Mainzer Bistumsnachrichten Nr. 35

vom 10. Oktober 2012

Ein Schnappschuss des Konzilsteilnehmers Hermann Volk, damals Bischof von Mainz: Blick in die Konzilsaula (c) Bistum Mainz / Volk
Ein Schnappschuss des Konzilsteilnehmers Hermann Volk, damals Bischof von Mainz: Blick in die Konzilsaula
Datum:
Mi. 10. Okt. 2012
Von:
MBN

Bischöfliche Pressestelle Mainz, Leiter: Tobias Blum, Bischofsplatz 2, 55116 Mainz
Postanschrift: Postfach 1560, 55005 Mainz, Tel. 06131/253-128 oder -129,
Fax 06131/253-402, E-Mail: pressestelle@bistum-mainz.de

Dokumentationen

  • Heilige Hildegard zur Kirchenlehrerin erhoben 
  • Wort der Bischöfe zum Zweiten Vatikanischen Konzil

Berichte

  • Neues „Konzilsportal" freigeschaltet  
  • 80.000 Euro für die Stiftung Hoher Dom zu Mainz 
  • Father Atit zu Gast im Bistum Mainz 
  • Abschluss des Kultursommers Rheinland-Pfalz 
  • Diözesanversammlung des Kolpingwerks

Personalien

  • Einführung von Dr. Uwe Beck 
  • Martinus-Medaille für Hubert Will

Vorschau

  • Tagung zum Zweiten Vatikanischen Konzil (12. & 13.10.) 
  • Philosophische Soirée im Erbacher Hof (15.10.) 
  • Akademievortrag zur Entstehung Israels (17.10.) 
  • 40 Jahre Katholische Hochschule Mainz (19. & 20.10.) 
  • 50 Jahre Malteser im Bistum Mainz (20.10.)

Neuerscheinung

  • „RU heute"

Dokumentationen

Ein unbequemes, tiefes und heiliges Charisma

Vortrag von Kardinal Lehmann zur heiligen Hildegard in Rom

Rom. Der Bischof von Mainz, Kardinal Karl Lehmann, hat Papst Benedikt XVI. für seinen Mut gedankt, die heilige Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin zu erheben. Lehmann äußerte sich in einem Vortrag, den er am Samstag, 6. Oktober, in der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl hielt. Am Sonntag, 7. Oktober, wurde die heilige Hildegard im Rahmen eines Gottesdienstes auf dem Petersplatz zur Kirchenlehrerin erhoben; Kardinal Lehmann war Konzelebrant des Gottesdienstes. Der Papst würdigte die heilige Hildegard als „eine Frau von lebhafter Intelligenz, tiefer Sensibilität und anerkannter geistlicher Autorität". Gemeinsam mit Hildegard wurde auch der heilige Johannes von Avila zum Kirchenlehrer erhoben. Im Folgenden dokumentieren wir den Wortlaut des Vortrags von Kardinal Lehmann, der unter dem Titel „Ein unbequemes, tiefes und heiliges Charisma" steht:

I. Kirchenlehrerin heute

Fast 2000 Jahre waren die Kirchenlehrer ausnahmslos Männer. Bis 1970 zählen wir 30 Theologen, denen diese Auszeichnung zu Gute kam. Allein im 20. Jahrhundert sind es sieben neu ernannte Kirchenlehrer. Die Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil bringt eine unübersehbare Wende, denn von 1970 bis zum 7. Oktober 2012 sind es vier Frauen, die zu Kirchenlehrerinnen erhoben worden sind: die heilige Teresa von Avila am 27. September 1970 und die heilige Katharina von Siena am 4. Oktober 1970, beide durch Paul VI., sowie die Ernennung der Thérèse von Lisieux am 19. Oktober 1997 durch Johannes Paul II.

Dabei muss man auf den Rang und die Bedeutung dieser heiligen Frauen schauen. Teresa von Avila und Katharina von Siena zählen in Spanien und in Italien zu den großen literarischen Gestalten. Katharina von Siena steht z.B. neben Dante und Petrarca. Katharina ist die Hauptpatronin Italiens, Teresa ist die Patronin Spaniens. Die „kleine heilige Theresia" ist durch ihren Glaubensweg durch härteste Prüfungen hindurch im großen Dunkel des reinen Glaubens an die Liebe Gottes Vorbild eines authentischen „kleinen Weges" zur Vollkommenheit. Sie ist die zweite Patronin Frankreichs und die Hauptpatronin aller kirchlichen Missionen. Besonders die große Teresa und Katharina von Siena sind durch ihre weit gespannte Tätigkeit für eine tiefe Erneuerung der Kirche das, was man „starke Frauen" nennen kann. Sie zeigen vor allem auch in Bezug auf ihr Verhältnis zu den weltlichen und kirchlichen Herrschern ihrer Zeit ein sehr mutiges Verhalten. Sie beschworen in Briefen und persönlichen Besuchen weltliche und geistliche Würdenträger hin zu einer Gesinnungsänderung und scheuten sich nicht vor kräftigen Worten.

