Mainzer Bistumsnachrichten Nr. 16

vom 20. April 2016

Kirchen Rheinhessen (c) Bistum Mainz / Matschak
Kirchen Rheinhessen
Datum:
Mi. 20. Apr. 2016
Von:
Alexander Matschak
LEHMANN (c) Bistum Mainz (Ersteller: Bistum Mainz)
LEHMANN

80. Geburtstag von Kardinal Lehmann

  • Mainzer Bischofsstuhl ist ab 17. Mai vakant
  • Feierlichkeiten in Dom und Rheingoldhalle (16. Mai)
  • Stichwort: Sedisvakanz
  • Stichwort: Bistum Mainz
  • Der 87. Nachfolger des heiligen Bonifatius
  • Die Diskussion um die Schwangerenkonfliktberatung
  • Das Selbstverständnis von Kardinal Lehmann
  • Fürsprecher des Zweiten Vatikanischen Konzils
  • Der ökumenische Theologe
  • Der Autor Kardinal Lehmann
  • O-Ton Lehmann: 80 Zitate aus 32 Bischofsjahren

Publikationen

  • Neues Buch über Kirchengebäude in Rheinhessen

Berichte

  • Indischer Ordensmann zu Gast im Ordinariat
  • Fusion in Seligenstadt

Vorschau

  • Empfang am Vorabend zum Tag der Arbeit (30.4.)
  • Bistum Mainz schreibt wieder einen Umweltpreis aus

 

80. Geburtstag von Kardinal Lehmann 

Mainzer Bischofsstuhl ist ab 17. Mai vakant  

Kein Zweifel, dass Papst Franziskus Rücktrittsangebot von Kardinal Lehmann annimmt

Mainz. Der Bischof von Mainz, Kardinal Karl Lehmann, vollendet am Pfingstmontag, 16. Mai, sein 80. Lebensjahr. Bischöfe sind gemäß des Kirchlichen Gesetzbuches (can. 401, §1 CIC/1983) verpflichtet, dem Papst anlässlich der Vollendung des 75. Lebensjahres ihren Rücktritt anzubieten. Im Jahr 2011 hatte Papst Benedikt XVI. das Rücktrittsangebot von Kardinal Lehmann zu diesem Zeitpunkt abgelehnt. Lehmann hat aber nun im Laufe des Monats Januar 2016 im Blick auf die Vollendung seines 80. Lebensjahres Papst Franziskus um eine Beendigung seines Dienstes als Bischof von Mainz gebeten. Den römischen Gepflogenheiten entsprechend wird in der Regel eine amtliche Entscheidung erst am Tag des Eintretens der Emeritierung mitgeteilt. Es besteht jedoch kaum ein Zweifel daran, dass Papst Franziskus Kardinal Lehmann seine Bitte erfüllt. Außer dem Papst selbst ist die Altersgrenze von 80 Jahren - soweit bekannt ist - ohne Ausnahme im Bereich der römischen Kirche allgemein gültig.

Es besteht also wohl kein Zweifel daran, dass der Mainzer Bischofsstuhl ab Dienstag, 17. Mai 2016, vakant ist. Den Regelungen des Kirchenrechts entsprechend wird das Mainzer Domkapitel innerhalb von acht Tagen einen Diözesanadministrator wählen, der bis zur Ernennung eines neuen Bischofs in den Grenzen des dafür gültigen Rechts das Bistum führt. Danach reicht das Domkapitel dem Heiligen Stuhl eine Liste geeigneter Kandidaten ein. Diese Vorgänge sind in Artikel 14 des Reichkonkordates vom 20. Juli 1933 in Verbindung mit dem Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932, Art. III, das für die   (Erz-)Bistümer Freiburg im Breisgau, Rottenburg-Stuttgart, Mainz und Dresden-Meißen gilt, geregelt.

(MBN)

 

80. Geburtstag von Kardinal Lehmann (16.5.)

Festgottesdienst im Mainzer Dom und Festakt in der Rheingoldhalle

Mainz. Der Bischof von Mainz, Kardinal Karl Lehmann, vollendet am Pfingstmontag, 16. Mai, sein 80. Lebensjahr. An diesem Tag wird das Bistum Mainz seinen Bischof mit einem Festgottesdienst und einem Festakt anlässlich seines 80. Geburtstages gebührend ehren. Der Festgottesdienst im Mainzer Dom, der vom SWR-Fernsehen live in der ARD übertragen wird, beginnt um 10.00 Uhr. Kardinal Lehmann wird in diesem Gottesdienst predigen; es sind zudem Grußworte von unter anderen dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, München, sowie vom Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Dr. Volker Jung, Darmstadt, vorgesehen.

Dem Gottesdienst schließt sich um 13.00 Uhr ein Festakt in der Mainzer Rheingoldhalle an. Im Rahmen des Festaktes wird es zwei Festansprachen geben: Zum einen spricht der Präsident des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz, zum anderen Dr. Thomas Söding, Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum. Darüber hinaus stehen Grußworte des hessischen Ministerpräsidenten, Volker Bouffier, der Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, sowie vom Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling auf dem Programm. Der Festakt wird vom Fernsehsender Phoenix live übertragen; er wird auch im HR- und im SWR-Fernsehen gesendet.

Übertragung des Gottesdienstes auf den Liebfrauenplatz

Da das Platzangebot begrenzt ist, und das Bistum Mainz zu dem Gottesdienst Menschen aus allen Bereichen der Diözese und dazu Vertreter aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Medien eingeladen hat, ist der Zutritt zu Gottesdienst und Festakt nur mit einer personalisierten Einlasskarte möglich. Darüber hinaus wird der Gottesdienst auf den Liebfrauenplatz übertragen, so dass hier die Möglichkeit besteht, den Gottesdienst mitzufeiern. Auf dem Liebfrauenplatz wird der Empfang der Heiligen Kommunion während des Gottesdienstes möglich sein. Der Festakt wird auch auf den Liebfrauenplatz übertragen. Anstelle von persönlichen Geschenken zu seinem Geburtstag bittet Kardinal Lehmann um eine Spende für die Stiftung Hoher Dom zu Mainz oder den Flüchtlingsfonds des Bistums Mainz. Die Kollekte des Festgottesdienstes geht zu gleichen Teilen an die Stiftung Hoher Dom zu Mainz und den Flüchtlingsfonds. 

Festkonzert im Mainzer Dom (1.5.)

Am Sonntag, 1. Mai, findet außerdem um 17.00 Uhr im Mainzer Dom ein Festkonzert für Kardinal Lehmann aus Anlass seines 80. Geburtstages am 16. Mai statt. Auf dem Programm stehen die Kantate „Gelobet sei der Herr, mein Gott“ von Johann Sebastian Bach sowie die „Fantasie für Orgel“ und die Große Messe in c-Moll von Wolfgang Amadeus Mozart. Es musizieren die Solisten Christina Landshamer (Sopran), Britta Stallmeister (Mezzosopran), Gudrun Pelker (Alt), Christoph Prégardien (Tenor) und Karsten Mewes (Bass), der Mainzer Domchor, die Domkantorei St. Martin und das Philharmonische Staatsorchester der Stadt Mainz. Die Leitung des Konzertes hat Domkapellmeister Karsten Storck; an der Orgel des Mainzer Dom ist Domorganist Daniel Beckmann zu hören.

Hinweis für die Redaktionen: Für Gottesdienst und Festakt ist bis spätestens Freitag, 29. April, eine Akkreditierung notwendig. Die entsprechenden Unterlagen haben Sie per E-Mail erhalten.

am (MBN)

 

Stichwort: Sedisvakanz

Sedisvakanz bezeichnet den Zeitraum, in dem das Amt des Papstes oder eines Bischofs nicht besetzt ist. In einem Bistum tritt Sedisvakanz ein, wenn der Bischof stirbt, oder wenn der Papst den Amtsverzicht des Bischofs annimmt sowie durch Versetzung oder Amtsenthebung des Bischofs. Die Sedisvakanz endet durch die Amtsübernahme eines neuen Diözesanbischofs. Das Wort Sedisvakanz leitet sich von den lateinischen Worten „sedes - der Sitz“ und „vacare - leer sein oder frei sein“ ab.

Bei der Bischofswahl im Bistum Mainz kommen neben den kirchenrechtlichen Vorschriften die Regelungen des Badischen Konkordates aus dem Jahr 1932 und des Reichskonkordates aus dem Jahr 1933 zum Tragen. Bei Eintritt der Sedisvakanz übernimmt nach kirchlichem Recht bis zur Bestellung eines Diözesanadministrators der dienstälteste Weihbischof des Bistums die Leitung der Diözese. Innerhalb von acht Tagen muss das Domkapitel einen Diözesanadministrator wählen.

Das Domkapitel reicht außerdem eine Vorschlagsliste mit geeigneten Nachfolgekandidaten beim Vatikan ein. Aus dieser Liste und den jährlich vom Bischof einzureichenden Listen benennt der Papst drei Kandidaten. Das Domkapitel wiederum wählt einen von diesen drei Kandidaten in geheimer Abstimmung zum Bischof. Notwendig ist dabei die absolute Mehrheit. Im Falle des Mainzer Domkapitels, das sieben Mitglieder hat, sind das vier Stimmen. Dem Papst ist es vorbehalten, den Bischof zu ernennen. Als Besonderheit sieht das Badische Konkordat vor, dass von den drei vom Vatikan benannten Kandidaten mindestens einer Angehöriger des Bistums Mainz sein muss oder zumindest zeitweise im Bistum gearbeitet hat.

Nach der Annahme der Wahl durch den Gewählten und vor seiner Ernennung durch den Papst wird bei den Landesregierungen von Hessen und Rheinland-Pfalz festgestellt, „ob gegen den Gewählten Bedenken allgemein-politischer Art bestehen“. Wenn der Gewählte noch kein Bischof ist, muss er innerhalb von drei Monaten nach der Ernennung die Bischofsweihe empfangen. Die Besitzergreifung der Diözese erfolgt während eines Gottesdienstes in der Kathedralkirche des Bistums durch Vorlage des Apostolischen Ernennungsschreibens.

Zu den Voraussetzungen für die Übernahme des Bischofsamtes heißt es im kirchlichen Gesetzbuch „Codex Iuris Canonici“: „Hinsichtlich der Eignung der Kandidaten für das Bischofsamt wird gefordert, dass der Betreffende: - sich auszeichnet durch festen Glauben, gute Sitten, Frömmigkeit, Seeleneifer, Lebensweisheit, Klugheit sowie menschliche Tugenden und die übrigen Eigenschaften besitzt, die ihn für die Wahrnehmung des Amtes, um das es geht, geeignet machen; - einen guten Ruf hat; - wenigstens fünfunddreißig Jahre alt ist; - wenigstens seit fünf Jahren Priester ist; - den Doktorgrad oder wenigstens den Grad des Lizentiaten in der Heiligen Schrift, in der Theologie oder im kanonischen Recht an einer vom Apostolischen Stuhl anerkannten Hochschuleinrichtung erworben hat oder wenigstens in diesen Disziplinen wirklich erfahren ist.“ (can. 378)

tob (MBN)

 

Stichwort: Bistum Mainz

Das Bistum Mainz zählt in 303 Pfarrgemeinden rund 742.000 Katholiken – dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 26 Prozent. Die Diözese erstreckt sich über eine Fläche von 7.692 Quadratkilometern, ein Drittel des Bistums liegt in Rheinland-Pfalz, zwei Drittel in Hessen – dazu kommt der Ort Bad Wimpfen in Baden-Württemberg als Exklave. Das Bistum Mainz ist in zwanzig Dekanate eingeteilt, fünf Dekanate inklusive der Bischofsstadt Mainz liegen in Rheinhessen und gehören zu Rheinland-Pfalz. Elf der hessischen Dekanate umfassen ein Gebiet von der Frankfurter Stadtgrenze bis in den Süden zum Neckar und im Osten in den Odenwald. Der oberhessische Teil des Bistums mit seinen vier Dekanaten reicht nördlich von Frankfurt bis kurz vor Fulda und ist vom südlichen Teil der Diözese abgeschnitten, weil die Stadt Frankfurt zum Bistum Limburg gehört.

Im rheinland-pfälzischen Teil des Bistums Mainz leben rund 202.000 Katholiken (33 Prozent der Bevölkerung), im hessischen Teil sind es 539.000 Katholiken (25 Prozent der Bevölkerung). Bischof von Mainz ist seit 1983 Kardinal Karl Lehmann. Patron der Diözese ist der heilige Martin von Tours. Im Bistum Mainz sind 475 Priester (einschließlich Priester im Ruhestand) tätig, außerdem 120 Ständige Diakone, rund 150 Pastoralreferentinnen und -referenten sowie 241 Gemeindereferentinnen und -referenten. Zur Diözese gehören 27 kirchliche Schulen mit rund 13.000 Schülerinnen und Schülern sowie 208 Kindertageseinrichtungen mit rund 15.000 betreuten Kindern. Dazu kommen unter anderem zahlreiche Einrichtungen der Caritas wie 23 Altenheime und 25 Sozialstationen.

Die Anfänge des Bistums Mainz reichen bis in das vierte Jahrhundert zurück. 747 wurde Mainz zum Erzbistum erhoben und erstreckte sich zeitweise von Straßburg über Chur bis nach Olmütz, Prag, Brandenburg und Havelberg. Seit dem Frühmittelalter gewann das Bistum immer stärker an Bedeutung – nicht zuletzt durch Bischöfe wie Bonifatius, Lullus, Hrabanus Maurus oder Willigis. Über 1.000 Jahre lang war Mainz einer der bedeutendsten Bischofssitze nördlich der Alpen, nicht zuletzt deshalb, weil der Mainzer Erzbischof zugleich Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war. Zudem war der Mainzer Erzbischof der erste der sieben Kurfürsten des Reiches und beeinflusste entscheidend die Königswahl. Ende des 18. Jahrhunderts brachten die Französische Revolution und ihre Folgen den Zusammenbruch des Erzbistums: 1801 wird es zerschlagen, 1802 aber als Bistum Mainz neu gegründet.

Die heutigen Grenzen der Diözese gehen auf die Jahre 1821 bzw. 1827 zurück – seitdem gehört das Bistum Mainz zur Kirchenprovinz des Erzbistums Freiburg. Das Bistum umfasst das damalige Großherzogtum Hessen-Darmstadt mit den Provinzen Rheinhessen, Starkenburg und Oberhessen. Zu den bedeutendsten Bischöfen des 19. Jahrhunderts zählte Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811-1877, Bischof seit 1850), der durch seinen Einsatz für soziale Fragen und die Freiheit der Kirche bekannt wurde. Erster Kardinal des Bistums Mainz war Bischof Hermann Volk, der von 1962 bis 1982 Bischof von Mainz war und 1973 zum Kardinal erhoben wurde. Volk spielte beim Zweiten Vatikanischen Konzil in Rom (1962-1965) eine wichtige Rolle und setzte sich insbesondere für das ökumenische Gespräch ein.

tob (MBN)

 

Den Glauben der Kirche bezeugen und weitergeben

Kardinal Lehmann ist der 87. Nachfolger des heiligen Bonifatius als Bischof von Mainz

Mainz. Als Bischof von Mainz ist Kardinal Karl Lehmann der 87. Nachfolger des heiligen Bonifatius, der von 746 bis 754 Erzbischof von Mainz war und den Beinamen „Apostel der Deutschen“ trägt. Lehmann war am 23. Juni 1983 von Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Mainz ernannt worden. Gewählt hatte ihn das Mainzer Domkapitel am 3. Juni 1983. Sein Vorgänger, Kardinal Hermann Volk, weihte ihn am 2. Oktober 1983 im Mainzer Dom zum Bischof. Als bischöflichen Wahlspruch wählte Lehmann ein Wort aus dem ersten Korintherbrief des Apostels Paulus: „State in fide - Steht fest im Glauben (1 Kor 16,13)“. Besondere Höhepunkte in Lehmanns Amtszeit waren die Teilnahme am Konklave im April 2005, aus dem Kardinal Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. hervorging, sowie am Konklave im März 2013, das Papst Franziskus (Kardinal Jorge Mario Bergoglio) zu seinem Nachfolger wählte. Papst Johannes Paul II. hatte Lehmann am 28. Januar 2001 zum Kardinal ernannt und ihm beim Konsistorium am 21. Februar 2001 im Vatikan die Kardinalswürde verliehen.

In der Reihe der Mainzer Oberhirten seit Bonifatius (gestorben 754) ist Kardinal Lehmann erst der fünfte Bischof, der über drei Jahrzehnte im Amt ist. Über 30 Jahre im Amt waren bislang nur: Lullus (754-786), Willigis (975-1011), Albrecht von Brandenburg (1514-1545) und Lothar Franz von Schönborn (1695-1729). Die mit 52 Jahren längste Amtszeit eines Bischofs im Bistum Mainz kommt einem Weihbischof zu: Weihbischof Stephan Weber war von 1570 bis zu seinem Tod 1622 im Amt.

Bei seiner Vorstellung als Bischof von Mainz im Rahmen einer Pressekonferenz im Mainzer Haus am Dom am 23. Juni 1983 sagte Lehmann: „Ich komme gerne, um mit Ihnen allen auf einem altehrwürdigen Stück Boden der europäischen Christenheit den Glauben der Kirche in unverbrüchlicher Treue zu seinen Ursprüngen und zu seiner großen Geschichte, aber auch in Treue zu den Menschen, die hier und heute mit ihren Fragen und Nöten leben, zu bezeugen und weiterzugeben bis an die Schwelle des dritten Jahrtausends und darüber hinaus, wie und solange Gott es will.“

Wichtige Ereignisse in Lehmanns Amtszeit im Bistum Mainz

Als Diözesanbischof hat Lehmann das Bistum Mainz in vielfältiger Weise geprägt und immer wieder die Sorge um die Nöte der Menschen in den Mittelpunkt seines Handelns gerückt. Erinnert sei an sein Engagement für Wiederverheiratete Geschiedene oder den Lebensschutz. 1993 veröffentlichte er mit Erzbischof Oskar Saier (Freiburg) und Bischof Walter Kasper (Rottenburg-Stuttgart) das Gemeinsame Hirtenwort der Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz „Zur seelsorglichen Begleitung von Menschen aus zerbrochenen Ehen, Geschiedenen und Wiederverheirateten Geschiedenen“. Nach dem Ausstieg der Katholischen Kirche in Deutschland aus der Schwangerenkonfliktberatung mit Beratungsnachweis gründete er im Januar 2001 im Bistum die Initiative „Netzwerk Leben“. Ihr Ziel ist es, über die konkrete Schwangerenberatung von Caritas und dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) hinaus das Bewusstsein und das Engagement für den Lebensschutz im Bistum Mainz zu fördern.

Bereits 1996 führte Lehmann mit der Strukturreform „…damit Gemeinde lebt“ die Kooperative Pastoral als Grundkonzept der Seelsorge im Bistum Mainz ein. Mit Abschluss der Strukturreform „Lebendige Gemeinden in erneuerten pastoralen Einheiten“ am 1. Februar 2007 wurde die bisher eher lose Zusammenarbeit der Gemeinden durch Kooperationsverträge verbindlich geregelt. Die Menschen und Pfarreien seines Bistums hat Lehmann während seiner Amtszeit in unzähligen Begegnungen kennen gelernt: „Inzwischen kenne ich jede Scheune im Bistum“, hat er einmal die Erfahrungen bei seinen zahlreichen Pfarreibesuchen zusammengefasst. Dabei legt er immer großen Wert auf die Begegnung mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Weitere wichtige Ereignisse in Lehmanns Amtszeit waren der 93. Deutsche Katholikentag in Mainz (10.-14. Juni 1998), das Jubiläumsjahr anlässlich des 900. Geburtstages der heiligen Hildegard von Bingen (Eröffnung am 13. September 1997 in Bingen) mit einer großen Ausstellung im Mainzer Dom- und Diözesanmuseum sowie im Jahr 2012 die Heiligsprechung von Hildegard und ihre Erhebung zur Kirchenlehrerin durch Papst Benedikt XVI., das Jubiläum „200 Jahre Bistum Mainz“ im Jahr 2002 (200 Jahre nach der Wiedererrichtung im Jahr 1802) mit dem Diözesan-Katholikentag als Höhepunkt, die Eröffnung der Bonifatius-Route im Bonifatius-Jahr 2004 und die „Tage der Begegnung“ im Bistum Mainz im Vorfeld des XX. Weltjugendtages 2005, der in Köln stattfand. Beim Abschlussgottesdienst im Mainzer Bruchwegstadion predigte Lehmann vor 18.000 Jugendlichen aus aller Welt. Mit dem Jubiläumsjahr „1000 Jahre Willigis-Dom“ erinnerte das Bistum 2009 an den Abschluss der Bauarbeiten am Mainzer Dom unter Erzbischof Willigis vor 1.000 Jahren im Jahr 1009. Durch die Einweihung des Bildungszentrums Erbacher Hof in Mainz am 27. Februar 1988 erhielt das Bistum einen zentralen Veranstaltungsort. Lehmann hat auch stets die Auslandsbeziehungen des Bistums gepflegt, etwa zur Diözese Oppeln in Polen. Unter anderem war das Bistum 1994 dort bei der Gründung der Universität und des Priesterseminars finanziell beteiligt.

Ein Schwerpunkt seines Wirkens, das er auch als Bischof und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz immer intensiv verfolgt hat, ist die Ökumene. Bereits während seiner Mainzer Professur wurde er im Jahr 1969 Mitglied des Arbeitskreises katholischer und evangelischer Theologen, der nach den beiden Gründern benannte Jaeger-Stählin-Kreis. 1975 wurde er wissenschaftlicher Leiter des Kreises von katholischer Seite, und 1988 übernahm er in der Nachfolge von Kardinal Hermann Volk den Vorsitz von katholischer Seite. Stets weist Lehmann bei seinen öffentlichen Auftritten darauf hin, dass es keine Alternative zur Ökumene gibt: „Ich bin überzeugt, dass wir auf dem eingeschlagenen Weg des ökumenischen Gesprächs weiter vorangehen müssen.“

Lehmanns Bedeutung und die Wertschätzung, die ihm von der Gesellschaft entgegengebracht wird, ist neben zahlreichen Preisen und Ehrungen auch an den Feiern anlässlich seiner Jubiläen abzulesen. Zu den Feierlichkeiten an seinem 60. Geburtstag im Jahr 1996 kam Bundeskanzler Helmut Kohl. An seinem 70. Geburtstag würdigte ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel vor rund 1.300 Gästen in der Mainzer Rheingoldhalle. Als Anfang Dezember 2007 anlässlich der Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag des Landes Rheinland-Pfalz die 100 größten Rheinland-Pfälzer gewählt wurden, belegte Kardinal Lehmann Platz fünf. Bei der Wahl, zu der der Südwestrundfunk (SWR) sowie die Tageszeitungen „Rhein-Zeitung“ und „Rheinpfalz“ aufgerufen hatten, waren mehr als 25.000 Stimmzettel abgegeben worden.

