Deutung vermutlich durch den Künster Bruno Müller-Linow
"Lob des Gebetes" ist eines der Fenster benannt: Eine reiche, eitle Fürstin, die die Kirche als Bühne für ihre Auftritte nutzt, bringt in herablassender Pose ihren herausgeputzten Sohn zur berühmten Elisabeth, die ihn das Beten lehren soll. Der Jüngling wird unter Elisabeths Leitung von der Glut des Gebetes erfaßt und entflammt. Geläutert und gereift geht er aus den Flammen hervor und dient fortan Gott als Ordensmann. Das leuchtende gelbe Band des Bildes versinnbildlicht den Weg aus der materialistischen, übersättigten Welt in die innere, abgeklärte, befreite Welt der Heiligen. Der junge Ordensmann stimmt in den Sonnengesang des Heiligen Franziskus ein, der in den Fenstern des Maßwerkes bildlich mit Schwester Sonne, Bruder Mond, Sternen, Wind, Blumen, Tieren und Bergen dargestellt ist.
aus: Oktober 1234/1. Januar 1235: Libellus (I) de dictis quatuor ancillarum s. Elisabeth confectus,
Bericht der päpstlichen Kommission über die Aussagen der vier Dienerinnen Elisabeths
"Auch sagte Elisabeth, die Magd der gottseligen Elisabeth, unter Eid aus, dass eine vornehme Frau namens Gertrud von Leimbach gekommen war, um Elisabeth zu besuchen, und mit Gertrud kam ein Jüngling namens Berthold, der ganz weltlich gekleidet war. Ihn rief die selige Elisabeth zu sich und sagte: „Du trittst anmaßend auf, warum dienst du nicht deinem Schöpfer?“ Da antwortete der Jüngling: „Oh, meine Herrin, ich bitte Euch, für mich zu beten, dass Gott mir seine Gnade schenke, ihm zu dienen.“ Sie fragte: „Willst du, dass ich für dich bete?“ „Ja, das will ich“, antwortete er. Darauf sprach sie: „Wenn auch du dich gleichermaßen um die Gnade Gottes bemühst, so will ich gern für dich beten.“ Und sie warf sich sogleich auf die Knie, wie es ihre Art war, an einem Ort des Klosters in Wetter, wo sie damals weilte, und begann andächtig für den Jüngling zu beten. Auch der Jüngling suchte sich in dem Kloster in einiger Entfernung einen geeigneten Ort zum Gebet. Als nun beide eine Weile gebetet hatten, begann der Jüngling mit lauter Stimme zu rufen: „Oh, meine Herrin, hört auf zu beten!“ Sie aber versank noch eifriger in das Gebet. Nach einer Weile begann der Jüngling lauter zu schreien: „Oh, meine Herrin, hört auf zu beten, denn ich werde gleich ohnmächtig!“ Er war nämlich von so großer Hitze entflammt, dass er am ganzen Körper schwitzte und dampfte und wie irrsinnig die Arme und den ganzen Körper hin und her warf. Und die Mutter des Gequälten und die genannte Elisabeth und Irmingard, die Mägde der seligen Elisabeth, die das unter Eid bezeugten, eilten herbei, hielten ihn und fanden ihn, wie er es Frau Elisabeth gesagt hatte, ganz erhitzt und seine Kleider ganz von Schweiß durchnässt, und immer wieder schrie er: „Um Gottes Willen, hört auf zu beten, denn ich werde von einem inneren Feuer verzehrt!“ Und die, die ihn hielten, konnten die Hitze an ihren Händen kaum ertragen. Sowie aber die selige Elisabeth ihr Gebet beendete, fühlte er sich besser. Gleich nach ihrem Tode trat der Jüngling bei den Brüdern [Barfüßern] ein. Das, was über den Jüngling berichtet worden ist, ereignete sich ein Jahr vor dem Tod der seligen Elisabeth, und oft hat sich Ähnliches ereignet, wie dieselbe Magd Elisabeth berichtet."