Vortrag über Dr. Ludwig Boll, Mitbegründer der Binger Volkshochschule
Der Arbeitskreis Jüdisches Bingen (AKJB) lädt zu einem Vortrag über Dr. Ludwig Boll, am Freitag , 4.11.2022, 18.30 Uhr, in die Gaulsheimer Kräuterkirche ein.
Diese 1911 geborene, ganz besondere und zugleich herausragende Persönlichkeit entstammt einer jüdischen Familie aus Gaulsheim. Er besuchte die Binger Realschule bis 1927, wo sein damaliger Lehrer, Dr. Heinrich Hahn, bereits das herausragende Talent seines Schülers erkannte. Es folgte das Abitur in Mainz und die Aufnahme des Studiums der Mathematik in Göttingen, wo er sich der kommunistischen Studentenverbindung anschloss.
Nach der Machtergreifung Hitlers ging er in die Emigration. Als Jude und Mitglied der KP wird er in Bingen verhaftet und kommt ins KZ Osthofen. Nach vier Wochen kommt er von dort wieder frei und wandert nach Amsterdam aus. 1939 wird ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. 1942 wird Boll wieder verhaftet und kommt ins Durchgangslager Westerburg, von wo aus ihm die Flucht gelingt und er dadurch der Deportation in ein Vernichtungslager entkommt.
Bei seiner Rückkehr nach dem Krieg findet er in Bingen nur noch seine Cousine Frieda Führ vor. Sein jüngerer Bruder war 1938 in die USA emigriert. Seine Eltern wurden nach Piaski/Polen deportiert. Auch seine beiden Tanten waren deportiert worden. Boll war weiterhin politisch aktiv und vertrat im Binger Stadtrat die KP. Als Kommunist war es ihm damals verwehrt das Staatsexamen zu machen.
Er verließ Westdeutschland um an der Humboldt-Universität in Ostberlin sein Studium zu beenden. In der DDR widmete er sich als Cheflektor für Mathematik im "Deutscher Verlag für Wissenschaften" der Entwicklung mathematischer Ausbildungsliteratur. Er förderte junge Wissenschaftler und übersetzte Werke aus dem Russischen. 1971, zu seinem 60. Geburtstag, wurde er mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Er erhielt außerdem die "Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus 1933-1945", die Verdienstmedaille der DDR und mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber sowie weitere Ehrungen.
Nach Erreichen des Rentenalters kam er öfter nach Bingen um seine Cousine zu besuchen. Bei einem dieser Besuche sprach er mit dem Sohn seines früheren Lehrers, Clemens Hahn. Er zeigte sich dabei sehr angetan von der Entwicklung der Binger Volkshochschule, deren Mitbegründer er war.
Bei einem Besuch von Weggefährten in Amsterdam Ende 1984 verstarb er im Alter von 73 Jahren.