Advent 2022 - Predigtreihe zum Pastoralen Weg

Von:
Pfarrgruppe Bingen

3. Predigt aus der Predigtreihe zum Pastoralen Weg von Pfarrer Markus Lerchl

3. Advent A – 11. Dezember 2022 

Lesungen des Sonntags 

1. Lesung: Jes 35,1-6b.10
2. Lesung: Jak 5,7-10
Evangelium: Mt 11,2-11

 

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder,

wer am Freitag, 9. Dezember 2022, in die AZ auf der S. 17 schaute, konnte unter der Überschrift „Binger Pfarreien rücken zusammen“ einen Artikel finden, der über die kommende Zeit berichtet: Am 1. Januar 2025 wird unsere neue Pfarrei rechtlich gegründet. Sie umfasst die 11 bisher selbstständigen Pfarreien Bingen, Gaulsheim, Kempten, Büdesheim, Dietersheim, Dromersheim, Sprendlingen, Gensingen, Badenheim, Hackenheim und Planig mit den jeweiligen Filialkirchen und vereinigt so rund 16.800 Katholiken. Es wird 5 Vollzeitstellen geben, davon 2 Priester. Der Redakteur, Michael Lang, beschreibt gleich im ersten Satz die Situation ganz richtig: „Das Jahr 2025 wird auch im Binger Raum Leben und Wirken der katholischen Gemeinden grundlegend verändern“.

Wir haben am 1. Advent über die verschiedenen Gründe nachgedacht, warum eine uns sehr vertraute Gestalt von Kirche an ihr Ende gekommen ist und eine neue Gestalt sich herausbildet, ohne dass wir sie schon genau beschreiben könnten. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Fakten Angst machen, dass die bange Frage auftaucht, ob gerade die kleineren Gemeinden überhaupt eine Zukunft haben, ob es noch einen regelmäßigen Gottesdienst geben und Seelsorge noch möglich sein wird. Wir arbeiten an allen diesen Themen, wobei ich noch nichts Konkretes sagen kann, da wir erst mit der Arbeit begonnen haben. Wir werden uns nach Kräften darum bemühen.

Trotzdem bleiben Furcht und Angst, vielleicht auch die Trauer, dass etwas Vertrautes und Gewohntes nicht mehr zu halten sein wird. Und für das Kommende mag dann auch die Frage des Täufers Johannes an Jesus gelten, die er in seinen Zweifeln an ihn richtet: „Bist du der, der da kommen soll?“ Im Hintergrund der beiden anderen Lesungen steht auch die Furcht, benennen sie doch wichtige Haltungen gegen die Angst: Der Jakobusbrief mahnt die Gläubigen: So wie der Bauer im Früh- oder Spätjahr auf den Regen wartet, so sollen auch die Christen auf ihren Herrn warten, der wiederkommen wird. Und sie sollen dabei ihr Herz stark machen. Von dieser Stärke aus dem Glauben war auch in der Lesung aus dem Propheten Jesaja die Rede. Denn neben allen Bildern von der prächtig blühenden Wüste sowie den von ihrer Krankheit geheilten Blinden, Tauben, Lahmen und Stummen, steht betont die Aufforderung: „Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott (...). Er selbst wird kommen und euch retten“. Auch hier also wendet sich der Prophet an Menschen mit Furcht vor der Zukunft, die sagen, dass sie keinen Ausweg mehr sehen aus der Katastrophe, dass sie nur Untergang, aber keinen Aufgang mehr erkennen.

Indem der Advent vom Kommen Gottes spricht, zeigt er eine Perspektive auf, ist er eine Zeit gegen die Angst, weil er von einer Zukunft redet, die nicht mehr wir Menschen machen; einer Zukunft, die uns von Gott geschenkt wird! In Glaubensgemeinschaften hängt der Weg in die Zukunft immer mit dem Blick auf die hl. Anfänge zusammen. So habe ich heute meine Gedanken auch unter die Überschrift gestellt:

Aufbruch aus dem Ursprung

Wir haben am 2. Advent die Jerusalemer Urgemeinde näher betrachtet. Sie gibt uns die vier grundlegenden Vollzüge und damit auch Erkennungsmerkmale der Gemeinde Jesu Christi vor: 1. Gottesdienst, 2. Verkündigung des Glaubens, 3. Nächstenliebe und 4. Gemeinschaft. Wenn wir uns diesen vier Grundvollzügen zuwenden und sie ins heute übersetzen, sind wir auf dem richtigen Weg der Erneuerung. Doch wie kann man sie uns Heute übersetzen?

