1. Seitenfenster Berufung der Heiligen Eilisabeth

Stifterfenster in der Elisabethenkirche

Bruno_Müller-Linow_-_Selbstbildnis (c) CC BY-SA 4.0 Bruno Müller-Linow

Deutung des Künstlers Bruno Müller-Linow

Im Mittelalter suchte man vergeblich auf den wundervollen Fenstern der Dome in Straßburg, Regensburg und Freiburg nach den Namen der Künstler. Sie sind in so sympathischer Weise anonym geblieben und zur Aufforderung für Kunsthistoriker geworden, nach Entwerfern und Malern zu forschen. Heute ist das ganz anders. Man stellt dem Fenstermacher sogar ein Mikrophon hin, und er wird gebeten, selber, eigentlich dem Anonymen mehr zugeneigt, im Kirchenraum, den er als den Ort Gottes begreift, sein kleines Stifterfenster zu-deuten. Nun, die Akustik wird auch durch das Mikrophon nicht besser, und die viel zu starke Helligkeit in diesem Kirchenraum, die durch mehr Glasfenster gemildert werden könnte, bringt sein Fenster eigentlich erst spät am Tage, in den Abendstunden so recht zur Geltung. Ein Fenster wird immer zu einem optischen Abenteuer des fließenden Lichts (der Gottheit, setzte man im Mittelalter hinzu).

Ich habe mich für diese Situation des Erklärens mit einen gold geschnittenen Buch beschützt, das ich lieben gelernt habe, weil es eine Passionale ist, die viele Heiligenlegenden enthält, geordnet nach den Festen der Kirche, des Kalenders und schön eingeteilt nach des Herrn Sippe und den zwölf Boten und Dienern in deutschen Landen und nach vorchristlichen Sagen. Wenn man da zu lesen beginnt, um aus dieser Quelle zu schürfen, dann findet man unsere Elsbeth als Botin unseres Herrn beschrieben.

Diese Legenden sind derart volksnah und nicht ganz frei von den Sorgen damals, sie sind oft in einem derben, aber poetischen Deutsch geschrieben, so dass man Hans Winfried Sabais - verstehen kann, der mir einst schrieb: "Vergessen Sie die Legenden der Heiligen Elisabeth nicht. Um diese Frau haben sie sich gerankt in einer Art, dass sie zum schönsten der Legendenliteratur gehören, die um eine deutsche Frau entstanden ist." Ich habe sein Wort nicht vergessen, ebenfalls nicht die Meinung meiner geistlichen Berater, als ich mich mit der schönen Ungarin beschäftigte.

Hören Sie die Originalfassung einer solchen Heiligenlegende, die für mein Fenster zur Quelle wurde. Sie werden beim genauen Betrachten meines Fensters bemerken, was ich wörtlich nahm, was ich optisch übersetzte und was ich zusamnenfasste und in meiner Art von Resumé edierte. Trotz allem muss ich es gestehen, dass das Fenster ein Stück von mir ist, zu dessen Verwirklichung mir Bruno Estermann, der Meister des großen Fensters, so aufopferungsbereit half.

Die Legende werde ich lesen, als ob ich meinen Enkeln sie vorlese, und Sie, Erfahrene und Lächelnde, meinen bitte dort irgendwo im 16. Jahrhundert gegenwärtig zu sein. (Der Heiligen Leben und Leiden, Die schönsten Legenden aus den Passionalen des 15. Jahrhunderts, Insel Verlag 1913, Seite 357/358)

Text:

"Eines mals da kam ihr ein Siecher, der war ganz unsauber und hätt den Aussatz. Den führet sie sich heim in ihre Kammer und badet ihn und schor ihm sein Haar und wusch sein Haupt und leget ihn hernach in ihr eigen Bette. Das sah ihr Schwieger und saget es ihrem Sohn, dem jungen Landgrafen und sprach zu ihm: "Herre, das ist keine Ehr. Geh hin zu Deiner Frauen, die hält einen Mann in ihrer Kammer." Da klopfte er bei ihr an und wusste doch wohl, dass sie kein Übel nicht tät. - Und sie tat ihm auf, da lugt er überall. Und sie trug einen Hafen mit Lauge. Damit hätt sie den Aussätzigen gewaschen - den hatt sie so gern verborgen. -

‚Da sah der Landgraf, dass sie etwas in dem Busen trug. – Das war das Haar, was sie dem Siechen abgeschoren. Da sprach der Herr freundlich: Liebe Schwester, was trägst du in dem Busen. Sie sagte: Es ist reine Seide. Und nahm es hervor und gab es dem Herren.

Da waren es gute seidene Knöpfe und ein golden Seidenband. –

Liebe Schwester, was trägst du da in dem Hafen? Da ging ein Wohlgeruch vom Hafen aus, und oben lagen viele Rosen ...

Des wunderts sich der Herr gar froh und ging zu seiner Mutter und sagt ihr, dass er keinen Mann bei ihr gefunden hätte. Da sprach sie: Geh wieder hin und lug ein wenig besser. Wahrlich liebe Mutter, du verdienst große Straf und versündigst dich an meinen lieben Frauen. Sie ist aller bösen Sach unschuldig. - Da sprach die Mutter. Geh hin zu den Bette, da findest du einen, den sie viel lieber hat als dich. (Sie klagt also Elisabeth des Ehebruchs an...)