Am 7. Oktober kommt die heilige Hildegard von Bingen hinzu (1098 bis 1179). Auch bei ihr existiert eine ausgedehnte Korrespondenz mit Päpsten, Königen, Fürsten, Bischöfen, Ordensleuten und Laien. Sie unternahm Predigtreisen vor allem an den Rhein und nach Süddeutschland, wo sie Volk und Klerus Umkehr predigte. Auch sie offenbart eine ungewöhnliche dichterische Begabung. Wenn die anderen drei genannten heiligen Frauen aus Italien, Spanien und Frankreich stammen, so ist die heilige Hildegard von Bingen die erste Frau aus dem mitteleuropäischen und besonders deutschsprachigen Bereich, die zu dieser Ehre gelangt.

Ich glaube, dass man die Ernennung dieser vier heiligen Frauen durch drei Päpste innerhalb von gut 40 Jahren in ihrer Bedeutung bisher nicht genügend erkannt hat - und dies trotz aller feministischen und emanzipatorischen Rufe nach einer angemesseneren Wertung und Stellung der Frau in der Kirche. Auch wenn vor allem die hohe Spiritualität dieser heiligen Frauen im Vordergrund steht, so darf man nicht vergessen, dass sie zugleich hoch gebildet waren und auch ein großes Organisationstalent hatten. Die besondere frauliche Sensibilität hat aber auch dazu geführt, dass wir im Blick auf die von ihnen stammenden geistlichen Zeugnisse den besonders ab dem Hochmittelalter bis heute auf eine sehr rationale Weise zugespitzten Begriff der Theologie aufbrechen und in gewisser Weise weiten müssen. Es wird noch zu zeigen sein, wie die Theologie einen besonderen Beitrag von diesen Frauen geschenkt bekommen hat, und dass sie besonders „in der Lage (sind), mit der ihnen eigenen Intelligenz und Sensibilität über Gott und die Glaubensgeheimnisse zu sprechen".

II. Leben und Werke

Ich will in wenigen Zügen die wichtigsten Stationen des Lebens der heiligen Hildegard skizzieren. Sie wurde 1098 in Bermersheim bei Alzey in Rheinhessen geboren und stammte aus einer vielköpfigen adeligen Familie. Sie wurde von Geburt an von ihren Eltern zum Dienst an Gott geweiht. Sie lebte in einer Klause und schließlich (wohl ab 1106) in einem kleinen Klausurkloster für Frauen auf dem Disibodenberg bei Bingen. Mit 16 Jahren entschied sich Hildegard durch die monastischen Gelübde für das klösterliche Leben (ca. 1115). Nach dem Tod ihrer Lehrmeisterin Jutta von Sponheim wird sie im Jahr 1136 zur Nachfolgerin, zur Meisterin („magistra") gewählt. Mehr als 30 Jahre lebte und wirkte Hildegard in der Abgeschiedenheit des kleinen Klosters. Sie hat von hier aus trotz einiger Schwierigkeiten zwei weitere Klöster gegründet, nämlich auf dem Rupertsberg (um 1150), weitgehend durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg zerstört (1632 ), und Eibingen (um 1165), das heute noch - wenn auch ein wenig entfernt - das Nachfolgekloster der heiligen Hildegard ist. Die heilige Hildegard hat trotz ihrer Leiden und Schmerzen, die besonders den letzten Abschnitt ihres Lebens kennzeichnen, vier große Reisen (1158-1170) in zahlreiche Städte des Rheinlandes und des Südwestens unternommen und gerade auch in den Konventen der Klöster wie auch auf den Marktplätzen der Städte gegen das verweichlichte Leben vor allem des Klerus gepredigt. Sie übt darüber hinaus heftige Kritik an ihrer eigenen Zeit, die sie ein „weibisches Zeitalter" („tempus muliebre") nennt. Vom Kampf gegen die Sekte der Katharer wird noch die Rede sein.

