Das Brechen des Brotes

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Datum:
Do. 11. Juni 2020
Von:
Pfr. Hubert Hilsbos

In allen Kirchen und Kapellen steht ein Altar, irgendein Tisch aus Stein, unverrückbar, monumental und meistens kostbar. Vielleicht wäre ein Tisch aus Holz besser: schlicht und klar. Statt der goldenen Ziborien müssten darauf Holzschalen oder kleine Körbe stehen. Darin liegt das Brot, das möglichst viel Ähnlichkeit mit dem Brot hat, das wir daheim auf den Tisch stellen.

Während die Anwesenden um den Tisch sitzen, steht besonders das Brot im Mittelpunkt des Vorgangs. Es wird gebrochen und verteilt, weitergereicht. Menschen treten hervor, halten die offene Hand auf, sie empfangen das Brot und sagen "Amen", in moderne Sprache etwa mit "Danke schön" übersetzt.

Man sieht nur einfache Gebärden und hoffentlich keine mechanischen Handgriffe. Was wollen wir durch sie, in diesem Ritus, in diesem Spiel zum Ausdruck bringen? Vielleicht möchten wir durch sie bezeugen, dass wir dem Evangelium, das uns verkündigt wird, zustimmen; wir setzen ein Zeichen, wir beteiligen uns daran, glauben mit unseren Händen. Man kann selbstverständlich auch sitzen bleiben, wenn man meint, eine Antwort sei noch verfrüht, oder wenn man sich nicht für das einsetzen will, was man gehört hat.

Es ist also eine Gebärde der Zustimmung und der Zusammengehörigkeit; wir alle empfangen ein Stückchen desselben Brotes. …

Im Evangelium ist das Weizenkorn Bild und Gleichnis Jesu von Nazareth, des Menschensohns, der nicht für sich selbst gelebt hat und nicht für sich selbst gestorben ist. Das Evangelium nennt ihn: Brot für das Leben der Welt; es weiß, dass er das Geheimnis seines Lebens in einer vielsagenden Gebärde bildlich ausgedrückt hat: dass er das Brot gebrochen und gegeben hat, um gegessen zu werden und so der neue Mensch zu sein. Die Kirche, die immer aufs Neue aus dem Evangelium geboren werden muss, erkennt in dieser Gebärde Jesu das Geheimnis des Lebens selbst, denn niemand lebt für sich selbst und niemand stirbt für sich selbst.

Brot brechen und untereinander verteilen, die offene Hand ausstrecken, diese kleinen, wehrlosen und immer wieder gleichen Gebärden verstehen wir als Gesten, die sich auf Christus beziehen. Für uns können sie die Bedeutung haben, dass wir ihn im Gedächtnis behalten, sein Leben nachvollziehen, ihm entgegenhoffen wollen; dass wir unser Heil in diesem Menschen sehen, so wie er war, und in Gott, den er seinen Vater nannte, dass wir glauben an Geben und Empfangen, an Zusammengehörigkeit, an unser eigenes Lebensgeheimnis.

Zum Teil ist es auch eine verzweifelte Gebärde, mit der wir bekennen, daß wir es nicht bewältigen können und nicht wissen, wie das auf weltweiter Ebene vor sich gehen soll: dieses Brechen und Austeilen des Brotes. Es ist eine machtlose Gebärde wider den Hunger in der Welt, …. Bildlich drücken wir uns aus, sind uns bewusst, dass diese Vision noch immer keine Wirklichkeit geworden ist. Zugleich aber bekennen wir uns zu der Zukunftsvision einer Welt in Gerechtigkeit, in der wir einander nicht mehr zerreißen, sondern das tun, was jetzt noch undenkbar und unmöglich ist, in der wir sind, was jetzt noch nicht sein kann: Menschen in Frieden, … Menschen der einen Menschheitsfamilie … und Jesus in unserer Mitte.

Huub Osterhuis