Die Mainzer Bischöfe

Soweit die Namen aus der Zeit vor Bonifatius überhaupt bekannt sind, ist Karl Lehmann der 102. Mainzer Bischof. Allerdings gibt es aus dieser Zeit nur wenig gesichertes Wissen. Der erste, legendäre Bischof Crescenz ist nur dem Namen nach bekannt. Historisch bezeugt ist für das vierte Jahrhundert Bischof Marinus oder Martinus (343/346) und im fünften Jahrhundert Aureus und Maximus.

Zu den bekanntesten Mainzer Erzbischöfen in der Nachfolge des heiligen Bonifatius (746-754) gehören dessen Schüler, der heilige Lullus (754-786), der heilige Rabanus Maurus (847-856) und der heilige Willigis (975-1011), der mit dem Bau des Mainzer Doms begann. Die einzigen Mainzer Erzbischöfe, die zu Kardinälen ernannt wurden, waren Konrad I. von Wittelsbach (zwei Amtsperioden: 1161-1165 und 1183-1200), Albrecht von Brandenburg (1514-1545) und Siegfried II. von Eppstein (1200 bis 1230), dessen  Kardinalswürde aber nicht sicher belegt ist. Maßgeblichen Anteil am Zustandekommen des Westfälischen Friedens im Jahr 1648 hatte Johann Philipp von Schönborn, der von 1647 bis 1673 Erzbischof von Mainz war.

Nach der Auflösung des Erzbistums Mainz wurde Josef Ludwig Colmar (1802-1818) erster Bischof des neu errichteten Bistums Mainz. Besonders bekannt wurde im 19. Jahrhundert der Sozialbischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler (1850-1877). Lehmanns Vorgänger Hermann Volk (1962-1982) war als erster Bischof des Bistums Mainz mit der Kardinalswürde ausgezeichnet worden. An seinem 79. Geburtstag (27. Dezember 1982) war Volk aus Alters- und Gesundheitsgründen von seinem Amt entpflichtet worden. Er starb am 1. Juli 1988.

Karl Lehmann wurde am 16. Mai 1936 in Sigmaringen als Sohn des Volksschullehrers Karl Lehmann und seiner Frau Margarete geboren. Nach seiner Schulzeit in Sigmaringen studierte er zwischen 1956 und 1964 Philosophie und Theologie in Freiburg und Rom. Am 10. Oktober 1963 wurde er in Rom von Kardinal Julius Döpfner zum Priester geweiht. 1962 und 1967 erwarb Karl Lehmann Doktortitel in Philosophie und Theologie mit Arbeiten über den Philosophen Martin Heidegger und über das Thema „Auferweckt am dritten Tag nach der Schrift“. Als Assistent von Karl Rahner zwischen 1964 und 1967 arbeitete er an den Universitäten von München und Münster, erlebte aber auch das Zweite Vatikanische Konzil in Rom (1962-1965) aus nächster Nähe mit. Mit 32 Jahren (1968) wurde er auf den Lehrstuhl für katholische Dogmatik und Theologische Propädeutik in Mainz berufen; drei Jahre später übernahm er in Freiburg/Breisgau die Professur für Dogmatik und Ökumenische Theologie. An beiden Universitäten ist er heute Honorarprofessor.

1983 wurde er zum Bischof von Mainz gewählt und ernannt. Am 2. Oktober 1983 empfing er die Bischofsweihe im Mainzer Dom. Im Jahr 1985 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt. 1987 folgte die Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. In den Jahren 1993, 1999 und 2005 wurde er in diesem Amt für jeweils weitere sechs Jahre durch Wahl bestätigt. Zum 18. Februar 2008 trat er aus gesundheitlichen Gründen vom Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zurück. In der Deutschen Bischofskonferenz übernahm er daraufhin den Vorsitz der Glaubenskommission. Von 1993 bis 2001 war er Erster Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Am 28. Januar 2001 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Kardinal. In dieser Funktion nahm er am Konklave im April 2005 teil, aus dem Papst Benedikt XVI. (Kardinal Joseph Ratzinger) hervorging, sowie am Konklave im März 2013, das Papst Franziskus (Kardinal Jorge Mario Bergoglio) zu seinem Nachfolger wählte.

Neben seinen Aufgaben als Theologieprofessor und als Bischof sowie als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz hat sich Karl Lehmann stets in vielen weiteren Institutionen und Gremien engagiert: Er war unter anderem Mitglied der Gemeinsamen Synode der Bistümer in Deutschland (1971-1975), war von 1969 bis 1983 im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und ist seit 1969 im Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen. Von 1974 bis 1984 gehörte er der Internationalen Theologenkommission beim Heiligen Stuhl in Rom an und war von 1986 bis 1998 in der Glaubenskongregation. Von 1997 bis 2011 war er Mitglied der Vermögensverwaltung des Apostolischen Stuhls (Apsa), von 1998 bis 2012 Mitglied in der Kongregation für die Bischöfe und von 2008 bis 2014 in der Kongregation für die Ostkirchen. Seit 2002 ist er Mitglied des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen sowie seit 2008 beim Päpstlichen Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel.

Lehmann ist zudem Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, der Europäischen Akademie der Wissenschaften in Salzburg sowie seit 2005 Ehrenmitglied der Akademie der gemeinnützigen Wissenschaften zu Erfurt. Hinzu kommen neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen mittlerweile acht Ehrendoktorwürden, das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (2000), die Ehrenbürgerschaft der Landeshauptstadt Mainz (2001) und der Universität Mainz (2006) sowie der Ehrenring der Görres-Gesellschaft (2001). 

Hinweis für die Redaktionen: Auf der Internetseite www.bistum-mainz.de/presse finden Sie in der Rubrik „Bilder“ zahlreiche druckfähige Fotos von Kardinal Lehmann.

tob (MBN)

 

Anwalt und Dolmetscher

Kardinal Lehmann und die Diskussion um die Schwangerenkonfliktberatung

Mainz. Sein engagiertes und beharrliches Eintreten für einen Verbleib der katholischen Kirche in der Schwangerenkonfliktberatung in den 1990er Jahren dürfte einen wesentlichen Anteil am gesellschaftlichen Ansehen haben, das Kardinal Karl Lehmann entgegengebracht wird. Die gesellschaftliche Diskussion war durch die im deutschen Einigungsvertrag verlangte Neuregelung des Schwangerschaftsabbruches in Gang gekommen und hatte ab 1993 in der Auseinandersetzung an Schärfe gewonnen.

Schon 1992 hatte Lehmann in seinem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda seine Grundlinie in dieser Frage deutlich gemacht: „Freilich ist es der Kirche nicht erlaubt, sich vorschnell aus komplexen und schwierigen Situationen unserer Gesellschaft einfach zurückzuziehen. Auch ein Rückzug in eine vermeintlich eindeutigere und heile Welt kann schuldig machen. Wer gibt zum Beispiel die Ermächtigung, auf die Rettung vieler ungeborener Kinder und die Ermutigung vieler schwangerer Frauen zu verzichten, indem man seinen Auftrag nicht mehr in dem gesetzlichen Beratungssystem erfüllt? Jedenfalls ist die künftige Stellung von Beratungsstellen für schwangere Frauen - übrigens nicht nur im Konfliktfall - ein Test auf das konkrete Verhältnis von Kirche und Gesellschaft. Eine Kirche, die sich aufrichtig auf die Wunden und Verletzungen einer Gesellschaft einlässt, muss zwar allen Nötigungen der ihr eigenen Freiheit wehren, aber sie darf nicht die größtmögliche Nähe zu denen aufgeben, die um Hilfe rufen. Für manche mag dies wie Verstrickung in eine anfechtbare Situation aussehen. Doch wenn man kein Wagnis mehr eingehen will, gibt man auch viele Chancen des Einsatzes auf. Schließlich ist der Glaube selbst das höchste Wagnis unseres Lebens, das uns für die kleineren Risiken den Rücken stärken und uns Mut machen kann.“

Ein wesentliches Dokument der Diskussion ist ein Brief von Papst Johannes Paul II. an die deutschen Bischöfe vom 11. Januar 1998. Hauptkritikpunkt des Papstes war, dass der geforderte Beratungsschein, der auch in der katholischen Konfliktberatung ausgestellt wird, „faktisch eine Schlüsselfunktion für die Durchführung straffreier Abtreibungen erhalten hat“. Und weiter: „Nach gründlicher Abwägung aller Argumente kann ich mich der Auffassung nicht entziehen, dass hier eine Zweideutigkeit besteht, welche die Klarheit und Entschiedenheit des Zeugnisses der Kirche und ihrer Beratungsstellen verdunkelt. Deshalb möchte ich Euch, liebe Brüder, eindringlich bitten, Wege zu finden, dass ein Schein solcher Art in den kirchlichen oder der Kirche zugeordneten Beratungsstellen nicht mehr ausgestellt wird.“

Am 27. Januar 1998 äußert sich Lehmann bei einer großen Pressekonferenz mit 200 Journalisten im Südwestfunk in Mainz zum Brief des Papstes. Dabei macht er deutlich, dass er das Feld nicht kampflos räumt, sondern weiter um Möglichkeiten zum Verbleib in der Konfliktberatung ringt, auch wenn er sich seiner begrenzten Möglichkeiten bewusst ist. Bereits einen Tag zuvor hatten die deutschen Bischöfe eine ähnliche Erklärung zum Papstbrief veröffentlicht. Wörtlich sagte Lehmann: „Von einem Ausstieg kann nicht die Rede sein. Dies gilt für die kirchliche Beratung von schwangeren Müttern in Not, überhaupt aber auch für die gesetzliche Schwangerenberatung und sogar für die Konfliktberatung im engeren Sinne. Die Beratung soll sogar intensiviert werden.“

Weiter erläutert Lehmann bei der Pressekonferenz: „Wir Bischöfe haben bisher mit großer Mehrheit das Bleiben im staatlichen Beratungssystem verteidigt. Wir hatten gute Gründe dafür, eine zielorientierte Beratung zur Rettung des Lebens des ungeborenen Kindes und zur Hilfe für die Mutter mit aller Entschiedenheit zu nützen.“ Und weiter: „Dass der Schein notwendige Bedingung - aber nicht die einzige - für eine straffreie Abtreibung ist, freilich nicht deren entscheidende Ursache, erschien nicht wenigen wie eine Art ‚Recht auf Abtreibung’. Es ist sträflich vernachlässigt worden, dass die Abtreibung trotz der erklärten Straffreiheit ein Unrecht bleibt, weil das eigene Lebensrecht des ungeborenen Kindes ignoriert und missachtet wird. Es ist ein Skandal, dass dieses unbestreitbare Gegengewicht zur Straffreiheit im gesellschaftlichen Bewusstsein eine äußerst geringe Rolle spielt. Umso mehr kam der Schein in ein Zwielicht. Ich habe in den letzten Jahren persönlich und in meinem Amt als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz bewusst und mit allem Ernst die Aufgabe eines Anwalts der kirchlichen Beratungstätigkeit übernommen, aber mich hat diese Entwicklung auch immer nachdenklicher gemacht.“

In einem Interview vom 28. Januar 1998 äußert sich Lehmann, der in der Debatte auch innerkirchlich hart angegangen worden war, in der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) zu den Perspektiven der Diskussion um die Schwangerenkonfliktberatung. Wörtlich sagt er: „Unsere Gesellschaft ist in der Frage der Abtreibung nach wie vor tief gespalten. Da gibt es in der Auseinandersetzung Schrammen und Wunden. Im verkleinerten Maßstab gilt dies auch innerkirchlich. Als Vorsitzender der Bischofskonferenz und persönlich musste und wollte ich Anwalt der bisherigen Konfliktberatung sein, deren Schwächen ich nie geleugnet habe. Gerade deshalb kann ich auch das Schreiben des Papstes trotz einer gewissen Enttäuschung von den innersten Motiven her verstehen und mich auch zum Dolmetscher in unsere Situation hinein machen. Ich wünsche mir gewiss darum auch eine Versachlichung der Auseinandersetzung. Aber hier muss man kühl bleiben: Sensationen wird dies nicht bieten. Deshalb wird das Interesse auch bald erlahmen. Man wendet sich Interessanterem zu, wenn es dies gibt. Aber vielleicht bleiben doch einige Anstöße. An uns soll es in diesem Gespräch nicht fehlen.“

Doch letztlich führen die intensiven Bemühungen der folgenden Monate, doch noch einen Kompromiss zu erreichen, zu keinem greifbaren Ergebnis. Nach jahrelangem Ringen mit Rom für den Verbleib wird der Kardinal Ende 1999 mit den Worten zitiert: „Wir haben gekämpft und wir haben verloren. Jetzt müssen wir auf Zukunft hin das Beste machen.“ Im November 1999 hatte Papst Johannes Paul II. auch das letzte Kompromissangebot von Lehmann abgelehnt. Darauf beschloss der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz, in den katholischen Beratungsstellen künftig keine Beratungsnachweise auszustellen, mit denen eine straffreie Abtreibung möglich ist. Mit der 2001 gegründeten Initiative „Netzwerk Leben“ hat Lehmann die Schwangerenberatung im Bistum Mainz auf neue Füße gestellt und das Hilfsangebot für Frauen in Schwangerschaft und Notsituationen ausgeweitet.

Dass Lehmann im Jahr 2001 von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt wurde, deutete er selbst später immer wieder als Zeichen für eine wirkliche Dialogfähigkeit von Papst Johannes Paul II., gerade angesichts des jahrelangen Ringens um die Konfliktberatung. Er habe beim Papst für seine Argumentation stets Gehör gefunden, betonte Lehmann später mehrfach in Interviews. Zwar habe er gewusst, dass am Ende der Papst entscheiden würde, doch habe dieser es ihm wohl auch nie übel genommen, dass er aus seiner Überzeugung heraus beharrlich nach Möglichkeiten für einen anderen Weg gestritten habe. In einem Interview mit katholisch.de im Jahr 2015 bekräftigt er: „Mein Verhältnis zu ihm hat sich durch diese Auseinandersetzung und auch durch seine spätere Anordnung zum Ausstieg aus dem Beratungssystem jedenfalls nicht verschlechtert.“

tob (MBN)

 

Zeuge Jesu Christi

Ein Blick auf das Selbstverständnis von Kardinal Karl Lehmann

Mainz. Durch seine Offenheit und Dialogbereitschaft genießt Kardinal Karl Lehmann, Bischof von Mainz, und über zwei Jahrzehnte Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (1987 bis 2008), als Gesprächspartner in Kirche, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft hohes Ansehen in Deutschland und darüber hinaus. In einem Referat am Tag vor seiner dritten Wiederwahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, am 19. September 2005 in Fulda, hat er Perspektiven für die Zukunft der Kirche vorgestellt. Doch der Text macht auch deutlich, was ihn selbst antreibt und mit welchem Selbstverständnis er seine zahlreichen Aufgaben wahrnimmt: „Unsere Welt verlangt schon gehörig das persönliche Eintreten für die Sache Jesu Christi und der Kirche“, schreibt er an einer Stelle. Diesen Mut, Zeuge Jesu Christi zu sein, beweist er Tag für Tag aufs Neue an seinem Platz in Kirche und Welt. Das grundlegende, 25-seitige Referat trägt den Titel „Neue Zeichen der Zeit. Unterscheidungskriterien zur Diagnose der Situation der Kirche in der Gesellschaft und zum kirchlichen Handeln heute“.

In Anlehnung an ein Wort seines Lehrers Karl Rahner schreibt Lehmann: „Der künftige Christ wird ein Zeuge sein, oder er wird bald nicht mehr sein. Als Zeuge vermittelt er und ist selbst jemand, der hinter seiner Sache zurücktritt, aber gerade dadurch wirkt. Es wird ein missionarisches Zeugnis sein, das in viele Winkel unseres Lebens hineinleuchten kann, wo der Arm des Amtes nicht hinreicht. Dann verwirklichen wir die viel zitierte Mündigkeit des Christen und das gemeinsame Priestertum. Daran werden wir schließlich alle einmal gemessen und gerichtet, nicht an den Funktionen und Ämtern, die wir haben.“

Der Glaube hat für Lehmann auch in der säkularisierten Gegenwart eine Zukunft. „Er ist in besonderer Weise zukunftsfähig, und zwar nicht erst durch eine vom Menschen her versuchte Anpassungsstrategie, sondern von innen heraus.“ Dabei müsse „die bleibende Neuheit des christlichen Glaubens“ immer wieder aufs Neue entdeckt werden. „Dies ist nur möglich, wenn man sich den jeweiligen Herausforderungen stellt. Man möchte wissen, welche Stunde geschlagen hat. So kommt es darauf an, die Zeit anzusagen und darin die entscheidenden Herausforderungen zu entdecken und zu formulieren.“ Der Anschein, als bewege sich in der Kirche nichts, täusche gründlich. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Kirche überhaupt nicht zwei Jahrtausende hätte überleben können, wenn sie nicht im Medium des Geistes eine solche lebendige Strategie von Beharrlichkeit und Wandel befolgt hätte, oft gleichsam instinktiv, nicht immer mit reflektierter Absicht.“

Spurenlesen als undankbare, aber lebenswichtige Aufgabe der Kirche

Den Blick auf diese „Zeichen der Zeit“ bezeichnet Lehmann als „zentrales Vermächtnis des Zweiten Vatikanischen Konzils“, der jedoch mit einer vielschichtigen und nie ganz auflösbaren Spannung verbunden sei. „Die Zeichen der Zeit können auch manchmal neue Spuren des Heils enthalten. Aber es ist nicht zwangsläufig so. Deshalb ist dieses Spurenlesen eine zwar undankbare, aber lebenswichtige Aufgabe der Kirche. Man muss sich tief hineinbeugen in den Staub einer Zeit, aber in dieser spannenden Gegenwart gibt es auch rasch Pfade, die sich freilich bisweilen auch als Holz-, Ab- und Irrwege erweisen. Später sieht man dies oft besser. Jetzt aber kann man die Karte unserer Zeit nur auf diese Weise vermessen.“

Die Kirche dürfe sich nicht einfach den dynamischen Kräften der Gesellschaft überlassen, schreibt der Kardinal. Sonst gehöre sie „zum üblichen Treibsand dieser Zeit“. „Sie muss vielmehr die innere Kraft zum Dialog und zum Widerstand zugleich haben.“ Wörtlich heißt es: „Wenn wir im Pluralismus überleben wollen, dann brauchen wir mehr Mut zum eigenen Platz und zum unverwechselbaren Profil des eigenen Standortes.“ Und weiter: „Wir müssen endlich heraus aus der Situation eines immer noch vorhandenen Minderwertigkeitsbewusstseins und brauchen zum Erweis unserer Geistesgegenwart nicht allen möglichen Tendenzen nachzulaufen. Wir kommen sonst ohnehin immer zu spät und sind morgen schon von gestern.“

„Kirche muss die Offensive wagen“

Lehmann weist darauf hin, dass die Kirche bereits seit langer Zeit mit dem Rücken an der Wand stehe und sich ständig selbst verteidigen müsse. „Diese Position ist nicht gut, weil der Spielraum immer enger wird. Andere bestimmen die Themen. Wir sind stets wie in einem Verhör.“ Es komme darauf an, „dass wir aufbrechen und mehr in einen geistigen Wettbewerb eintreten als bisher“, fordert Lehmann. „Man wartet viel mehr auf uns, als wir uns zutrauen. Jetzt ist nicht die Zeit des Kleinmuts, freilich auch nicht großer Sprüche. Alle großen Scheine müssen heute ohnehin in Münze eingelöst werden.“ Wenn die Kirche diese Offensive wage, dann werde es ihr auch gelingen, „aus der bestimmten Alternative des Glaubens eine Einladung an alle werden zu lassen“.

Als Teil der Gesellschaft könne der Kirche vor allem das Schicksal der Menschen nicht gleichgültig sein. „Deshalb kann sie sich nicht integralistisch auf ihre eigene, wirklich oder angeblich heile Welt zurückziehen und sich frei halten von dem bösen Äon. Um nicht missverstanden zu werden: Damit ist nicht gesagt, dass die Kirche sich nicht rein erhalten sollte, dass sie nicht um ihre eigene Herkunft und ihr eigenes Ziel weiß. Sie darf sich nicht einfach anpassen und sich mit dem Geist dieser Zeit vermischen. Aber sie hat gerade auch aufgrund vielfacher Solidarität eine innere Nähe und damit auch eine echte Sorge im Blick auf das Schicksal der Menschen in dieser Zeit. Wegen dieser Nähe muss sie sich auf die konkrete Situation einlassen, ohne ihr zu verfallen. Dies ist ganz entscheidend. Davon hängt die wirkliche Gegenwart der Kirche in unserer Welt ab.“

„Alle Hoffnung auf Gott setzen“

Grundlage für das Handeln der Christen müsse dabei stets die „Leidenschaft für Gott“ sein, fordert der Kardinal. „Wir beschäftigen uns mit vielem, allzu vielem. Deswegen sehen wir oft vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Es fällt uns schwer, uns auf das eine Notwendige im Sinne des Jesuswortes (Lk 10,42) zu konzentrieren. Wir haben die Radikalität und Einfachheit des Glaubens verloren und müssen sie wiedergewinnen: alle Hoffnung auf Gott zu setzen. Dann müssen freilich Besinnung, Meditation, Gebet und Anbetung einen ganz anderen Rang bekommen. Wir sind versucht, Gott zu verwalten, wenn wir es denn könnten; aber wir müssen ihn täglich von ganzem Herzen und mit allen Kräften neu suchen. Uns ist die Leidenschaft für Gott verloren gegangen. Wenn wir Gott Gott sein lassen und er wirklich alles in allem ist, verlieren wir nichts, wenn wir uns ihm vorbehaltlos zuwenden. Die Bibel verspricht uns, dass uns dann alles andere dazugegeben wird.“

Hinweis: Der vollständige Text des Referates ist im Internet unter www.bistum-mainz.de/kardinal in der Rubrik  „Texte“ unter „Referate/2005/HVV-Referat“ verfügbar.

tob (MBN)

 

Fürsprecher des Zweiten Vatikanischen Konzils

Kardinal Lehmann wird nicht müde, das Konzilserbe zu erklären und dafür zu werben

Mainz. „Ich könnte mich gar nicht denken ohne das Konzil.“ Mit diesem Satz hat der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, in einem Interview mit der Münsterschen Kirchenzeitung („Kirche und Leben“) 2012 deutlich gemacht, welch große Bedeutung das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) für ihn persönlich und seinen Dienst als Priester und Bischof hat. Lehmann war 1957 zum Studium nach Rom gekommen und erlebte die Ankündigung des Konzils im Jahr 1959 als „Aufbruch“. Im Laufe des Konzils war Lehmann während seines Studiums zunächst als Hilfskraft für den Theologen Karl Rahner tätig, der offizieller Konzilstheologe war. Ab 1964 war Lehmann hauptamtlich Assistent von Karl Rahner an der Universität in München.