Hildegard hatte schon früh die Gabe einer höchst originellen visionären Schau. „Ich sehe diese Dinge - so schreibt sie - nicht mit den äußeren Augen und höre sie nicht mit den äußeren Ohren; ich sehe sie vielmehr einzig und allein in meinem Inneren, aber mit offenen leiblichen Augen, sodass ich niemals die Bewusstlosigkeit einer Ekstase erleide, sondern wachend schaue ich dies bei Tag wie bei Nacht." Vieles erinnert an die Propheten des Alten Testaments: „Das Licht, das ich schaue, ist nicht an den Raum gebunden. Es ist weitaus lichter als eine Wolke, die die Sonne in sich trägt. Weder Höhe noch Länge noch Breite vermag ich an diesem Licht zu erblicken. Es wird mir bezeichnet als ‚der Schatten des lebendigen Lichtes‘. In diesem Licht sehe ich zuweilen, wenn auch nicht oft, ein anderes Licht, das mir ‚das lebendige Licht‘ genannt wird. Wann und wie ich es schaue, kann ich nicht sagen. Aber solange ich es schaue, ist alle Traurigkeit und alle Angst von mir genommen, sodass ich mich wie ein einfaches junges Mädchen fühle und nicht wie eine alte Frau." Nach ihrem 40. Lebensjahr (1141) kommt es zu einem gewaltigen Durchbruch der Visionen. Aus der stillen Seherin wird eine religiöse Prophetin. Immer deutlicher vernimmt sie in ihrem Inneren geradezu einen Befehl: „Schreibe auf, was du siehst, und sage, was du hörst." Der heilige Bernhard von Clairvaux, eine der höchsten Autoritäten der Kirche ihrer Zeit, ihr „ungekrönter Herr", bestätigt ihre prophetische Gabe. Ja noch mehr: Auf der Synode von Trier (1147/48) las Papst Eugen III. selbst aus Hildegards Schriften vor. Er hatte sie durch eine Kommission überprüfen lassen. Er forderte Hildegard nun auf, ihre Visionen aller Welt mitzuteilen. Daraus entstand dann ihre erste große Schrift „Wisse die Wege" (Scivias, 1141-1151).

Hildegard ist in ihrem Wissen und in ihrer Sprachkraft ein Rätsel. Wir wissen wenig über ihren wissenschaftlichen Bildungsgang. Schon früh kannte sie die Texte der Regel des heiligen Benedikt. Im Stundengebet lernte sie die Psalmen und die Heilige Schrift kennen. Sie besaß offenbar eine große Kenntnis der Kirchenväter. Die 390 Briefe zeigen eine reiche Korrespondenz mit großen Gelehrten ihrer Zeit. Sie hat sich aber immer wieder als eine „Indocta" verstanden, also als „einfältige Frau". Sie sei keine Gelehrte. Ganz gewiss hat die Forschung der letzten Jahrzehnte aufgezeigt, dass gerade die Frauen in den Klöstern, besonders wenn sie wie in den Gemeinschaften der heiligen Hildegard aus dem Adel stammten, sehr viel mehr Zugang zu den klassischen und gegenwärtigen Bildungsgütern hatten, als man dies vorher weitgehend dachte. Die Rede von einer „Indocta" ist jedoch eine Selbstcharakteristik, die uns angesichts ihrer Gelehrsamkeit immer wieder schmunzeln lässt. Denn sie beherrscht ihre Theologie ebenso wie die zeitgenössische Philosophie, kennt sehr genau das Alte Testament und ist auch in den Naturwissenschaften wie in der Medizin zu Hause. Sie weiß über die Schönheiten der Edelsteine zu reden. Sie ist Ärztin und Äbtissin, dichtet Hymnen und schafft andere musikalische Kompositionen. Sie verfasst eine ethische Grundstudie und ein großes Werk über die Welt, eine spirituell orientierte Kosmologie und darin eine Lehre vom Menschen und seinem Heil.

Dies darf aber nicht heißen, dass die „prophetissa teutonica", wie man sie zu Lebzeiten schon nannte, nicht auch die Geschicke von Welt und Kirche kannte und unwidersprochen hinnahm. Sie schreibt den Päpsten Eugen III., Anastasius IV., Hadrian IV. und Alexander III., an die Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln und Salzburg. In einem Schreiben an Kaiser Barbarossa wendet sich Hildegard mit aller Energie gegen die Papstpolitik des Kaisers. Kaiser und Könige, Bischöfe und Äbte, Priester und Laien gehören zu ihren Briefpartnern.

