Zum Inhalt springen

Pfarrer Norbert Bewerunge i.R.:Nachruf

Pfarrer Norbert Bewerunge im Jahr 2019
In der Karwoche, am 27.03.2024, ist Pfarrer Norbert Bewerunge, der Erbauer der Hildegardkirche und erster Pfarrer der Pfarrei St. Hildegard bis 1997, verstorben. Viele Gläubige hat er all die Jahre seelsorgerlich begleitet und bis zuletzt Kontakte nach Viernheim gepflegt.
Datum:
8. Apr. 2024
Von:
Dorothea Busalt

„Ich aber werde in Gerechtigkeit dein Antlitz schauen, mich satt sehen an deiner Gestalt, wenn ich erwache.“ Psalm 17,15

Im Requiem am Samstag, den 06.04.2024, haben die katholischen Christen Viernheims in der Apostelkirche  in besonderer Weise für ihn gebetet und sein Leben und Wirken anstelle der Predigt als Nachruf in den Mittelpunkt gestellt:

Das Bistum hat in seiner Todesanzeige den Lebenslauf und sein Wirken als Priester aufgezeigt.

Gemeindemitglieder aus der Hildegardpfarrei haben ganz unterschiedliche Erinnerungen erzählt, die wir mit Ihnen jetzt ebenfalls teilen möchten.

Pfarrer Norbert Bewerunge wurde am 16. September 1932 in Köln-Mühlheim geboren. Ein Jahr später zog er mit seiner Familie nach Berlin-Charlottenburg, wo er von 1939 bis 1943 die Volksschule besuchte. Seine Kindheit war geprägt von der Zeit des Zweiten Weltkrieges und von den Ängsten, Entbehrungen und Verlusten, die damit einhergingen. Sein Vater und sein Bruder fielen als Soldaten im Krieg. 1943 wurde Norbert Bewerunge nach Heppenheim an der Bergstraße evakuiert, 1944 kam er nach Ilbenstadt. 1953 legte er seine Reifeprüfung am Gymnasium der Augustinerschule in Friedberg ab.

Die Kinder und Jugendlichen aus der Pfarrei haben ihn damals so erlebt:

Er konnten sehr gut Geschichten erzählen. Wir als Kinder haben ihm stundenlang zuhören können. Das ging los über Krimigeschichten oder Rätselgeschichten, bis hin zu Abenteuerstorys. Im Zeltlager hat er immer mit uns Fußballgespielt, er hat immer eine Lagermesse (im Zeltlager) speziell für uns jungen Leute gehalten. Oft war er über ein  bis zwei Tage mit im Zeltlager, hat abends Geschichte erzählt und mit uns älteren über die Kirche diskutiert, aber auf seine Art.  

 Weil es in der Pfarrei in den 80er und Anfang der 90er Jahre keine Räumlichkeiten gab, die die KjG nutzen konnte, setzte sich Pfarrer Bewerunge dafür ein, etwas Passendes zu finden und anzumieten. So kam die KjG St. Hildegard, die bis dahin nur aus Jungs bestand, in der Hügelstraße unter. Obwohl die KjGler des Öfteren auch mal über die Stränge schlugen, setzte Pfarrer Bewerunge sich damals immer für sie ein und beschwichtigte nicht selten den Vermieter oder die Anwohner.

 Oftmals, wenn Pfarrer Bewerunge das Jugendheim betrat, erschien er mit den Worten im Türrahmen: „Heda, peng weg!“

 Weil Pfarrer Bewerunge kaum in der Lage war, einen Ton zu singen oder zu halten, rief er die Gruppe der Chormädchen ins Leben, die alle Liedzeilen sang, die normalerweise der Pfarrer oder ein/e VorsängerIn übernommen hätte. als Anerkennung bekamen sie im Sommer nach der Singstunde gelegentlich ein Eis spendiert. Und sobald sie etwas größer waren, konnten Sie sofort im Kirchenchor mitsingen.  

 Freitags war Ministrantenstunde, bei der der Ablauf für den Gottesdienst eingeübt wurde, recht konsequent, denn ein "sicheres Auftreten" war Ehrensache. Das galt auch für einen gepflegten Haarschnitt: "Müsstest du nicht wieder einmal zum Frisör?" Turnschuhe waren damals auch aus Sicht unseres Pfarrers ein "No go", aber irgendwann hatten die Jungs keine anderen Schuhe mehr…

Ihm war es wichtig, das Verständnis für den tieferen Sinn hinter den äußeren Förmlichkeiten zu vermitteln, besonders an den Hochfesten, wenn der Ablauf für die Gottesdienste geprobt und besonders erläutert wurde. Dann wurden spezielle Messdienerstunden abgehalten, bei denen die Jungs mit dem Pfarrer den Ablauf an einem Styropor-Modell des Altarraumes besprachen und einübten.