Da ging der Landgraf wieder in seine Kammer - da empfing ihn Elisabeth freundlich. Und er ging in einem guten Sinn an das Bette und warf die Decke auf. Da sah er unseren lieben Herrn Christus mit blutigen Wunden ruhen. - Da fiel er auf seine Knie und sprach: " Herr erbarme dich unser – ich bin nicht würdig, so ein Ding zu sehen."

Das sind die verbi, die Worte, die jetzt auf den Entwerfenden einfallen und die ihn bedrängen und die er jetzt auswählen kann. Ich gebe manchem Satz meinen Zuspruch und manchem meine Ablehnung, denn nicht alles, was des Wortes Stärke ist, dient der Augen Sessel. Ich wähle, und ich ordne, glaubend, dass es vielleicht doch zu dem alten "Accedit verbum ad elementum et fit sacramentum" kommt, was heißt: "Wenn die Wörter zu ihren Elementen kommen, dann vollzieht sich auch hier ein Wunder der Wandlung."

1 Fenster (c) Dominique Humm

Mit meiner Phantasie müssen die bunten Scherben so gesetzt werden, dass sie aufnehmend und widerborstig sich mir stellen. Durch diese ernste Zweisprache mit diesem ernsten Ringen mit meinem Material wie ein Kupferstecher mit seiner Platte, mit seiner Geliebten, kann ernsthaft etwas Gültiges entstehen. Da dauert es dann lange, wenn man verwirft, ändert, sich ärgert, nicht schlafen kann, weil so ein Kopf wie der des Franz sich in meinen Skizzenbüchern nicht findet, ich den verehrenden Blick der Elisabeth erst dann herausbekomme, als ich eine katholische Alternativgruppe im Kloster Frauenfeld am Bodensee gezeichnet habe. Dann wurde der Hund beim Franz verzeichnet, und Estermann fand ein beinahe unwirkliches Überfangglas, und die Flusssäure musste herhalten. Endlich fanden wir für den Aussätzigen das Glas, in fließendem Aussatz schwelgend, in Rots und Orange, und beim Christus ging es uns aus, und mit Schwarzlot musste ich den geschundenen Körper malen. Ich darf von uns erzählen: Früher sagte man, wer so in Glas arbeitet oder mit Glas lebt, hat ein vivere in deo. Da wird dann plötzlich der elektrisch erleuchtete Tisch der Arbeit, in den man stundenlang schauen muss, wie. ein Nachbar zum Altar, und ich selber finde die Nähe des Beichtstuhls zu meinem Loblied auf Vertrauen, Verlässlichkeit, Gehen durch Dick und Dünn in einer glücklichen Ehe zwischen Ludwig und Elisabeth (mit 14 verheiratet, mit 20 Witwe und in zeichenhafter Trauer 4 Jahre, heilig gesprochen wieder nach 4 Jahren) in dieser Nähe empfinde ich ein Unterstreichen meiner künstlerischen Absichten, dieser Ehe ein optisches Denkmal zu setzen. Und damit wäre ich schon bei der Auslegung, der Interpretation, die für einen theologischen Dilettanten schwer wird.

Und diese Betrachtungen werden beim Maler immer wieder durch den alten Wolfram von Eschenbach gestört, der um die Zeit der frühen Elisabeth in seinem schönen Mittelhochdeutsch schrieb:

"Adamas und Amatiste

die aventuire uns wissen lat

thopaje und granat

cerisole und rubine

smarade und sradine

sus waren , die fenster riche machen"

Da leuchtet die Rose wie Granat in der Mitte des linken Rechtecks - Übriggeblieben vom Rosenwunder auf dem Laugentopf - eine zärtliche Geste des des Verehrens fähigen Gemahls.

1 Fenster (c) Dominique Humm

Da leuchtet wohl zum ersten Male in der Geschichte der Elisabethendarstellungen das goldene Seidenband um ihren Kopf, der immer so durch den mittelalterlichen Frauenputz getürmt erscheint. Man merkt ihre liebliche; Figur -— vielleicht so um 1220 – das blieb vom Verstecken der Haare des Aussätzigen. Ihr Gewand ist einfach, schon im Vorgriff auf die spätere Witwenzeit, weil mir das Blau passender erschien als fürstliches Gelb und Rot. Der legenda aurea angepasst, der uralten Quelle aus dem 13. Jahrhundert für die Legendenbücher, fasst mein mit Kreuzen versetztes Kreuzband, mit Silbergelb gemalt, als Rand die unteren Felder, um in der handwerklichen Tat das Unten vom Oben abzusetzen.

