Südhessen / Rhein-Main:Weil wir einen starken öffentlichen Dienst brauchen!
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Liebe Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst!
Vielen Dank für die herzliche Begrüßung und die Einladung.
Selbstverständlich bin ich heute hierhergekommen, um Euch als Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes in der laufenden Tarifauseinandersetzung zu unterstützen. Mehr noch: Ein Grußwort seitens der katholischen Betriebsseelsorge an Euch und an die Öffentlichkeit zu richten, ist für mich mehr als ein „Dabeisein“, es ist für mich absolute solidarisch-politische Pflicht.
Warum?
Erstens: Wir alle leben – nochmal verschärfter als vor vier Jahren - in hoch fragilen prekären und gesellschaftszerreißenden Zeiten: Hohe Lebenshaltungskosten, explodierende Mietpreise, Wohnungsmangel, soziale Ungleichheit, politische Instabilität – verschärft durch das rechtspopulistische, nationalistische Gebaren von Parteien, die nichts anderes tun als spalten und das Prinzip der Demokratie in Frage zu stellen.
Mit dem Streik heute lebt Ihr ganz konkret Demokratie: Tarifautonomie und die Möglichkeit, Interessen auszuhandeln, gehört zum hohen Gut unserer Gesellschaft und Arbeitswelt.
Wo kämen wir hin, wenn das auf einmal anders wäre? Ihr kein Recht hättet, Eure belange in die Diskussion zu bringen? Autokratie in neoliberaler Wirtschaftswelt – das wäre der Niedergang aller gewerkschaftlicher und gesellschaftlicher Errungenschaften.
Zweitens: Es geht bei diesem Streik nicht um irgendeine Branche, oder um irgendeinen Wirtschaftszweig, es geht um den öffentliche Dienst. Ein Dienst, der unabkömmlich ist in jeder Kommune und jedem Landkreis. Weil er dienlich ist und im Dienst der Daseinsvorsorge steht: in Kitas, Krankenhäusern, Straßenreinigung, bei der Müllabfuhr, in Ordnungsamt, Beratungsstellen im Jugend- und Sozialbereich, Kultur oder auch Verwaltung im Amt.
Ihr alle arbeitet – an je unterschiedlichem Ort – für das Wohl und das Zusammenleben der Menschen in der Stadt, für die soziale gesellschaftliche Infrastruktur.
Ich betone dies in besonderem Nachdruck: Denn manchmal kann man den Eindruck gewinnen, dass im „Geschrei der Parteien“ die riesige Bedeutung dieser Infrastruktur in den Vergessenheit gerät.
Drittens- und damit zum Kern: Ihr fordert mehr Geld und Zeit für mehr Entlastung.
Dies ist keineswegs verwerflich, sondern mehr als berechtigt:
- Ihr kämpft für Gehälter, mit denen vor allem die unteren Lohngruppen einigermaßen über die Runden kommen.
- Ihr bietet jungen Menschen eine lukrative Perspektive - das ist weitsichtig.
- Die Forderung nach Erholungszeit schließlich dient nicht nur dem eigenen Gesundheitsschutz, sondern wirkt präventiv und nachhaltig für die gesamte Branche.
Kurz: Ihr setzt mit Euren Forderungen wichtige Akzente gegen den mehrfach beschriebenen und erlebten fortgeschrittenen Fachkräftemangel.
Euer Streik heute ist daher etwas Besonderes: ein wichtiger Notruf gegen das Ausbluten jener Infrastruktur, die es braucht, um als in Städten und Kommune gut zu leben.
All dem entgegen steht seitens der Arbeitgeberseite das nicht minder laute Argument der „Klammen Kassen“: Es fehle schlicht für all das das Geld.
Und ja, eines stimmt:
Nahezu alle Kommunen sind klamm, stehen finanziell mit dem Rücken an der Wand.
Doch dieses Argument darf nicht das letzte Wort behalten. Und das muss es meines Erachtens auch nicht.
Die Verantwortung für die finanziellen Engpässe liegt nicht vor Ort, nicht in den Städten, die jedes Jahr aufs Neue bitterlich um den Haushalt ringen.
