Ich bin vor kurzem auf einen „Dialog“ gestoßen, der mich sehr berührt hat:
„Warum gehst Du in den Wald“, fragt der Vater.
„Um Gott zu suchen“, antwortet der Knabe.
„Aber – ist Gott denn nicht überall?“
„Er schon“, sagt das Kind,
„aber ich bin nicht überall derselbe“. (Elie Wiesel)
Dieser Dialog stammt von Elie Wiesel. Elie Wiesel überlebte zwei Konzentrationslager: Auschwitz und Buchenwald. Im Alter von 87 Jahren starb er 2016. Seit Kriegsende war er als Schriftsteller aktiv und engagierte sich mit seinen Werken gegen Gewalt und Rassismus. Alleine diese Tatsache fasziniert mich sehr, wenn eine Person, die selbst tiefstes, unsagbares Leid erlebt hat, eine Kraft entwickeln kann, die eben nicht bei sich selbst stehen bleibt.
In dem benannten Zitat spüre ich eine tiefe Weisheit. Da ist zunächst einmal die Umkehr unserer eigentlichen Wirklichkeit. Hier ist es nicht der Sohn, der den Vater fragt. Der Vater fragt den Sohn. Wie oft frage ich eigentlich meine Kinder, warum sie etwas gerade so tun, wie sie es tun?
„Aber ich bin nicht überall derselbe“. Ja, das stimmt. Und der Sohn scheint das ganz genau zu wissen. Wir sind nicht überall dieselben. Das wissen wir alle. Wir alle sind auch immer wieder in irgendwelchen Rollen.
Der Sohn scheint zu erahnen, dass der Wald aus ihm einen anderen macht und dadurch diesen Gott irgendwie besser finden kann. Bzw. dass er erst einmal ein anderer werden muss, damit er Gott findet. Der Wald scheint dafür der passende Ort zu sein. In seiner Einfachheit, in seiner Ursprünglichkeit.
In dieser Ursprünglichkeit scheinen wir – losgelöst von allen Ablenkungen- dem nahe zu kommen, der uns im ursprünglichsten erdacht hat.
Und auch wenn ich auf die letzten Wochen zurückblicke, so waren es sehr oft Walderfahrungen, die mich durch diese Zeit getragen haben und immer noch tragen. Wenn ich dabei auf den Dialog von Elie Wiesel schaue, war es dann wohl doch nicht nur der Wald alleine.