Ich habe das "Oben" für das Wunder der Wandlung vorbehalten, ähnlich wie es in frühen Fenstern geschah, wo man Sonne, Mond und Sterne, Engelkonzert und Gottvater oben in der Bildregie den Platz gab. Die Fischblase als solche, in der Fischsymbolik aus vorchristlicher Zeit im Symbolgehalt der Christusfigur verbunden, verführt mich zusätzlich dazu, den Aussätzigen und den Corpus Christus dorthin zu nehmen. Der Form des Steinmaßwerks angepasst lagert sich der Aussätzige mit seinem roten Aussatz, verkrümmt und wie von Gicht geplagt, kauernd am Rand. Verheißungsvoll leuchtet das fürstliche Bett in Granatrot und kontrastiert Linnen und Faltenwurf des Lakens. Man sollte nicht vergessen, dass das Leinentuch Christi später. auftaucht und zumindestens bei der Christusfigur in schönsten Grau und grünlichem Weiß brilliert. Legenden sind von Hintergründen im wahrsten Sinne angereichert, die man bei der Arbeit bedenkend bemerkt. Links ruht der Ärmste der Armen, geplagt von den Mitbringseln der Kreuzfahrer, der Lepra, rechts ruht schmerzenvoll der wahre König, der Einzige, den man sich vorstellen kann. Zur Bekrönung des Geschehens, in eucharistischer Wandlung oben die Krone Christi, mit einer Dornenkrone begleitet, die vielleicht zu dunkel geworden ist, aufgehellt durch das Rotkehlchen, den Blutstropfen abpickend, und die heiteren Schmetterlinge.

1 Fenster (c) Dominique Humm

Wenn man mich fragen würde, welche Position im Fenster mir am schwersten fiel und wo eine neuralgische Position vorliegt, so müsste ich auf die enge Pforte verweisen,. die absichtlich nach oben, in das Geschehen in himmlischer Ordnung zu bemerken ist. Ich wählte dafür nach langem Suchen die oberste Stelle im Helm des Schulterstücks. Es entstand eine Steige, eine Treppe, die in Enge und in Nadelöhrart nach oben führt, durch Dunkelheit und Mühe zwängt sich die Form zur kleinen Spitze des Maßwerks. Im Matheus-Evangelium (Math. 3,3) "Machet richtig seine Steige. Das Himmelreich ist nahe gekommen." In der Taufe Johannis wird weiter Busse gefordert, als wenn Neid und Missgunst der Schweiger im unteren Teil hier eine ernste Aufforderung bekommt: zum Vertrauen und zum Glauben. Die Enge des kleinen Nadelöhrs oben erinnert an jenes Christuswort, in dem er. von dem Kamel spricht und dem Reichen, der sich vergeblich müht. Und damit wird der von mir gemeinte Sinn für die übergroße Figur, nicht Mann, nicht Frau, steinewerfend als Inkarnation des biblisch gemeinten Feindes offenbar, der im Gegensatz zur friedlichen Figuration des Heiligen Franziskus nicht die Forderung des Poverello anerkennt: Armut, Demut und Keuschheit und Liebe zum Nachbarn. Jeder Einzelgänger und besonders der, der Christus Nachfolge in Taten sucht, wird von diesen Nörglern und Geiferern begleitet.

Während der Prophet Jesaja im Alten Testament von so von mir aufgefassten Figuren von falschen Zeugen redet, die Unrecht säen und Gutes hassen, wird in meinem Fenster durch die Nachbarschaft zum Heiligen Poverelllo eine nachbarliche Position. zur Elisabeth figürlich so besetzt, dass dem Maler der braune Fleck gemäß erscheint, um dem Blau der Elisabeth den Kontrast zu bieten. Der Anklang des Sonnengesangs, die frohe Gemeinde tierlicher Kreatur, bringt in das Feinster eine innere Heiterkeit, denn Elisabeth ist im 13. Jahrhundert ohne das Pfingstwunder des Franz nicht vorstellbar. Bei ihr dominiert franziskanischer Geist.

Das Fenster ist ein Stifterfenster zum piam memoriam von Barbara Persinger, es gleicht so einem gläsernen Grabstein auf einem Friedhof, bei dem die Blumen Wolfram von Eschenbachs Farbscheiben sind und der Regen von draußen an gläsernen Stein das Gießen besorgt. Ein schöner und wieder eingetroffener Brauch, der Nachbarschaften verdient. In Zeiten, wo amtliche Gremien,. Diözesen und Paulusplätze,; die Städte bei dem Ressort "Kunst" sparen, darf der Maler wohl sagen, dass zisterziensisches Verhalten des Staates den Bildern, Plastiken und Fenstern gegenüber nicht recht am Platze ist. Die Pfingstwunder als Ausgießung des Geistes gehören zu unseren Kirchen, sie sind gleichwertig den Hilfeleistungen für die Dritte Welt und sollten sich die Waage halten.

Wenn man im sterbenden Licht des Tages gegen 20 Uhr die Fenster sieht, ist man erschrocken von der Kraft der Farben, die sich abends besser enthüllen als im Sonnenlicht des Mittags. Der Wandel des Lichts, des fliessenden Lichts der Gottheit, könnte für den Kirchenbesucher Trost sein, wenn ihm Predigt und Verlautbarung nicht so passt: eine Wandlung im Licht, die wie beim Wolfram die Fenster reich macht.