Predigt: Christi Himmelfahrt 2025

Datum:
Do. 29. Mai 2025
Von:
Pfarrer Krost / Dirk Schneider / Eva Weinitschke

Dirk Schneider: Ja, wo ist er denn?
Der Himmel ist in unserer religiösen Vorstellung der Ort, wo Gott zuhause ist. Jeden Sonntag beten wir im Vaterunser: Vater unser im Himmel … Und später kommt noch einmal „Aufgefahren in den Himmel“. Das erinnert uns genau an das heutige Fest, Christi Himmelfahrt. Wir haben heute einen schönen blauen Himmel. Schauen Sie ruhig einmal hoch. Aber wohin in diesem Himmel ist Jesus denn jetzt aufgefahren? Können Sie ihn da oben irgendwo sehen? Einige von Ihnen haben vielleicht schon etwas über den sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin gehört. Im Jahr 1961 war er der erste Mensch im Weltraum. Als er wieder auf der Erde gelandet war und aus dem Raumschiff wieder herausgeklettert kam, soll er gesagt haben: Ich bin in den Weltraum geflogen – Gott habe ich dort nicht gesehen. Und die meisten hier sind sicher schon einmal mit dem Flugzeug irgendwo hin geflogen, vielleicht in den Urlaub. Haben Sie da, über den Wolken, Jesus gesehen? Am Ende der Lesung haben wir eben gehört: „was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ Und das soll uns schon irgendwie sagen, dass wir vielleicht nicht an der richtigen Stelle suchen, wenn wir einfach den Kopf in den Nacken legen und nach oben gucken. Das ist auch ein Problem mit unserer deutschen Sprache, die hier vielleicht einfach etwas ungenau ist. Im Englischen gibt es zwei Begriffe für das deutsche Wort „Himmel“. Sky und Heaven. „Sky“ beschreibt den Himmel über uns. Mit den Wolken, den Vögeln, dem Flugzeuglärm und so weiter. „Heaven“ beschreibt den Himmel, über den wir im Christentum immer sprechen. Der Himmel ist in unserer christlichen Vorstellung der Ort, wo Gott zuhause ist. Aber dieser christliche Himmel ist eben nicht unbedingt „da oben“. Himmel kann dann auch hier direkt bei uns sein. Wo müssen wir also diesen Jesus suchen, der in diesen Himmel aufgefahren ist? Direkt unter uns! „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“. Ich denke, dass Sie den Spruch alle kennen. Das ist Himmel. Jesus hat immer wieder vom Anbrechen von Gottes Reich auf der Erde gesprochen und das auch „Himmelreich“ genannt. Das Wort Himmel beschreibt für uns Christen keinen unerreichbares Ort, das ist nicht irgendwo da oben, sondern das ist eher ein Ort oder auch eine Zeit, wo alles heil, friedlich und beschützt ist. Also, die Antwort auf die Frage, wo der Himmel ist, ist eigentlich gar nicht so schwer: Schließen Sie einfach mal die Augen und stellen Sie sich gelungene Gemeinschaft, ein friedliches Miteinander, also „himmlische Zustände“ vor. Das ist dann „der Himmel auf Erden“.

Eva Weinitschke: Der Himmel auf Erden… Eine friedliche Welt… Was für ein Traum… Wenn ich meinen Blick vom Himmel abwende und hier auf die Erde schaue, sehe ich: Davon sind wir weit entfernt. Und auch damals war sie alles andere als friedlich. Die Jünger lebten in einer Welt voller Unsicherheit und unter römischer Besatzung. Einer hatte ihnen Sicherheit und Mut gegeben: Jesus. Doch er starb am Kreuz. Kurz darauf die Freude über seine Auferstehung. Und nun verschwindet er in einer Wolke in den Himmel. Dass die Jünger dieser Szene gebannt folgen, ist kein Wunder. Stellen Sie sich das heute, hier auf dem Hof der Feuerwehr einmal vor! Ein Mensch schwebt in den Himmel! Mir fällt dazu ein Wort ein: Superheld! Figuren und Charaktere, mit denen Bücher, Fernsehen und Kino Millionen von Menschen fesseln und begeistern. Allen voran der Urheld Superman, der durch die Lüfte fliegend und mit Superkräften ausgestattet die Welt rettet. Heute gibt es auch Superwoman – gerechterweise… Was fasziniert uns so sehr an solchen Superhelden? Vielleicht die tiefe Sehnsucht nach jemandem, der Frieden bringt, das Böse besiegt. Ein starker Held, der in einer Welt voller Unsicherheit und Krisen durch Mut und Gerechtigkeitssinn Orientierung gibt. Der rettet und beschützt, wenn alles verloren scheint – auch wenn er dafür sein eigenes Leben riskiert. Hoffnungsträger, Retter - ein Menschheitstraum! Es gibt Situationen, in denen Menschen für andere zu diesen Hoffnungsträgern, zu Helden werden. Wir dürfen diesen Gottesdienst heute auf dem Hof der Freiwilligen Feuerwehr unserer Stadt feiern.
Ich erinnere mich an die verheerende Flutkatastrophe im Ahrtal 2021. Mein Bruder und seine Familie haben dort innerhalb weniger Stunden ihr Hab und Gut verloren. Das Haus zerstört und verwüstet, mit dem Leben davongekommen, aber wie gelähmt und mutlos. Nie werde ich die endlosen Fahrzeugkonvois der Feuerwehren vergessen, die von nah und fern ins Ahrtal aufbrachen. Sie kamen und halfen bis zur totalen Erschöpfung. Helden – nicht in einem heroischen Sinne. Sondern Helfer in tiefster Not, Retter, Hoffnungsträger. Danke, dass es euch gibt!

