„Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist klug, wie jemand, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut. Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist unvernünftig, wie jemand, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört."
(Matthäus 7,24-27)
Die Popgruppe „Silbermond" drückt in ihrem Lied „Irgendwas bleibt" das Bedürfnis aller Menschen nach Sicherheit, Geborgenheit, nach Sinn und Wahrheit aus. Diese Sehnsucht nach etwas Bleibendem scheint angesichts einer beschleunigten Welt, in der alles im Fluss ist, ein umfassendes Grundbedürfnis des Menschen zu sein. Letztlich ist es die Frage, die sich in jedem Leben stellt: Worauf kann ich in meinem veränderlichem Leben bauen? Gibt es ein Wort, das heute und morgen die Angst beruhigt? Die ständige Bedrohung durch die Vergänglichkeit erzeugt die Sehnsucht nach Beständigkeit. Auf diese menschliche Grundfrage, als der Frage nach dem Fundament angesichts der Bedrohung durch den Tod, scheint das Jesuswort in Mt 7,24-27 zu antworten: „Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist klug, wie jemand, der sein Haus auf Fels baute." Ist dieser Rat, sein „Lebenshaus" auf Fels und nicht auf Sand zu gründen, nicht ein Plädoyer für einen christlichen Fundamentalismus? Und welche Worte sind das, dass sie den „Wolkenbrüchen", den „Wassermassen" und „Stürmen", alles Bilder für Vernichtung und Tod, Stand halten?
Eine weit verbreitete Meinung besagt, dass es keine absolute Wahrheitsanspruch gibt. Die Wahrheit sei, so die Meinung vieler Menschen, plural und relativ. Die Anhänger eines solchen pluralen Relativismus meinen, nur so tolerant sein zu können. Beansprucht die Botschaft Jesu aber nicht ausdrücklich ein Wort zu sein, auf das man als „Fels" sich in seinem Leben und Sterben verlassen kann? Beansprucht der Glaube nicht gerade eine letzte Wahrheit für den Menschen zu sein? Wie kann man sein Leben auf etwas gründen, dem man nicht mit Gewissheit zutraut, dass es uns trägt? Menschen, die eine relativistische Glaubenssicht vertreten, merken oft nicht, wie sehr sie mit dieser Haltung ihr Gegenteil, den Fundamentalismus provozieren. Der Fundamentalismus ist nur als die Gegenreaktion zum Relativismus erklärlich. Dadurch ist das Phänomen des Fundamentalismus ein weltweites Phänomen in allen Religionen. Religiöser Fundamentalismus, versteht sich als Gegenbewegung, gegen das moderne „Alles-ist-relativ", „Alles-ist-gleich-gültig" und deshalb auch vielen Menschen gleichgültig. Gegen diese Verweigerung der Wahrheitsfrage antwortet der Fundamentalismus auf die menschliche Sehnsucht nach Begründung, um den Preis, dass er Denkverbote ausspricht, die Vernunft abwertet und sich gegen Kritik immunisiert. Die Sicherheit, die hier erzeugt wird, ist die Sicherheit der Wagenburg. Menschen geraten nicht gerne ins „Schwimmen" und verlangen deshalb nach festem Untergrund und klarem Standpunkt. In fundamentalistischen Gruppen der Christenheit wird versucht den Glauben auf vermeintlich „natürliche" geschichtliche Fakten oder „übernatürliche" Neuoffenbarungen oder „Beweise" zu stützen, die man dann nicht mehr zu glauben braucht. Vielleicht ist auch die heute weit verbreitete Erfahrungssuche im Glauben eine moderne Variante fundamentalistischer Bestrebungen. Man möchte „Gott erfahren" und Glauben „erleben" und „fühlen", um nicht auf das bloße Wort Jesu hin glauben zu müssen. Religiöse Fundamentalisten sind daran zu erkennen, dass sie immer objektivierbare Erfahrungen für die Vertrauenswürdigkeit des Wortes Gottes benötigen. Irgendwie soll an der Welt der Glaube ablesbar sein und bestätigt werden. Die Worte Jesu der Zusage der Liebe Gottes zu hören, darauf zu vertrauen und danach zu handeln, genügen nicht. Im Fundamentalismus wird ständig nach Stützen für den Glauben außerhalb des Glaubens gesucht.
Fundamentalismus wie Relativismus sind eigentlich Ausdruck des Unglaubens. Die Botschaft Jesus ist von ihrem Anspruch her die Wahrheit, auf die man sein Leben setzen kann und sie bedarf auch keiner vom Menschen gemachter Stützen. Das Wort Jesus vom Bauen auf den Fels (Mt 7,24-27) darf weder relativistisch noch fundamentalistisch missverstanden werden. Jesus verweist darauf, dass das Wort Gottes der Fels ist und nicht durch irgendwelche Stützen von außen zum Fels gemacht werden muss (vgl. Mt 12,39). Er selbst ist die Begründung und das Fundament: „Denn einen anderen Grund kann niemand legen, als den gelegten, der ist Jesus Christus" (1 Kor 3,11). „Wenn deshalb die Geschichte vom Seewandel einen Sinn für unseren Glauben hat, dann diesen: Im Vertrauen auf Gottes Wort vermag es der Mensch, über den schwankenden Boden dieses Lebens zu gehen, ohne ständig Angst vor dem Ertrinken haben zu müssen" (Gerhard Gäde, Christus in den Religionen. Der christliche Glaube und die Wahrheit der Religionen, Paderborn 2003, 36). Nur wer Jesu Wort wirklich als „Fels" und letzte Wahrheit annimmt und darauf sein Leben baut, wird alles in der Welt relativieren und nichts als letzten Halt annehmen. Wer darauf vertraut wird entdecken, dass gegen dieses Fundament keine Macht der Welt, nicht einmal der Tod etwas ausrichten kann (vgl. Röm 8,38).
Autor(en): Eckhard Türk