Es fühlte sich ein bisschen an wie ein Paukenschlag in der ruhigen und erholsamen Sommerzeit – die Kleruskongregation aus dem Vatikan veröffentlichte eine Instruktion, die für viel Unruhe sorgte.
„Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinden im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“- so der etwas sperrige Titel dieser „Verwaltungsanweisung“ für die Bistümer weltweit. Das 124 Punkte umfassende Papier beginnt mit einem durchaus realistischen Blick auf die aktuelle Situation vieler Pfarrgemeinden: Hier wird davon gesprochen, dass sich die „territoriale Ausrichtung der Pfarrei mit den heutigen Gegebenheiten, der Zunahme der Mobilität und der digitalen Kultur auseinander setzen muss“ …, dass „die Pfarrei die Impulse der Zeit aufnehmen muss“ und dass es einer „erneuerten Dynamik bedarf“. Kurzum – im ersten Teil der Instruktion spiegelt sich durchaus der Geist von Papst Franziskus wider, der ja immer wieder dazu ermutigt, über bestehende, starre Strukturen hinwegzugehen, an die Ränder zu gehen und missionarisch zu sein.
Und dann kommt die Kehrtwendung, in dem die bisherigen Strukturen gefestigt und ze-mentiert werden. Die Aussagen sind klar und deutlich: Es muss bei den bestehenden Machverhältnissen bleiben. Nur der geweihte Priester darf eine Gemeinde leiten. Wer kei-ne Priesterweihe empfangen hat, „kann, auch nicht im Falle des Priestermangels, weder den Titel noch die entsprechenden Funktionen erhalten“. Damit wird den vielen Leitungsmodellen, die in den Bistümern entwickelt werden und teilweise auch bereits erfolgreich umgesetzt sind, eine klare Absage erteilt. Eine gemeinsame Verantwortung von Priestern und Laien darf es nicht geben. Es wird sogar ausdrücklich betont, dass „Bezeichnungen wie ‚Leitungsteam‘, ‚Leitungsequipe‘ oder ähnliche Bezeichnungen, die eine kollegiale Leitung der Pfarrei zum Ausdruck bringen könnten, zu vermeiden sind“.
Wie müssen sich Laien – Frauen und Männer, ob hauptberuflich oder ehrenamtlich – fühlen, wenn sie solche Zeilen lesen? Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber ich empfinde diese Aussagen als zurückweisend und sehr kränkend. Und dabei muss ich in diesem Punkt gar nicht nur auf die Rolle der Frauen in unserer Kirche eingehen.
Wir bringen uns auf vielfältige Weise ins Gemeindeleben ein, wir investieren Zeit und oft genug auch Geld, um Kirche vor Ort lebendig und verantwortlich mitzugestalten. Vielerorts geschieht dies in einem Miteinander auf Augenhöhe – unsere Pfarrgemeinde ist hierfür das beste Beispiel. Aber es gibt auch Pfarreien, da ist dies eben nicht möglich. Da sagt der Pfarrer, wo’s lang geht. Diese Priester werden nun in ihrer Haltung bestärkt. Und da wundern wir uns, dass uns immer mehr Menschen den Rücken zukehren und scharenweise austreten?
Weiter ist in der Instruktion klar benannt, dass der jeweilige Bischof jede Zusammenlegung von Pfarreien in Rom genehmigen lassen muss. Man mag über die Sinnhaftigkeit von entstehenden großen Pfarreien unterschiedlicher Auffassung sein - die immer geringer werdende Zahl von hauptberuflichen Mitarbeiter*innen, engagierten Katholik*innen und Gemeindemitgliedern insgesamt, aber auch die einbrechenden finanziellen Ressourcen erfordern eine Veränderung von Strukturen. Welche Alternativmöglichkeiten es geben könnte, zeigen die Anweisungen aus Rom nicht auf. Wie so oft werden Fragen von heute mit Antworten von gestern beantwortet.
Wie ernst nimmt Rom eigentlich seine Bischöfe, denen die Hirtensorge in ihren Bistümern übertragen ist? Bemühungen, die unsere Kirche in eine gute Zukunft zu führen sollen, werden quasi mit einem Handstrich weggefegt. Groß angelegte Synoden, die Entscheidungen auf eine breite Basis stellen sollen, werden zurückgepfiffen.
Ich weiß nicht, welche Reaktionen die verantwortlichen Herren der Kleruskongregation erwartet haben. Aber ich vermute, dass sie eher nicht mit dem Widerspruch von Bischöfen gerechnet haben – und das nicht nur aus Deutschland.
So nannte beispielsweise Erzbischof Schick (Bamberg) das Papier „theologisch defizitär“ und „dass es mehr Schaden als Nutzen bringen würde“. Er stellte klar, dass er für sein Bistum keinen Handlungsbedarf sehe. Der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Bode (Osnabrück), bezeichnete die Instruktion „als starke Bremse der Motivation und Wertschätzung der Dienste von Laien“… und Bischof Kohlgraf aus unserem Bistum Mainz machte deutlich, dass er „den Eingriff in meine bischöfliche Hirtensorge nicht so einfach hinnehmen kann“ und er sich um die Priester und die vielen (noch) Engagierten sorge. „Bald werden sie genug davon haben, wenn ihr Engagement nur misstrauisch beäugt und von oben herab bewertet wird.“
Er hat Recht! Wir haben bald genug! Wir müssen widersprechen – und gleichzeitig im Dialog bleiben. Die Tatsache, dass endlich auch die Bischöfe nicht mehr alles widerspruchslos hinnehmen, ist zumindest ein kleines hoffnungsvolles Zeichen. Viel Zeit haben wir nicht mehr…