So ist sie eine „Posaune Gottes", eine „flammende Leuchte im Hause Gottes", eine „Mitwisserin Gottes". „Keine Stimme wird laut über das Unerhörte solchen Tuns. Alle sind ergriffen, begeistert - oder getroffen in der Wurzel ihrer Sündhaftigkeit, aufgerüttelt zu neuer, heiliger Lebensenergie, Sünder bekehren sich, Ungläubige werden gläubig, Entzweite umarmen sich." Immer mehr wird sie in hohem Maß anerkannt. So sagt Abt Rupert von Königstal nach der Lektüre ihrer Schriften: „So etwas bringen die scharfsinnigsten Professoren des Frankenreiches einfach nicht zustande. Die machen mit trockenem Herzen und aufgeblasenen Backen nur ein großes dialektisches Geschrei und verlieren sich in rhetorischen Spitzfindigkeiten. Diese gottselige Frau aber, sie betont nur das Eine, Notwendige. Sie schöpft aus ihrer inneren Fülle und gießt sie aus." Zusammenfassend schreibt Maura Böckeler: „So verlief die Sendung Hildegards in die Kirche ihrer Zeit. Letztlich ist sie nichts anderes als ein lebendiges, aus glühendem Herzen und geistberührter Seele hervorbrechendes Echo auf die Reform Gregors VII., des ehemaligen Mönches von Cluny. Immer erweckt der Geist Gottes in Zeiten, da die Liebe erkaltet, Männer und Frauen, die wie ein Pfingststurm das Feuer, das vom Himmel her in sie hineingefallen ist, über den Erdkreis jagen."

Manches an ihrer Gelehrsamkeit und ihrer Spiritualität können wir schwer erklären. Auch wenn sie durch das Stundengebet mit Grund- und Schlüsselworten der lateinischen Sprache vertraut ist, so kommt ihr Latein doch rasch an Grenzen. In ihrer „Lieblingsnonne" und Sekretärin Richadis von Stade und in ihren Sekretären Volmar, später Gottfried und Wibert von Gembloux hat sie tüchtige Mitarbeiter, die vor allem ihre Visionen zur Darstellung bringen.

Über einige Jahrzehnte vor allem des vergangenen Jahrhunderts war das neue Interesse an Hildegard sehr stark auf Randerscheinungen in ihrem Leben und Wirken gelenkt worden. Es ging um die Hildegard-Medizin, um eine direkte Anwendung ihrer Heilkunde, um Esoterik, um ihre Verwandtschaft mit dem heutigen Feminismus, ja streckenweise auch um Magie. Dies sind gewiss Ausstrahlungen der Kernideen und Grunderfahrungen der Prophetin vom Rhein. Aber ohne kritische Rückbindung an die zentralen Zeugnisse und Schriften sind dies letztlich doch Abwege, die den Zugang zur authentischen Hildegard eher verstellen. Um dieses Zentrum zu verstehen, muss man vor allem auf die drei Schriften zurückgehen, die Hildegards Visionen enthalten: das schon genannte Werk Scivias, Wisse die Wege (1141-1151), den Liber Vitae Meritorum (1158-1163), das Buch der Lebensverdienste, und den Liber Divinorum Operum (1165-1174), das Buch der göttlichen Werke. Dieses letzte Buch mit den Kosmos-Visionen gilt als ihre höchste und zentrale schöpferische Leistung. Zwischen 1150 und 1160 entstehen die naturkundlichen und medizinischen Schriften, die nach heutiger Erkenntnis Kompilationen aus volkskundlichen Erfahrungen, klassischer Überlieferung und christlicher Tradition darstellen. Bereits im 13. Jahrhundert wurde das nicht erhaltene Originalwerk aufgeteilt „Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum" in „Physica" und „Causae et curae". Hinzukommen die 390 Briefe, von denen schon die Rede war.