Nach den Gottesdiensten war er dann stets sehr stolz auf die Ministranten, wenn wieder einmal alles geklappt hatte.

 In den 80er Jahren wurde über die Messdiener und über die Chormädchen genau Buch geführt, wie lange sie bereits dabei waren und auch wie oft sie im Gottesdienst einen Dienst übernommen hatten. Zu Weihnachten rechnete Pfarrer Bewerunge dann davon abhängig einen Betrag aus und man durfte einen Wunsch aufschreiben. Er ging danach persönlich in alle Geschäfte und kaufte die Sachen, die die Kinder dann als Weihnachtsgeschenk überreicht bekamen.

Jedes Jahr machte Pfarrer Bewerunge jeweils einen Ausflug mit den Chormädchen und mit den Messdienern. Die Messdiener fuhren auf Burgen und spielten Geländespiele, die Chormädchen besuchten Puppenmuseen. Irgendwann verlangten die Chormädchen auch mehr Abenteuer und so wurden fortan die Ausflüge gemeinsam durchgeführt, wie z.B. in einen Freizeitpark.

 Legendär waren Pfarrer Bewerunges Fahrkünste. Wenn man das zweifelhafte Vergnügen hatte, in seinem Auto zu sitzen, während er am Steuer saß, dann konnte man danach lediglich davon berichten, dass die Landschaft in Höchstgeschwindigkeit an einem vorbeigezogen war, während man selbst das Bodenblech durchgetreten hatte.

Noch im gleichen Jahr nach seinem Abitur trat er ins Mainzer Priesterseminar ein, um Katholische Theologie zu studieren. Geweiht wurde er von Bischof Albert Stohr am 27. Juli 1958 im Hohen Dom zu Mainz.

Nach der Weihe war er Kaplan in Lorsch, Offenbach, Ilbenstadt, Obertshausen, Birkenau, Sprendlingen und Viernheim, wo er sich sein pastorales Rüstzeug erwarb.

Er war sehr belesen und kannte sich in Kunstgeschichte aus wie kaum ein anderer. Wolltest Du eine Burg besichtigen, er wusste, wo Du die Geheimgänge und besondere Orte dort fandest. Er konnte Dir auch alle Fragen zu Kunstgeschichte und historische Bauwerke beantworten.

Ich glaube, eigentlich hätte er Beauftragter der Kirche für Bauten und Kunstgesichte werden sollen, dass wäre seine Berufung gewesen.

In der Sakristei stand immer eine Schreibmaschine, auf der Pfarrer Bewerunge auch kleinste Texte schnell tippen konnte, denn seine krakelige Schrift war für alle unlesbar.

Dekan Hattemer baute mit ihm als Kaplan die neue Pfarrei St. Hildegard in Viernheim auf, deren erster Pfarrer er wurde.

In der Sakristei hing immer ein grauer Kittel. Als er schon im Ruhestand war und in Lorsch wohnte, wurde wegen eines Umbaus sein Wissen in Bezug auf die Kirche gebraucht. Und so zog er sich wieder einmal den Kittel an, um auf das Dach zu steigen und sich ein Bild vor Ort zu machen. Er kannte diese Kirche als Erbauer wie kein anderer. Ende der 70 er Jahre verfasste er einen Kirchen- und Gemeindeführer, in dem er alles Wichtige dazu niederschrieb.

Seine ernsten und tief fundierten Predigten prägten viele junge Menschen.

Auch aus anderen Pfarreien Viernheims kamen Gläubige, um diese Predigten zu hören. Sie waren für junge Menschen sehr nachhaltig.

Pfarrer Bewerunge hatte die Angewohnheit, sich ganz unbewusst während seiner Predigt nach einiger Zeit auf den Ambo aufzustützen und dabei seinen Kopf in die Handfläche zu legen. Wenn das passierte (oder kurz bevor es passierte) ertönte aus einer Kirchenbank ein laut vernehmbares Räuspern, woraufhin er sich sofort wieder gerade hinstellte und weitersprach. Das Räuspern kam von Fräulein Veith, seiner Haushälterin.

