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Begrüßung durch Ordinariatsdirektorin Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars:"Prävention, Intervention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche darf nicht nur eine Sache von wenigen Spezialisten sein"

Datum:
3. Juni 2024
Von:
Stephanie Rieth, Bevollmächtigte

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer unseres Fachtages gegen sexualisierte Gewalt!

Gemeinsam mit der Akademie des Bistums Mainz, deren Leitung Herrn Dr. Linsenmann und Frau Dr. Liebermann und einem sehr engagierten Team, das gemeinsam mit mir diesen Fachtag ins Leben gerufen, konzipiert und vorbereitet hat, möchte ich Sie alle sehr herzlich heute Morgen hier begrüßen.

Schon an dieser Stelle möchte ich die besten Grüße von Generalvikar Dr. Lang und Bischof Kohlgraf ausrichten, der heute Morgen noch Verpflichtungen im Anschluss an den Katholikentag in Erfurt hat, aber heute Nachmittag noch zu uns stoßen wird.

Zuerst einmal freue ich mich über die großartige Resonanz, die sich an der Zahl und der Vielfalt der Anmeldungen zeigt. Allein damit ist bereits ein ganz wesentliches Ziel dieses Fachtages erreicht:

Prävention, Intervention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche darf nicht nur eine Sache von wenigen Spezialisten sein. Das geht uns alle an, jede und jeder ist gefragt, an jedem Ort kirchlichen Wirkens und Handelns, die Konzepte im Umgang mit sexualisierter Gewalt ins Leben zu bringen, zu leben, sie als Haltung zu leben! Jede und jeder hat Verantwortung, die sich unterschiedlich gestaltet und niemand kann sich davon freimachen. Es ist notwendig, dass wir uns immer wieder auch Perspektiven auf unsere Arbeit geben lassen, die wir selbst nicht haben und dass wir darüber in einem aufrichtigen Dialog sind.

Aus diesem Grund freue ich mich ganz besonders darüber, dass heute erstmals der neu gegründete Betroffenenbeirat für das Bistum Mainz öffentlich sichtbar und wahrnehmbar wird. Nicht alle konnten sich den Termin heute einrichten. Danke, liebe Frau Prof. Dr. Scherzberg, lieber Herr Schwarzer, Herr Döbert, Herr Dr. Göttlicher, dass Sie heute da sind und sich mit einbringen in einen Tag, dessen Konzeption schon weit fortgeschritten war, zu einem Zeitpunkt, als sie sich konstituiert haben. Es ist Ihr Anliegen, sich heute auch ansprechbar zu zeigen. Danke dafür, dass Sie sich durch Ihre eigene Geschichte und Erfahrung hindurch, in dieser Weise in Dienst nehmen lassen für die Anliegen von betroffenen Menschen - ich glaube, Nicht-Betroffene können nicht ansatzweise verstehen oder nachvollziehen, was das im Letzten bedeutet. Danke!

Ich freue mich auch, dass ein weiteres unabhängiges Gremium - die Unabhängige Aufarbeitungskommission für das Bistum Mainz - heute mit einigen Mitgliedern, unter anderem ihrer Vorsitzenden Frau Groden-Kranich heute hier vertreten ist und auch eines der Themenforen gestalten wird.

Die Themenforen am Nachmittag werden von erstklassigen und namhaften Expertinnen und Experten aus ganz unterschiedlichen Feldern geleitet. Ich danke Ihnen, Herr Brückner, Frau Dr. Dold, Frau Jaguschewski, Frau Rohm, Herr Ruggiero und Frau Schönheit, dass Sie diesen Tag heute mit Ihrer Expertise bereichern.

Schließlich freue ich mich ganz besonders, dass Sie, lieber Pater Prof. Dr. Zollner, unserer Bitte und Einladung gefolgt sind und heute hierher gekommen sind. Ganz sicher gehen die hohen Anmeldezahlen auch darauf zurück, dass Sie heute hier zu uns sprechen, aber wenn das so ist, dann ist es mehr als stimmig.

Letztes Jahr - als wir hier noch ganz unter dem Eindruck der Veröffentlichung der EVV-Studie standen, haben wir - der heutige Erzbischof Bentz und ich - aktiv den Kontakt zu Ihnen gesucht. Schon in unserem zweistündigen Gespräch in Rom ist uns deutlich geworden, wie wertvoll es ist, sich von einem Fachmann wie Ihnen eben diese Perspektive auf das eigene Handeln geben zu lassen, die wir selbst nicht haben. Und eine lockere Verabredung ist nun heute hier konkret geworden. Danke, dass Sie sich auf den Weg gemacht haben und Ihre Perspektive zu unserem Tun beisteuern.