Lehmann hat sich seitdem in vielen Vorträgen, Diskussionen und Veröffentlichungen als Fürsprecher des Zweiten Vatikanischen Konzils gezeigt, dessen 50. Jubiläum von 2012 bis 2015 begangen wurde. Besonders gut sichtbar ist sein Werben für das Konzilserbe in einem Vortrag mit dem Titel „Evangelium und Dialog“, den er am 6. Dezember 1990 anlässlich des 25-jährigen Abschlusses des Konzils in Graz gehalten hat, und dessen Thesen er auch bei anderen Gelegenheiten hervorgehoben hat. „Das Zweite Vatikanische Konzil ist und bleibt das geistliche Ereignis der Kirche im 20. Jahrhundert und ist schlechterdings nicht daraus wegzudenken“, schreibt er darin an einer Stelle.

Und weiter: „Das Zweite Vatikanische Konzil war ein einziger großer Dialog auf den drei Bezugs- und Handlungsfeldern: innerkirchlich, ökumenisch, welthaft-gesellschaftlich. Die Kirchen in aller Welt haben nach dem Konzil versucht, diesen Aufbruch durch eine lebendige Vergegenwärtigung ins Heute (aggiornamento) jeweils auf ihrem geschichtlichen und kulturellen Boden aufzunehmen und zu übersetzen.“ In Deutschland geschah dies im Rahmen der Gemeinsamen Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland, die von 1971 bis 1975 in Würzburg tagte. Lehmann gehörte der Würzburger Synode in verschiedenen Funktionen an und war später federführender Herausgeber der Offiziellen Gesamtausgabe der Dokumente der Würzburger Synode.

„Die Kirche hat ihr Antlitz erheblich verändert.“

In seinem Vortrag macht der Kardinal die besondere Kraft des Konzils deutlich: „Das Konzil hat viele neue Initiativen und Institutionen im kirchlichen Leben geschaffen. Es gibt zweifellos auch spirituelle Neuaufbrüche. Die Kirche hat ihr Antlitz, besonders für Außenstehende, erheblich verändert. Für viele sind Reformen Wirklichkeit geworden, für die sie ein Leben lang gekämpft haben. Der Geist Gottes hat eine Beweglichkeit und eine Kraft zur Erneuerung geschenkt, wie sie vor dem Konzil weder von innen noch von außen für möglich gehalten wurden. Im Grunde haben viele der Kirche eine solche Kraft der Erneuerung und Verjüngung überhaupt nicht zugetraut.“

Mit den Jahren sei dieser Aufbruch „spärlicher geworden, ja nach dem Eindruck mancher geradezu versiegt“, konstatiert Lehmann und geht ausführlich auf die Ausgangslage des Konzils ein: „Es wäre der größte Fehler, wenn man die Ursachen für die Krise zu schnell dingfest machen wollte. So erblicken die einen die ganze Schuld bereits im Konzil selbst, die anderen im Verlust kirchlicher Disziplin. In Wirklichkeit muss man anders ansetzen: Das Konzil musste von einer Kirche ausgehen, die sich in den Kämpfen und Schwierigkeiten der Neuzeit durch Verteidigungsstellung und Rückzug einigermaßen unversehrt bewahrt hatte - und dies ist keineswegs gering einzuschätzen, wenn man die Stürme betrachtet, die über die Kirche seit dem 18. Jahrhundert hinwegbrausten. Freilich musste dafür auch ein hoher Preis gezahlt werden, denn die Kirche hat die lebendige Begegnung mit der jeweiligen zeitgenössischen Kultur und den gesellschaftlichen Fragen in dieser Zeit eher eingebüßt. Der neuzeitliche Katholizismus war eine feste Burg geworden, die im Inneren der Kirche den wahren Glauben und eine erstaunliche organisatorische Schlagkraft bewahrte, dennoch aber von den großen kontroversen Lebensproblemen sich eher abgeschnitten empfinden musste. Im Grunde kann man fast alle Herausforderungen zwischen Glaube und Kultur, Kirche und Gesellschaft in der Neuzeit als elementare Konfliktsituationen zwischen Bewahrung der Identität und Dialogfähigkeit mit der Welt beschreiben, angefangen vom Galilei-Konflikt bis zu den erbitterten Kämpfen um das Heimatrecht der kritischen Methode in der Theologie während der Modernismus-Krise zu Beginn des 20. Jahrhunderts.“

„Im Dialog mehr Zuwendung zur Welt wagen“

Weiter schreibt Lehmann: „So hatten sich bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil in immer neuen Schüben viele Konfliktherde angestaut: Verhältnis zur Demokratie, Gewährung von Religionsfreiheit, Antwort auf soziale Fragen, neue philosophische Probleme, Rolle des mündigen Laien, Naturwissenschaften und Theologie, Einschätzung der Technik und Verhältnis zur modernen Zivilisation. Eine Erneuerung des Katholizismus war nicht möglich, ohne dass man aus dieser wohl behüteten und wohl behütenden Verteidigungsstellung herausging und im Dialog mehr Zuwendung zur Welt und ihren Sachgebieten wagte. Hans Urs von Balthasar hat bereits 1952 mit dem Titel seiner kleinen Programmschrift ‚Schleifung der Bastionen’ den Nagel auf den Kopf getroffen. Vieles, was schon lange im Untergrund rumorte und Antworten verlangte, schoss nun ans Tageslicht. Die ‚Schleifung der Bastionen’ setzte viele verdrängte Probleme frei. Was nun an Fragen und Problemen sichtbar wurde, war nicht nur eine momentane Enttäuschung, sondern erwies sich nicht selten als ein Problem, das weit herkam und schon in der Aufklärung nach Antworten verlangt hat. Ich denke an alle Konflikte zwischen Vernunft und Glaube, Freiheit und Autorität, Wissenschaften und Glaubensverständnis bzw. Theologie.“

„Problemkinder der nachkonziliaren Erbmasse“

Aus dieser Problematik ergibt sich für Lehmann zwangsläufig die Notwendigkeit zu einer differenzierten Aufarbeitung: „Mit einem oberflächlichem Gerede, das einem einen modischen Anstrich gibt, wird man mit diesen Fragen nicht fertig. Es gibt also in der nachkonziliaren Erbmasse Problemkinder, deren Ursprung über mehrere Generationen zurückreicht. Hier hilft nur ein sorgfältiges und differenziertes, mühsames und kluges Aufarbeiten der Vergangenheit. Diese Aufgabe kann man nicht ersetzen durch Schlagworte, unverbindliche Gespräche oder Stimmungen. Freilich auch nicht nur durch disziplinäre Weisungen oder Gesetze allein.“ 

„Geschichtslos gewordene Anpasser und unglückselige Bewahrer“

Zu den Auseinandersetzungen um die Deutungshoheit über das Konzil schreibt Lehmann: „Die unfruchtbaren Grabenkämpfe zwischen mehr und mehr substanzloser werdenden Progressisten und immer mehr sich überheblich gebärdenden Traditionalisten haben dem Zweiten Vatikanischen Konzil in gleicher Weise geschadet. Geschichtslos gewordene Anpasser und unglückselige Bewahrer  haben über Jahre die wahre Aufgabe des Konzils verstellt. Ob man mit beiden in der richtigen Weise ins Gespräch kam, darf bezweifelt werden.“

Der wesentliche Grund für die Enttäuschungen, die mit dem Konzil in Verbindung gebracht werden, liegt für Lehmann in der Verweigerung eines echten Dialoges. Er schreibt: „Immer waren es eigentlich Verletzungen der Dialogbereitschaft. Man zieht sich wieder in ein Schneckenhaus zurück und meint, in dieser Rückzugssituation vor Anfechtungen gesichert zu sein. Man verweigert den Dialog miteinander, weil bestimmte Feindbilder ihn gar nicht mehr fruchtbar erscheinen lassen. Man respektiert zu wenig die Eigenständigkeit des Partners und bricht den Dialog ab, indem man einseitige Entscheidungen trifft. Aber ‚mächtig’ ist in unserer Gesellschaft nicht nur der, der eine amtliche Stellung besitzt und Autorität ausübt. Ein notwendiger Dialog kann in der Öffentlichkeit leicht verzerrt werden, besonders wenn es sich schon um Konfliktlagen handelt. Man spricht dann selten unmittelbar miteinander, sondern meist über die Medien von Anfang an gegeneinander. Die Verführung, den Dialog durch berechnende Wirkung von Kampfworten und Diskriminierung zu gewinnen, ist außerordentlich groß. Differenzierungen sind nicht beliebt. Es ist zwar gut, dass Fragen des Glaubens nicht bloß Spezialisten angehen, sondern alle betreffen, also auch von allen darüber geredet werden kann und muss. Aber um urteilen zu können, bedarf es sorgfältiger Information und eines angereicherten Sachverstandes. Wir sind heute oft so rasch im Reden und wenig geübt im Zuhören. Dies ist nicht nur ein Problem von Kirche und Theologie, sondern eine Frage unserer Kommunikationskultur.“

„Therapie des Kranken“

Für Kardinal Lehmann ist es wichtig, nicht bei der Aufzählung von Enttäuschungen über das Konzil stehen zu bleiben. Ihm geht es vor allem „um die Diagnose der Situation und die Therapie des Kranken“. In seinem Vortrag betont er deshalb: „Ein Konzil ist überhaupt nie nur historisch zu verstehen, sondern lebt in der jeweils aktuellen Geschichte der Kirche weiter. Es gibt darum auch keine andere Lösung krisenhafter Phänomene und der Rezeptionsschwierigkeiten als eine entschlossene Zuwendung zu dem, was das Konzil gewollt hat.“

Lehmann fordert deswegen eine intensive Beschäftigung mit den Texten des Konzils: „Dieses Konzil stirbt in unserem Bewusstsein ab, wenn wir - vor allem die Bischöfe, Theologen, Priester, Diakone, hauptamtliche Laien und alle, die interessiert sind - nicht immer wieder die großen Texte konsultieren und meditieren.“ Notwendig sei auch, die Ergebnisse des Konzils „im Ganzen der Konzilstexte selbst und der großen Überlieferung der Kirche zu integrieren und zu lesen“, schreibt Lehmann. „Es gibt nicht das chemisch reine Konzil, das die christliche Botschaft keimfrei, gleichsam vakuumverpackt anbieten könnte.“

Dialog braucht Befähigung und Einübung

Der Dialog über das Konzil dürfe auch nicht „naiv“ geführt werden, hebt Lehmann hervor. „Es bedeutet aber, dass man zum Dialog befähigt sein muss und eine Einübung braucht.“ Weiter schreibt Lehmann: „Wer sich nämlich im Dialog einem starken Partner aussetzt, muss selbst ausreichend in der Lage sein, nicht nur Fragen standzuhalten, verlockende Alternativen hinnehmen zu können, sondern er muss auch aus der Kraft und Tiefe der eigenen Überzeugungen solche Antworten anbieten, dass sie auch einen Andersdenkenden wenigstens intellektuell überzeugen. Dazu gehört aber die Fähigkeit der Unterscheidung der Geister. Nur allzu leicht gerät man in den Sog der Kräfte des Dialogpartners. Aus der naiv gemeinten ‚Öffnung’ kann leicht ungewollte Anpassung, ja schließlich Umklammerung werden. Man braucht einen verlässlichen eigenen Standort im Dialog, der einem Gewissheit schafft und zugleich ermöglicht, sich vorbehaltlos auf den anderen einzulassen. Dies ist viel schwieriger als wir dachten. Da wir so sehr auf Verteidigung und Abwehr eingestellt waren, waren die Fähigkeiten zum selbstständigen Aushalten des Dialogs wenig entwickelt.“

Abschließend fordert Lehmann dazu auf, die positiven Aspekte des Konzils zu benennen: „Gewiss, es gab auf dem Weg der Verwirklichung Schwächen und Inkonsequenzen, manchmal auch Irrwege. Aber warum reden wir denn so wenig von den vielen positiven Errungenschaften, die auf der Hand liegen? Was wäre denn die Kirche heute ohne die im Ganzen erstaunlich gelungene Erneuerung des Gottesdienstes und der Sakramente, ohne die ökumenische Annäherung der Christenheit, ohne das Friedensethos des Konzils, ohne das Erwachen so vieler ehrenamtlicher Mitarbeiter in vielen Gemeinden, ohne das neue Leben in vielen geistlichen Bewegungen, Gemeinschaften und auch teilweise Orden? Dies darf man nicht einfach verschweigen.“ Das Zweite Vatikanische Konzil ist in den Augen von Lehmann „ein geistiges und geistliches Erbe, das wir der Vergesslichkeit einer Wegwerf-Gesellschaft entreißen und in Dankbarkeit neu annehmen wollen“. Weiter schreibt er: „Solche Erinnerung führt uns durch Verkrustungen aller Art wieder zurück zu den unverbrauchten Quellen christlichen Lebens, vor allem zum Wort Gottes selbst. So kann die Erinnerung schöpferische Kräfte entbinden, die faszinierender und mutiger sind als die neuesten Moden, die morgen wieder von gestern sind.“

tob (MBN)

 

Der ökumenische Theologe Karl Lehmann

Ein Schwerpunkt seines Wirkens liegt im Gespräch der christlichen Konfessionen

Mainz. Die ökumenische Theologie, also der Dialog der christlichen Konfessionen, ist ein wichtiger Schwerpunkt im Wirken des Mainzer Bischofs, Kardinal Karl Lehmann. Gleichzeitig zählt er zu den Pionieren der Ökumene, da die katholische Kirche erst mit dem Dekret über den Ökumenismus (Unitatis redintegratio) des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahr 1964 ausdrücklich in diesen Dialog eingetreten ist. Stets hat Lehmann betont, dass es „keine Alternative“ zum ökumenischen Gespräch gebe. Aber nach über 40-jähriger Erfahrung hat er beim Zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München auch nüchtern festgestellt: „Ökumene braucht den langen Atem.“

Schon Pfingsten 1976 hatte er unter der Überschrift „Neuer ökumenischer Mut“ bei einem Vortrag in Freiburg klar formuliert, dass die Ökumene eine mühsame und langwierige Aufgabe ist: „Und genau dies muss unser neuer ökumenischer Mut sein: Bei der Stange bleiben, wo diese Sache der kirchlichen Einheit zu ermatten scheint, wo ihr der Glanz des Neuen schwindet, wo man auch Fehltritte nüchtern verkraften muss, wo undankbare Kärrnerarbeit zu tun ist.“

Stationen von Lehmanns ökumenischer Arbeit

Allein ein Blick auf seine wichtigsten Mitgliedschaften und Funktionen in diesem Bereich zeigt, dass sich diese „Kärrnerarbeit“ wie ein roter Faden durch seinen Lebenslauf zieht. Bereits während seiner Mainzer Dogmatikprofessur wurde er im Jahr 1969 Mitglied des Arbeitskreises katholischer und evangelischer Theologen, der nach den beiden Gründern benannte Jaeger-Stählin-Kreis. In Freiburg übernahm Lehmann 1971 bis zu seiner Bischofsernennung den Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät. 1975 wurde er wissenschaftlicher Leiter des 1946 gegründeten Jaeger-Stählin-Kreises von katholischer Seite und 1988 übernahm er in der Nachfolge von Kardinal Hermann Volk den Vorsitz von katholischer Seite. Gerade auch als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (1987 bis 2008) hat der Mainzer Bischof das ökumenische Gespräch maßgeblich geprägt; bis heute unter anderem als Mitglied des Kontaktgesprächskreises zwischen Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Darüber hinaus ist er seit 2002 Mitglied des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

Eine Bilanz seiner Erfahrungen bietet Lehmanns Vortrag auf dem Zweiten Ökumenischen Kirchentag in München unter der Überschrift „Wie viel Hoffnung bringt die Ökumene?“. Ziel der Ökumene sei „eine theologische Übereinstimmung um der kirchlichen Einheit willen, damit wir der Welt ein glaubwürdiges Zeugnis geben“. Entscheidendes Kriterium bei den Gesprächen müsse sein, „ob eine Divergenz kirchentrennenden Charakter hat“, betont der Kardinal. Die Kirchen seien dazu verpflichtet, „durch das Gebot des Herrn, dass wir mit allen Kräften Trennungen, wo es notwendig und möglich ist, überwinden und die zerbrochene Einheit wieder suchen und finden“. Die Tragik der Kirchenspaltung werde besonders bei konfessionsverschiedenen Ehen deutlich: „Hier erleben viele Menschen die Jahrhunderte lange Entfremdung furchtbarer als im öffentlichen Verhältnis der Konfessionen selbst. Diese Unruhe muss ein wichtiger Motor unseres ökumenischen Einsatzes bleiben. Dies hat nachhaltig bis heute mein eigenes ökumenisches Engagement bestimmt.“

„Nicht gedeckte Schecks sind in der Ökumene besonders gefährlich.“

Ausdrücklich plädiert Lehmann für eine theologisch fundierte Aufarbeitung der Unterschiede zwischen den Konfessionen: „Es gehört zur Nüchternheit und auch Glaubwürdigkeit der ökumenischen Arbeit, dass man sich des bleibenden Wegcharakters bewusst sein muss. Dabei werden Enttäuschungen und auch manchmal rückläufige Tendenzen unvermeidlich sein. Es gibt im Leben des Geistes und des Glaubens nie bloß breite Königs-Straßen ohne verschlungene Pfade, Umwege und Holzwege, Abwege und Irrwege. Dennoch wäre es fatal, wenn eine resignierende Grundstimmung sich gegen ihre letzte Absicht daran beteiligen würde, das immer noch brennende ökumenische Feuer löschen zu helfen. Wer die gewachsenen Differenzen in ihrer Tiefenwirkung zu gering schätzt und auf ihre ernsthafte Aufarbeitung meint verzichten zu können, wird nur Scheinerfolge erreichen können. Nach meiner Erfahrung sind jedoch nicht gedeckte Schecks in der Ökumene besonders gefährlich, weil nach ihrer Entlarvung die Enttäuschung entsprechend groß ist. Dies darf uns nicht überraschen, denn das Leid und der Schmerz der Ökumene verlangen nach einer gediegenen Überwindung, die sich bewährt.“

Gleichzeitig müsse sich die ökumenische Theologie aber auch „vor einer Selbstüberschätzung hüten, allein in der wissenschaftlichen Retorte den Weg zur Einheit planmäßig konstruieren und vorschreiben zu können“, betont er bereits in einem Vortrag aus dem Jahr 1982. Unter der Überschrift „Stillstand auf dem Weg zur einen Kirche?“ formuliert er damals: „Gerade die ökumenische Theologie, die jenseits der traditionellen Fronten neue gemeinsame Formulierungen wagen muss, darf die in Übereinkunft vereinbarten Aussagen nicht unbesehen vom Glaubenszeugnis der Kirchen ablösen und auf die Macht allein von freischwebenden Sätzen vertrauen. Eine abstrakte Synthese gemeinsamer Haltungen und Meinungen hat längst noch nicht Herz und Geist der Christen für sich gewonnen und die Bewährungsprobe in einer gemeinsamen kirchlichen Lebenswelt noch nicht bestanden. Gerade hier bedarf die ökumenische Theologie der sorgfältigen Verwurzelung in den konkreten Kirchen, ohne ihre nach vorne weisende Pionierfunktion zu verlieren.“

Ihm ist dabei bewusst, dass das Verständnis für die Eigenheiten dieses theologischen Ringens in der Öffentlichkeit begrenzt ist: „Freilich sind die Bemühungen und die Ergebnisse der theologischen Gespräche kaum noch überschaubar“, schreibt er 1982. „Die Fülle der Dialoge gelangt auch immer wieder zu ähnlichen Einsichten. Was aber zuerst als unnütze Wiederholung aussehen mag, ist in Wahrheit ein positives Phänomen, denn darin vollzieht sich eine umfassende Konsensbildung.“

Wichtige Stationen des Dialogs

Wichtige Stationen im ökumenischen Gespräch sind für Lehmann etwa die Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ in Augsburg (1999), die Unterzeichnung der ökumenischen Taufanerkennung in Magdeburg (2007) und nicht zuletzt die zahlreichen Beispiele gemeinsamer Stellungnahmen von evangelischer und katholischer Kirche zu ethischen Fragen in den vergangenen Jahrzehnten. Gleichwohl musste er 2010 auf dem Ökumenischen Kirchentag eine ernüchternde Zwischenbilanz ziehen, was die Erklärung zur Rechtfertigungslehre angeht. „Dies ist ein Mark- und Meilenstein in der ökumenischen Gesprächsserie. Die Diskussion darüber und auch die bleibende Ablehnung nicht weniger evangelischer Theologen bis heute zeigen aber deutlich, wie Manches noch tiefer geklärt und fortgeführt werden muss. Das Echo darauf ist noch schwach und kraftlos, wie das zehnjährige Jubiläum am 31. Oktober 2009 in Augsburg zeigte.“

Das ökumenische Grundgesetz

In seinem Münchner Referat hat der Kardinal „ein wichtiges Grundgesetz des ökumenischen Miteinanders“ hervorgehoben: „Gerade wenn man das eigene Profil stärker betont, wie es auch zum Beispiel durch die Hervorhebung der Luther-Übersetzung der Bibel geschieht, gibt es ein gutes Kriterium, nämlich ob wir uns freuen können an der Stärke des Anderen, nicht nur an Johann Sebastian Bach, sondern zum Beispiel auch am Wiedererstehen der Frauenkirche in Dresden. Aus dieser Anerkennung des Anderen - und vielleicht zuerst oder manchmal auch auf längere Strecke Fremden - wird echte und nachhaltige Gemeinschaft, die uns im Geist Jesu Christi enger zusammenführt.“ Solange keine wirkliche Einheit gefunden sei, lasse sich „irgendeine Form von Konkurrenz zwischen den Kirchen nicht völlig vermeiden“.

