Zum Inhalt springen

Bistum Mainz:Kohlgraf: Menschen nicht nur nach wirtschaftlicher Nützlichkeit beurteilen

1-25-04-30-Vorabend-Tag-der-Arbeit-7360.JPG_988652882
Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat davor gewarnt, Menschen in der Migrationsdebatte nur nach ihrer „wirtschaftlichen Nützlichkeit“ zu beurteilen. Kohlgraf predigte beim Auftaktgottesdienst zum traditionellen Vorabend zum Tag der Arbeit am Mittwochabend, 30. April, im Mainzer Dom.
Datum:
1. Mai 2025
Von:
Tobias Blum (tob)
2-25-04-30-Vorabend-Tag-der-Arbeit-7306.JPG_988652882

Traditioneller Vorabend zum Tag der Arbeit mit Andrea Nahles im Erbacher Hof

Wörtlich sagte er seiner Predigt: „Heute schauen wir auf eine seltsame Spannung: Wir schauen auf die Notwendigkeit der auch internationalen Gewinnung von Fachkräften, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktionieren könnte. Und wir schauen auf die vielen Armen, deren Armut sich auch in der Erwerbslosigkeit verfestigt. Ja, wir brauchen Fachkräfte. Selbst in den erhitzten Debatten über Migration wird dies anerkannt. Ich will jedoch ,Wasser in den Wein gießenʼ. Das Recht auf Prüfung einer Möglichkeit auf Asyl kann nicht nur auf der wirtschaftlichen Nützlichkeit von Menschen beruhen. Damit spreche ich nicht einer unkontrollierten und gesetzesfreien Migration das Wort, die Politik steht vor einer schwierigen und verantwortungsvollen Aufgabe. Als Kirche sollten wir sie dabei konstruktiv und lösungsorientiert unterstützen.“
 
Und weiter: „Ich darf aber auch daran erinnern, dass wohl keine Institution so viel für die Integration von Flüchtlingen geleistet hat wie die Kirchen, insbesondere auch mit ihren Ehrenamtlichen in den Gemeinden, in der Caritas, in den Kindertagesstätten und Schulen. Aber Menschenrechte an Nützlichkeit zu koppeln, kann nicht die Lösung sein. Und im Sinne einer internationalen Solidarität und Verantwortung gilt es auch zu bedenken, was es für die entsprechenden Länder bedeutet, wenn wir Fachkräfte gewinnen wollen, die dann dort vor Ort fehlen. Ich spreche nicht als Politiker, aber als Bischof, der einer Weltkirche zugehört, werde ich auch an die internationale Verantwortung gegenüber den Rechten aller Menschen erinnern müssen. Auch international gilt der katholischen Soziallehre zufolge der Vorrang des Gemeinwohls und der Personenwürde vor dem Eigeninteresse.“
3-25-04-30-Vorabend-Tag-der-Arbeit-7399.JPG_988652882
Der Abend stand unter der Überschrift „Dringend gesucht…und nicht gefunden? Arbeitsmarkt zwischen (Fach-)Kräftemangel und Erwerbslosigkeit“. Veranstalter waren das Referat Betriebsseelsorge des Bischöflichen Ordinariates, sowie die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und das Kolpingwerk im Bistum Mainz.

Deutschland sei zwar ein „insgesamt wohlhabendes Land, aber es gibt Armut. Wer das leugnet, ist zynisch“, sagte Bischof Kohlgraf. Weiter sagte er: „Kinder erben die Armut ihrer Eltern, die Bildungschancen sind an die soziale Herkunft gebunden. Kinder sind hierzulande ein Armutsrisiko. Ist das ein überflüssiger politischer Kommentar eines Bischofs oder muss er das nicht erwähnen, wenn die Kirche gleichzeitig an den Wert der Familie für die Gesellschaft erinnert? Arbeitslosigkeit bedeutet Exklusion. Papst Pius XI. nennt die Arbeitslosigkeit eine Geißel für den einzelnen Menschen, aber auch eine Gefahr für den Frieden im Land und weltweit.“