In unserem Bistum hat Bischof Peter Kohlgraf 2019 dafür den Pastoralen Weg als Weg der Erneuerung begonnen. In ihm geht es darum, Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit zu geben und die Kirche im Bistum Mainz gut für die Zukunft aufzustellen. Der Bischof hat den Pastoralen Weg unter das Leitwort gestellt: „Eine Kirche des Teilens werden“ und sich dabei an unserem Bistumspatron, dem hl. Martinus, orientiert. Es geht auch hier wiederum um die alte und doch immer neue Frage, wie die Grundvollzüge einer christlichen Gemeinde Gottesdienst – Verkündigung des Glaubens – Nächstenliebe – Gemeinschaft gelebt werden können.

Für Bischof Kohlgraf ist es wichtig, dass wir uns als kleiner werdende Kirche eben gerade nicht in unser religiöses Schneckenhaus zurückziehen, sondern dass wir uns in unsere Gesellschaft einbringen. Das Teilen ist für ihn ein wichtiger Wegweiser in die Zukunft, sowohl innerkirchlich wie in die Gesellschaft hinein. Der Bischof schreibt: „Für unsere Zukunft stelle ich mir eine Idee von Seelsorge vor, die das Evangelium zur Grundlage nimmt und auf die Not der Zeit und der einzelnen Menschen antwortet.

An erster Stelle kann dann nicht mehr die Frage stehen, wie wir Bestehendes erhalten, sondern wie wir das, was wir haben, für andere Menschen einsetzen können. Das ist ein grundsätzlicher Haltungswechsel“1. Er vollzieht sich in vier Feldern:

  • Leben teilen: Es bedeutet, dass wir am Leben der Menschen Anteil nehmen, wach sind für ihre Anliegen und Fragen, auch ihre Not.
  • Glauben teilen: Hierzu gehört es, dass wir unseren Glauben nicht verstecken, sondern ihn aktiv zu Sprache bringen. Das kann bedeuten, im persönlichen Umfeld mehr über das zu sprechen, was uns an Glaube und Hoffnung bewegt, worauf wir warum vertrauen. Es kann gleichzeitig heißen, neue Formen der Glaubensverkündigung für Erwachsene, religiös Suchende zu entwickeln. Gerade das Internet ist hier eine wichtige, wenn auch nicht die einzige Stütze.2
  • Ressourcen teilen: Hier geht es auch um Gebäude und Finanzen. Das ist sicher kein einfaches Thema. Wir werden uns in der Zukunft nur noch bistumsweit 50% aller Gebäude leisten können, was sicher auch heißt, sie gemeinsam mit anderen zu nutzen. Ähnlich ist es mit den weniger werdenden (Gemeinde-) Finanzen. Bis 2030 müssen 70 Millionen € im Bistumshaushalt eingespart werden. Wir können uns nicht mehr alles leisten, was bisher selbstverständlich war. Wo können wir uns miteinander und auch mit nichtkirchlichen Gruppen/Institutionen (wie etwa Kommunen) etwa bei der Nutzung von Gebäuden vernetzen? Wo können wir miteinander und mit anderen teilen?
  • Verantwortung teilen: Das gilt für die Leitung der Gemeinde. Es wird sicher nicht mehr möglich sein, dass der Pfarrer für alles zuständig ist. Die neue Pfarrei wird nur so funktionieren, dass alle an dem Ort, an dem sie stehen, Verantwortung übernehmen. Das bedeutet auch ein Umdenken im Blick auf die Rolle des Pfarrers sowie aller der Hauptamtlichen. Die Gemeinde vor Ort wird mehr Verantwortung übernehmen.

Wir werden bei allem Aufbruch und Umbruch offen zugeben müssen, dass die Kirche durchaus auf dem Rückzug ist. Sie kann nicht mehr alle Gebäude halten, der finanzielle Spielraum wird kleiner. Der Pastorale Weg ist dafür keine „fromme Soße“, die das Schrumpfen heiligsprechen soll. Aber er ist der Ansatz, kreativ damit umzugehen, die Situation nicht fatalistisch als unabwendbares Schicksal zu sehen, sondern in ihr den Ruf Gottes zu erkennen, jenes Gottes, der die wankenden Knie stark und die schlaffen Hände festmacht. Gott selbst will weiterhin durch uns in die Welt kommen.

 

Peter Kohlgraf, Teilen lernen, beten lernen, demütig werden. Der heilige Martin als Begleiter für das Bistum Mainz, Fastenhirtenbrief 2018, hg. Bischöfliche Kanzlei Mainz, Mainz 2018, S. 3.
2 „Neben den vielen diakonischen Feldern müssen wir eine neue Freude und Begeisterung für das Teilen des Glaubens entwickeln. (...) Wir werden (...) mehr und mehr eine Katechese entwickeln müssen, die nicht nur Kinder und Jugendliche im Blick hat. (...) Eine Kirche, die den Glauben nicht in die Öffentlichkeit bringt, verrät ihren Auftrag.“ Peter Kohlgraf, Fastenhirtenbrief 2018, (s. Anm 1), S. 4.