Es ist mehr möglich, als getan wird

Die Mahlgemeinschaft könne nur Endpunkt der Ökumene sein, betont Lehmann immer wieder und fordert gleichzeitig dazu auf, das zu verwirklichen, was im ökumenischen Miteinander bereits möglich ist. In einem Interview (Mannheimer Morgen vom 21. Januar 1988) bringt er diese Position auf den Punkt: „Ich wehre mich dagegen, dass man alles an den großen dicken Brocken, die noch vor uns stehen und ungelöst sind, misst: Eucharistie-Gemeinschaft, Amtsfrage und das schwierige Miteinander in einer bekenntnisverschiedenen Ehe. Man geht ein bisschen selbstgerecht darüber hinweg, dass wir sehr viel mehr jeden Tag tun könnten, ohne dass uns das jemand verbietet. Der Geist Gottes wirkt in der echten Sehnsucht nach Einheit, aber nirgendwo ist verheißen, dass wir zu unserer Lebzeit schon die Früchte ernten könnten. Wenn das erst in der nächsten oder übernächsten Generation geschieht, dann dürfen wir auch dankbar bleiben für all das, was in den letzten 20 Jahren erreicht worden ist im Vergleich zu den 400 und 450, die zurückliegen. Und insofern wünsche ich mir beides: Das ökumenische Feuer darf nicht erlöschen, aber ich möchte auch eine große, aktive Geduld fördern, die schwierige Lasten nicht abschüttelt.“

Nach den Perspektiven der Ökumene wird Lehmann gefragt, seit er sich mit der  Ökumene befasst. In einem Interview mit der Mainzer Kirchenzeitung („Glaube und Leben“ vom 27. April 1986) sagte er dazu: „Man kann hier Manches vorschlagen, aber niemand weiß, welche Wege die Geschichte geht, und wie der Geist uns führt. Uns ist die Last auferlegt, alles zu tun, dass wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auch wirklich weiterkommen. Wir wissen, dass das Stunden und Jahre des Scheiterns und der verpassten Gelegenheiten werden können, aber auch Sternstunden. Ich könnte die ganze Arbeit nicht tun, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass es einmal Sternstunden werden können.“

Mose als Gestalt der ökumenischen Hoffnung

Seiner eigenen begrenzten Möglichkeiten ist sich der Kardinal dabei stets bewusst. In seiner Rede beim Ökumenischen Kirchentag in München hat er dafür in der Gestalt von Mose ein aussagekräftiges Bild gefunden: „Beim Nachdenken bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es verschiedene Stile und Gestalten ökumenischer Hoffnung gibt. Darum bin ich auch überzeugt, dass man diese Pluralität der verschiedenen Hoffnungsformen achten muss. Dabei denke ich vor allem an die Gestalt des Mose, der dem verheißenen, gelobten Land entgegenwandert. Er hat für sein Volk alles getan, um es zur Erfüllung dieser Verheißung zu führen. Aber er selbst konnte dieses gelobte Land nicht mehr betreten. Vorher zeigte ihm der Herr das verheißene Land vom Gipfel des Nebo her: ‚Ich habe es dich mit deinen Augen schauen lassen. Hinüberziehen wirst du nicht. Danach starb Mose, der Knecht des Herrn.’ (Dtn 34,3 f.) Dies ist gewiss auch in der Zeit des Neuen Bundes und der Kirche eine wichtige Gestalt der Hoffnung und der Einlösung der Verheißungen. Aber sie ist nun, da Gott in Jesus Christus zu uns gekommen ist und immer noch Spaltungen sind, noch dringlicher geworden. Mose ist keine Gestalt zur falschen Beunruhigung.“

Hinweise: 

  • Der Vortrag „Wie viel Hoffnung bringt die Ökumene?“ vom 14. Mai 2010 ist verfügbar unter: www.oekt2010.de/presse/dokumente/dateien/HV4_002_1119.pdf
  • Den Vortrag „Stillstand auf dem Weg zur einen Kirche? Das Ökumenische Gespräch der Kirchen heute“ hielt Lehmann am 19. November 1982 vor der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Freiburg. Der Text ist in dem 1983 erschienenen Sammelband „Signale der Zeit - Spuren des Heils“ abgedruckt.

tob (MBN)

 

Der Autor Kardinal Lehmann

Die Bibliographie des Mainzer Bischofs umfasst rund 4.200 Einträge

Mainz. Kardinal Karl Lehmann ist ein Mann des Wortes. Als Theologe, Bischof und langjähriger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz umfasst seine Bibliographie inzwischen rund 4.200 Einträge. Neben zahlreichen Monographien sind darin unter anderem Artikel in Zeitschriften und Lexika, Vorträge, Rezensionen, Interviews und Pressemitteilungen enthalten.

Schon in seiner Zeit als Professor hat Lehmann die Bedeutung des Wortes für das Bischofsamt klar benannt. In einer Würdigung zum 60. Geburtstag des damaligen Bischofs von Rottenburg-Stuttgart, Georg Moser, die am 31. Mai 1983 von der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) veröffentlicht wurde, schreibt Lehmann unter der Überschrift „Der Bischof als Schriftsteller“: „Ein Bischof ist stets um ein Wort der Orientierung und der Klärung gebeten. Von den täglichen Besprechungen mit seinen Mitarbeitern bis zur Predigt und zum Vortrag außerhalb des kirchlichen Raumes gehört das Zeugnis für das Evangelium Gottes zum täglichen Brot.“

Neben Sammelbänden mit Predigten und Vorträgen sind Lehmanns Veröffentlichungen als Bischof geprägt von Kurzkommentaren, die ein sehr breites Themenspektrum abdecken. In der Einführung zu seinem Buch „Mut zum Umdenken“ aus dem Jahr 2002 erläutert er diesen Umstand unter der Überschrift „Lob der kleinen Form“. In der Öffentlichkeitsarbeit gebe es „geradezu einen Zwang zur Knappheit, wenn man an der Börse der Nachrichten gehandelt werden will“. Und weiter: „Ich habe diese Kurzformen der heutigen Kommunikation, besonders im Fernsehen, mühsam zu lernen gesucht. Gerade wenn man von einer wissenschaftlichen Tätigkeit herkommt und gewohnt ist, bestehende Probleme in ihrer ganzen Differenziertheit und Komplexität darzulegen, tut man sich damit schwer. Aber ich muss heute bekennen: Eine solche geraffte Stellungnahme ist in den meisten Fällen auch in wenigen Zeilen bzw. in einer Minute und 30 Sekunden oder manchmal auch nur in 30 Sekunden durchaus möglich. Es gibt ja andere Formen, solche Positionen eingehender nachzuarbeiten.“

Kurzkommentare in Zeitungen seien gerade für Theologen eine besondere Chance. Er schreibt dazu im „Lob der kleinen Form“: „Es ist nicht nur, wie soeben erläutert, die Kommentierung gesellschaftlicher, politischer und geschichtlicher Vorkommnisse. Man kann auch aufmerksam machen auf Gefahren, die in gewissen Entwicklungen drohen. Man kann ein einziges Wort aufgreifen und es in seiner tieferen Bedeutung nach allen Seiten hin bedenken. Man kann Schlagworte entlarven und zugleich ihren wahren Hintergrund aufzeigen. Probleme, die im Augenblick eher gering erscheinen, können auf ihre größere Bedeutung hin abgehört und abgeklopft werden. Man kann religiöse Bilder neu deuten, die ganz verschüttet sind. Christliche Feste lassen sich erschließen. Vergessene Tugenden kann man wieder zum Leuchten bringen. Die Gattung Kurzkommentar ist wie ein Kaleidoskop.“ Und weiter: „Es kostet freilich Mut, sich mit dem zeitüberlegenen Glauben so konkret und bestimmt auf eine flüchtige Realität einzulassen. Aber gerade dies ist auch eine große Chance, mit der christlichen Botschaft die geschichtliche Situation mit Augenmaß zu treffen.“

Lehmann und die Bücher

Kardinal Lehmann hat sein Verhältnis zu Büchern bei einem Vortrag auf dem 89. Deutschen Bibliothekentag am 25. Mai 1999 in Freiburg im Breisgau auf den Punkt gebracht. Unter der Überschrift „Zeitenwende - Medienwende? Schrift, gedrucktes Wort und Buch als bleibende Kulturleistungen“ heißt es darin: „Ich bin nicht nur ein großer Freund des Buches. In meinem relativ großen Haus ersticke ich fast an Büchern, aber ich liebe sie auch. In meinem Bischofswappen habe ich die Bibel als aufgeschlagenes Buch, ein geöffnetes Buch, das nicht einfach wie im Museum abgestellt wird, sondern es soll ein Buch sein, das zum Lesen ermutigt und zum Leben sowie Denken führt, ähnlich wie es Augustinus im Zusammenhang seiner Bekehrung erfahren hat: Tolle, lege! - Nimm und lies!“ Die private Bibliothek des Bischofs von Mainz umfasst, wie er einmal in einem Interview sagte, inzwischen rund 100.000 Bücher, vor allem aus der Systematischen Theologie und der Philosophie, aber auch aus Literatur und Kunst.

Kardinal Kasper über Lehmanns Leidenschaft für Bücher

Kardinal Walter Kasper hat die Leidenschaft Lehmanns für Bücher mit folgenden Worten charakterisiert: „Seit seiner Zeit als Oberbibliothekar am Collegium Germanicum in Rom war er ein Bücherfreund, um nicht zu sagen ein Bücherwurm, der sich inzwischen zu einem wandelnden wahrhaftigen Lexikon ausgewachsen hat. Er will es genau wissen. Mit Schlagworten und Schablonen gibt er sich nicht zufrieden. Auch große Systementwürfe und Programme wird man bei ihm nicht finden. Seine Schriften und seine Vorträge zeichnen sich durch nachbohrendes Fragen und sorgfältiges Differenzieren aus.“ Das Zitat stammt aus Kaspers Laudatio auf Kardinal Lehmann anlässlich dessen 70. Geburtstages am 16. Mai 2006 in der Rheingoldhalle in Mainz.

Sammelbände

Die Grundsatzreferate, die Kardinal Lehmann als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz gehalten hat, sind in dem Band „Zuversicht aus dem Glauben“ versammelt, der 2006 zu seinem 70. Geburtstag erschienen ist. Er enthält die von 1988 bis 2005 bei der jährlichen Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda gehaltenen Eröffnungsreferate. Sie werden ergänzt durch seine Predigten aus den Eröffnungsgottesdiensten.

Einen guten Überblick über Veröffentlichungen bis zum Beginn der 1990er Jahre gibt der Band „Glauben bezeugen, Gesellschaft gestalten. Reflexionen und Positionen“, der 1993 im Herder-Verlag in Freiburg erschienen ist. Er enthält rund 70 Vorträge, Reden, Predigten und Artikel, die Lehmann als Professor und in seinen ersten Jahren als Bischof von Mainz gehalten und veröffentlicht hat. Vor allem Kommentare für die Allgemeine Zeitung in Mainz und die Bistumszeitung „Glaube und Leben“ sowie Hörfunkansprachen aus den Jahren 1995 bis 2001 enthält das Buch „Mut zum Umdenken. Klare Positionen in schwieriger Zeit“ aus dem Jahr 2002. In Fortsetzung dazu ist zu seinem Silbernen Bischofsjubiläum im August 2008 das Buch „Mut zum Dialog. Orientierung für unsere Zeit“ erscheinen. Es enthält rund 70 Zeitungsbeiträge und Hörfunkansprachen aus den Jahren 2002 bis 2008. Die Hirtenworte aus den Jahren 1983 bis 2003 vereint das Buch „Frei vor Gott. Glauben in öffentlicher Verantwortung“, das 2003 im Herder-Verlag aus Anlass des 20. Jahrestages seiner Bischofsweihe erschienen ist.

Aus Lehmanns Zeit als Theologieprofessor an der Universität Freiburg stammt das Buch „Signale der Zeit - Spuren des Heils“, das 1983 im Herder-Verlag erschienen ist, als Lehmann gerade zum Bischof von Mainz ernannt worden war. Darin sind acht Vorträge aus den Jahren 1978 bis 1980 veröffentlicht. Einen guten Überblick über viele aktuelle Positionen bietet auch das Interviewbuch „Es ist Zeit, an Gott zu denken“, das im Jahr 2000 im Herder-Verlag erschienen ist. Das Gespräch führte der SWR-Journalist Jürgen Hoeren. Auch auf der Internetseite des Kardinals (www.bistum-mainz.de/kardinal) finden sich zahlreiche Texte im Wortlaut bis zurück ins Jahr 1997.

2013 ist eine Würdigung von Kardinal Döpfner (1913-1976) erschienen, dessen theologischer Mitarbeiter Kardinal Lehmann mehrere Jahre war und mit dem ihn eine „persönliche Freundschaft“ verband, wie er in seinem Nachwort schreibt. Der Band ist im Würzburger Echter-Verlag erschienen und trägt den Titel „Brückenbauer in einer Zeit des Übergangs. Julius Kardinal Döpfner zum Gedenken“.

Die Doktorarbeiten

Der erste Eintrag in der Bibliographie von Kardinal Lehmann ist auch gleich der umfangreichste: Die philosophische Doktorarbeit Lehmanns aus dem Jahr 1962 umfasst 1.417 Schreibmaschinenseiten. Während der dreijährigen Arbeit an der Promotion zum Thema „Vom Ursprung und Sinn der Seinsfrage im Denken Martin Heideggers“ war Lehmann im August 1959 und im August 1961 zu längeren Gesprächen mit dem Philosophen Martin Heidegger in Meßkirch zusammengekommen. Der Text war 1964 und 1966 teilweise veröffentlicht worden. Erst im Jahr 2003 war die Dissertation in zwei Bänden ungekürzt von Professor Albert Raffelt (Freiburg), einem Schüler Lehmanns, herausgegeben worden. Die zweibändige Arbeit ist inzwischen in zweiter Auflage erschienen.

Im Jahr 1968 legte Lehmann seine theologische Dissertation vor. Sie trägt den Titel „Auferweckt am dritten Tag nach der Schrift. Früheste Christologie, Bekenntnisbildung und Schriftauslegung im Lichte von 1 Kor 15,3-5“, die in der Reihe „Quaestiones disputatae“ (Nr. 38) erschienen ist, inzwischen ebenfalls in zweiter Auflage. Noch im gleichen Jahr wurde der 32-Jährige zum Professor für Dogmatik und Theologische Propädeutik an der Theologischen Fakultät der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität ernannt (25. Juli 1968). Ab diesem Zeitpunkt steigt die Zahl von Lehmanns Veröffentlichungen von Jahr zu Jahr stetig an.

Vier Festschriften und eine Biographie

Bisher sind insgesamt vier Festschriften für Kardinal Lehmann erschienen. Zu seinem 60. Geburtstag erschien 1996 beim Echter-Verlag in Würzburg die Festschrift „Aus der Hitze des Tages: Kirchliches Leben in Momentaufnahmen und Langzeitperspektiven“. Herausgeber des Buches sind der Würzburger Generalvikar Karl Hillenbrand und Barbara Nichtweiß, heute Leiterin der Abteilung Publikationen im Bischöflichen Ordinariat Mainz. „Weg und Weite“ heißt die Festschrift zum 65. Geburtstag, die 2001 im Herder-Verlag in Freiburg erschienen ist. Herausgegeben wurde der Band von Albert Raffelt, stellvertretender Direktor der Universitätsbibliothek Freiburg, und Barbara Nichtweiß.

Zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 2006 sind zwei Festschriften erschienen: Kardinal Walter Kasper hat den Band „Logik der Liebe und Herrlichkeit Gottes: Hans Urs von Balthasar im Gespräch“ (Mathias Grünewald-Verlag, Ostfildern) herausgegeben. Außerdem ist im Herder-Verlag in Freiburg das Buch „Wir Nachbarn des Himmels: Erfahrungen und Begegnungen mit Karl Kardinal Lehmann“ erschienen. Herausgeber sind der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, und der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer SJ. Im Jahr 2002 erschien außerdem das Buch „Der Kardinal. Karl Lehmann - Eine Biographie“. Der Band von Daniel Deckers, Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ist in mehreren Auflagen erschienen und inzwischen vergriffen.

Hinweise:

  • Karl Lehmann, Toleranz und Religionsfreiheit. Geschichte und Gegenwart in Europa. Herder Verlag, Freiburg 2015, 144 Seiten, 19,90 Euro. ISBN 9-783451-335112.
  • Karl Lehman, Brückenbauer in einer Zeit des Übergangs. Julius Kardinal Döpfner zum Gedenken. Echter Verlag, Würzburg 2013. 68 Seiten, 7,90 Euro. ISBN 978-3-429-03659-1.  
  • Karl Lehmann, Mut zum Dialog. Orientierung für unsere Zeit. Herausgegeben von Michael Kinnen. Verlag Herder, Freiburg 2008.
  • Karl Lehmann, Zuversicht aus dem Glauben. Die Grundsatzreferate des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz mit den Predigten der Eröffnungsgottesdienste. Verlag Herder, Freiburg 2006.
  • Karl Lehmann, Frei vor Gott. Glauben in öffentlicher Verantwortung. Verlag Herder, Freiburg 2003.
  • Karl Lehmann, Mut zum Umdenken. Klare Positionen in schwieriger Zeit. Herausgegeben von Beate Hirt. Verlag Herder, Freiburg 2002.
  • Karl Kardinal Lehmann 2001. Dokumentationen, Erinnerungen und Informationen zur Kardinalserhebung des Bischofs von Mainz. Herausgegeben von Barbara Nichtweiß. Mainz 2001.
  • Karl Lehmann, „Es ist Zeit, an Gott zu denken. Ein Gespräch mit Jürgen Hoeren“. Verlag Herder, Freiburg 2000.
  • Karl Lehmann, Signale der Zeit - Spuren des Heils. Verlag Herder, Freiburg 1983, 190 Seiten.
  • Die aktuelle Bibliographie von Kardinal Lehmann ist auf dem Server der Universität Freiburg zu finden unter: www.ub.uni-freiburg.de/referate/04/lehmann/lehmann1.htm
  • Die philosophische Dissertation über Martin Heidegger ist als Volltext im Internet verfügbar unter: www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7/
  • Die theologische Dissertation über 1 Kor 15, 3-5 ist als Volltext im Internet verfügbar unter: www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/1293/

tob (MBN)

 

O-Ton Lehmann

Zitatsammlung zum 80. Geburtstag des Mainzer Bischofs, Kardinal Karl Lehmann

Mainz. Zum 80. Geburtstag des Mainzer Bischofs, Kardinal Karl Lehmann, soll diese Sammlung von insgesamt 80 Zitaten eine Auswahl aus der Fülle von Lehmanns Positionen, Zeitdiagnosen und Einblicken in sein Selbstverständnis bieten. Es handelt sich um eine Erweiterung der Sammlung, die zum Silbernen Bischofsjubiläum im Jahr 2008 und dann ausgeweitet zum 75. Geburtstag des Kardinals 2011 sowie zum 30. Bischofsjubiläum 2013 erschienen ist.

 

„Ich komme gerne, um mit Ihnen allen auf einem altehrwürdigen Stück Boden der europäischen Christenheit den Glauben der Kirche in unverbrüchlicher Treue zu seinen Ursprüngen und zu seiner großen Geschichte, aber auch in Treue zu den Menschen, die hier und heute mit ihren Fragen und Nöten leben, zu bezeugen und weiterzugeben bis an die Schwelle des dritten Jahrtausends und darüber hinaus, wie und solange Gott es will.“

Bei der Vorstellung als neuer Mainzer Bischof im Rahmen einer Pressekonferenz im Mainzer Haus am Dom am 23. Juni 1983.

 

„Auseinandersetzungen und Konflikte bleiben uns nie erspart, aber sie müssen von Christen im Geist der Friedfertigkeit ausgetragen werden. Der andere, auch wenn er ein Gegner meiner Ansichten ist, darf einen Teil an Einsicht und Wahrheit in das Ganze einbringen. Dies wird nur möglich sein, wenn wir nach dem Beispiel Jesu Christi einander dienen, verzichten und wahrhaft lieben lernen. Jesus hat sein eigenes Leben in die Waagschale geworfen und sich schon vor seinem Tod von innen her für seinen Vater und die Menschen hingegeben. Die Überwindung der eigenen nackten Interessen und das Teilen der Lebenschancen sind der Preis des Friedens.“

Aus dem ersten Hirtenwort als Bischof von Mainz mit dem Titel „Der Friede sei mit euch!“ vom 5. Oktober 1983.

 

„Ich war gerne Hochschullehrer, bin aber das, was mir jetzt aufgetragen ist, mit ganzem Herzen. Es gibt keinen wehmütigen Blick zurück: In der Nachfolge unseres Herrn darf man sich nicht lange umdrehen und zurückschauen. Ich hätte auch keine Zeit dazu.“

Aus einem Interview, das Mechtild Heiner für die Mainzer Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ vom 29. September 1984 geführt hat.

 

„Die Zeit, die Kinder von ihren Eltern brauchen, ist auch nicht durch teures Spielzeug ersetzbar.“

Aus dem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit mit dem Titel „Vom Maßhalten und vom Verzicht“ im Jahr 1985.

 

„Man kann hier Manches vorschlagen, aber niemand weiß, welche Wege die Geschichte geht, und wie der Geist uns führt. Uns ist die Last auferlegt, alles zu tun, dass wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auch wirklich weiterkommen. Wir wissen, dass das Stunden und Jahre des Scheiterns und der verpassten Gelegenheiten werden können, aber auch Sternstunden. Ich könnte die ganze Arbeit nicht tun, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass es einmal Sternstunden werden können.“

Auf die Frage nach den ökumenischen Perspektiven in den nächsten 30 Jahren im Interview mit der Mainzer Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ vom 27. April 1986. Das Gespräch führte Ernst Schlögel.

 

„Eine weiche Stelle in der Grundhaltung der Achtung vor dem Menschenleben genügt, um einer Lawine der Unmenschlichkeit Wege zu öffnen, auch wenn die Beteiligten dies sicher nicht wollen.“

Aus dem Geistlichen Wort bei der „Kundgebung für das Leben des ungeborenen Kindes - Das Licht der Welt erblicken“ am 11. September 1986 auf dem Katholikentag in Aachen.

 

„Es ist ja nicht so, dass er der Papst in Deutschland ist.“

Über die Bedeutung des Amtes des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) als Sprecher der Bischöfe direkt nach der ersten Wahl zum DBK-Vorsitzenden am 22. September 1987 vor Journalisten im Hof des Fuldaer Priesterseminars.

 

„Ich wehre mich dagegen, dass man alles an den großen dicken Brocken, die noch vor uns stehen und ungelöst sind, misst: Eucharistie-Gemeinschaft, Amtsfrage und das schwierige Miteinander in einer bekenntnisverschiedenen Ehe. Man geht ein bisschen selbstgerecht darüber hinweg, dass wir sehr viel mehr jeden Tag tun könnten, ohne dass uns das jemand verbietet. Der Geist Gottes wirkt in der echten Sehnsucht nach Einheit, aber nirgendwo ist verheißen, dass wir zu unserer Lebzeit schon die Früchte ernten könnten. Wenn das erst in der nächsten oder übernächsten Generation geschieht, dann dürfen wir auch dankbar bleiben für all das, was in den letzten 20 Jahren erreicht worden ist im Vergleich zu den 400 und 450, die zurückliegen. Und insofern wünsche ich mir beides: Das ökumenische Feuer darf nicht erlöschen, aber ich möchte auch eine große, aktive Geduld fördern, die schwierige Lasten nicht abschüttelt.“

Zum Thema Ökumene in einem Interview, das von Sigrid Ditsch geführt wurde und am 21. Januar 1988 in der Tageszeitung „Mannheimer Morgen“ erschienen ist.

 

„Lesen - besonders, wenn ich mir die Lektüre auswählen kann.“

Auf die Frage nach seiner Lieblingsbeschäftigung im Fragebogen des Magazins der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 4. März 1988.

 

„In unserer Gesellschaft und auch in der Kirche ist die seelische Temperatur kälter geworden. Wir planen und sind berechnend, schauen auf unseren Vorteil und sind stolz, als nüchtern zu gelten. Rationales Erkennen, kritisches Prüfen und technische Genauigkeit haben die Oberhand. Gefühlsmäßig sind wir eher abgestumpft, wir denken weitgehend nach dem Muster rationaler Beherrschbarkeit, schon um unsere Betroffenheit, zum Beispiel durch den Hungertod von Kindern, in Grenzen zu halten. Wenn die tieferen Gemütskräfte schwächer werden und auch in der Kirche ein kühleres Klima herrscht, bekommt dies der Glaube zu spüren. Große Gefühlsausbrüche schaden ihm eher, aber er braucht eine warme Atmosphäre: ein Minimum an Sympathie und Entgegenkommen, Offenheit und Bereitschaft zum Verstehen.“

Aus dem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit mit dem Titel „Der Glaube braucht heute besonders die Treue“ aus dem Jahr 1988.