Pfarrer Krost: Es gibt sie, diese Retter, Hoffnungsträger und Helden. Auch fernab von den ganz großen Katastrophen, im Alltag. Sie arbeiten ehrenamtlich oder hauptberuflich. Oft verrichten sie ihren Dienst verborgen, ohne großes Aufsehen. Sie finden sich überall dort, wo Menschen andere Menschen brauchen. Wo die Lebenssituation schwierig geworden ist, wo die Not nicht alleine bewältigt werden kann. Sie helfen, das Leben für andere lebenswerter zu machen, sie widmen ihre Zeit ihren Nächsten, sie dienen dem Allgemeinwohl, sie lindern Leid und Leiden. „Alltagshelden“ wenden die Welt zum Besseren, manchmal nur für eine einzelne Person, manchmal gar für viele. Die Corona-Pandemie hat uns dies eindrücklich vor Augen geführt, als Menschen das gesellschaftliche Leben selbst dann aufrecht erhielten, als sie dafür ihre eigene Gesundheit riskieren mussten. In der Pflege, in der Medizin, im Einzelhandel, in Schulen und Kindertagesstätten, im Hygienebereich, in der Seelsorge, in den Rettungsdiensten, bei Polizei und Feuerwehr… Oder auch einfach die Nachbarn, die für ältere Bewohner eingekauft haben. Oder die Menschen, die vor Pflegeheimen musizierten… Superhelden im Alltag. Auch hier vor Ort gibt es sie. Ich denke an die vielen Ehrenamtlichen unserer Pfarrgemeinde, an Leben teilen, die Flüchtlingshilfe, den Powerclub, den Seniorenkreis, den Camarakreis…

Dirk Schneider: Das ist -zum Glück- ja wirklich so und ein Grund, auch mal Danke zu sagen. Sie können ja gerne auch einmal für sich darüber nachdenken, wer eigentlich für Sie schon zum Helden geworden ist… Doch zurück zum heutigen Evangelium. Es geht ja im Evangelium letztendlich um Jesus, und Du, Eva, sagst, dass Dich das heute an einen Superhelden erinnert. Aber mal ganz ehrlich: das passt doch bei Jesus so gar nicht! Der war nun wirklich kein klassischer Superheld, oder? Das fängt ja schon bei der Geburt an: Jesus wurde in einem Stall geboren – arm, unbedeutend, am Rand der Gesellschaft. Hört sich das nach einem wichtigen Superhelden an? Und genauso wenig heldenhaft setzt sich doch Jesu Leben fort: Während Superhelden spektakuläre, pompöse Auftritte haben, handelt Jesus meist gelassen und unaufgeregt, eher am Rande. Er läuft zu Fuß durch Galiläa, wo ein echter Superheld längst laut und stark abgehoben und den Staub der Straßen unter sich gelassen hätte. Und er ist nicht im Batmobil gefahren, wie Batman, sondern auf einem Esel in Jerusalem eingezogen. Hört sich das nach einem Superhelden an? Und schließlich das Ende. Da ist dann ja irgendwie alles schief gelaufen: Ein Superheld ist immer irgendwie unverwundbar. Und dieser Jesus - der wird wie ein gewöhnlicher Verbrecher ans Kreuz genagelt. Wir erleben Jesus letztendlich als schwach und ohnmächtig, als einen Ausgestoßenen. Hört sich nicht nach einem Superhelden an, oder? Superhelden retten die Welt durch Kraft und Macht. Aber Jesus?

