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Südhessen / Rhein-Main:Antikriegstag am 01.09.2024 an der Gedenkstätte der Zwangsarbeiter, Heppenheim

Nie wieder Krieg nach Käthe Kollwitz
Beitrag von Michael Ohlemüller, Katholische Betriebsseelsorge zur Kundgebung des DGB Bergstraße. am Denkmal für Zwangsarbeiter
Datum:
1. Sept. 2024
Von:
Michael Ohlemüller

Redebeitrag von Michael Ohlemüller

Zum Thema „nie wieder Krieg“, wie der Tag vor 100 Jahren beim mitteldeutschen Jugendtag betitelt war, etwas zu sagen, ist in diesen Tagen besonders schwierig.

Ich versuche es mal mit verschiedenen Zugängen zum Thema.

Aber als „Prolog“ möchte ich eine meiner Grundüberzeugungen darstellen: auf komplexe Fragen sind einfache Antworten (fast) immer falsch, auch wenn sie auf den ersten Blick attraktiv zu sein scheinen.

1. Zugang: Spirale der Gewalt (Gerhard Zwerenz, nicht alles gefallen lassen) ...

...kennen bestimmt viele von euch.

Wenn ich in meiner Zeit als Religionslehrer Schüler:innen den Text vorgelesen habe, sagten alle, das sei doch nicht realistisch – aber keine/r konnte genau sagen, wo das „idealtypische Modell“ der Spirale der Gewalt unrealistisch wird.

Potentiell können Kriege so enden, wenn nicht irgendwo die Spirale der Gewalt unterbrochen wird.

2. Zugang: „Schwerter zu Pflugscharen“ (Buch Micha, Kapitel 4, Verse 1-4, Altes Testament, 8. Jhdt. v. Chr.)

Ab den 80er Jahren spielte das Zitat „Schwerter zu Pflugscharen“ eine große Rolle in der Friedensbewegung, insbesondere in der damaligen DDR.

Und ja, es ist eine schöne Vision: aber schon der Prophet Micha deutet an, dass wir Menschen das nicht alleine schaffen können, sondern ein solcher Friede nur Gott herstellen kann.

Das ist meines Erachtens der größte Unterschied zwischen dem Christentum und beispielweise dem Kommunismus: wir sind überzeugt, dass wir nicht den „Himmel auf Erden“ schaffen können.

4. Zugang: Frieden schaffen ohne Waffen?

Es gab schon immer Pazifisten, auch im Christentum. Jesus war auch einer. Insofern kann jeder, auch aus christlichen Motiven, für sich entscheiden, auf jede Gewalt zu verzichten. Und ich habe große Hochachtung vor Menschen, die das für sich so entscheiden.

5. Zugang: Das Dilemma - wir können es nur falsch machen

Ich glaube, wir können es nicht ganz richtig, sondern nur mehr oder weniger falsch machen – das meint im Christentum das Wort „Erbsünde“.

Und ich glaube, dass man Pazifismus in seiner radikalen Form nicht auf die Gesellschaft als Ganze übertragen kann. Ohne Staatsgewalt gäbe es Anarchie, das Recht des Stärkeren. Und das Zulassen von Unrecht ist aus meiner Sicht falsch! Auch ein Mörder oder Vergewaltiger könnte dann nicht belangt werden… es braucht „Gewalt“ um die Schwachen zu schützen!

Ich kann einen Gewalttäter nicht zum Frieden zwingen - aber andere davor schützen, von ihm verletzt zu werden.

Und das gilt meines Erachtens auch für die Völkergemeinschaft.

Konkret bezogen auf den Krieg in der Ukraine heißt das:

  • Waffen liefern ist falsch
  • Keine Waffen liefern ist auch falsch!

Was wäre beispielsweise gewesen, wenn die Alliierten Hitler-Deutschland nicht niedergekämpft hätten…? Ein Waffenstillstand wäre für die Bevölkerung jedenfalls besser als der derzeitige Krieg – auch wenn es noch kein Friede wäre!

Epilog

Es ist wichtig, dass wir miteinander sprechen und versuchen, die Argumente des anderen zu verstehen, ohne ihn gleich zu verurteilen. Ihm auch glauben, dass es ihr oder ihm um die bestmögliche Lösung – in diesen Fällen das kleinstmögliche Übel geht.

So gibt es auch in der Kirche sehr unterschiedliche Haltungen zur Friedensethik – aber sie haben letztlich „ein gemeinsames Ziel: die Minimierung und schließlich die Überwindung von Gewalt“ (Zitat aus: Friede diesem Haus- Friedenswort der deutschen Bischöfe vom 21.2.24).