 

„Angesichts mancher Entwicklung und mancher Vorkommnisse ist die Frage verständlich, ob Leistungssport heute noch in jeder Hinsicht humanen Maßstäben entspricht, das heißt, als dem Menschen förderlich bezeichnet werden kann. Das gilt zum Beispiel vor allem im Blick auf den Einsatz von chemischen Substanzen. In solchen Fällen kommt es zu einer Pervertierung des Sports, denn er dient unter solchen Voraussetzungen nicht mehr der Gesundheit und der Lebensfreude, sondern ist geradezu eine Schädigung. Hier verliert der Sport dann seinen wahren Sinn.“

In einem Interview im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele in Seoul, das Peter de Groot für die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) führte, und das am 13. September 1988 veröffentlicht worden ist.

 

„Der ‚Zeitgeist’ bläst den Kirchen, besonders der katholischen Kirche, manchmal kräftig ins Gesicht. Wer aber den Tendenzen dieses Zeitgeistes standzuhalten vermag und seinem Auftrag treu bleibt, wird auch künftig ein unentbehrlicher Gesprächspartner gerade des suchenden Menschen sein - und sei es im Streit und in der Auseinandersetzung. Unter dieser Voraussetzung hat die Kirche auch künftig ein entscheidendes Wort zu sagen, ihr eigenes freilich. Nur Nachplappern darf sie nicht. Je mehr die christlichen Kirchen dieses Wort gemeinsam sprechen können, umso glaubwürdiger wird es. Das Gebot des Herrn um Einheit im Glauben kennt keine Alternative. Ökumene darf uns aber nicht schal werden lassen. Der kleinste gemeinsame Nenner ist für Christen eine zu geringe Basis. Wahre ökumenische Begegnung muss darum ungleich vertieft werden. Es genügt nicht, wenn jeder nur so bleibt, wie er ist. Nur wenn wir uns gemeinsam mehr auf Jesus Christus hin verändern lassen, wachsen die Christen von der Tiefe her näher zusammen - damit die Welt glaube.“

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zum Thema „Gesellschaftlicher Wandel und Weitergabe des Glaubens“ am 25. September 1989 in Fulda.

 

„Dabei hat das Buch als solches einen weit schwereren Stand als früher. Es ist nicht mehr das Fenster zur weiten Welt, der weiten Welt unseres Globus, der weiten Welt der Phantasie und des Geistes, sondern hat Konkurrenz bekommen durch die Fenster der Mattscheiben, die sich dem Kind früher und leichter öffnen als die bedruckten Seiten des Buches. Auf den Schulhöfen dürften heute weit weniger Bücher getauscht werden als Videokassetten und Computerspiele, so wie die erste größere Summe des knappen Taschengeldes kaum in den Kassen der Buchhändler landen wird, wie es noch in der letzten Generation oft der Fall gewesen sein wird - ich hatte immer Schulden bei meinem freundlichen Buchhändler, der meine Liebe verstand.“

Ansprache bei der Verleihung des Katholischen Kinderbuchpreises an die Autorin Sonia Levitin für das Buch „Heimkehr nach Jerusalem“ am 26. Oktober 1989 im Erbacher Hof in Mainz.

 

„Täuschen wir uns nicht: Wo das alltägliche Leben banal geworden ist, keine Höhen und Tiefen mehr hat, gibt es kaum Anknüpfungspunkte für den Glauben. Ähnlich gibt es im Grunde auch keine sinnvolle religiöse oder weltanschauliche ‚Neutralität’, wie viele Eltern heute meinen. Es ist ein Irrtum zu meinen, das erwachsene Kind oder der Jugendliche könnten sich nach einer Zeit völliger religiöser Enthaltsamkeit, gleichsam chemisch rein und keimfrei, vom Nullpunkt aus ursprünglich entscheiden. Es gibt diesen luftleeren Raum nicht. Eltern, die vom neutralen Wachsen träumen, verkennen nicht nur die Macht vieler offener und heimlicher Einwirkungen, sondern versperren den Kindern den Weg in die Welt des Glaubens, die sie so ursprünglich und unbefangen nur als Kinder betreten können. Nicht umsonst stellt Jesus uns diese Offenheit des Kindes als Beispiel des Glaubens vor Augen (vgl. Mk 10, 13-16). Ein sinnleerer Raum, ein Vakuum schafft keine Freiheit, sondern verstellt - vielleicht für immer - die Möglichkeit, wirklich wählen zu können.“

Aus dem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit mit dem Titel „Erzählt euren Kindern davon. Von der Mitteilung des Glaubens im Lebensraum Familie“ vom 10. März 1990.

 

„Aber ‚mächtig’ ist in unserer Gesellschaft nicht nur der, der eine amtliche Stellung besitzt und Autorität ausübt. Ein notwendiger Dialog kann in der Öffentlichkeit leicht verzerrt werden, besonders wenn es sich schon um Konfliktlagen handelt. Man spricht dann selten unmittelbar miteinander, sondern meist über die Medien von Anfang an gegeneinander. Die Verführung, den Dialog durch berechnende Wirkung von Kampfworten und Diskriminierung zu gewinnen, ist außerordentlich groß. Differenzierungen sind nicht beliebt. Es ist zwar gut, dass Fragen des Glaubens nicht bloß Spezialisten angehen, sondern alle betreffen, also auch von allen darüber geredet werden kann und muss. Aber um urteilen zu können, bedarf es sorgfältiger Information und eines angereicherten Sachverstandes. Wir sind heute oft so rasch im Reden und wenig geübt im Zuhören. Dies ist nicht nur ein Problem von Kirche und Theologie, sondern eine Frage unserer Kommunikationskultur.“

Aus dem Vortrag „Evangelium und Dialog“ anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Vorbereitung des „Tages der Steiermark“ am 6. Dezember 1990 in Graz/Österreich.

 

„Vielen Mitbürgern in unseren europäischen Gesellschaften ist nicht mehr bewusst, woher ihre Wert- und Lebensüberzeugungen kommen. Wie kann man zum Beispiel Menschenwürde für ausnahmslos alle und ohne jede Bedingung verlangen, wenn sie nicht letztlich in Gott begründet ist? Wir müssen den Mut haben, dem Glauben entsprungene und frei herumschwebende Motive, wie zum Beispiel Ehrfurcht vor dem Leben, in ihrer Herkunft zu identifizieren. Die christliche Substanz vieler Verhaltensweisen muss überhaupt erst wieder bewusst gemacht werden. Wenn wir unserem Glauben mehr zutrauen, werden wir auch in der geistigen Auseinandersetzung wieder mutiger. Wir müssen geistig offensiver werden und dürfen uns nicht ständig in die Defensive und ins Abseits drängen lassen.“

Aus dem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit mit dem Titel „Was heißt Neu-Evangelisierung Europas?“ vom 8. Februar 1991.

 

„Im Tod wird der Mensch sich ganz entrissen. Gerade in dieser Situation entscheidet sich, ob der Mensch auch noch in dieser letzten Ohnmacht sich selbst behalten will, ob er in einem stillen oder lauten Protest gegen diesen Fall in das Unbestimmte endigt, oder ob er - nicht ohne Kampf - willig seinen Tod annimmt, in seiner Verzweiflung sich trösten lässt und vielleicht erfährt, dass er nicht in den Abgrund des Nichts fällt, sondern in die Fülle und Vollendung seines eigenen Wesens kommt. Nochmals zeigt sich, dass der Tod die Frucht der menschlichen Freiheit ist. In der sittlichen Entscheidung der Freiheit wird gerade bejaht, dass es diese radikale und leere Willkür nicht gibt, die nur in das Nichts flüchten will. Recht getane Freiheit erfährt bereits jetzt, dass sie mehr ist als Zeit, die ihr Ende fürchten müsste, dass sie vielmehr jetzt schon eine reife Frucht von etwas in sich trägt, das nicht einfach untergeht.“

Aus dem Vortrag „Der Mensch und sein Tod“ in der Veranstaltungsreihe „Bischöfe kommentieren Fragen der Zeit“ in St. Petri zu Lübeck am 7. April 1991.

 

„Besonders oft stoßen heute öffentliche Meinung und kirchliche Lehre aufeinander. Für den modernen Menschen kreist sehr vieles um das eigene Ich und seine Betroffenheit. Den Zeitgenossen scheint dies ganz normal zu sein, und doch ist eine solche Sicht keineswegs selbstverständlich. In der Bibel ist der Einzelne in seiner Situation durchaus auch angesprochen. Aber das wandernde Volk Gottes braucht im Gang der Zeiten auch das verlässliche Glaubensbekenntnis der Kirche. Dieses muss gewiss immer wieder neu ausgelegt und frisch übersetzt werden, aber man darf es nicht mit dem Argument beiseite schieben, es entspräche nicht mehr den heutigen Lebenserfahrungen und Bedürfnissen. Ohne Bekenntnis und Lehre gibt es keine Kirche. Das ‚Credo’ der Kirche war über fast zwei Jahrtausende ein unentbehrlicher Wegweiser und Maßstab - wie dürften wir uns einbilden, darauf verzichten zu können? Das Glaubensbekenntnis ist einer der unerschütterlichen Pfeiler für den Bau der Kirche, aber nicht jede Tradition und jede Gewohnheit ist ein solcher Pfeiler. Hier gilt es sorgfältig zu unterscheiden. Wenn das Fundament des Glaubens fest und gewiss ist, dann ist es auch leichter, in den veränderlichen Bereichen der Kirche auf die Zeichen der Zeit zu antworten. Ich denke an viele Probleme, die wir vor uns herschieben und die uns belasten. Die entschlossene Treue im Glauben befreit zur immer notwendigen Erneuerung der Kirche. Freilich, wer weiß, dass er selber zu den armseligen und fehlbaren Gliedern des wandernden Gottesvolkes gehört, beginnt die Reform der Kirche still zuerst bei sich selbst.“

Aus dem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit zum Thema „Was ist mit der Kirche los?“ vom 4. März 1992.

 

„Die Kirche kann sich nicht wie ein Unternehmen verhalten, das sein Angebot ändert, wenn die Nachfrage nachlässt. Sicher, ich will die Wahrheit so verkündigen, dass ich möglichst viele erreiche. Aber wenn mir das nicht gelingt, darf ich nicht an der Wahrheit herummodellieren, bis ich sie so platt habe, dass sie jeder akzeptieren kann. Es ist viel besser, wir sind eine schlagkräftige Minderheit, als dass wir eine lahme Mehrheit sind. Wenn die katholische Kirche eventuell kleiner wird und nur noch eine Minderheit zu ihr gehört, kann sie mehr leuchten, als wenn sie viele hat, die ihr Zeugnis abschwächen.“

Aus einem Interview des Magazins „Der Spiegel“ mit den Redakteuren Werner Harenberg und Manfred Müller vom 22. Juni 1992 auf zwei Fragen zum Rückgang der Kirchenmitgliederzahl.

 

„Freilich ist es der Kirche nicht erlaubt, sich vorschnell aus komplexen und schwierigen Situationen unserer Gesellschaft einfach zurückzuziehen. Auch ein Rückzug in eine vermeintlich eindeutigere und heile Welt kann schuldig machen. Wer gibt zum Beispiel die Ermächtigung, auf die Rettung vieler ungeborener Kinder und die Ermutigung vieler schwangerer Frauen zu verzichten, indem man seinen Auftrag nicht mehr in dem gesetzlichen Beratungssystem erfüllt? Jedenfalls ist die künftige Stellung von Beratungsstellen für schwangere Frauen - übrigens nicht nur im Konfliktfall - ein Test auf das konkrete Verhältnis von Kirche und Gesellschaft. Eine Kirche, die sich aufrichtig auf die Wunden und Verletzungen einer Gesellschaft einlässt, muss zwar allen Nötigungen der ihr eigenen Freiheit wehren, aber sie darf nicht die größtmögliche Nähe zu denen aufgeben, die um Hilfe rufen. Für manche mag dies wie Verstrickung in eine anfechtbare Situation aussehen. Doch wenn man kein Wagnis mehr eingehen will, gibt man auch viele Chancen des Einsatzes auf. Schließlich ist der Glaube selbst das höchste Wagnis unseres Lebens, das uns für die kleineren Risiken den Rücken stärken und uns Mut machen kann.“

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zum Thema „Beratung zwischen Lebensschutz und Abtreibung“ am 21. September 1992 in Fulda.

 

„Der Mensch muss immer wieder eine uralte Angst überwinden, der Fremde gefährde ihn. Vorsicht ist auch heute überall zu spüren. Umso notwendiger ist die Öffnung und Bereitschaft zur Aufnahme. Ohne einen minimalen Vertrauensvorschuss gibt es keine Begegnung mit einem Fremden. Wenn wir ihn verweigern, bleiben nur Ablehnung, Zurückweisung, ja Feindschaft. Dies kann jedoch nur der, der den Fremden als seinesgleichen akzeptiert. Ohne die Anerkennung ebenbürtiger Menschenwürde des Fremden ist dies nicht möglich. Erst dann entsteht die Frage, ob wir am Ende durch die Begegnung mit dem Fremden nicht selbst reicher werden. Wir erleben es immer wieder, wie schwer wir uns mit dieser Annahme des Fremden tun. Weihnachten lehrt uns den Geist Jesu Christi, der sein Leben eingesetzt hat für alle, auch für die noch so Fremden. Darum können wir in jedem Fremden auch Jesus selbst begegnen. In unserer Mitte steht einer, den wir nicht kennen.“

Aus dem Beitrag „Die Mauern zwischen Menschen niederreißen. Zur Krippe gehört das Kreuz wie das Gloria der Engel“ für die Weihnachtsbeilage der Rheinischen Post vom 24. Dezember 1992.

 

„Europa lebt zwar geistig von vielen Kräften, aber es war vor allem der Geist des Christentums, der es in Gemeinschaft und Auseinandersetzung mit vielen Kräften aufgerichtet hat. Die Bibel ist dabei die Seele Europas geworden. Sie ist ein Buch, das eine ganze Bibliothek enthält und im Lauf eines vollen Jahrtausends entstanden ist. Die Bibel, älter als Europa, hat immer wieder neue Räume des Geistes und der Kultur eröffnet. Die Schrift ist immer wieder der Motor gewesen, die höchsten menschlichen Leistungen zu entfalten. Die Bibel ist die geheime und offene Mitte der europäischen Kultur.“

Aus dem Grußwort beim Empfang anlässlich der Abschlussfeier des „Jahres mit der Bibel“ am 31. Januar 1993 in Dresden.

 

„Die Berufung zur Ehelosigkeit gehört ebenso wie die christliche Ehe in das Herz des Evangeliums. Beide Lebensformen darf man, wenn man sie christlich versteht, viel weniger auseinander reißen, als dies oft geschieht. Eine im Geist des Evangeliums geführte Ehe in lebenslanger Treue fordert nicht weniger Einsatz als ein eheloses Leben um Christi willen. Schon darum darf man das eine gegen das andere nicht ausspielen. Ich weihe niemanden zum Priester, der die Ehe in ihrer Würde nicht achtet.“

Aus dem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit zum Thema „Zur Ehelosigkeit der Priester“ vom 7. März 1993.

 

„Wenn das Niveau der künstlerischen Darstellung mäßig ist, schadet dies auch dem so verkündeten Gott. Man tut Gott einen schlechten Dienst, wenn die dichterische Kraft stümperhaft ist. So suche ich nicht nach mehr oder minder theologischer Rede über Gott in der Dichtung, sondern entdecke ihn eher inkognito zwischen den Zeilen, zum Beispiel in der Verzweiflung an der Abgründigkeit der Wirklichkeit oder auch in der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Gott kommt meist nicht direkt in die Literatur. Man muss seine verborgenen Spuren eigens entdecken.“

Aus der Ansprache „Was ich von der Literatur für den Glauben gelernt habe“ beim Diözesantag der Katholischen Öffentlichen Büchereien des Bistums Mainz am 3. Juli 1993 in Mainz.

  

„Im Übrigen bin ich kein Typ, der schnell das Handtuch wirft. Zähigkeit und Ausdauer, Langmut und Unverdrossenheit sind neben Entschlossenheit und Ergreifen der Situation meine Lieblingstugenden, denen ich wenigstens nachjagen möchte. Ich habe in vielen Jahren gelernt, nicht so schnell aufzugeben. Gerade auch als historisch erfahrener Theologe, was ein dogmatischer und ökumenischer Theologe nun einmal sein muss, weiß ich, dass man, wenn es um die Erneuerung in der Kirche geht, einen langen Atem haben muss. Nein, ich habe auch durchaus Freude am Einsatz für eine Sache, von der ich überzeugt bin.“

Auf die Frage, ob es in seiner ersten Amtszeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz Situationen gegeben habe, „in denen Sie gerne das Handtuch geworfen hätten?“. Das Interview der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) mit Peter de Groot ist am 17. September 1993 erschienen.

  

„Die Kirche ist Gottes Kraft in menschlicher Schwäche. Damit werden Fehler und Sünden nicht gerechtfertigt, auch nicht theologisch verbrämt. Sie ist für viele in diesem Erscheinungsbild Anlass zur Anfechtung und Prüfung des Glaubens. Wer freilich keine Praxis des Glaubens mehr kennt und keine lebendige Teilnahme am Leben der Kirche ausübt, hat geringe Chancen, in der menschlichen Schwäche auch die Kraft Gottes erkennen zu können. Er sieht nur Versagen und Schande. Wer mit den Augen des Glaubens sieht, der sieht jedoch, dass Gott selbst am Werk ist. So wie man am Kreuz nicht nur den Gemarterten sehen darf, so darf man auch nicht die Kirche in ihr menschliches Elend allein einschließen. Aber das Kreuz wird nur ein Zeichen der Auferstehung, wenn wir in der Nachfolge des Herrn umkehren und mit ihm den neuen Weg gehen.“

Aus der Ansprache beim „Tag für die Geistlichen“ am 4. Oktober 1993 im Kurfürstlichen Schloss in Mainz. Der Text trägt den Titel „Die Kirche - Gottes Kraft in menschlicher Schwäche. Versuch einer geistlichen Zwischenbilanz nach zehn Jahren“.

  

„Zählt am Ende wirklich nur der, welcher in unseren Augen lebenstüchtig und gesund ist, der sich durchzusetzen versteht? Wird die Geschichte nur nach den strahlenden Siegern und den gewonnenen Schlachten geschrieben? Wehe, wenn auch wir Christen keinen Sinn mehr aufbringen für den glimmenden Docht und das geknickte Rohr. Mitleid und äußerliches Bedauern machen uns nicht schon zu Partnern. Unsere praktische Indifferenz ist solange nicht beseitigt, als wir keine konkrete Solidarität und Verantwortung für diese Menschen in uns und um uns wecken - bis zum Einsatz für die politischen Folgen. Der Geringste unserer Brüder - mag der ‚Fall’ menschlich noch so ‚hoffnungslos’ erscheinen - trägt insgeheim und inkognito das Antlitz Christi. Der verspottete, zerschlagene und gekreuzigte Herr ist die stets lebendige Mahnung, dass wir an solchen Schwestern und Brüdern nicht achtlos vorbeigehen.“

Aus dem Vortrag „Der Preis der Glaubwürdigkeit. Heilender Umgang mit Behinderten“ am 29. April 1994 in der Katholischen Akademie Rabanus Maurus in Frankfurt am Main.

  

„Ein wirklicher Dialog ist also sehr anspruchsvoll, wird allzu leicht verletzt und gelingt darum gar nicht so oft, wie man vielleicht denkt. In einem Dialog muss gewährleistet sein, dass die Zustimmung der Redenden nicht bloß vorgetäuscht oder erschlichen ist. Darum kann kein Dialog zur Wahrheit führen, wenn er über den erforderlichen Sachverstand hinaus nicht von Aufrichtigkeit und Freimut, von Aufnahmebereitschaft im Hören der Wahrheit und vom Willen zur Selbstkorrektur getragen wird. Dialogische Aufnahmebereitschaft hat zur Konsequenz, dass sich die Partner von der gemeinsam erkannten Wahrheit umstimmen bzw. verändern lassen oder mindestens in der Wahrheitserkenntnis wachsen. Ohne eine solche Änderungsbereitschaft verkümmert jeder Dialog.“

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 19. September 1994 in Fulda. Das Referat trägt den Titel „Vom Dialog als Form der Kommunikation und Wahrheitsfindung in der Kirche heute“.

 

„Gott hat uns für diese Aufgabe, in Wahrheit und Liebe die Einheit des Glaubens wiederzufinden, eine in der Geschichte unserer Trennungen einmalige Stunde geschenkt. Darum kommt alles darauf an, dass wir in höchster Verantwortung diese geschenkte Zeit nützen. Es wäre schlimm, wenn wir später einmal - wie unsere Vorfahren aus dem Rückblick zu den Verhandlungen 1530 in Augsburg - sagen müssten, wir wären nie mehr so nahe beieinander gewesen, hätten aber die Chance nicht genützt. Ökumenische Arbeit ist immer eine Gratwanderung zwischen dem leidenschaftlichen Eifer für die Wahrheit und konfessionalistischer Verbohrtheit. Unsere Generationen müssen, gerade wenn wir auf Martin Luther schauen, das Wagnis vollbringen um der Wahrheit und der Liebe willen den Brückenschlag weiter voranzutreiben.“

Aus dem Grußwort bei der Gedenkveranstaltung zum 450. Todestag von Martin Luther am 17. Februar 1996 in Eisleben.

  

„Ich empfinde überhaupt nicht, dass ich kusche. Aber die Kirche sollte mit weisen Vorschlägen zurückhaltend sein, denn wir sind keine Fachleute. Mir kommt es darauf an, Einstellungen zu ändern und Grundhaltungen einzufordern. Ich finde, es ist entsetzlich schwierig für die Menschen heutzutage, wirklich zu teilen, das heißt, elementare Lebenschancen abzugeben und umzuverteilen. Ich schließe mich selbst da nicht aus. Den Willen zum Teilen zu verstärken ist viel wichtiger, als irgendeine Detailregelung anzubringen. Die Kirchen sind dazu da, Solidarität und Bereitschaft zum Teilen, aber auch Eigenverantwortung und Mut zum Risiko zu stärken. Ich denke, dass aus einer intensiveren Pflege dieser Grundhaltungen letzten Endes die Fähigkeit zu Detailregelungen erwächst. Wir können Lösungen inspirieren, aber nicht selber machen.“

In einem Spiegel-Interview als Antwort auf den Vorwurf „Sie wollen bei Politikern und Wirtschaftsführern möglichst nicht anecken“. Das am 8. April 1996 erschienene Interview führten Ulrich Schwarz und Peter Wensierski.