Frau Dr. Oschmann - und damit komme ich zur letzten Person, die ich jetzt am Anfang namentlich benennen möchte - wird Sie, Pater Zollner, noch einmal etwas näher vorstellen. Frau Dr. Oschmann werde ich gleich für die Moderation dieses Tages das Wort übergeben. Sie ist Mediatorin und Coach und moderiert seit etwa eineinhalb Jahren sehr souverän und strukturiert, mit großer Expertise und Empathie die Sitzungen unserer Aufarbeitungskommission und trägt damit wesentlich zum Gelingen der Arbeit in der UAK bei. Danke, dass Sie auch die Moderation für den heutigen Tag übernommen haben.

Bevor ich jedoch das Wort an Sie übergebe, möchte ich zwei Themen direkt ansprechen, weil sie ansonsten eine Wirkung entfalten, wie ein weißer Elefant im Raum.

Sie werden im Erbacher Hof Figuren, Bilder und Raumnamen finden, von Personen, denen unsere Aufarbeitungsstudie ein mehr als kritisches Zeugnis ausgestellt hat, über ihr Handeln im Kontext von sexualisierter Gewalt. Wir sehen in diesem Gebäude dadurch Spuren von Menschen, die für unsere Bistumsgeschichte Bedeutung haben, aber eben auch Spuren von Menschen, die sich in unterschiedlicher Weise verfehlt haben, moralisch höchst verwerflich gehandelt haben, gegenüber Betroffenen von Missbrauch, Meldenden, Mitarbeitenden, und ja, damit auch gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft selbst. 

Warum heißt der Kardinal-Volk-Saal noch so? Nicht, weil wir dies ignorieren. Sondern, weil es mit dem Umbenennen eines Raumes nicht getan ist. Wir arbeiten derzeit mit großem - auch personellem - Einsatz daran, in durch Missbrauch irritierten Systemen eine gute, heißt für den einzelnen Ort angemessene und passende Erinnerungskultur zu erarbeiten unter Beteiligung aller, die dazu an einen Tisch gehören: Pastorale Mitarbeiter/innen, Gremienmitglieder, die Stadt oder die Kommune und Betroffene oder Betroffenenvertreter/innen. Wir geben keine Lösung vor, die Lösung muss in einem gemeinsamen Prozess gefunden werden. Dazu haben wir an einigen Orten schon gute Erfahrungen gemacht. Diese Arbeitsweise gilt jedoch in ganz besonderer Weise auch für den EBH und für den Dom. Wir haben eine Steuerungsgruppe EVV - wir nennen sie auch in diesem Jahr so, weil für unsere Arbeit in der Prävention, Intervention und Aufarbeitung immer noch gilt: Wir sind immer noch dabei, zu erfahren, zu verstehen und aus diesen Erkenntnissen heraus vorzusorgen. In einer unserer Untergruppen begleiten wir auch die Erarbeitung einer Erinnerungskultur für den Erbacher Hof. Die dazu eingerichtete Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit aufgenommen und wird regelmäßig von ihrem Lösungsweg berichten: In der Steuerungsgruppe EVV und in der Unabhängigen Aufarbeitungskommission. Ich bin sicher, dass wir im nächsten Jahr in anderer Weise Spuren sehen werden.

Der zweite weiße Elefant, den ich benennen möchte, ist die Beisetzung unseres emeritierten Weihbischofs Franziskus Eisenbach in der nächsten Woche. Wenn Sie die Zeitungsberichte der vergangenen Tage aber auch unsere eigenen Mitteilungen dazu lesen, dann wissen Sie spätestens dann, dass es auch im Leben von Weihbischof Eisenbach eine Geschichte von Beschuldigung und Verfahren gab. Sie bezogen sich nicht auf sexualisierte Gewalt und nach allem, was ich heute dazu wahrnehmen kann und was auch die Studie dazu sagt, wurde - was ja zu dieser Zeit nicht selbstverständlich war, mehr als ordnungsgemäß mit der Situation umgegangen. Der Rücktritt von Franziskus Eisenbach von seinem Amt als Weihbischof war freiwillig. Aber natürlich bleibt eine Ambivalenz, wenn man auf die Lebensgeschichte einer Person schaut und es bleibt eine Ambivalenz, die eher grundsätzlicher Natur ist, wenn man auf die Rituale und zeremoniellen Abläufe einer bischöflichen Beisetzung schaut. Wir sind und bleiben dazu miteinander im Gespräch und Bischof Kohlgraf ist mit mir im Gespräch, um in dieser Situation die Beisetzung gut, sensibel und verantwortungsvoll zu gestalten.

Und so sind wir schon durch die Begrüßung mittendrin in den Themen dieses Tages. Aber mein Anliegen ist es, gerade in aktuellen Fragestellungen auch für größtmögliche Transparenz zu sorgen. Ich danke Ihnen allen, dass Sie der Einladung zum heutigen Tag gefolgt sind und ich wünsche uns einen Tag, der inspirierend und wegweisend für uns alle wird, wenn wir in gemeinsamer Verantwortung unsere Haltung weiterentwickeln.