Die Verantwortung liegt an anderer Stelle. Daher spreche ich heute nicht in Richtung Rathaus und nicht ausschließlich in die Büros der Bürgermeister. Der Adressat meines Appells sitzt an höherer Stelle. Meine Worte richten sich vor allem an die politisch Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene.
Das Geld, das es zur Stabilisierung der Infrastruktur und Euer Arbeitsverhältnisse bräuchte, ist da. Es ist nicht weg, sondern schier nur woanders.
Was ich sagen will:
Die angemessene Erhöhung Euer Löhne, die Stabilisierung des Öffentlichen Dienstes ist möglich. Was es braucht ist schlicht eine andere Finanzierung!
So ist es längst geboten, steuerlich die zur Kasse zu bitten, die über das Maß das Geld besitzen und/oder oftmals es auf Kosten der anderen breiten Masse angesammelt haben.
Kurz: Es braucht einen politischen Willen zur anderen besseren Umverteilung von Reichtum zugunsten aller.
Mein Zuspruch daher an Sie als Bürgermeister und Verantwortliche der Städte und Kommune:
Lassen Sie sich als nicht gegen Ihre eigenen Beschäftigten ausspielen.
Forcieren und stärken sie eine Politik der gerechten Umverteilung!
Darin liegt die Lösung und nicht darin, unsere wichtige gesellschaftliche Infrastruktur weiter kaputt zu sparen.
Warum brauchen wir einen starken und gestärkten Öffentlichen Dienst?
Als Seelsorgerin weiß ich die zu wirklich vielen sozialen Probleme, habe Gesichter dazu und Biografien. Es gibt Unfrieden, es werden Menschen mit geringem sozialen Standard untereinander ausgespielt. Das schafft Unfrieden. Lokal- regional und auch global.
Wie in den letzten Jahren kann ich daher nur wiederholen: Als Gesellschaft können und dürfen wir es uns nicht leisten, Euch als Beschäftigte zu verschleißen, und Euch nicht ernst zu nehmen. Der Preis ist definitiv zu hoch!
Ein Letztes:
Aus meiner Arbeit heraus weiß ich um viele existenzielle Ängste, ich weiß auch um den Frust darüber, dass politisch irgendwie nicht wirklich spürbaren Lösungen in Aussicht waren und sind. Frust und Ärger haben ihr Recht. Dennoch richte ich an Euch alle meine innige Bitte und mein Appell. Wir stehen unmittelbar vor den Bundestagswahlen:
Lasst Euch von Rechtspopulisten und rechtsextremen Partei – und ich nenne sie beim Namen, die AFD – nicht das Blaue vom Himmel erzählen.
Ja, es braucht eine andere Politik. Aber keine, die rassistisch ausgrenzt, Hass verbreitet, und leere, nationalistische Versprechen äußert.
- Wir brauchen Interessensausgleiche wie diese Auseinandersetzungen,
- wir brauchen Debatten und gemeinsame Lösungen,
- wir brauchen Umverteilung, Lohngerechtigkeit, Wertschätzung von Arbeit durch politisches Regelungen.
Dafür gibt keine einfachen Lösungen. Aber es gibt Verbesserung/ Veränderung, wenn wir uns zusammentun, wenn wir solidarisch sind, und uns gegenseitig stützen.
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Als Betriebsseelsorgerin schließe ich mit einer Ermutigung:
Es gibt – und das ist eine gute Nachricht – eine Vielzahl von großartigen Einrichtungen, soziale, gewerkschaftliche, vereinsgetragene, die sich Fragen und Sorgen annehmen.
Wo ich Euch Beschäftigte des ÖD, aber auch Einzelnen in ganz persönlicher Sache unterstützen kann, tu ich das gerne.
Zusammenhalt und Unterstützung – das sind die Lösung der Zukunft, nicht Hass uns Spaltung.
In diesem Sinne, die aller besten Wünsche, haltet zusammen, lasst Euch nicht spalten.
Als Betriebsseelsorge stehen wir, stehe ich an Eurer Seite!