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Südhessen:Baustelle Lieferkettengesetz

Weltoffen_Handy Pixabay
Initiative im Kreis Groß-Gerau legt den Finger in die Wunde. Werkstattgespräch kritisiert Pläne der EU.
Datum:
29. Apr. 2025
Von:
Eva Reuter (xx)

KREIS GROSS-GERAU – Zu einem Werkstattgespräch hatte die Initiative Lieferkettengesetz im Kreis Groß-Gerau Anfang April in die Räume der Kreisvolkshochschule in Schloss Dornberg eingeladen. Die Initiative ist ein seit gut vier Jahren bestehendes Netzwerk zahlreicher Gruppen - darunter die Fairtrade Steuerungsgruppe des Kreises Groß-Gerau -, die sich für faire und umweltschonende Arbeitsbedingungen auf globaler wie lokaler Ebene einsetzen. Bei der Veranstaltung ging es um den Stand der Umsetzung des Lieferkettengesetzes und konkret um Einblicke in die regionale Baubranche. Fachleute beim von Ingrid Reidt (Betriebsseelsorge Südhessen/Rhein-Main) moderierten Gespräch waren Michael Müller-Puhlmann (Vorstandsmitglied Entwicklungspolitisches Netzwerk Hessen, epn), Johannes Schader (ehemaliger Gewerkschaftssekretär IG BAU Rhein-Main) und Bruno Walle (DGB Groß-Gerau, Bezirksvorsitzender IG Bau Rhein-Main).

Zum aktuellen Stand der Lieferkettengesetze in Deutschland und der EU informierte Michael Müller-Puhlmann. Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz galt ab 2023 zunächst für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden. Seit Januar 2024 gilt es auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Es zeigt erste Erfolge: So beschwerte sich z. B. die Bananenarbeitergewerkschaft ASTAC in Ecuador mit Hilfe von Oxfam über Zulieferer deutscher Supermarktketten und konnte deutliche Lohnerhöhungen erreichen, berichtete Müller-Puhlmann. Um einheitliche Regeln im europäischen Binnenmarkt zu schaffen, verabschiedete im März 2024 die EU eine Richtlinie über nachhaltige Unternehmensführung (Corporate Sustainability Due Diligence Directive). Die neue EU-Kommission hat jetzt vorgeschlagen, mehrere EU-Gesetze vereinfachend in einem „Omnibus“ zusammenzufassen. Dies sieht Michael Müller-Puhlmann kritisch. Denn es gehe, „wenn man sich die Vorschläge der Kommission genauer ansieht, nicht um einen Abbau überflüssiger Berichterstattung, sondern darum, nur noch die Fassade der Gesetze zu wahren, die jedoch inhaltlich entleert würden und dadurch nicht mehr wirkten.“ Unternehmen sollten bisher wesentliche Risiken in ihren Lieferketten identifizieren und bei Formen der Ausbeutung von Menschen und Natur, die den grundlegenden Menschenrechten krass wiedersprechen, etwas tun, um Abhilfe zu schaffen. Dies solle jetzt weitgehend gestrichen werden, kritisierte das epn-Vorstandsmitglied.

Johannes Schader und Bruno Walle ermöglichten tiefe Einblicke in die Baubranche. Diese bediene sich an der mehrfachen Auslagerung der Arbeit durch Subunternehmen, „bei denen nur bedingt oder gar nicht auf Arbeitsschutz geachtet wird und hoch prekäre Arbeitsbedingungen herrschen“. Damit seien auch Großkonzerne verhaftet in einem System der Arbeitsausbeutung. Die Leidtragenden sind Männer aus Osteuropa und Drittstaaten, die angeheuert werden und oft unter unwürdigen gesundheitsgefährdenden Bedingungen arbeiten und leben.

Systematische Ausbeutung werde billigend in Kauf genommen, zum Teil auch von den öffentlichen Auftraggebern. „Es fehlt der politische Wille für ein geltendes Regelwerk durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, für die Nachvollziehbarkeit und Ahndung bei Missachtung von Arbeitsrecht und Umweltstandards“, so das Fazit, das in dem Werkstatt-Gespräch gezogen wurde. Auch die Betriebsseelsorge kritisiert dieses System scharf. „Denn, plakativ gesagt: Im Bauwesen gehört Ausbeutung zum Geschäftsmodell. Das ist nicht akzeptabel.“ Darum will die Initiative Lieferkettengesetz auch im Kreis Groß-Gerau weiter an diesen Themen dranbleiben. Die nächsten Aktionen und Veranstaltungen sollen im Mai geplant werden.

 

Die Initiative Lieferkettengesetz im Kreis Groß-Gerau

Die Initiative Lieferkettengesetz im Kreis Groß-Gerau versteht sich als ein offener Zusammenschluss von Akteur*innen, die sich gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur positionieren und sich für den Schutz von Menschenrechten und Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten einsetzen. Sie schließt sich den Zielen/Forderungen der Initiative Lieferkettengesetz (https://Lieferkettengesetz.de) an.

Sie wird getragen von (alphabetisch) Attac Regionalgruppe Rüsselsheim, DGB Kreisverband GG, Evangelisches Dekanat Groß-Gerau-Rüsselsheim/ Gesellschaftliche Verantwortung, Fairtrade Steuerungsgruppen des Kreises GG und der Gemeinde Büttelborn, GEW Kreisverband GG, Katholische Betriebsseelsorge Südhessen/Rhein-Main, Kreisvolkshochschule GG, Partnerschaft Eine Welt – Dornheim 1980 e.V. & engagierten Einzelpersonen. Kontakt: ingrid.reidt@bistum-mainz.de