 

„Die Armut kann nie aus der menschlichen Gesellschaft verbannt werden. Armut ist aus christlicher Sicht keine Tugend und hat auch keinen Adel. Menschen können in ihr oft tugendhaft leben und eine erstaunliche Menschlichkeit entwickeln. Aber dies ist eher die Ausnahme. Armut ist ebenso wie die Sünde etwas, was nicht sein soll. Sie spiegelt die Gebrochenheit und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen wider. Deshalb ist aber Armut auch nicht einfach schicksalhaft in einer gewissen Ergebenheit in das angeblich Unabänderliche hinzunehmen. Armut ist eine zentrale Herausforderung an jede Sinnstiftung, an jedes der Menschenwürde verpflichtete politische System und an jeden Mitmenschen. Sie fordert zum Einsatz für eine größere soziale Gerechtigkeit heraus. Für den Christen ist es Glaubenssache, dass das Ende aller Armut erst im Reich Gottes verwirklicht werden kann. Aber wenn dieses Reich Gottes im Wort und im Wirken Jesu Christi sowie im Zeugnis seiner Kirche bereits angebrochen ist, gehört die Bekämpfung der Armut notwendigerweise zum Evangelium Jesu Christi. Dazu gehören das Teilen von Besitz, Eigentum und Chancen ebenso wie die Solidarität mit Situationen und Lebenslagen des Nächsten. Teilen ist mehr als das schlichte Abgeben von Überfluss. Es bedeutet auch, Einschränkungen bisheriger Möglichkeiten oder durchaus legitimer Erwartungen hinzunehmen, und zwar ohne Groll und Bitterkeit. Allerdings ist eine solche Haltung vor allem im säkularen Milieu nur dann zu erwarten, wenn möglichst überzeugend vermittelt werden kann, dass alle in überzeugender Weise bereit sind, den Gürtel enger zu schnallen. Letztlich ist aber ein so radikales Teilen nur in der Nachfolge Christi möglich. Dies wird zuletzt damit begründet, dass in jedem Armen, dem man sich zuwendet, Jesus Christus begegnet, der sich mit den armen Menschen identifiziert.“

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zum Thema „‚Vergiss nie die Armen und die Kranken, die Heimatlosen und die Fremden’ - Über den eigenen Auftrag der Kirche zwischen Wohlstand und Armut angesichts der heutigen Sozialstruktur und veränderter Lebenslagen“ am 23. September 1996 in Fulda.

  

„Wir versuchen dem Tod zu entkommen, und auf dieser Flucht laufen wir ihm kopflos in die Arme. Die Angst, durch Verzicht und sich Weggeben sich selbst zu verlieren, und die Gier, alles Erreichbare zu raffen, sind Beweise dafür, dass wir Angst haben, die unersättliche Sucht nach uns selbst könnte eine Grenze finden. Es gibt nur einen Ausweg, wie ihn Jesus Christus in der Torheit des Kreuzes gelebt hat, nämlich die unbedingte und vorbehaltlose Öffnung zu allen Menschen, besonders zu den Armen und Verlorenen, schließlich auch zu den Feinden. Damit ist auch deutlich, dass die aus Ostern geborene Hoffnung nicht vereinzelt, obgleich sie die Personenwürde jedes Menschen zu sich selbst befreit, sondern die Menschen in eine neue, uneigennützige Gemeinschaft des wechselseitigen Dienstes ruft. Keiner hat Hoffnung nur für sich allein, sondern zuerst für die anderen, ja für alle und darin auch für sich selbst. Dies ist das Geheimnis echter Menschlichkeit aus dem Geist Jesu Christi. Aber diese Hoffnung kann nur mitgeteilt werden und Verbreitung finden, wenn wir über uns hinauswachsen. Es ist das Geheimnis des Weizenkorns, das in die Erde fällt und sterben muss, wenn es fruchtbar werden will. Diese Fruchtbarkeit hat einen hohen Preis, weil wir unserer eingefleischten Eigenliebe einen tödlichen Stoß versetzen müssen. Der Weg, um über uns hinauszuwachsen, ist uns vorgezeichnet. Er kommt nicht von uns selbst. Nur die Übernahme von Sendung kann uns letztlich von uns selbst befreien und uns zu jener Fruchtbarkeit bringen, die am Kreuz ihren Sieg davongetragen hat. Solche Sendung geschieht in vielen Lebenskreisen, in der Ehe und in der Familie, im Beruf, in der Kirche, in den gesellschaftlichen Verantwortungsfeldern und weltweit in der Nächstenliebe zu den fernen Schwestern und Brüdern. Dies ist eine ‚Hoffnung gegen alle Hoffnung’. Aber es ist nicht Prinzip einer Weltanschauung oder ein politisches Programm. Alles hängt an der Begegnung mit Jesus Christus, dem auferstandenen Herrn. Man kann ihm gewiss vielfach begegnen. Die Emmaus-Jünger, die sich traurig fragen, wo sie ihm begegnen können, bekommen eine Antwort, die auch für uns heute noch gültig ist. Man kann ihm begegnen im Wort der Schrift, das er uns selbst von innen her erschließt, und beim Brechen des Brotes in der Gemeinschaft der Jünger mit ihm. Tun wir dies, dann gehen auch uns die Augen auf. Dann verstehen wir auch, warum diese ‚Hoffnung in der Ohnmacht’ immer noch im Leben und im Sterben die stärkste Macht sein kann.“

Aus dem Beitrag „Hoffnung gegen alle Hoffnung“ für die Osterausgabe des Straubinger Tageblatts vom 29. März 1997.

  

„Ich bin nicht nur ein großer Freund des Buches. In meinem relativ großen Haus ersticke ich fast an Büchern, aber ich liebe sie auch. In meinem Bischofswappen habe ich die Bibel als ein aufgeschlagenes Buch, ein geöffnetes Buch, das nicht einfach wie im Museum abgestellt wird, sondern es soll ein Buch sein, das zum Lesen ermutigt und zum Leben sowie Denken führt, ähnlich wie es Augustinus im Zusammenhang seiner Bekehrung erfahren hat: Tolle, lege! - Nimm und lies!“

Beim Festvortrag auf dem 89. Deutschen Bibliothekentag am 25. Mai 1999 in Freiburg im Breisgau. Der Vortrag trägt den Titel „Zeitenwende - Medienwende? Schrift, gedrucktes Wort und Buch als bleibende Kulturleistungen“.

  

„Verzweiflung würde ich das nicht nennen, aber Stunden der Anfechtung. Ich bin sehr froh, dass ich während meines Studiums im Germanicum im Rom, aber auch vorher schon in Freiburg im Theologischen Konvikt, im Umkreis der Ignatianischen Spiritualität erzogen worden bin. Geprägt hat uns unser ehemaliger Spiritual, P. Wilhelm Klein SJ, der 107 Jahre geworden ist. In seinen Meditationsvorbereitungen saß jeden Abend das ganze Haus, obwohl nur einige aus dem ersten Jahr hätten hingehen müssen. Er war eine unglaubliche Anregung für uns. Er hat uns mit aller Schonungslosigkeit am Exerzitienbuch des Ignatius aufmerksam gemacht, dass es eine ‚Nacht des Glaubens’, eine Trockenheit, eine Wüste gibt, dass es das Suchen nach Gott auch für den Glaubenden gibt. Ich habe übrigens aus diesen Erfahrungen heraus meine theologische Habilitation ‚Über den verborgenen Gott’ schreiben wollen. Wie bereits erwähnt, konnte ich sie dann nicht fertigstellen, weil ich nach Mainz berufen worden bin. Mir ist ganz wichtig geblieben, dass man diese ungeheure Realitätsnähe des biblischen Glaubens sieht: Wo die Klage ihren festen Ort hat, die herzzerreißend ist, die auch den Leib mit einbezieht. Wo gesagt wird, dass man im Gebet auch schreien darf. Unser Gebet und unsere Spiritualität sind eigentlich viel zu leibfern. Dabei gibt es doch Vieles, was den Menschen bis auf Mark und Bein erschüttert. Hier muss und darf Frömmigkeit und Spiritualität wieder viel elementarer werden.“

Auf die Frage „Haben Sie auch manchmal Stunden der Verzweiflung?“ aus dem Interviewbuch „Es ist Zeit, an Gott zu denken. Ein Gespräch mit Jürgen Hoeren“, das im Jahr 2000 erschienen ist.

  

„Wir haben uns das Leben nicht selbst gegeben. Wir sind bei allem, was wir selbst erreicht haben, immer auch die Beschenkten. Darum ist es wichtig, nie zu vergessen, dass wir vor Gott immer, ob wir jung oder alt sind, arm sind, dass wir immer ihn und andere brauchen. Erst durch die Dankbarkeit für das, was wir von Gott jeden Tag erhalten, werden wir reich. Auch das Alter ist letztlich nur dann wirklich weise, wenn es fähig wird, das Leben wieder in die Hände Gottes zurückzulegen. Wo es zu dieser schrittweisen Übereignung an Gott kommt, ist Altern - mit all seinen Gebrechen - das Gegenteil des Scheiterns.“

Aus dem Vortrag „Dem Leben auf der Spur - Einsichten beim Älterwerden“ beim dritten Seniorenkongress des Landes Rheinland-Pfalz am 24. Oktober 2000 in Mainz.

  

„Jede Religion muss die recht verstandene Freiheit der Menschen fördern. Gewiss kennt jede Religion eine eigene Ordnung und Bindung an ethische Normen und religiöse Weisungen. Auch gehören Gehorsam und Gemeinschaftsverpflichtung zu jeder Religion. Aber ein maßgeblicher Beweggrund für jede Religion besteht in der Überwindung infantiler Bevormundung und in der Förderung wahrer Freiheit zu einem guten Leben. Darum möchte die Religion immer auch die Menschen von falschen Autoritäten, Magie und Aberglauben befreien und den Menschen zu seiner eigenen Verantwortung führen. Zugleich soll der rechte Gebrauch von Freiheit, die in ihrer Zügellosigkeit und Willkür für alle schädlich werden kann, eingeübt werden. Bei aller Notwendigkeit von Orientierung und Weisung, Führung und Autorität darf ihre Ausübung nicht zur Unmündigkeit und zum Verlust personaler Verantwortung führen. Die eigene Kritik- und Denkfähigkeit müssen gefördert und vertieft werden. Begeisterung, die dies auslöschen würde, und ein blinder Fanatismus können deshalb auch sehr fragwürdige Gestalten innerhalb einer Religion werden.“

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 23. September 2002 in Fulda. Das Referat trägt den Titel „Das Christentum - eine Religion unter anderen? - Zum interreligiösen Dialog aus katholischer Perspektive“.

  

„Der künftige Christ wird ein Zeuge sein, oder er wird bald nicht mehr sein. Als Zeuge vermittelt er und ist selbst jemand, der hinter seiner Sache zurücktritt, aber gerade dadurch wirkt. Es wird ein missionarisches Zeugnis sein, das in viele Winkel unseres Lebens hineinleuchten kann, wo der Arm des Amtes nicht hinreicht. Dann verwirklichen wir die viel zitierte Mündigkeit des Christen und das gemeinsame Priestertum. Daran werden wir schließlich alle einmal gemessen und gerichtet, nicht an den Funktionen und Ämtern, die wir haben.“

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda am 19. September 2005, am Tag vor seiner dritten Wiederwahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Das Referat trägt den Titel „Neue Zeichen der Zeit. Unterscheidungskriterien zur Diagnose der Situation der Kirche in der Gesellschaft und zum kirchlichen Handeln heute“.

  

„Die Zeichen der Zeit können auch manchmal neue Spuren des Heils enthalten. Aber es ist nicht zwangsläufig so. Deshalb ist dieses Spurenlesen eine zwar undankbare, aber lebenswichtige Aufgabe der Kirche. Man muss sich tief hineinbeugen in den Staub einer Zeit, aber in dieser spannenden Gegenwart gibt es auch rasch Pfade, die sich freilich bisweilen auch als Holz-, Ab- und Irrwege erweisen. Später sieht man dies oft besser. Jetzt aber kann man die Karte unserer Zeit nur auf diese Weise vermessen.“

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda am 19. September 2005, am Tag vor seiner dritten Wiederwahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Das Referat trägt den Titel „Neue Zeichen der Zeit. Unterscheidungskriterien zur Diagnose der Situation der Kirche in der Gesellschaft und zum kirchlichen Handeln heute“.

  

„Man kann, wie wir aus unserer eigenen Erfahrung wissen, Freude, Glück und Seligkeit nicht direkt ansteuern. Bestenfalls sind dann ‚gute Stimmung’ und vielleicht auch Ausgelassenheit das Ergebnis. Freude und Glück stellen sich auf dem Rücken von Handlungen ein, die auf ganz andere Inhalte zielen. Glück und Freude erscheinen indirekt, wenn uns das Gute glückt. Vielleicht haben wir heute so wenig Glückserfahrung und so viel Glücksansprüche in unserer Gesellschaft, weil wir uns das Glück auf dem leichtesten Weg, nämlich in direktem Zugriff, erobern wollen. Aber dies liegt dann alles in der Dimension des ‚Habens’. Wirklich glücklich sein kann man nur, wenn man mit sich selbst einig ist.“

Aus dem im März 2006 im Herder-Verlag, Freiburg, erschienenen Buch „Von der besonderen Kunst, glücklich zu sein“.

  

„In den letzten Wochen bin ich vor allem von den Medien immer wieder gefragt worden, was ich für Visionen hätte. Meist waren die Leute enttäuscht, dass ich eigentlich nicht diese große Idee habe. Wenn wir jeden Tag das tun dürfen, was uns aufgegeben ist, dann ist das schon viel, für jeden von uns. Wenn uns dabei Zuversicht erfüllt, dann braucht es keine großen Dinge. Das Evangelium gibt uns jeden Tag weite Perspektiven, damit wir hinauswachsen über unsere eigenen Perspektiven.“

Aus der Ansprache in der Vesper im Mainzer Dom zum Abschluss des Bistumsfestes am 21. Mai 2006 anlässlich seines 70. Geburtstages.

  

„Niemand kann frei sein, der frei sein will vom Gedenken an die Shoa.“

Aus der Ansprache anlässlich des Besuches des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem am 2. März 2007. Kardinal Lehmann notierte diesen Satz auch im Besucherbuch der Gedenkstätte.

  

„Die menschlichen Grundfragen nach dem Sinn und Ziel des Lebens, nach Gut und Böse, nach Wahrheit und Irrtum verschwinden nicht in einer materiell saturierten und freien Gesellschaft. Sie werden auch nicht durch Wissenschaft und Technik beantwortet. Gerade wenn der Mensch nicht mehr von der Sorge um das tägliche Brot beherrscht wird und von religiösen oder weltanschaulichen Zwängen eher befreit wird, stellen sich die Fragen nach dem Sinn des eigenen Lebens, nach dem, was der Einzelne mit seiner begrenzten Lebenszeit anfängt, welchem Sinnangebot erfolgt oder an welchen Werten und Zielen er sein Leben ausrichtet, nur umso dringlicher. Es war eine marxistische und positivistische Illusion zu meinen, dass der Mensch irgendwann einmal aufhören würde, sich diese Fragen zu stellen.“

Aus dem Vortrag zum Thema „Religionsunterricht als ‚Anwalt der Vernunft’“ anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Zeitschrift „rhs - Religionsunterricht an höheren Schulen“ am 28. April 2007 in Mainz.

 

„Die Neutralität des Staates im Blick auf die einzelnen Religionen darf nicht mit Gleichgültigkeit und unreflektierter Toleranz gegenüber dem Wirken von Religionen in der Gesellschaft verwechselt werden. Dies könnte auch nicht geschehen angesichts der Tatsache, dass die christlichen Kirchen und das Christentum überhaupt eine prägende Rolle nicht nur in der Geschichte Europas, sondern auch bei allen Verlusten und Minderungen bis in die Gegenwart hinein hätten. Die tiefe kulturelle Verknüpfung des Christentums und der Rechtskultur, die bis in das frühe Mittelalter und noch weiter zurückgeht, kann nicht einfach ignoriert werden. Die richtig verstandene Neutralität des Staates muss also gegenüber der Religion, besonders wenn sie diese Stellung in Geschichte und Gegenwart hat, eher fördernd und wohlwollend sein, darf keinesfalls zu einer simplen Entkoppelung führen. Dies gilt besonders aber auch für die Möglichkeit der christlichen Kirchen, als Körperschaften des öffentlichen Rechtes zu wirken. Nun ist der Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts keineswegs eindeutig und deshalb auch rasch bestreitbar. Der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts muss besonders von seiner Funktion her gesehen werden. Durch diesen Status ragt die Kirche aus der Sphäre des Privaten hervor, ohne dass sie aber in die Ebene der Staatlichkeit eingegliedert wird. In diesem Sinne ist die Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Kirchen eine Voraussetzung dafür, dass sie unabhängig und frei in die Kooperation mit dem Staat und mit den staatlichen Institutionen eintreten kann. In diesem Sinne ist der Körperschaftsstatus auch eine Einladung des Staates zur Kooperation.“

Aus dem Vortrag „Zum schiedlich-friedlichen Verhältnis von Staat und Kirche heute“ vom 19. Juni 2007 beim Karlsruher Foyer „Recht und Kirche“ im Dekanatszentrum der Erzdiözese Freiburg in Karlsruhe.

 

„Das war’s. Jetzt soll es ein anderer machen. Ich habe das gerne gemacht. Ich habe, wenn ich so zurückschaue, das hauptsächlich als Aufgabe der Moderation und Inspiration gesehen.“

Zum Abschluss der Eröffnungspressekonferenz bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 11. Februar 2008 im Kloster Himmelspforten in Würzburg. Kardinal Lehmann hatte dabei unter der Überschrift „Vom Dienst am Ganzen. Erste Rechenschaft als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz“ auf seine 21-jährige Amtszeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz zurückgeblickt.

  

„Moderne Kindheit ist auch in hohem Maß Medienkindheit geworden. Durch die Liberalisierung unserer Gesellschaft und so auch der Eltern orientieren sich viele Kinder weniger an pädagogischen und religiösen Standards. Es gibt bereits eine relativ große Individualisierung der Meinungen und Werturteile auch bei Kindern. In diesem Sinne lauert, auch wenn man kein Romantiker ist, eine fundamentale Gefahr, dass wir Kinder viel zu früh in eine bestimmte Erwachsenenwelt versetzen und sie schon früh danach ausrichten. Deshalb muss in allen unseren Bemühungen und bei allen Wandlungen die Kindheit als eigenes, einmaliges und unersetzliches Lebensalter gerettet werden. Sie darf nicht brutal verzweckt werden. Kinder dürfen nicht schon früh auf künftige Leistungen abgerichtet werden. Zur Kindheit gehört eben auch das Absichtslose, ja in fundamentaler Weise das Spielerische. Diese Zeit des Spiels darf nicht verrechnet werden. Menschliche Erziehung ist keine Hundedressur. Nicht zuletzt darin besteht eine Gefahr für Kinder, dass wir dies nicht mehr beachten. Schnell ziehen dann auch verschiedene Ideologien in die Erziehung ein. Es gibt einen uralten Spruch eines großen Denkers aus der frühesten Zeit Europas, nämlich des manchmal dunklen, aber tiefen Heraklit (um 500 v. Chr.), der einmal sagt: ‚Das ewige Leben ist ein Kind, spielend wie ein Kind, die Brettsteine setzend; die Herrschaft gehört einem Kind.’ Das Wort hat Geschichte gemacht und sagt uns heute noch viel.“

„Wort des Bischofs“ unter der Überschrift „Gefahren für Kinder“ im SWR-Hörfunk vom 13. April 2008

  

„Müde war ich schon gelegentlich (lacht), vor allem wegen der vielen Terminverpflichtungen. Natürlich habe ich mich auch mal geärgert, amtsmüde war ich aber nie. Ein wesentlicher Charakterzug von mir ist Zuversicht, vor allem aus dem Glauben, die etwas anderes als billiger Optimismus ist. Auch bei Niederlagen ist mir nie in den Sinn gekommen, alles hinzuschmeißen. Da dachte ich eher: jetzt erst recht.“

Auf die Frage „Waren Sie jemals amtsmüde?“ in einem Interview mit Stefan Toepfer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 17. September 2008 anlässlich des Silbernen Bischofsjubiläums.

  

„Das kann ich so allgemein nicht sagen. Es ist immer eine Sache des jeweiligen Charakters. Einige Bischöfe haben ein problematisches, weil theologisch überhöhtes Berufsbild. Sie projizieren zu viel auf ihr Amt. Das führt gelegentlich zu einem Episkopalismus, der nicht meine Sache ist. Alleine ist ein Bischof nichts. Deswegen bin ich gerade für die vielen Haupt- und vor allem auch Ehrenamtlichen in der Kirche sehr dankbar.“

Auf die Frage „Neigen führende Kirchenmänner zu autoritären Entscheidungen?“ in einem Interview mit Stefan Toepfer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 17. September 2008 anlässlich des Silbernen Bischofsjubiläums.

  

„Wenn ich vor 25 Jahren gefragt worden wäre, was für mich die schwierigste Aufgabe ist, hätte ich eine Antwort nicht gefunden, die mir heute sonnenklar ist, dass die Zusammenarbeit zwischen Menschen so schwierig sein kann. Wie viel an Energie und ungenützten Möglichkeiten verloren geht durch Reibereien, das ist in der Kirche fast genau wie anderswo. Es gibt aber nicht nur Konflikte und Streit; schlimmer ist Beziehungslosigkeit, da muss man in vielen Gesprächen gegensteuern. Das Bischofsamt ist immer auch ausgleichender Dienst an der Einheit.“

Auf die Frage „Was ist am Bischofsamt schwer?“ in einem Interview mit Monika Nellessen vom 27. September 2008 in der Allgemeinen Zeitung Mainz anlässlich des Silbernen Bischofsjubiläums.

  

„Die Kirche schrumpft ein auf ihre Getreuen und auf die Kerngemeinden. Der Bestand wird verwaltet, aber wenig Neuland wird erobert beziehungsweise zurückgewonnen. Wir sind uns offenbar weder der faktischen Missionssituation noch der gegebenen Chancen genügend bewusst geworden. Eigentlich müsste am meisten zählen, wie viele ‚Heiden’ wir im Laufe unserer Tätigkeit zu Jesus Christus führen konnten. Wir gehen nicht mehr an die Zäune und Hecken, um dort die Botschaft Jesu auszurichten. Wir flüchten vor Orten der Auseinandersetzung und der Argumentation, des Wettbewerbs und Streits im Kampf der Weltanschauungen und Religionen. Wir verraten die uneingeschränkte Sendung der Kirche in alle Gassen und Winkel unseres Lebens. Der große missionarische Elan des Zweiten Vatikanischen Konzils ist so gut wie abgestorben, wenigstens im Blick auf unsere eigene mitteleuropäische Situation. ‚Zeugen bis an die Grenzen der Erde...’ – dies ist die einzige Alternative!“

Aus dem Vortrag „Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils für ein erneuertes Priesterbild“ im Rahmen der Adventspredigten zum „Jahr des Priesters“ am 29. November 2009 im Mainzer Dom.

