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Interview:„Sie sind die Wächter und beschützen die Kirche“

Interview mit Felicitas Janson, Studienleiterin der Akademie des Bistums Mainz, zum Thema „Mainzer Heiligenschrein“. Ihre Schwerpunkte sind Kunstgeschichte, Kulturgeschichte und Kirchenpädagogik.
Mainzer Heiligenschrein
Von:
Glaube und Leben | Anja Weiffen
Dr. Felicitas Janson

Wer sind die Mainzer Heiligen?
Der Begriff bezieht sich auf die 22 Heiligen, die am Schrein in der Ostkrypta des Mainzer Doms zu sehen sind. Sie repräsentieren keine Tradition der Heiligenverehrung im Dom, sondern sind ein intellektuelles Programm der Macher des Kunstwerks. Der Mainzer Goldschmied Richard Weiland schuf den Schrein 1960, wohl in Zusammenarbeit mit Anton Philipp Brück. Brück war Kirchenhistoriker, Direktor des Diözesanarchivs und der Martinus-Bibliothek. Das Programm des Schreins dokumentiert die Frühzeit der Diözese. Das lässt sich von der Positionierung der Heiligen ablesen. Wichtig sind die Eckfiguren und St. Martin als Bistumspatron in der Mitte. Crescenz steht für den ersten Bischof, Bonifatius für die Gründung des Erzbistums, Willigis für den Bau des Doms, Petrus Canisius für die Zeit der Gegenreformation – alles zeitliche Wegmarken des Bistums. Die übrigen Figuren zeigen die regionalen Heiligentraditionen, etwa Marcellinus und Petrus für Seligenstadt oder Hildegard für Bingen.

 

Was hat es mit der Entstehungszeit des Kunstwerks auf sich?
1960 – das war immer noch die Nachkriegszeit. Das war die Zeit, in der der Dom renoviert und neu ausgestattet wurde. Auch wenn der Mainzer Dom die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs gut überstanden hatte, gab es trotzdem Schäden. Es ging darum, sich „von inneren und äußeren Kriegsschäden“ zu befreien, so sagt es die Gründungsinschrift. Gemeint ist auch die Befreiung der Kirche aus der Unterdrückung durch die Nationalsozialisten. Mit dem Schrein wollte man an die Reliquientradition des Mittelalters und die Volkskirche anknüpfen. Finanziert wurde das Kunstwerk von Stiftern und Gläubigen der Diözese.

Welche Botschaft vermittelt der Schrein?
Es gibt wenig Fachliteratur über seine Entstehungsgeschichte und daher ist noch einiges zu erforschen. Aber die Art und Weise, wie das Kunstwerk gestaltet ist, lässt Interpretationen zu. Der Schrein ist als Haus dargestellt und symbolisiert die Kirche. Die Figuren stehen wie eine Mauer um den Schrein. Die Heiligen sind die Wächter und beschützen die Kirche. Im Rückblick galt das gegenüber den Anfeindungen durch die Nazis. Zudem verstellen die Figuren den Blick auf den Schrein und damit auf die Kirche. Der eigentliche Schatz, so kann man sagen, ist verborgen.

Was sagen uns die Mainzer Heiligen heute?
Die Figuren wirken uniformiert, kaum individualisiert und dienen in ihrem Glanz als Projektionsflächen. Ihre Heiligenattribute unterscheiden sie voneinander. Es geht nicht darum, ob sie ein perfektes Leben geführt haben. Entscheidend ist ihr jeweiliges Lebensprogramm, wo Menschen Orientierung finden können.