Das Oberlicht des Elisabethfensters

Autor: Pastoralreferent Dominique Humm

Im Oberlicht werden grundlegende Themen aufgegriffen, die sich durch Elisabeths leben ziehen und für ihre Heiligsprechung ausschlaggebend sind.

Auge Gottes

A1 (c) Stefan Pohl/Dominique Humm

Über allem schwebt das Auge Gottes. Es ist traditionell Zeichen der Allgegenwart Gottes.

So heißt es im Buch der Sprichwörter 15,3:

„An jedem Ort sind die Augen des Herrn,

sie wachen über Gute und Böse.“

Die Strahlen, die gewöhnlich kreisrund vom Auge ausgehen sind hier nach unten gerichtet und fluten hinüber in die anderen Bilder.

Das sonst übliche Dreieck für die Dreieinigkeit Gottes fehlt hier, vermutlich wegen der vorgegebenen Form des Fensters. Um das Auge ist aber eine weiße Taube angedeutet, die für den Heiligen Geist stehen könnte.

Das Rosenwunder

A2 (c) Stefan Pohl/Dominique Humm

In einem Tuch sind sechs Brötchen und zwei Brote zu erkennen, darunter eine Rose mit Dornen. Von oben flutet Licht ins Bild, davor leuchten rötlich Kornähren. Die Szene dürfte auf das Rosenwunder hinweisen, das von der Heiligen Elisabeth berichtet wird.

 

"In ihrer Kindheit, als sie allein im Hof umherlaufen konnte, da entwendete sie alles Essbare und Trinkbare, dass sie bekommen konnte, und gab es den Armen. Nachdem aber die Köche und das Gesinde das dem Landgrafen [Ludwigs Vater Hermann I.] berichtet hatten, da wartete er einmal selbst auf sie. Und als sie aus der Küche kam und hatte die Innentaschen ihres Umhangs voll beladen, da trat er ihr entgegen und sprach: „Liebes Töchterchen, was trägst du da?“ Darauf entgegnete sie: „Ich trage Rosen und will ein Kränzlein machen.“ Darauf erwiderte er: „Zeige mir die Rosen“, obwohl er doch wusste, dass es Brot und Fleisch waren. Nun schlug sie den Umhang zurück: Da waren es alles rote und weiße Rosen, doch in der Hand der armen Leute wurden sie wieder zu Brot und Fleisch. Darauf sprach er zu seinen Köchen und den Mägden: „Ich befehle euch bei eurem Leben, ihr alles das zu gewähren, was sie von euch nehmen will!“"

Quelle: Hermann von Fritzlar, Blumenlese. Buch von der heiligen lebine – 1343–49

An diese Legende schließen auch die vier gelb, orange, rot leuchtenden Fenster hin, durch die Kletterrosen ranken und die von goldenen Lichtstrahlen Gottes durchflutet werden.

A3 (c) Stefan Pohl/Dominique Humm
A3 (c) Stefan Pohl/Dominique Humm

Eine Rose hat sich bereits am Strauch in ein Brötchen verwandelt. Ein kleines Augenzwinkern des Künstlers.

In der fröhlichen Szene findet der genaue Betrachter auch zahlreiche Vögel, Schmetterlinge, Bienen und weitere Insekten.

Engel Gottes

A (c) Stefan Pohl

Zwei Engel Gottes bringen Krone und Dornenkrone. Ist die Krone Zeichen für Elisabeths königliche Herkunft? Oder mit der Dornenkrone zusammen vielmehr Ausdruck ihrer Wahl für die Christusnachfolge, um später die himmlische Krone zu erlangen?

Dazu findet sich eine Legende aus Elisabeths Kindheit:

„Einst befahl die Landgräfin am Mariä Himmelfahrtstag den beiden Prinzessinnen Agnes und Elisabeth, ihre schönsten Kleider anzulegen, ihre goldenen Kronen aufzusetzen und mit ihr nach Eisenach zum Hochamt in die Liebfrauenkirche zu gehen. Dies geschah. Kaum aber knieten alle drei vor dem großen Kruzifix, als Elisabeth schweigend ihre Krone abnahm, auf dem Boden niederkniete, und den Zipfel ihres Mantels mit Tränen benetzte. Sophie und Agnes machten ihr bittere Vorwürfe, doch Elisabeth erwiderte sanftmütig: „Vor meinen Augen hängt mein Gott und König mit einer scharfen Dornenkrone, und ich elendes Geschöpf sollte vor ihm mit einer kostbaren, goldenen Krone erscheinen? Sollte ich ihn verhöhnen? Ach, das kann ich nicht!““

Quelle: Ferdinand Heitemeyer, Das Leben des heiligen Elisabeth, 1889

Der Künstler Bruno Müller-Linow selbst verweist auf Matthäus 16,28:

Wahrlich, ich sage euch: Es sind etliche unter denen, die hier stehen, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn kommen sehen in seinem Reich. 

Darunter befinden sich Passionsblume und Dornenkrone.

Die Passionsblume

A6 (c) Stefan Pohl/Dominique Humm

mDie Passionsblume erkannten Christen sybolhaft einen Hinweis auf das Leiden Jesu.

Die fünf roten aufrechtstehenden Blütengefäße standen für die Wundmale Jesu, an Händen, Füßen und der Seite. Der blaue fadenartige Kranz erinnerte an die Dornenkrone. Die gelben Blütenblätter standen für die Apostel. Aufgrund der vorgegebenen Symmetrie fehlen hier vermutlich einige der sonst üblichen Blätter.

Die Dornenkrone

A7 (c) Stefan Pohl/Dominique Humm

Aus der aus Dornenzweigen geflochtene Krone blühen rot zu den Seiten die dreiblättrigen Blüten der Christusdornblume. In der Mitte sitzt keck ein Distelfink.

Der Dornenkranz korrespondiert mit den beiden Dornenmedallions der ersten und vierten Fensterreihe im Sockelbereich.

Insignien der weltlichen Macht

A4 (c) Stefan Pohl/Dominique Humm

Reichsapfel, Karlskrone, Zepter und Schwert sind Zeichen für kaiserliche Würde. Sie stehen hier für Kaiser Friedrich den II., der bei der Verkündigung der Heiligsprechung Elisabeths in Deutschland zugegen war. Im Sockelbereich wird er selbst dargestellt.

Zeichen der religiösen Autorität

A5 (c) Stefan Pohl/Dominique Humm

Die dreistufige Tiara als Papstkrone, der goldene Krummstab und ein Palmzweig sind Ausdruck religiöser Macht. Sie sind hier Hinweis auf Papst Gregor IX., der Elisabeth heiliggesprochen hat. Im Sockelbereich ist Papst Gregor IX. selbst abgebildet.

 

Skelette

A (c) Stefan Pohl

Am Rand wird das Oberlicht von zwei Skeletten, vielleicht von Adlern, gesäumt? Soll dies ein Zeichen für die Vergänglichkeit der Macht darstellen, auf die Elisabeth nicht baute? 

Die vier Bilder am unteren Rand gehören inhaltlich bereits zu den Bilderzyklen im Hauptfeld und werden dort näher erläutert.