 

„Im Lauf der letzten Jahre ist mir immer wieder ein wichtiges Grundgesetz des ökumenischen Miteinanders in den Sinn gekommen. Gerade wenn man das eigene Profil stärker betont, wie es auch zum Beispiel durch die Hervorhebung der Luther-Übersetzung der Bibel geschieht, gibt es ein gutes Kriterium, nämlich ob wir uns freuen können an der Stärke des Anderen, nicht nur an Johann Sebastian Bach, sondern zum Beispiel auch am Wiedererstehen der Frauenkirche in Dresden. Aus dieser Anerkennung des Anderen - und vielleicht zuerst oder manchmal auch auf längere Strecke Fremden - wird echte und nachhaltige Gemeinschaft, die uns im Geist Jesu Christi enger zusammenführt.“

Aus dem Vortrag „Wie viel Hoffnung bringt die Ökumene?“ vom 14. Mai 2010 beim Zweiten Ökumenischen Kirchentag in München.

  

„Beim Nachdenken bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es verschiedene Stile und Gestalten ökumenischer Hoffnung gibt. Darum bin ich auch überzeugt, dass man diese Pluralität der verschiedenen Hoffnungsformen achten muss. Dabei denke ich vor allem an die Gestalt des Mose, der dem verheißenen, gelobten Land entgegenwandert. Er hat für sein Volk alles getan, um es zur Erfüllung dieser Verheißung zu führen. Aber er selbst konnte dieses gelobte Land nicht mehr betreten. Vorher zeigte ihm der Herr das verheißene Land vom Gipfel des Nebo her: ‚Ich habe es dich mit deinen Augen schauen lassen. Hinüberziehen wirst du nicht. Danach starb Mose, der Knecht des Herrn.’ (Dtn 34,3 f.) Dies ist gewiss auch in der Zeit des Neuen Bundes und der Kirche eine wichtige Gestalt der Hoffnung und der Einlösung der Verheißungen. Aber sie ist nun, da Gott in Jesus Christus zu uns gekommen ist und immer noch Spaltungen sind, noch dringlicher geworden. Mose ist keine Gestalt zur falschen Beunruhigung.“

Aus dem Vortrag „Wie viel Hoffnung bringt die Ökumene?“ vom 14. Mai 2010 beim Zweiten Ökumenischen Kirchentag in München.

  

„Der Glaube neigt gerade auch in seinen Gewohnheiten, institutionellen Formen und von seinem eigenen Unwesen her dazu, sich in seiner Einzigartigkeit abzuschließen und die stetige Auseinandersetzung mit seiner Umwelt zu versagen. In dieser Form der Selbstbehauptung, die sich auch in der Spielart autoritärer Lehre zeigen kann, spiegelt sich die Unableitbarkeit des christlichen Glaubens auf eine falsche Weise. Deshalb muss die Theologie den Glauben immer wieder für die jeweilige Gegenwart dialogfähig machen. Weil es sich um die christliche Botschaft im Kontext der konkreten Welt handelt, versteht es sich von selbst, dass die Theologie immer schon im Gespräch ist mit ihren Nachbarwissenschaften und mit sehr vielen wissenschaftlichen Einzeldisziplinen. In diesem Sinne ist das interdisziplinäre Gespräch der Theologie keine moderne Erfindung, sondern eine unerlässliche Grundvoraussetzung theologischer Arbeit überhaupt.“

Aus dem Vortrag „Die Rolle von Theologie in den Gesellschaften Europas“ bei der „Dritten Konsultation der Theologischen Fakultäten in Europa“ vom 9. Juli 2010 in Graz/Österreich.

  

„Ich habe mich immer darum bemüht, dass die Kirche auch offen über neue Zugangswege zum Priestertum nachdenkt, ohne dass die Diskussion schon identisch wäre mit einer Antwort auf diese schwerwiegende Frage. Auf die verschiedenen Initiativen, die schon in das Jahr 1970 zurückgehen, will ich hier nicht eingehen. Ich habe auch immer dafür gekämpft, dass wir offen und ehrlich mit diesem sensiblen Thema umgehen. Wir wollten ja nicht das unserer Kirche eigene, kostbare Gut des ehelosen Priestertums beschädigen und junge Menschen davon abbringen.“

Aus der monatlichen Kolumne „Auf ein Wort“ in der Mainzer Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ vom 6. Februar 2011 unter der Überschrift „Doppelte Dialogunfähigkeit“.

  

„Ich halte die jüngeren Kollegen nicht für schlechter, als wir älteren es sind. Jeder braucht Zeit, um zu lernen, auch den Umgang mit den Medien. Meine Generation war geprägt vom Zweiten Vatikanischen Konzil, das ist heute nicht mehr so der Fall. Als Theologe sage ich, was schon lange vor dem Konzil als Wahrheit erkannt worden ist: Ecclesia semper reformanda, Kirche muss sich stets erneuern. Die Erneuerung bezieht sich auch auf den Gläubigen, der ja leben muss, wozu er sich bekannt hat. Da fällt so manches Mitläufertum weg. Es ist zuerst Erneuerung von innen und aus dem Glauben, die freilich auch sichtbar und tätig wird. Trotzdem dürfen wir das Selbstverständnis, Volkskirche zu sein, nicht aufgeben, auch wenn wir zahlenmäßig weniger sind. Wir müssen fähig sein, unseren Beitrag zu leisten für die Gestaltung von Politik und Gesellschaft. Und deshalb müssen wir wissen, wie die Leute leben. Wenn man nur noch bestimmte Schichten erreicht, wird man zu einem Klub von Gleichgesinnten. Das ist zu wenig, das darf nicht sein. Auch ein Bischof muss außerhalb von Kirche gehen: Die geistige Präsenz der Kirche in der gesamten Gesellschaft ist lebenswichtig. Wir laden alle in unsere Gemeinschaft ein.“

Auf den Einwurf „Ihre jüngeren Amtsbrüder zeigen Flagge, aber sie suchen weniger den Dialog…“ in einem Interview mit Monika Nellessen vom 11. Mai 2011 in der Allgemeinen Zeitung Mainz anlässlich des 75. Geburtstages.

  

„Ich möchte hier bescheiden bleiben. Wenn man bedenkt, dass ich in einer Tradition von rund 1.000 Jahren der 88. Bischof in einer langen Reihe bin, dann überschätze ich meinen Platz nicht. Meine Zeit ist besonders dadurch gekennzeichnet, dass ich den Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils erleben durfte. Das ist die Mitte meines Lebens, wobei ich das nicht nur auf die Kirche beziehen würde, da laufen ganz unterschiedliche geistige Linien zusammen. Die 50 Jahre seit dem Konzil, die jetzt auch das nahende Ende meiner Amtszeit markieren, waren mein Versuch, das umzusetzen, was das Konzil wollte, ihm einerseits treu zu bleiben, aber andererseits neue Herausforderungen anzunehmen. Es geht darum, wie ein guter Hausherr aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorzuholen, wie Jesus sagt. Ob das gelungen ist, beurteilt ein anderer.“

Auf die Frage „Wie beurteilen Sie Ihre Lebensleistung als Bischof?“ in einem Interview mit Monika Nellessen vom 11. Mai 2011 in der Allgemeinen Zeitung Mainz anlässlich des 75. Geburtstages.

  

„Der Tod gehört zum Leben. Als Theologe und Bischof hat man immer mit Tod und Sterben zu tun, zunächst mit dem Tod anderer Menschen, aber das kann nicht dazu führen, dass man sich selbst ausnimmt. Man braucht eine entsprechende Einstellung zum Leben, muss das einüben, was der Tod uns dann endgültig lehrt. Das ist die Abschiedlichkeit unseres Lebens. Wir müssen uns darauf einrichten, Abschied zu nehmen, von Menschen und von dem, was wir tun. Das heißt auch, dass man loslassen kann, dass man sich nicht verkrallt in irdischen Besitz oder Ansehen, Prestige und Macht. Dazu gehört eine Art von Gelassenheit, die wir heutzutage nicht mehr haben. Es braucht eine neue Kunst und Kultur des guten Lebens und dann auch des guten Sterbens.“

Auf die Frage „Wie hat sich Ihre Sicht auf Sterben und Tod mit zunehmenden Alter verändert?“ in einem Interview mit Monika Nellessen vom 11. Mai 2011 in der Allgemeinen Zeitung Mainz anlässlich des 75. Geburtstages.

 

„Als mein Lieblingswort möchte ich Ihnen ‚Zuversicht’ nennen. Es ist für mich ein Schlüsselwort zwischen Denken und Glauben, Emotionen und Handeln, spiritueller Motivation und säkularer-moderner Welt. Wenn ich Glückwünsche überbringe, so fehlt darin seit Jahrzehnten fast nie der Wunsch um ‚Zuversicht aus der Kraft des Glaubens für alle Tage’. Zuversicht bezieht sich auf eine Gestalt der Zukunftshoffnung, die Gewissheit, Vertrauen und auch einen festen Glauben einschließt, was immer darunter verstanden wird. Zuversicht ist jedenfalls eine gestärkte, qualitativ gesteigerte Form der Hoffnung. In diesem Sinne ist es mir in langen Jahren zu einem Lieblingswort geworden.“

Beitrag für das „Lieblingswörterbuch. Die schönsten und persönlichsten Wörter prominenter Menschen“, dass 2011 zum 100. Geburtstag von Konrad Duden im Verlag des Bibliographischen Institutes Mannheim erschienen ist.

  

„Wir alle nehmen für unser eigenes Leben die Würde in Anspruch, ein eigener Mensch mit dem Schutz unseres Daseins zu sein. Bei allen Stärken und Schwächen kann es nicht darum gehen, uns selbst und anderen das Menschsein abzusprechen. Wer sich selbst von Anfang an achtet, kann diese Anerkennung anderen nicht verweigern. Es gäbe sonst eine ethisch nicht zu begründende Herrschaft der Geborenen über die Ungeborenen. Auch hier begegnet uns wie in anderen Problemfeldern des Lebensschutzes die Versuchung, das Recht und entsprechend auch den Schutz des Lebens abzustufen. Je nach Entwicklungsstand und Fähigkeiten soll es unterschiedlich gestufte Schutzrechte und Achtungsgrade geben. Wenn Embryonen bestimmte Eigenschaften dieser Art fehlen, gibt es Abwägungsurteile über das Recht und den Schutz ihres Lebens. Ein solcher abgestufter Lebensschutz hat aber gewaltige Konsequenzen. Menschenwürde besäßen wir dann nicht mehr grundsätzlich, sondern nur unter gewissen Bedingungen. Menschen wären nur unter dem Vorbehalt ihrer künftigen Gesundheit wirklich schützenswert. Darum geht es grundlegend in der Frage der Präimplantationsdiagnostik (PID). Darum treten die Bischöfe, wie gesagt mit vielen anderen (zum Beispiel den Behindertenverbänden) für ein ausnahmsloses Verbot der PID ein.“

„Wort des Bischofs“ unter der Überschrift „Wer ist Herr über das Leben? Zur bevorstehenden Entscheidung über die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik“ im SWR-Hörfunk am 3. Juli 2011.

  

„Das Konzil war für mich persönlich wichtig. Ich kann schon sagen: Ich identifiziere mich mit meiner ganzen priesterlichen Existenz und in der Ausrichtung meines Dienstes daran. Ich könnte mich gar nicht denken ohne das Konzil.“

Auf die Frage „Was bedeutet Ihnen das Zweite Vatikanische Konzil?“ in einem Interview mit der Münsterschen Kirchenzeitung „Kirche und Leben“ vom 7. Oktober 2012. Das Gespräch führte Markus Nolte.

  

„Nichts grundsätzlich gegen Konzentration und Kürze der Meldung - man kann dies wirklich auch lernen -, aber es gibt leider eine gewisse ‚Boulevardisierung’, die nur noch die Sensationsgier und den Nervenkitzel erregt. Unter solchen Umständen kann es sehr schwierig werden, komplexe Sachverhalte darzulegen und verengte Sichtweisen aufzusprengen. Es ist ein gefährliches Paradox. Unsere Welt wird immer umfassender und differenzierter, während einige Medien glauben machen, man könne grenzenlos vereinfachen. Wenn man dies nicht beachtet und dagegen steuert, kann man unversehens in Fallen tappen.“

Aus der monatlichen Kolumne „Auf ein Wort“ in der Mainzer Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ vom 3. Februar 2013 unter der Überschrift „Vorsicht Fallen! Zum Umgang mit den Medien in Konfliktsituationen“.

 

 „Diese Wahl bedeutet gewiss eine wichtige Weichenstellung, aber bei aller unersetzlichen Bedeutung des Papstes für die Katholische Kirche darf man aus dem Papst allein auch keinen Mythos machen. Er braucht zur Verwirklichung guter Ideen immer sehr gute Mitarbeiter und die Gefolgschaft der Kirche auf allen Ebenen. Der Papst ist ja kein Zauberkünstler, den man ohne die Kirche betrachtet. Außerhalb der Kirche lässt man sich zu solchen Vorstellungen noch leichter verführen als intern.“

Auf die Frage „Sehen Sie die katholische Weltkirche diesmal stärker als bei früheren Papstwahlen an einem Scheideweg, an dem sich die Zukunft der Kirche entscheiden oder doch deutlich abzeichnen wird?“ in einem Interview mit Lothar Schröder von der Rheinischen Post am 27. Februar 2013 im Vorfeld des Konklaves.

  

„Die Christen müssen entschieden die offene Auseinandersetzung und den geistigen Wettbewerb mit jenen aufnehmen, die das neue Europa unter Ausschluss christlicher Wirkkräfte und erst recht der Kirchen gestalten möchten. Der Glaube an den dreifaltigen Gott und an die unverletzbare Menschenwürde hat gerade nach den Ereignissen der ‚Wende’ allen Grund, wieder mutiger, tiefer und überzeugender Rechenschaft abzulegen von der Hoffnung, die in uns lebt und die uns erfüllt. Die Christen haben zu viel Kleinglauben, eine zu große geistig-spirituelle Trägheit und Feigheit. Sie brauchen mehr Mut zum Bekenntnis und mehr Freude am Evangelium. Dann brauchen sie auch keine Angst zu haben vor den gegenwärtigen Herausforderungen. Europa darf sich freilich nicht bloß auf sein christliches Erbe von früher berufen, sondern muss durch das heutige Zeugnis der Christen in Stand gesetzt werden, in der Begegnung mit der Person und der Botschaft Jesu Christi neu über seine Zukunft zu entscheiden. Nur unter diesen Voraussetzungen gilt das Wort, dass die Kirche nicht am Ende ist.“

Vortrag „Welches Europa wollen wir?“ beim Europadialog Hessen am 24. April 2013, zu dem das Hessische Ministerium für Justiz, Integration und Europa in die Bonifatiuskirche in Gießen eingeladen hatte.

  

„Ein wirklicher Theologe ist nicht auf den Katechismus festgelegt.“ Und auf die Nachfrage, ob das seine Bischofskollegen auch so sähen: „Nicht immer. Aber natürlich, wenn der Katechismus die verbindliche Lehre der Kirche enthält, dann werde ich mich nicht davon trennen. Aber wenn ich für manche Aussagen - um etwas verständlich zu machen - andere Wege gehen muss, dann ist das nicht so, dass man gleich in Konflikt kommt mit dem Lehramt. Es geht auch darum, dass man eine neue Tiefe gewinnt, dass man sich anregen lässt von neuen Untersuchungen und Erkenntnissen. Ich lese viel und ich gebe viel Geld aus für Bücher, damit ich einen leichten Zugriff zur Literatur habe. Ich traue mir zu, beurteilen zu können - aufgrund eigener Erfahrung, auch meiner Studien - was weiterführend und konstruktiv ist, und was vielleicht noch nicht so gut durchdacht ist.“

Aus einem Interview mit Michael Bonewitz, Dorél Dobocan und Christian Pfarr in „Mainz. Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft und Geschichte“, Nr. 3/2013, auf die Bemerkung hin, dass er sich traue, von der Lehrmeinung Abweichendes zu äußern.

  

„Ich muss gestehen, die Entscheidung wird, wenn man älter wird, letzten Endes nicht einfacher. Es ist nicht nur eine Frage der Jugend. Man weiß doch, wie wichtig das Gespräch für den Menschen ist, auch wie wichtig eine Partnerschaft sein kann. Auch wenn man zölibatär lebt, darf man kein hoffnungsloser Einsiedler werden. Du darfst dich nicht in dich selbst verlieren. Die Lebensform des Zölibates ist sicherlich schwieriger geworden, weil sie auch immer weniger verstanden wird und die Anerkennung von außen fehlt. Wir vergessen übrigens oft, dass wir in der katholischen Kirche ganz legitim verheiratete Priester haben. Nehmen Sie die katholischen Ostkirchen, das ist vielen gar nicht bewusst. Ich bin mir auch nicht sicher, was die Zukunft bringen wird. Ich meine – ob zölibatär oder nicht – es wird immer unverheiratete Priester geben. Und wenn ich zum Beispiel manchen verheirateten Diakon erlebe, da gibt es ganz hervorragende Leute, da kann ich mir vorstellen, dass so jemand in einigen Jahren durchaus die Priesterweihe erhalten kann. Das muss man einfach abwarten und den Gedenken daran durchaus weiter verbreiten.“

Aus einem Interview mit Michael Bonewitz, Dorél Dobocan und Christian Pfarr in „Mainz. Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft und Geschichte“, Nr. 3/2013, auf die Frage nach dem Zölibat.

  

„Das Wort mag ich gar nicht. Wenn ‚liberal’ heißt ‚großzügig, freigiebig’, dann möchte ich das sein. In diesem Sinne bin ich liberal, wenn es um die Freiheit geht. Aber da stehe ich immer in einer Relation zu Ordnung und Verbindlichkeit.“

Aus einem Interview mit Michael Bonewitz, Dorél Dobocan und Christian Pfarr in „Mainz. Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft und Geschichte“, Nr. 3/2013, auf den Hinweis, dass er als „liberaler Kardinal“ gelte.

 

„Der Beruf eines deutschen Professors an der Universität ist immer noch einer der Berufe mit der größten Freiheit. Sicher muss ich mich bei dem, was ich lehre, an bestimmte Dinge halten. Aber bei dem, was ich schreibe oder was ich sonst eingehe, habe ich eine Freiheit, wie sie wenige Berufe haben. Diese geistige Freiheit ist viel wert. Die hat man längst nicht an allen Universitäten der Welt; das ist schon ein Proprium der deutschen Universitäten. Und Gott sei Dank haben die Theologischen Fakultäten an den Universitäten daran teil, grundsätzlich alle anderen Theologischen Hochschulen.“

Aus dem Interview mit Anja Weiffen und Maria Weißenberger in der Sonderausgabe der Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ zum 30. Bischofsjubiläum vom 29. September 2013.

  

„Der kranke Mensch muss seine Grenzen und seine Ohnmacht, auch wenn sie nur vorübergehend sind, einsehen und akzeptieren. Es ist gar nicht leicht, sich wirklich helfen zu lassen. Wir wollen zunächst gar nicht zugeben, dass wir hilfsbedürftig sind. Viele lehnen sich deshalb - wenigstens bis zu einem gewissen Grad - auch gegen ärztliche Hilfe und Pflege auf. Die Annahme der Krankheit versetzt uns Menschen in eine Situation der Schwäche und der Ohnmacht, die man in einer Haltung von Demut annehmen muss. Für den modernen, auf Autonomie bedachten Menschen kann dies sehr schmerzlich sein und ihn geradezu zur Rebellion gegen seine Endlichkeit und Sterblichkeit führen.“

Aus dem Vortrag „Ewiges Leben oder ewig leben“ bei der ersten Jörg Dietrich Hoppe-Gedächtnisvorlesung am 11. November 2013 in Düsseldorf.

  

„Ich würde auch einen Dialog unter den Religionen für schädlich halten, der im Grunde die religiöse Frage ausklammert und nur politisch und sozial relevante Themen in Angriff nimmt. Es wäre geradezu paradox, wenn der interreligiöse Dialog sich um alles kümmern würde, was zwischen Himmel und Erde ist, aber nicht um die Suche nach Wahrheit und die Erfüllung dieses Suchens im Glauben an Gott. Der interreligiöse Dialog braucht auch diese spezifische Herausforderung, denn er darf sich nicht gesellschaftlich oder politisch, aber auch nicht kulturell instrumentalisieren lassen. Dafür ist es gut, wenn er um die Unentbehrlichkeit der Gottesfrage weiß und sich dazu überzeugend bekennt.“

Aus dem Vortrag „Die Notwendigkeit des interreligiösen Gesprächs und das eigene Verhältnis von Kirche und Islam“ vom 13. November 2013 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität in Bochum.

  

„Sehr viele Aussagen über diese Themen zeigen eine tiefe Kluft zwischen einem großen Teil des Kirchenvolkes und der ‚Hierarchie’. Nicht zuletzt darum wird die Kirche im ganzen Bereich von Sexualität und Ehe/Familie kaum mehr ernstgenommen. Gewiss gibt es auch noch andere Ursachen. Dies hat insgesamt eine große Vertrauenskrise geschaffen, vor allem ineins mit den Missbrauchsskandalen, ‚Limburg’ usw. Diese Situation offenbart eine echte Führungskrise auf der obersten Ebene, Bischöfe und Bischofskonferenzen eingeschlossen. Seit 40-45 Jahren tragen wir die Konflikte um die ‚Pille’ (‚Humanae vitae’, 1968) und um die Geschiedenen Wiederverheirateten (vgl. z.B. Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, 1971-1975 und Folgeversuche) mit uns herum, ohne eine entsprechende Antwort zu finden. Es war zu erwarten, dass die Priester, auf sich allein gestellt, ganz verschiedene Wege gehen.

Aus dem Text „Eindrücke und Überlegungen des Bischofs von Mainz vor und nach der Auswertung der Umfrage zur Bischofssynode 2014“ vom 16. Dezember 2013.

  

„Eine solche Präsenz in der säkularen Öffentlichkeit, die durchaus auch das Forum der Kirche einbezieht, ist heute für den bischöflichen Dienst unerlässlich. Es geht aber nicht darum, das vielfältige Interessensspiel in den Medien einfach mitzumachen. Die Leinwand ist immer gefährlich und verführt zu einem Überschätzen der medialen Präsenz. Man muss nicht auf alles antworten. Man muss nicht in allen Talkshows sitzen. Man darf nicht bei allem mitmachen. Auch hier ist wichtig, ob man wirklich etwas Gediegenes zu sagen hat und sagen kann. Deshalb sind Sachkunde und die Fähigkeit zur Konzentration elementar wichtig. Man hat auch nicht immer die Möglichkeit, alles vorher zu planen oder vorbereiten zu lassen. Nicht selten muss man spontan antworten. Aber auch dann muss man immer noch eine eigene Handschrift haben - und vor allem die notwendige solide Kenntnis der Sache. Diese neue Präsenz in der Öffentlichkeit verlangt auf der einen Seite Offenheit, Dialogbereitschaft, aber auf der anderen Seite auch Mut zur eigenen Identität und zur Selbstbehauptung. Die Balance, die man dazwischen immer wieder suchen und finden muss, ist ein Kunststück.“

Aus dem Vortrag „Gegenwärtige Anforderungen des bischöflichen Dienstes. Weltweite Gemeinschaft und Sendung, Präsenz in der Öffentlichkeit und Vermittlung zwischen Ortskirche und Rom“ vom 10. Juni 2014 im Erbacher Hof in Mainz.

