehr gesprochen als was man doch alles im Leben erreicht hat, während der andere Teil schweigt und hofft, dass man sich bald auch wieder über echte Inhalte austauschen kann. Oder die Gruppe verlässt. Darüber hinaus fühlt sich derjenige, dem es vielleicht grade nicht so gut geht und der für sich keinen Anlass zum Angeben sieht, fehl am Platze.
Die Angeberei stellt darüber hinaus den Gegenüber vor ein Problem: Glück ist das Gewahrwerden einer schönen Sache, eines Privilegs, einer Erleichterung im Leben. Die Begabung zum Glücklichsein setzt die Fähigkeit voraus, das Schöne, das vor einem liegt oder das man besitzt, auch zu schätzen. Vielleicht ist man ja sogar dem lieben Gott dankbar für das Glück, das man erfährt. Dankbarkeit ist, wenn man es genau überdenkt, fast dasselbe wie Glück.
Wer prahlt führt aber, unwillentlich oder sogar absichtlich, den Kommunikationspartner in Versuchung, sein eigenes Glück geringzuschätzen und den Prahlenden um dessen familiäres Glück oder seinen beruflichen Erfolg zu beneiden. Man wird versucht, dagegenzuhalten, zu zeigen, dass man sich dasselbe, wenn nicht noch mehr leisten kann. Man wird versucht, den Angeber zu übertrumpfen. Am Ende ist man dann selbst ein Prahlhans.
Ich finde, es erfordert durchaus persönliche Reife, dem Einfluss von Neid und Prahlerei zu widerstehen und sich vom Angeber nicht um sein persönliches Glück bringen zu lassen. Nicht jeder schafft das.
Oft will man sich andererseits vielleicht auch gar nicht großtun, sondern freut sich einfach über glückliche Umstände, eine neue Errungenschaft, oder über den langen herbeigesehnten Urlaub und möchte diese Freude teilen. Ich denke, da kennt sich wahrscheinlich jeder selbst gut genug, dass man seine Freude dann einfach so formuliert, dass sie nicht in erster Linie Neid hervorruft.
Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn die neuen und nützlichen Kommunikationskanäle wie Whatsapp nicht primär zum Angeben genutzt werden, sondern wenn wir es schaffen, diese hauptsächlich zur Verständigung zu verwenden: um den Kontakt mit Familie und Freunden zu pflegen, um uns gegenseitig zu unterstützen und zu koordinieren und um diejenigen schönen Dinge zu teilen, die nicht nur den Urheber im besten Licht erstrahlen lassen, sondern an denen sich wirklich alle gleichermaßen freuen können.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten und schönen Restwinter und Frühlingsanfang!