Bistum Mainz:Kohlgraf: Menschen nicht nur nach wirtschaftlicher Nützlichkeit beurteilen


Traditioneller Vorabend zum Tag der Arbeit mit Andrea Nahles im Erbacher Hof

Deutschland sei zwar ein „insgesamt wohlhabendes Land, aber es gibt Armut. Wer das leugnet, ist zynisch“, sagte Bischof Kohlgraf. Weiter sagte er: „Kinder erben die Armut ihrer Eltern, die Bildungschancen sind an die soziale Herkunft gebunden. Kinder sind hierzulande ein Armutsrisiko. Ist das ein überflüssiger politischer Kommentar eines Bischofs oder muss er das nicht erwähnen, wenn die Kirche gleichzeitig an den Wert der Familie für die Gesellschaft erinnert? Arbeitslosigkeit bedeutet Exklusion. Papst Pius XI. nennt die Arbeitslosigkeit eine Geißel für den einzelnen Menschen, aber auch eine Gefahr für den Frieden im Land und weltweit.“
Kohlgraf erinnerte außerdem an seinen Vorgänger Wilhelm Emmanuel von Ketteler im 19. Jahrhundert, der im Kulturkampf wegen Verstoßes gegen den sogenannten Kanzelparagraphen verurteilt worden war: „Zwar gibt es heute keinen Kanzelparagraphen mehr, auch keinen Kulturkampf. Aber den Hinweis, die Kirche und der Bischof sollten sich auf ihr Kerngeschäft, die Seelsorge und das Seelenheil konzentrieren, höre ich seit Jahren immer wieder. Es macht mir manchmal Freude, Nachfolger gerade dieses Bischofs zu sein. Und über den Vorwurf, der Bischof von Mainz und sein Bistum seien linksradikal, wird er im Himmel sicher noch lächeln. Er hat die Seelsorge nicht vernachlässigt und gleichzeitig konnte er die soziale Seite des Evangeliums nicht verschweigen.“ Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von der AKK-Band aus der Pfarrgruppe Mainz-Kostheim und Kastel unter Leitung von Anja Kormarnicki. Die Kollekte des Gottesdienstes ist für das Patenprojekt „Aus der Schule…in den Beruf“ der Kolpingsfamilie Worms bestimmt.

Empfang und Podiumsdiskussion im Erbacher Hof
Beim anschließenden Empfang im Erbacher Hof skizzierte Andreas Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, in ihrem Impulsreferat die aktuelle Arbeitsmarktlage. Neben großer demographischer Herausforderung sehe sie besonders beim Übergang von Schule in den Beruf ein großes Defizit, „bei dem es mehr politisches Engagement braucht“, sagte Nahles. „Das müssen wir besser hinbekommen in Deutschland. Das ist mein Ehrgeiz.“ Mit Blick auf die Demographie sei es inzwischen so, dass das Beschäftigungswachstum in Deutschland seit 2023 nur auf Menschen ohne deutschen Pass zurückzuführen sei. Nahles wies darauf hin, dass in den kommenden zehn Jahren rund 7,5 Millionen Menschen in Rente gingen: „Wenn wir dieses Problem nicht lösen, wird alleine schon die demographische Entwicklung eine wirtschaftliche Bremse sein.“
Nach dem Impulsvortrag von Andrea Nahles brachten Akteure aus der Arbeitswelt im Rahmen der Diskussion mit dem Publikum noch verschiedene Aspekte des Veranstaltungsthemas ein, auf die Nahles antwortete: Maria Aniol (vertreten durch Ingrid Reidt), Europäischer Verein für Wanderarbeiterfragen (EVW) e.V und DGB Beratungsnetzwerk Faire Mobilität, fragte nach besseren Schutzmöglichkeiten für Leiharbeiter. Hans-Peter Greiner, Diözesanvorsitzender der KAB, thematisierte, ob Sanktionen geeignete Mittel seien, um Menschen zur Aufnahme einer Beschäftigung zu befähigen. Norbert Clausen, Geschäftsführer der Initiative Arbeit im Bistum Mainz e.V. beklagte die starken Kürzungen der Mittel zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den letzten Jahren. Jürgen Rajewicz, Geschäftsführer Jobcenter Worms, und Markus Holzmann, stellvertretender Geschäftsführer des Jobcenter Worms, machten deutlich, dass sie ein verbindliches, eigens Budget für Jugendberufsagenturen für notwendig erachten. Caja Stübenrath, DGB-Bezirksjugendsekretärin Rheinland-Pfalz und Saarland, machte darauf aufmerksam, dass nur noch rund ein Fünftel der Betriebe in Rheinland-Pfalz Ausbildungen anböten. Die Moderation hatte der Diskussion hatte Pitt von Bebenburg von der Frankfurter Rundschau übernommen. Betriebsseelsorgerin Ingrid Reith hatte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im vollbesetzten Ketteler-Saal des Erbacher Hofes begrüßt.