Eva Weinitschke: Stimmt schon. Es gibt Stationen im Leben Jesu, die nicht in ein klassisches Heldennarrativ passen:

- Er identifiziert sich mit den Schwachen, den Ausgestoßenen.
- Seine Superkraft ist nicht die physische Stärke, sondern Liebe, Barmherzigkeit und       Versöhnung. Das ist etwas radikal anderes als Muskelkraft oder Laserschwert.

Das macht Jesus zu einer anderen Art Held. Aber am Ende rettet er die Welt. Denn er besiegt unseren letzten Gegner: Den Tod! Durch seine Auferstehung zeigt Jesus: Das Leben triumphiert über den Tod, Sanftmut siegt über Gewalt und Hoffnung ist stärker als Verzweiflung.

Pfarrer Krost: Und damit hat er definitiv  den entscheidenden Wendepunkt der Menschheitsgeschichte gesetzt! Ohne die Auferstehung wäre Jesus wohl als gescheiterter jüdischer Wanderprediger in der Geschichte verblasst. Nach Jesu Tod waren seine Jünger entmutigt, ratlos und verängstigt. Denn obwohl sie Jesus so lange begleitet hatten, hatten sie in Jerusalem doch die Hoffnung gehabt, dass Jesus mit Macht und Stärke das Königreich Gottes installiert und so das Schicksal des fremdverwalteten jüdischen Volkes wendet. Diese Hoffnung hat er radikal enttäuscht. Doch es waren gerade der Tod Jesu und seine Auferstehung, die schließlich trotzdem zum Wendepunkt wurden. Sie waren der Auslöser für die Entstehung der christlichen Kirche. Daraus entwickelte sich eine der größten Weltreligionen, die über zwei Milliarden Menschen und ganze Kulturkreise prägt. Eine Weltreligion, deren zentrale Botschaft die Lehre Jesu von Nächstenliebe, Vergebung, Gleichheit, Menschenwürde, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit ist! Ein Wendepunkt auch, weil die österlichen Ereignisse jedem einzelnen Menschen die Hoffnung spenden: Tod und Leid haben nicht das letzte Wort. Und diese Hoffnung kann eine Kraftquelle in unseren eigenen Krisen und Leidenserfahrungen sein. Sie ist der Kernpunkt einer weltverändernden Botschaft. Sie stellt eine radikale Wende dar – vom Tod zum Leben, von Verzweiflung zur Hoffnung. Und diese Wende hat nicht nur einzelne Gläubige, sondern ganze Gesellschaften geprägt und verändert.

Eva Weinitschke: Also ist es doch eine Heldengeschichte, die wir an Christi Himmelfahrt hören. Jesus wird von einer Wolke aufgenommen in den Himmel entrückt. Die Wolke verweist schon im Alten Testament auf Gottes verborgene Gegenwart. Sie verbindet Himmel und Erde. Und damit schließt sich der Kreis: „Wo ist der Himmel?“ hast du anfangs gefragt, Dirk. Der Himmel ist dort, wo Gott wirksam ist – egal ob oben oder unten. Christi Himmelfahrt deutet noch einmal darauf hin, dass Jesus durch sein Wirken den Menschen den Himmel ganz nahe gebracht hat. Wo ist der Himmel heute? Er ist dort, wo wir ihn auf die Erde holen. Wo wir die Welt zum Guten verändern, Leben ermöglichen, Hoffnung geben! Dann feiern wir nicht nur Christi Himmelfahrt, sondern auch „Gottes Erdenfahrt“!
Aber - gönnen wir uns ab und zu auch einen kurzen Blick in den Himmel mit den sanft dahinziehenden Wolken. Möge er uns erinnern an unseren Superhelden – Jesus Christus, den anderen Weltenretter. Der den entscheidenden Wendepunkt für die Menschheit gebracht hat. Der nicht mit Macht, sondern mit Liebe die Welt veränderte. Folgen wir ihm nach, hier unten, auf der Erde. Er lässt uns nicht allein, sondern er hat uns eine „Superkraft“ versprochen: Die Heilige Geistkraft, die Liebe, Ermutigung und Hoffnung spendet. Aus dieser Kraft heraus können auch wir zu Wendepunkten im Leben anderer werden.  Manchmal reicht schon ein Lächeln. Wir alle haben das Potential zum Helden – jeden Tag neu. Gestalten wir so den Himmel Gottes auf Erden.
Amen