  

„Man hat, auch als Einzelner, wenn man etwas zu sagen hat, in den römischen Gremien durchaus ein Gewicht. Ob das schon für eine Realisierung reicht, steht auf einem anderen Blatt. Es braucht für die Bischöfe persönlich und auch für die Vertretungen der Bischofskonferenzen zunächst einmal eine hohe Sachkenntnis, aber auch - besonders bei ungewohnten Vorschlägen - eine beträchtliche Zivilcourage, um eventuell neue Gedanken und Verfahrensweisen vorzuschlagen. Es ist nicht so leicht, hier ohne Starrsinn und mangelnde Sensibilität beharrlich auf notwendige Reformen aufmerksam zu machen. Ich weiß gut um eine gewisse kuriale Mentalität, die ungewohnte Wege eher vermeiden möchte. Oft weiß man aber auch in Rom, dass in verschiedener Hinsicht neue Wege gegangen werden müssen. Es braucht dann schon unverdrossenen Mut zur Nachhaltigkeit, um manche Vorschläge zu einer gründlichen Diskussion zu bringen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns eigentlich so viel Spielraum in den Beziehungen zwischen Rom und den Ortskirchen gebracht, dass es durchaus Chancen gibt, auch echt gehört zu werden. Ich kann das ewige Jammern über den römischen Zentralismus, den es gewiss in unangemessener Form heute noch gibt, nicht mehr hören, wenn man selbst - wo es nur eben möglich ist - nicht die Initiativen zu Reformen ergreift, die notwendig sind. Auch wenn man vielleicht mehrfach abgeschüttelt wird, so muss man hier in Geduld und Beharrlichkeit auch öfter seine eigenen Überzeugungen zu Gehör bringen. Es fehlt oft an der schon erwähnten Zivilcourage, wenn wir nicht so viel von unseren eigenen Erfahrungen, sofern sie auch mit anderen Ortskirchen kompatibel sind, zu Gehör und vielleicht auch zur Annahme bringen.“

Aus dem Vortrag „Gegenwärtige Anforderungen des bischöflichen Dienstes. Weltweite Gemeinschaft und Sendung, Präsenz in der Öffentlichkeit und Vermittlung zwischen Ortskirche und Rom“ vom 10. Juni 2014 im Erbacher Hof in Mainz.

  

„Zum Schluss kommt es mir noch auf etwas Wichtigeres an. Manchmal kommt es mir so vor, als ob - in Ergänzung und Korrektur zu solchen Gedanken - alles darauf zielen muss, im nüchternen Alltag des Lebens das Evangelium zu verkünden und den Mitchristen zu helfen, aus diesem Evangelium zu leben. Dies sind dann ganz unspektakuläre Dinge. Hier lässt sich nicht schrecklich viel berichten, aber es kommt sehr darauf an, dass man ein stiller Beter ist, die Gemeinden besucht, Nöten nicht ausweicht und Menschen anhört, auch wenn dies manchmal viel Geduld kostet. Der bischöfliche Dienst ist im Kern und im Grunde etwas, was sehr demütig macht. Man stellt sich in eine große und lange Schar von Zeugen, die nichts anders tun sollen und wollen, als das Evangelium Jesu Christi getreu weiterzugeben. Eines Tages gibt man - auf welche Weise immer - die Stafette im Ringen um den Erhalt und die Ausbreitung des Evangeliums weiter.“

Aus dem Vortrag „Gegenwärtige Anforderungen des bischöflichen Dienstes. Weltweite Gemeinschaft und Sendung, Präsenz in der Öffentlichkeit und Vermittlung zwischen Ortskirche und Rom“ vom 10. Juni 2014 im Erbacher Hof in Mainz.

  

„Die Jünger streiten um ihren verdienten Platz, wenn Jesus einmal zur Rechten sitzen wird. Unmittelbar davor hatte Jesus zum dritten Mal sein Leiden und die Auferstehung angekündigt. Selbstsicher sagen gerade die engsten Jünger, dass sie auch für Jesus leiden könnten. Die zehn anderen Jünger merken, worum es Jakobus und Johannes geht. Sie ärgern sich über deren egoistischen Ehrgeiz. Da ruft Jesus alle zusammen: ‚Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.’ (Mk 10,42ff.) Dieser Text trifft auch für unsere Frage ins Herz. Bei all der Unterscheidung der Geister und dem Anlegen der genannten Kriterien ist es immer wieder die Macht, die uns verführt. Je älter ich werde, umso mehr bedrängt mich dies, natürlich und zuerst im eigenen Tun. Aber gerade da ist Jesus bis an eine fast unerträgliche Härte unerbittlich: ‚Bei euch aber soll es nicht so sein!’ Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. Auch jede geistliche Vollmacht ist tief vom Machtstreben her gefährdet.“

Aus der Predigt „Bei euch aber soll es nicht so sein!“ bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 24. September 2014 in Fulda.

  

„Wir leben in einer sehr pluralen Welt mit fast unendlichen Möglichkeiten. Jeder ist Schmied seines eigenen Lebensentwurfes, der wiederum wechseln kann. Man hat da mitunter viel Stress, um jedem Einzelnen entgegen zu kommen und ihn zu verstehen. Früher wurden wir eher gleich behandelt. Heute ist jeder anders. Deswegen muss man auch bereit sein, wieder Gemeinsamkeiten einzufordern, bis zu gemeinsamen Grundwerten. Durch die vielen Möglichkeiten, die wir heute haben, ist aber auch die Möglichkeit des Scheiterns größer denn je. Das heißt, wir müssen auch lernen zu scheitern und darin den Menschen beistehen und verständnisvoll sein. Die Zeit der Patentrezepte ist vorbei. Wir als Kirche können nur noch einen groben Rahmen anbieten.“

Aus einem Interview mit David Gutsche vom Magazin „Sensor“, Ausgabe Dezember 2014/Januar 2015, auf die Frage: „Worauf kommt es im Leben an?“.

  

„Es ist vor allem die Anwendung von Gewalt, die uns Angst und Schrecken einjagt. Es ist für die Menschheit beschämend, wie wir untätig für Jahre diese Gewalt in Syrien hinnehmen. Wir sind oft so stolz über unsere technischen Leistungen, darin wirklich oft Giganten, aber im Blick auf den Erhalt des Friedens sind wir erbärmliche Zwerge - und dies trotz aller Vereinten Nationen, die uns nach dem Zweiten Weltkrieg die Augen öffneten und das Bewusstsein unserer Verantwortung für die ganze Menschheit wecken wollten. Gewiss haben wir früher Kriege und tödliche Streitigkeiten, weil sie weit weg von uns waren, nicht zur Kenntnis genommen. Aber jetzt müssen wir sehenden Auges feststellen, wie viele tödliche und grausame Auseinandersetzungen unsere Welt beherrschen.“

Aus der Predigt in der Jahresschlussandacht im Mainzer Dom vom 31. Dezember 2014.

  

„Dennoch ist es von Anfang bis zum Ende die Kraft der Einfachheit des Evangeliums, die uns den Mut zum Glauben in der Kompliziertheit des modernen Lebens schenkt. Sonst müsste man gegenüber den überbordenden Angeboten und Heilsversprechen der modernen Zivilisation verzweifeln. Die Einfachheit des Evangeliums bringt in die endlose Komplexität unseres Lebens eine unersetzliche Kraft und Dynamik: Glauben an Gott statt eine absolute Selbstbestimmung des Menschen, die Stärke der Zuversicht gegenüber allem Scheitern und aller Mutlosigkeit, die Barmherzigkeit mit ihrer eigenen Kraft gegenüber allem hartherzigen Rigorismus, die Überlegenheit von Friedens- und Versöhnungsbereitschaft über Aggression und Zerstörungswut, der Sieg der Mächte des Lebens über alle - heute manchmal auch versteckten und verkleideten - Formen eines verderbenbringenden Todes. Dies sind stichwortartig die Früchte des Evangeliums. Sie sind am Ende stärker als alle Kräfte unserer Interessen und unserer Macht. Aber man kann sie nicht nach Belieben ‚produzieren’, sie leben nur in und aus dem Glauben.“

Aus dem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit „Unterwegs im Glauben der Kirche mit Papst Franziskus“ vom 1. März 2015.

  

„So schön es also sein kann, immer auf Empfang zu sein, so sehr muss man aufpassen, dass man durch diese unaufhörliche Offenheit nicht unfähig wird zum Beispiel für fremdes Leid. Permanente Empfangsbereitschaft kann abstumpfen. Alles wird gleich-gültig. Dies kann eine regelrechte emotionale Krankheit werden, weil wir wirklich den Schmerz und das Leid, vielleicht auch einmal die Freude und das Glück anderer, gar nicht mehr wahrnehmen. In solchen Situationen muss man eigentlich immer ganz bewusst gegensteuern. Man muss eben nicht immer bis zur Gedanken- und Seelenlosigkeit ‚auf Empfang’ sein. Man muss auch einmal abschalten können. Nicht um sich nur in seine eigene Innerlichkeit oder gar seine Traumwelt zurückzuziehen und sich in seiner eigenen Welt zu vergraben, sondern um sich in der Stille vom Lärm der Welt und der Nachrichten zu erholen und frisch zu bleiben für jenen Anruf, der gerade mich erreichen soll und den ich nicht überhören darf. Dazu gehört auch, dass man das Gesehene und Gehörte bedenkt. Dazu braucht man Abstand vom Dauergerede. Dafür braucht man auch Ruhe und Stille. Dann wird man auch wieder feinfühliger. Man hört dann im Getöse der Welt, wenn einer uns - vielleicht sogar leise und wimmernd - sucht und am Ende nach uns schreit. Diese Stille muss man aber einüben. Sie ist in unserer Welt nicht mehr selbstverständlich. Besinnung und Nachdenklichkeit und das Ertragen von Einsamkeit gehören dazu. Und vielleicht auch einmal ein Gebet, ein kurzes Stoßgebet, wo uns nicht so viel zum Plappern einfällt. Aber wichtiger ist dann, dass wir in Gedanken und in der Tat bei jemand bleiben und nicht zum nächsten ‚Empfang’ davonstolpern. Die richtige Mischung zu finden zwischen immerwährender Empfangsbereitschaft und Abschalten können, um sensibel zu bleiben, das brauchen wir heute, um menschlich zu sein und zu bleiben. Auf Dauerberieselung zu verzichten und besinnlich zu werden, dies gehört zu einem modernen Fasten.“

Aus der monatlichen Kolumne „Auf ein Wort“ in der Mainzer Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ vom 5. April 2015 unter der Überschrift „Auf Empfang?“.

 

„Die Blutspur dieser zwölf Jahre Schreckensherrschaft hat sich so tief in das Gedächtnis vieler Menschen unseres Jahrhunderts eingegraben, dass es nie einen Schlussstrich unter diese Geschichte geben kann. Am allerwenigsten im Blick auf die vielen unschuldigen Opfer aus anderen Völkern wie auch aus unserem eigenen Volk. Es wäre schändlich, wenn wir fremdes Leid, das es letztlich ohnehin nicht gibt, vergessen würden oder gar möchten, jedoch stets nur das eigene Leiden im Munde führen. Dies wäre ein ganz und gar unerlaubtes Aufrechnen. Es ist schlimm, dass solches da und dort vorgekommen ist. Aber deshalb allein dürfen wir nichts verschweigen. Wir können und dürfen nicht vergessen, auch die jüngeren Generationen nicht. Es gibt eine Haftung unseres Volkes, die wir nicht abschütteln können.“

Aus der Predigt im ökumenischen Gottesdienst zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren am 8. Mai 2015 in der Mainzer Christuskirche.

 

„Dies ist der Kern des Problems. Das Selbstbestimmungsrecht ist in unserer Gesellschaft von einem fast unbegrenzten Freiheitspathos aufgeladen. Aber der Mensch ist auch endlich, kreatürlich, ohnmächtig und angewiesen auf solidarische Hilfe. Es ist kein Makel, wenn man sich in einer Krankheit - auch und gerade wenn sie zum Tode geht - helfen lassen muss. Das Menschenbild darf dies nicht verschleiern. Man muss im Sterben helfen, aber nicht zum Tod verhelfen.“

Aus einem Interview mit Christoph Scholz von der Katholischen Nachrichteagentur (KNA) vom 30. Oktober 2015 auf die Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen in Hinblick auf organisierte Beihilfe zum Suizid.

  

„Wir haben noch genug an der Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils zu tun. Dann soll man nicht alles von einem Weltkonzil erwarten. Die synodale Struktur der Kirche auf vielen Ebenen muss gestärkt werden, wie Papst Franziskus öfter bekräftigte. Wenn dann Fragen bleiben, die nur eine neue Kirchenversammlung im Weltmaßstab angehen kann, kann es auch ein Drittes Vatikanisches Konzil geben.“

Aus einem Interview mit Joachim Frank vom Kölner Stadt-Anzeiger vom 7. Dezember 2015 auf die Frage nach der Notwendigkeit eines „Dritten Vatikanischen Konzils“.

tob (MBN)


Publikationen

„Schöner und wichtiger Beitrag im Jubiläumsjahr“

Neues Buch über katholische Kirchengebäude in Rheinhessen erschienen

Mainz. Anlässlich des Jubiläums „200 Jahre Rheinhessen“ hat das Bistum Mainz das Buch „Kirchen, Kapellen und Heiligenhäuschen. Katholische Glaubensorte in Rheinhessen“ herausgegeben. Die Leiterin des Buchprojektes, Diana Ecker, Konservatorin in der Abteilung Kirchliche Denkmalpflege im Bischöflichen Ordinariat Mainz, übergab am Dienstag, 19. April, bei einem Pressetermin das erste Buch an den Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann. An der Übergabe im Bischöflichen Ordinariat Mainz nahmen auch die Mitautorinnen Anna Maria Wellding und Stefanie Fuchs von der Abteilung Kirchliche Denkmalpflege sowie der Generalvikar des Bistums Mainz, Prälat Dietmar Giebelmann, und der Leiter des Dezernates Bau- und Kunstwesen, Baudirektor Johannes Krämer, teil. In dem Buch, das im Verlag Matthias Ess, Bad Kreuznach, erscheint, werden in Kurzporträts alle 215 Kirchengebäude und Kapellen auf dem Gebiet der fünf rheinhessischen Dekanate des Bistums Mainz vorgestellt.

Lehmann dankte den Autorinnen für das Buchprojekt, das er als einen „sehr schönen und wichtigen“ Beitrag für das Jubiläumsjahr bezeichnete. „Das Buch macht deutlich, wie weit diese Landschaft vom Glauben bestimmt war“, sagte der Kardinal und lobte auch das „knappe und handliche“ Format. Ziel des Buches sei eine „Bestandsaufnahme unserer Kirchen“ gewesen, sagte Diana Ecker, um diese den Lesern kurz und ansprechend vorzustellen. Die Bauten seien nicht nach ihrer kunsthistorischen Bedeutung sortiert, sondern die Leser könnten sich „von A bis Z durch Rheinhessen“ bewegen. Die Texte über die Kirchbauten seien im „regen Austausch“ mit den Pfarreien vor Ort entstanden. „So konnten wir herausfinden, was den Menschen an ihrer Kirche wichtig ist, und sie so als lebendige Orte würdigen“, sagte Ecker. Das Format des Buches sei so gewählt, dass man es auch für Wanderungen oder Fahrradtouren nutzen könne. Es werde zudem bei fast allen Kirchen darauf hingewiesen, wohin man sich wenden muss, wenn die Kirche geöffnet werden soll.

Darüber hinaus informiert das Buch unter dem Stichwort „Wissenswertes“ beispielsweise auch über den Orgelbau in Rheinhessen, über berühmte Glocken, Wallfahrtsorte oder auch über die Tradition des „Würzwischs“. Die Arbeit an dem Buch habe ihr deutlich gemacht, welch alte Kulturlandschaft Rheinhessen sei, sagte Ecker, „die über eine unglaubliche hohe Dichte an alten Kirchenbauten“ verfüge. Nachkriegsbauten finde man eigentlich nur in der Stadt Mainz. Sandra Ess vom Verlag Matthias Ess wies zudem darauf hin, dass das Buch bei der Buchmesse Rheinland-Pfalz, die am kommenden Wochenende in der Alten Lokhalle in Mainz stattfindet, vorgestellt wird: Diana Ecker wird am Samstag, 23. April, um 16.00 Uhr einen Vortrag zum Buch halten.

Hinweis: „Kirchen, Kapellen und Heiligenhäuschen. Katholische Glaubensorte in Rheinhessen“. Hrsg. vom Bistum Mainz, Verlag Matthias Ess, Bad Kreuznach 2016, 306 Seiten, zahlreiche farbige Bilder, 12,90 Euro, ISBN: 978-3-945676-17-2

am (MBN)

 

Berichte

Gast aus Indien

Giebelmann empfing Generalprokurator von indischer Gemeinschaft

Mainz. Der Mainzer Generalvikar, Prälat Dietmar Giebelmann, hat am Donnerstag, 14. April, Bruder Velankanni Ravi SHJ, den Generalprokurator der Kongregation der Brüder vom heiligen Herzen aus Indien, zu einem Gespräch empfangen. Die Gemeinschaft war 1903 von einem französischen Jesuiten in Tamil Nadu/Indien gegründet worden. Die rund 230 Ordensbrüder engagieren sich in mehreren Missionsstationen für arme und unterprivilegierte Menschen in der indischen Gesellschaft. Sie betreiben außerdem mehrere Schulen und Waisenhäuser. Giebelmann sagte Ravi die finanzielle Unterstützung des Bistums Mainz bei der Renovierung einer Missionsstation zu.

tob (MBN)


Fusion in Seligenstadt

Generalvikar überreichte Errichtungsdekret

Seligenstadt. In einem Gottesdienst am Freitag, 15. April, hat der Mainzer Generalvikar, Prälat Dietmar Giebelmann, dass Errichtungsdekret über die Rückführung der Pfarrkuratie St. Cyriakus in Klein-Welzheim in die Pfarrei St. Marcellinus und Petrus in Seligenstadt an Pfarrer Stefan Selzer überreicht. Beide Pfarreien gehen schon seit vielen Jahren einen gemeinsamen Weg mit einem pastoralen Team. „Die Menschen fragen auch in Zukunft weniger nach unseren Strukturen, sondern nach dem Inhalt unserer Botschaft“, betonte der Generalvikar.

tob (MBN)

 

Vorschau 

Integration durch Arbeit – Teilhabe für alle! (30.4.)

Gottesdienst und Empfang am Vorabend zum Tag der Arbeit mit Kardinal Lehmann

Mainz. Zum traditionellen Empfang am Vorabend zum Tag der Arbeit am Samstag, 30. April, laden das Referat Berufs- und Arbeitswelt im Bistum Mainz sowie die beiden kirchlichen Sozialverbände Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und das Kolpingwerk ein. Beginn ist mit einem Gottesdienst mit dem Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, im Mainzer Dom um 18.00 Uhr. Beim anschließenden Empfang in der Bistumsakademie Erbacher Hof wird Peter Altmaier, Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, zum Thema „Integration durch Arbeit – Teilhabe für alle!“ sprechen. Im Anschluss findet ein Gespräch statt, das Klaus Pradella vom Hessischen Rundfunk moderieren wird. Für besonderes Engagement im Bereich der Ausbildung wird im Dom nach dem Ende des Gottesdienstes der Preis der „Pfarrer-Röper-Stiftung“ durch Kardinal Lehmann verliehen.

Betriebsseelsorge, KAB und Kolpingwerk engagieren sich seit jeher für gute Arbeit und Teilhabe. „Wir wissen um bestehende Armutsstrukturen und Spannungen aufgrund von Arbeitsausbeutung, prekärer Beschäftigung und Arbeitslosigkeit. Die Gefahr ist groß, dass diese sich mit der Zuwanderung verfestigen und verschärfen. Als Kirche sehen wir uns in der Pflicht, uns für eine menschenwürdige Integration der Geflüchteten und für die gesellschaftliche Teilhabe aller durch Arbeit einzusetzen – für sozialen Frieden und gegen jegliche rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen Tendenzen“, heißt es in der Einladung.

Hauptzelebrant des Gottesdienstes ist Kardinal Lehmann. Konzelebranten sind Domdekan Heinz Heckwolf, Pfarrer Dr. Friedrich Franz Röper, Mainz, Präses der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, Dekan Hans-Joachim Wahl, Präses des Kolpingwerkes Diözesanverband Mainz, Dekan Dieter Bockholt, Pfarrer Harald Christian Röper, Ehren-Präses von Kolping im Bistum Mainz; Diakon ist Goran Andrijevic. Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes übernehmen Daniel Beckmann an der Orgel und die Kirchenchöre St. Cäcilia Mainz-Hechtsheim und Ockenheim unter Leitung von Kay R. Freudenreich.

Hinweis: Weitere Informationen beim Referat Berufs- und Arbeitswelt im Bistum Mainz, Weihergartenstraße 22, 55116 Mainz, Telefon: 06131/253-864 sowie im Internet unter www.arbeitswelt-bistum-mainz.de

PM (MBN)


„… damit er ihn bebaue und bewahre“ (bis 30.6.)

Bistum Mainz schreibt wieder einen Umweltpreis aus / Verleihung am Schöpfungstag

Mainz. Der Umweltbeauftrage des Bistums Mainz, Dr. Franz Jakob Hock, weist darauf hin, dass die Diözese auch in diesem Jahr wieder einen Umweltpreis ausgeschrieben hat. Der Preis steht unter dem Motto „… damit er ihn bebaue und bewahre“. Gesucht werden Beiträge „zur Bewahrung der Natur vor Ort“, wie es in der Ausschreibung des Preises heißt. Die Aktionen und Projekte müssen begonnen bzw. abgeschlossen sein; Einsendeschluss ist Donnerstag, 30. Juni. Bewerben können sich alle kirchlichen Gruppen, Verbände, Einrichtungen, Stiftungen, Kindergärten, Schulen sowie Pfarreien und Klöster im Bistum Mainz.

Ausgeschrieben sind Preise mit insgesamt 5.000 Euro, es werden vier Preisträger ausgezeichnet. Zusätzlich werden zwei Sonderpreise vergeben: zum einen eine „Solarschatzkiste“ für Kindergärten sowie zum anderen für Schulen ein Ausflug ins „Dynamicum“ nach Pirmasens oder ins Mathematikum nach Gießen. Die Preise werden im Rahmen des Schöpfungstages in Bingen am 2. September verliehen.

Hinweis: Weitere Informationen im Internet unter www.bistum-mainz.de/umweltpreis

am (MBN)