Kohlgraf erinnerte außerdem an seinen Vorgänger Wilhelm Emmanuel von Ketteler im 19. Jahrhundert, der im Kulturkampf wegen Verstoßes gegen den sogenannten Kanzelparagraphen verurteilt worden war: „Zwar gibt es heute keinen Kanzelparagraphen mehr, auch keinen Kulturkampf. Aber den Hinweis, die Kirche und der Bischof sollten sich auf ihr Kerngeschäft, die Seelsorge und das Seelenheil konzentrieren, höre ich seit Jahren immer wieder. Es macht mir manchmal Freude, Nachfolger gerade dieses Bischofs zu sein. Und über den Vorwurf, der Bischof von Mainz und sein Bistum seien linksradikal, wird er im Himmel sicher noch lächeln. Er hat die Seelsorge nicht vernachlässigt und gleichzeitig konnte er die soziale Seite des Evangeliums nicht verschweigen.“ Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von der AKK-Band aus der Pfarrgruppe Mainz-Kostheim und Kastel unter Leitung von Anja Kormarnicki. Die Kollekte des Gottesdienstes ist für das Patenprojekt „Aus der Schule…in den Beruf“ der Kolpingsfamilie Worms bestimmt.

4-25-04-30-Vorabend-Tag-der-Arbeit-7433.JPG_988652882

Empfang und Podiumsdiskussion im Erbacher Hof

Beim anschließenden Empfang im Erbacher Hof skizzierte Andreas Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, in ihrem Impulsreferat die aktuelle Arbeitsmarktlage. Neben großer demographischer Herausforderung sehe sie besonders beim Übergang von Schule in den Beruf ein großes Defizit, „bei dem es mehr politisches Engagement braucht“, sagte Nahles. „Das müssen wir besser hinbekommen in Deutschland. Das ist mein Ehrgeiz.“ Mit Blick auf die Demographie sei es inzwischen so, dass das Beschäftigungswachstum in Deutschland seit 2023 nur auf Menschen ohne deutschen Pass zurückzuführen sei. Nahles wies darauf hin, dass in den kommenden zehn Jahren rund 7,5 Millionen Menschen in Rente gingen: „Wenn wir dieses Problem nicht lösen, wird alleine schon die demographische Entwicklung eine wirtschaftliche Bremse sein.“

Nach dem Impulsvortrag von Andrea Nahles brachten Akteure aus der Arbeitswelt im Rahmen der Diskussion mit dem Publikum noch verschiedene Aspekte des Veranstaltungsthemas ein, auf die Nahles antwortete: Maria Aniol (vertreten durch Ingrid Reidt), Europäischer Verein für Wanderarbeiterfragen (EVW) e.V und DGB Beratungsnetzwerk Faire Mobilität, fragte nach besseren Schutzmöglichkeiten für Leiharbeiter. Hans-Peter Greiner, Diözesanvorsitzender der KAB, thematisierte, ob Sanktionen geeignete Mittel seien, um Menschen zur Aufnahme einer Beschäftigung zu befähigen. Norbert Clausen, Geschäftsführer der Initiative Arbeit im Bistum Mainz e.V. beklagte die starken Kürzungen der Mittel zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den letzten Jahren. Jürgen Rajewicz, Geschäftsführer Jobcenter Worms, und Markus Holzmann, stellvertretender Geschäftsführer des Jobcenter Worms, machten deutlich, dass sie ein verbindliches, eigens Budget für Jugendberufsagenturen für notwendig erachten. Caja Stübenrath, DGB-Bezirksjugendsekretärin Rheinland-Pfalz und Saarland, machte darauf aufmerksam, dass nur noch rund ein Fünftel der Betriebe in Rheinland-Pfalz Ausbildungen anböten. Die Moderation hatte der Diskussion hatte Pitt von Bebenburg von der Frankfurter Rundschau übernommen. Betriebsseelsorgerin Ingrid Reith hatte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im vollbesetzten Ketteler-Saal des Erbacher Hofes begrüßt.

Tobias Blum, Pressesprecher