In der zweiten Lesung, die wir heute nicht gehört haben, steht der Satz „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt (1 Korintherbrief, Kapitel 12)“. Vermutlich wird das vielen Christen ganz selbstverständlich erscheinen: Die Gabe des Heiligen Geistes ist nicht um ihrer selbst willen da, sondern soll den anderen zum Nutzen gereichen. Viele Gläubige werden da zustimmend nicken – und nicht das Konfliktpotential ermessen, das in diesen wenigen Worten steckt.
Weil Gottes Geist überwältigend groß ist, wir Menschen hingegen von Eitelkeit und Schwäche niedergedrückt sind, ist es keinesfalls ausgemacht, dass wir mit den Gaben des Heiligen Geistes angemessen umgehen. Ja, es wird vielmehr so sein, dass je mehr ein Mensch von sich selber absehen kann, er ohne Verfälschung Gottes gute Gabe weitergeben kann; je mehr er aber von sich selbst eingenommen ist und sich im Glanz seiner besonderen Fähigkeiten sonnt, umso größer ist die Gefahr, dass er die Gabe eintrübt und letztlich verdirbt.
Warum ist das so? Kann uns der Heilige Geist nicht ganz und gar verwandeln? Vermag es der Geist von Pfingsten nicht, die Spuren des alten Menschen in uns auszutilgen? Diese Fragestellung ist eine grundsätzliche. Denn gewiss: Gott kann uns aus den alten Geleisen unserer Schwäche und Sünde herauszuholen. Aber wenn die Eigenliebe und die Selbstsucht zu tief in unser Wesen eingeschrieben sind, dann können sie das hemmen und ausschalten, was Gott mittels seines Geistes durch einen Menschen wirken will.
Durch die ganze Kirchengeschichte zieht sich die Spur, dass besonders geistbegabte Menschen in die Grube der Eitelkeit und Selbstliebe gefallen, ja manchmal sogar gesprungen sind. Je bescheidener, demütiger und „kleiner“ ein Mensch ist, desto eher vermag der Heilige Geist durch ihn zu wirken; je aufgeblasener, selbstverliebter und von der eigenen Bedeutung durchdrungen er ist, desto mehr wird der Geist sich totlaufen und sein angepeiltes Ziel verfehlen.
Wenn wir also an Pfingsten um die Herabsendung des Heiligen Geistes bitten, dann sollten wir das stets mit der Bitte verbinden, dass Gott uns verwandelt und innerlich erneuert. Keinesfalls darf es uns um religiöse Selbstverwirklichung gehen und das Bedürfnis, unser eigenes Ego groß herauszustellen. Wenn das geschieht, haben wir den Geist getötet. Und damit hätten wir auch der Kirche den Todesstoß versetzt.