Abendlob mit Predigt am 7. Dezember 2025:„Bereitet den Weg des Herrn, macht gerade seine Straßen“

Straßen in der Wüste, Äxte an den Wurzeln, Feuer und Wasser – unser Evangelium am zweiten Advent ist voller Bilder, die eher an einen dramatischen Blockbuster-Film erinnern als an eine beschauliche Adventsszene. Johannes der Täufer und Jesaja sprechen in starken Bildern, wenn sie beschreiben, wie Gott seinen Weg zu uns Menschen bahnt. Ich möchte heute gerne auf drei Aspekte eingehen, die mir an dem heutigen Text wichtig erscheinen im Kontext der diesjährigen Weihnachtsaktion des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, die letzte Woche in unserem Bistum eröffnet wurde.
1. Der Ruf
Wir hören die Stimme eines Rufers: Wir haben in der vergangenen Woche zwei Rufer gehört – aus einer anderen Weltregion, aber mit einer ganz ähnlichen Dringlichkeit wie Johannes. Zwei Gäste aus Brasilien waren zu Besuch, haben in verschiedenen Veranstaltungen und Gottesdiensten von ihrer Arbeit erzählt. Dom Vicente Ferreira, Bischof im Bundesstaat Bahia, und Sr. Elis dos Santos, die im Casa Amazonica (Amazonashaus) in Manaus mit Menschen am Rande der Gesellschaft ein solidarwirtschaftliches Projekt betreibt. Wir haben sie gehört, Rufer aus einer anderen Wirklichkeit, im Amazonasgebiet Brasiliens, das bedroht ist von ausbeuterischer Wirtschaft, und Menschen Lebensgrundlagen und Rechte entzieht. Die Rufe sind dringend, wir haben sie auch von den indigenen Gemeinschaften während des Weltklimagipfels gehört. Am Anfang jeder Umkehr steht das Hören auf den Ruf, auch wenn er unbequem ist. Die Botschaft des Rufers aus der Wüste und auch die der Rufenden aus dem Amazonasgebiet ist dringend und fordernd – nicht unbedingt das, was wir uns von der besinnlichen Weihnachtszeit erwarten. Dieser Ruf erreicht uns in einer Zeit, in der wir es uns eigentlich gemütlich machen wollen. Doch Gottes Ruf ist selten bequem – er fordert uns heraus und erwartet eine Antwort. Papst Franziskus sprach sogar vom „Schrei der Erde und der Armen“. Seine Enzyklika Laudato Si, die vor 10 Jahren veröffentlicht wurde, wird in vielen katholischen Ortskirchen der Welt als große Ermutigung verstanden und als Aufruf, sich als Christin und Christ klar für Mensch und Schöpfung einzusetzen. „Ich habe nichts“, so Dom Vicente. „Keine Familie, kein Auto, kein Haus, kein Bankkonto. Ich bin frei. Und in dieser Freiheit setze ich meine Stimme für die Menschen ein.“
2. Die Wüste
In der Wüste von Judäa erhebt sich eine Stimme. Ausgerechnet hier, in der kargen, lebensfeindlichen Einöde, erklingt der Ruf zur Umkehr. Die Wüste breitet sich aus – nicht nur als Landstrich, sondern auch in unserer Welt: zerstörte Lebensräume, ausgezehrte Böden, bedrohte Menschen. Und doch birgt sie zugleich einen Anfang: Raum, das Wesentliche zu erkennen, das Überflüssige hinter sich zu lassen. Wüsten sind Orte der Begegnung mit Gott, Orte, an denen der Mensch offen wird für das, was wirklich zählt. Schon Abraham, der Vater der drei großen monotheistischen Religionen, lebte als Nomade in der Weite des Heiligen Landes – hier hörte er die Stimme Gottes. Auch Johannes tritt in die Wüste, bereit, dem Ruf zu folgen. Und aus dieser Einöde, aus diesem scheinbar leeren Raum, erklingt ein neuer Anfang, eine Stimme, die ruft: „Bereitet den Weg des Herrn!“
Die Wüste kann auch die Wüste im eigenen Herzen sein – Einsamkeit, Angst, Trostlosigkeit. Gerade dort wird der Ruf Gottes hörbar. In Momenten von seelischer Not, von Angst und Scheitern zeigt die frohe Botschaft einen möglichen Ausweg aus der Wüste auf, einen Weg hin zu Trost und Verheißung.
