Erinnerung - Hoffnung -

Glaube wider das Vergessen

Denkmal Dompropst v Schoenborn

kurz:

Erinnerung - Hoffnung

Ein Grabmal, prunkvoll, überlebensgroß. Bischof Georg von Schönenburg hat es noch zu Lebzeit in Auftrag gegeben. Wer durch den Mainzer Dom geht, kommt an diesem Grabmal kaum vorbei. Einerseits ist es ein groteskes Denkmal. Noch über den Tod hinaus demonstriert uns der Bischof, was er alles an Macht und Ansehen hatte. Erinnert uns bis heute an seine - vermeintliche - Bedeutung. Aber er vergisst die alte Volksweisheit, dass das letzte Hemd keine Taschen hat. Von unserer Bewunderung oder Ablehnung kann er sich ‚nichts mehr kaufen'. Andererseits setzt der Bischof mit dem Grabstein aber auch ein unübersehbares Zeichen der Hoffnung. Er stellt sich selbst als Bittenden dar, der zwar selbstbewusst und mächtig auftritt. Aber der doch merkwürdig armselig wirkt vor dem gekreuzigten Jesus, vor dem er auf die Knie gesunken ist. Erinnerung und Hoffnung. Von zwei Grundkräften christlichen Glaubens erzählt das Grabmal. Und lässt uns fragen, wie wir heute mit beiden umzugehen haben.

ausführlich:

Erinnerung - Hoffnung

 

 

„Tage des Denkmals", Weltkulturerbe, Museen und Archive, Datenspeicherung, das Gedächtnis des Netzes und nicht zuletzt Grabmäler: Unsere Zeit ist - auch - durch eine ausgeprägte Erinnerungskultur gekennzeichnet. Erinnerung, das lässt sich lebensweltlich festhalten, ist in Maßen normal und richtig. Wir gehen wie selbstverständlich davon aus, dass sich Menschen erinnern können und dass unsere Gesellschaft Erinnernswertes auch bewahren soll.

Was Erinnerung ist

Erinnerung umfasst alltagssprachlich drei Bedeutungsebenen.

1) Erinnern heißt, einer Sache innewerden, indem sich Menschen bewusst etwas Vergangenes vergegenwärtigen.

2) Erinnerung ist etwas, das dem Menschen widerfährt. So schieben sich bisweilen Erinnerungen blitzartig und plötzlich ins Bewusstsein.

3) Erinnerung ist ein kommunikativer Vorgang. Menschen machen andere auf etwas aufmerksam im Sinne von »jemanden an etwas erinnern«.

Alle drei Bedeutungen verbindet ein gemeinsames Moment: Erinnerung hebt stets auf ein Wissen ab oder sogar auf bestimmte Erkenntnisse, die aktuell werden. Vergangenheit und Gegenwart kommen so in der Erinnerung zusammen.

Hoffen können

Doch unsere Welt ist auch durch einen besonderen Blick nach vorne, in die Zukunft gekennzeichnet. Dem Ruf nach der Erinnerung steht das Diktat des Fortschritts gegenüber. Er wird von der Hoffnung gespeist, dass das individuelle und gesellschaftliche Leben immer besser, schöner, leichter, lebenswerter werden sollte. Schon die Wortherkunft macht das deutlich. Hoffnung kommt aus dem niederdeutschen »hopen«, das heißt hüpfen oder vor Erwartung unruhig zappeln. Hoffnung geht also mit einer bestimmten Erwartung einher, dass da noch etwas Gutes kommt. Für manche konzentriert sich diese Hoffnung auf die nächste technologische Errungenschaft, für andere auf ein neues Medikament und für dritte auf eine berufliche oder familiäre Perspektive.

Erinnerung und Hoffnung gehören zusammen

Erinnerung an die Vergangenheit, Hoffnung auf die Zukunft: auch der christliche Glaube wird durch diese Pole geprägt. Davon erzählen die kleinen wie die gewaltigen Grabmäler im Mainzer Dom. Sie erinnern häufig an die glanzvolle Vergangenheit von Bischöfen und Königen. Sie setzen aber auch unübersehbar ein Zeichen der Hoffnung. Der Hoffnung, dass der Tod eben nicht das Ende, das letzte sei. Erinnerung und Hoffnung lassen sich auch als Grundmoment der Jesusbotschaft im Neuen Testament ausmachen.

Und in jedem Gottesdienst wird an Jesus erinnert, seine Worte, sein letztes Abendmahl mit seinen Freunden - verbunden mit der Aufforderung „Tut dies zu meinem Gedächtnis." Diese Erinnerung, so glauben katholische Christen, ist nicht nur äußerlich. Jesus selbst wird in Brot und Wein als anwesend, als präsent geglaubt.

Diese vergegenwärtigende Erinnerung ist stark durch Hoffnung bestimmt. In den Anfängen ist es die Hoffnung, dass Jesus bald wiederkommt, später dann die Hoffnung, dass sich das Reich Gottes unter uns Menschen zeigt - in einer Gesellschaft voller Frieden und Gerechtigkeit. Gespeist wird diese Hoffnung durch ein Gottes- und Menschenbild, das in der Rede von der Auferstehung seinen stärksten Ausdruck gefunden hat. Gott, das erzählen alle Auferstehungsgeschichten, lässt den Menschen selbst im Tod nicht untergehen. Gott ‚erinnert' sich des Menschen, rettet ihn durch sein Erinnern vor jedem endgültigen Vergessen. Weil jeder Mensch von Gott so geliebt wird, wie es Gott bei Jesus vorgemacht hat. Das alles sind starke Vokabeln, die deutlich machen: Erinnerung und Hoffnung gehören auch hier zusammen.

Erinnerung und Hoffnung sind aber auch immer als Kräfte zu verstehen, die motivieren und aktivieren. Erinnerung hilft, Schlechtes wie Gutes aufzurufen, zu verarbeiten und nicht geschichtsvergessen zu handeln. Hoffnung darf nicht als jenseitige Hoffnung verstanden werden, der es nur um den Sankt-Nimmerleins-Tag geht. Christen, die wirklich und tatsächlich hoffen, müssen so eine Unruhe in die Gesellschaft hineintragen, die sich mit den Zuständen der Welt, wie sie ist, nicht zufrieden gibt.

Zur Sprache bringen

Vor diesem Hintergrund ist klar: Christen müssen Erinnerung und Hoffnung in Worte und Taten fassen. Einfach nur ‚zu glauben' reicht da nicht aus. Es gehört zum jüdisch-christlichen Erbe, Erinnerung und Hoffnung zur Sprache zu bringen. Kein Wunder, dass der Autor des ersten Petrusbriefes ausdrücklich verlangt: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt." (1. Petrusbrief 3,15) Eine solche Hoffnung ist allerdings nur glaubwürdig, wenn sie auch an den konkreten Handlungen abzulesen ist.

Hoffnung und Erinnerung können demnach auch als wichtige Kräfte christlichen Handelns gelten. Sie halten den Menschen in Atem, in Gang und in Bewegung nach vorne. Erinnerung wie Hoffnung sind allerdings im christlichen Glauben gerichtet: Sie orientieren sich auf Jesu Christus hin.

Autor(en): Thomas Laubach