Über 30 Jahre lang leitete er die Pfarrei.

Er war sehr sparsam. Als er die Pfarrei übergeben hat, hatte er viel Geld für die Kirche angespart, damit sie weiter unterhalten werden konnte.

Trotz der vielen Jahre, die er Pfarrer der Hildegardpfarrei war und der vielen Verdienste, die er sich beim Aufbau der Pfarrei erworben hatte, lehnte er eine Verabschiedung als Pfarrer mit der Gemeinde ab. Zur Primiz von Bernhard Haas jedoch, während der Glaubenswoche oder zur Verabschiedung der Kindergartenleitung Ursula Franz kam er wieder in seine Hildegardkirche zurück.

Als er 1997 in den Ruhestand ging und in Mainz lebte, konnte er sich noch mehr als zuvor historischen Studien widmen. Die Basilika Ilbenstadt und der Hl. Gottfried waren ihm besonders wichtig.

Er hat es noch geschafft. Eine gute Freundin aus Mainz erzählt, dass er ein erstes Buch über den Hl. Gottfried aus Ilbenstadt fertiggestellt hat und es noch vor seinem Tod in den Druck gegangen ist. Jahrelang hat er dafür gearbeitet. Das war ihm das Wichtigste. Als er ins Bruder Konrad Stift umgezogen ist, mussten Computer und Drucker mit umziehen.

 Er ließ sich nach seinem Weggang aus Viernheim immer wieder über Neuigkeiten informieren. Die Pfarrern nach ihm, denen seine Pfarrei anvertraut wurde, bekamen regelmäßig Post von ihm, wo er das, was ihm wichtig war, mitteilte.

Einmal war er zu Besuch bei der ehemaligen Nachbarin zu ihrem 85. Geburtstag, wo er die ganze Kaffee Gesellschaft mit Geschichten und Witzen unterhalten hat.

Im Jahr 2008 feierte er sein 50-jähriges Priesterjubiläum und konnte 2023 mit den verbliebenen Mitbrüdern den 65. Jahrestag seiner Weihe begehen.

Das Bistum Mainz dankt Herrn Pfarrer Norbert Bewerunge für seinen Dienst, für seine Fürsorge, die er so vielen Menschen schenkte, und für sein Glaubenszeugnis.

Er schien in seiner Art manchmal etwas unnahbar. Aber wenn er Kranke besuchte, die Hauskommunion brachte, dann war er sehr zugewandt und die Menschen waren darüber sehr dankbar.

 In den 70 er Jahren rangierte C&A Kleidung aus, die 2. Wahl waren. Das hat er einer Mutter für ihre 4 Mädchen gegeben, als deren Vater viel zu früh gestorben war

 Die Nachbarn in der Johann Sebastian Bach Strasse hatten ein gutes Verhältnis zu ihm. Eines Nachts wurde er um 03:30 Uhr aus dem Bett geklingelt, um einem schwerkranken Nachbarn das Sterbesakrament zu spenden noch bevor man den Krankenwagen gerufen hatte. Wenn es Not gab, war er präsent.

Auch das gab es: als bei anderen Nachbarn nach einem Regen im Keller Wasser war, stand er plötzlich mit Gummistiefel da und half, das Wasser zu beseitigen.

 Die Pfarrbücherei, die sonntags und mittwochs nach dem regelmäßigen Kindergottesdienst geöffnet hatte, war ihm, der überaus belesen und ein großes Wissen hatte, ebenfalls wichtig. Als unsere Mutter für die katholische Bücherei St. Hildegard zuständig war, fuhr er regelmäßig mit ihr nach Bonn zum Borromäusverein, um von dort anschließend mit einem Auto voller Bücher für die Bücherei wieder nach Hause zu fahren.

Manche haben seine Art belächelt. Für mich war er ein sehr liebenswerter Mensch, der viel Verständnis für die Menschen hatte, aber auch sein Standpunkt sehr selbstbewusst vertreten hat. Ich persönlich habe sehr viel von dem Menschen gehalten, weil er sich vieles getraut hat und auch hinter den Menschen gestanden ist.

Als katholische Christen in Viernheim sind wir sehr dankbar, was er mit seiner Kraft, mit seinem Engagement in der Pfarrei St. Hildegard bewirkt, besonders aber auch für seinen tiefen Glauben, den er weitergeschenkt hat.