3. Die Straße
Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! Straßen bauen – das klingt nach großer Anstrengung, besonders in der Wüste. Denkt man an Straßenprojekte in unserer Heimatstadt - mit all der modernen Technik ist es doch mühsam, zeit- und kostenintensiv. Aber Johannes ruft zu uns: Macht euch auf! Schafft Wege, auf denen Gottes Nähe spürbar wird – Wege der Gerechtigkeit, der Versöhnung, der Solidarität. Straßen vernetzen, schaffen Zugang und Austausch. Macht es möglich, drückt euch nicht vor dem, was ihr hört.
Unsere Gäste aus Brasilien haben uns gezeigt: Nicht jede Straße führt zum Leben. Viele Straßen im Amazonasgebiet sind Schneisen der Zerstörung. Zu oft kommt mit der Infrastruktur auch die Ausbeutung des Landes, rollt schweres Gerät heran zur Rodung, Grabung und Plünderung. Das sind wohl nicht die Wege, von denen Johannes spricht. Es ist der Weg des Herrn, den wir bereiten sollen und dieser führt nicht in Ausbeutung und Zerstörung.
Der Ruf – die Wüste – die Straße: drei Aspekte, die uns Johannes der Täufer in Anlehnung an den Propheten Jesaja heute mitgibt. Er war kein bequemer Mann, dieser Täufer. Er ruft zur Umkehr, ja sogar zur radikalen Veränderung - an die Wurzeln der Bäume soll die Axt gelegt werden. Sein Erscheinungsbild provozierte und irritierte, und doch erreichte er die Menschen. Der Täufer war ein Mahner, auch den Mächtigen hat er ins Gewissen geredet, was ihm zum Schluss sein Leben gekostet hat. Immer wieder werden auch heute Menschen umgebracht, die sich für Menschenrechte einsetzen. Mit weltweiten Solidaritätsaktionen wie der von Adveniat stärken wir denen den Rücken, die sich als christliche Ruferinnen und Rufer in gesellschaftliche Diskurse einbringen. Unser Gast Bischof Dom Vicente sagt: „Soziale Gerechtigkeit, ökologische Verantwortung und der christliche Glaube sind miteinander verbunden. Die Kirche muss eine entscheidende Rolle beim Schutz von Mensch und Umwelt übernehmen.“ Ein Rufer in der Wüste - mir persönlich macht das Evangelium Mut, denn es hat bei aller prophetischer Kraft auch eine sehr handlungsbetonte Komponente: Auf das hören, was jetzt an der Zeit ist, was andere Menschen brauchen. In meinen Kontexten darauf aufmerksam machen und nach Wegen suchen, wie wir einander begegnen können. So können wir gemeinsam Straßen der Hoffnung bauen, auf denen wir miteinander unterwegs sind, im Namen Christi. Amen.
Fürbitten:
Wir bitten für alle, die weltweit als Rufer gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung und für Menschenrecht und Würde auftreten: Gib ihnen Mut und Ausdauer in ihrem Einsatz für ein gutes Leben für alle.
Wir bitten für alle, die Einzelinteressen über das Gemeinwohl stellen: Lass sie den Ruf nach Umkehr hören und danach handeln.
Wir bitten für alle, die Wege bereiten: Gib ihnen Weitsicht, sodass statt Sackgassen und Einbahnstraßen eine Infrastruktur entsteht, die alle weiterbringt.
Wir bitten für alle, die in Wüsten leben: Gib ihnen Kraft und Zuversicht durch dich als Wasser des Lebens.
Wir bitten für alle, die in dieser Zeit des Advents trauern: Mögen sie durch menschliche Nähe, Zuspruch und Gebet Trost durch dich erfahren.