Als der bezeitige Pfarrer [Fink] am 16. November 1908 nach St. Elisabeth kam, wurde ihm von maßgebender Seite nahe gelegt, in der Ausstattung der Kirche ein Atempause eintreten zu lassen. Demgemäß wurde es auch in den ersten Jahren gehalten. Dann brach der Weltkreig aus. Was St. Elisabeth damals geleistet in seiner Fürsorge für Kreigerfreauen und Kriegerkinder (über 400 Kinder wurden auf dem Lande in gute Pflege gegeben), für die Pfarrlinder im Felde, ist verzeichnet im Buche des Lebens. Dann kam die traurige Nachkriegszeit, die Inflation, die alle Ersparnisse und Kirchenfonds verschlang, und eine bis heute sich steigernde Wirtschaftsnot. Was war in solcher Notzeit nötiger als ein die gedrückten Seelen aufrichtender Kreuzweg in der Kirche? Aber die Anschaffung einer stilgerechten Kanzel wird allgemein als vordringlicher empfunden. Der Kreuzweggedanke indessen gewann immer mehr an Kraft. 1 ½ Jahre vor dem Silberjubiläum wurde auf der Kanzel verkündet: „Im Oktober nächsten Jahres wird ein Kreuzweg für 13 000 Mark aufgestellt und bezahlt sein“. Ein gewagtes Versprechen, das jedoch nicht Lügen gestraft wurde. Der Opfergeist der Pfarrkinder hat es geschafft. Es war ein Wetteifer aller. Mancher Opfersinn war geradezu rührend.
Dem jungen Meister Philipp Müller, Heppenheim, hervorgegangen aus der Schule Busch Söhne, Groß Steinheim, wurde von Professor Vecker im Auftrage des Kirchenvorstandes die Arbeit übertragen, und der Herr Domkapitular Lenhart, der Kunstsachverständige des Mainzer Domkapitels, hat es übernommen, das Werk zu überwachen. Seine Inspiration hat dem Kreuzweg ein ganz bestimmtes Stigma aufgedrückt, besonders durch den in den einzelnen Stationen gesteigerten Leidenszug im Angesichte der lieben Mutter Gottes. Die Kreuzwegfiguren sind aus Lindenholz verfertigt und inwendig hohl, damit sie nicht reißen.
Station um Station erstand, wurde aufgestellt und jedes Mal bar bezahlt. Ein vorliegender Brief des Meisters dankt für die Übertragung der Arbeit und die großzügige Behandlung der Geldfrage, die ihm dem jungen Meister, der sich erst auf ein so großes Werk umstellen musste, die freudige Schaffenskraft gab, das Werk künstlerisch zur Ausführung zu bringen.
Vater Guitbert, der offizielle Kunstsachverständige der Beuroner Schule, sagte von den Stationen, die er besichtigen konnte: „Die Arbeit kann sich sehr wohl sehen lassen“. Der Kreuzweg hat allgemein bewundernde Anerkennung gefunden. Die schlichte Frömmigkeit des alten Mütterleins kann sich an ihm seelisch gehoben nicht satt sehen. Und Kenner aus dem Priester- Und Laienstand spendeten ihm alles Lob. Die beiden Herren Domkapitulare äußerten sich sehr befriedigt.
Die 12. Station „Christus stirbt am Kreuze“ ist geweiht dem Gedächtnis unserer lieben Gefallenen im Weltkrieg.
Am 12. Oktober fand im Hochamt die feierliche Übernahme und Weihe des Kreuzweges statt. Herr Domkapitular Lenhart hielt die Kreuzwegpredigt und nahm die Weihe vor: Der Kreuzweg war ein würdiges Geschenk der Pfarrkinder zum Silberjubiläum ihrer Kirche. Herr Domkapitular Dr. Schneider, der erste Pfarrer der Pfarrei, hielt am Nachmittage die Jubiläumspredigt. Eine gewaltige Prozession mit dem Allerheiligsten durch den Herrngarten bildete die würdige Schlussfeier des großen Gedenktages. Den ganzen Tag schüttete es in Strömen. Aber während der ganzen Prozession waren die Wolken gnädig, und es fiel nicht ein Tropfen Regen.
So schmückt jetzt das schöne Sakramentale die Wände von St. Elisabeth und ladet die Pfarrkinder ein, in der Betrachtung des Leidensganges unseres Herrn und seiner heiligen Mutter Trost und Kraft zu gewinnen für den eigenen Leidensweg.
Quelle: Pfarrer Martin Fink, Inneneinrichtung der St. Elisabethkirche 1930