Daneben gibt es kleinere Schriften wie die Erklärungen der Benediktsregel, der Evangelien, des Credo und Lösungen vorgelegter theologischer Fragen, Heiligenviten, vor allem aber ein umfassendes lyrisches und musikalisches Opus (Ordo virtutum, Hymnen, Sequenzen). Diese Gedichte, Lieder und Gesänge sind vielfach übersetzt und teilweise oft unter dem Titel „Symphonia" veröffentlicht worden. Das Kölner Ensemble für Musik des Mittelalters, Sequentia, hat das Gesamtwerk Hildegards bei der Deutschen Harmonia Mundi eingespielt (5 CDs).

Die heilige Hildegard gilt als eine in der europäischen Geistesgeschichte einzigartige Erscheinung. Man hat sie auch die klügste Frau des Mittelalters genannt. Von keiner Frau des Mittelalters haben wir so viele literarische Zeugnisse erhalten bekommen.

Es gibt in dieser Hinsicht einen starken Wandel in der Einschätzung der Bedeutung der heiligen Hildegard, z.B. auch im Verhältnis zur Philosophie und zur Philosophiegeschichte. Die älteren verdienstvollen Werke von E. Gilson, B. Geyer, M. de Wulf nennen die heilige Hildegard in diesem Kontext überhaupt nicht. Eine aufschlussreiche Stellung nimmt K. Flasch ein, der in der ersten Auflage seines bekannten Buches „Das philosophische Denken im Mittelalter" sie nicht einmal beim Namen nennt, in der zweiten Auflage aber ausführlich behandelt, wenn auch etwas klischeehafte Urteile bleiben. Aber in angesehenen Lehrbüchern und Synthesen erhält sie heute einen beachtlichen Platz, der philosophisch begründet wird. Dabei wird jedoch nach dieser Auffassung das Denken Hildegards, das auf einen „Symbolismus" des 12. Jahrhunderts eingegrenzt wird, von einer neuen rationalen Reflexion abgelöst, der die Zukunft gehöre.

In einer Zeit, die auch in der Philosophie in reichem Maß den eigenen Rang des Bildes, der Metapher, des Symbols und der Narrativität entdeckt hat und dabei auch den Sinn des Wortes „Vernunft" entgrenzt, ist dies eine keineswegs akzeptable Verkürzung. Sie entspricht auch nicht der heutigen hermeneutischen Situation.

Es gab bei aller Anerkennung der „prophetissa teutonica" im Lauf der Jahrhunderte - wie schon gesagt - immer auch ein Auf und Ab in der Rezeption und in ihrer Wertschätzung. Wenn wir heute die heilige Hildegard mit sehr viel mehr Differenzierungen verstehen, ist dies auch ein Erfolg der immens fleißigen wissenschaftlichen Erforschung im 20. Jahrhundert. Außer dem Heidelberger Medizinhistoriker Heinrich Schipperges, dem wir viele Veröffentlichungen verdanken, ist es nicht zuletzt ein Hauptverdienst der Abtei Eibingen, viele aufklärende Studien und vor allem kritische Editionen und Übersetzungen aufbereitet und zur Verfügung gestellt zu haben. Ich nenne nur die Schwestern Maura Böckeler, Angela Carlevaris, Adelgundis Führkötter, Marianne Schrader, Walburga Storch, Cäcilia Bonn und heute fortgesetzt von Schwester Maura Zátonyi, unterstützt von den Äbtissinnen Schwester Edeltraud Forster und Schwester Clementia Killewald. Dazu zählen noch viele Forscherinnen und Forscher im In- und Ausland, nicht zuletzt auch Übersetzerinnen und Übersetzer. Ich will hier ganz besonders Professor P. Dr. Rainer Berndt SJ nennen, Hugo von St. Viktor-Institut, Frankfurt am Main/St. Georgen, dem wir nicht nur den Kongress im Jahr 1997 und auch den geplanten Kongress im Februar/März 2013, sondern vieles andere verdanken.

III. Bedeutung für die Gegenwart

Es besteht kein Zweifel, dass die heilige Hildegard gerade auch infolge dieser neueren Forschungen mit vielen guten Gründen zur Ehre einer Kirchenlehrerin erhoben wird. Gerade durch diese Auszeichnung entsteht aber auch eine andere Aufgabe. Wir dürfen nämlich nicht nur nach rückwärts schauen und ihre geschichtliche Gestalt bewundern und preisen. Wenn sie nun durch ihr Leben in Heiligkeit, durch ihre tiefe Erkenntnis göttlicher Dinge und durch ihre vielfältige Spiritualität für die ganze Kirche als vorbildlich erklärt wird, dann müssen wir ihre Bedeutung auch in unsere Gegenwart übersetzen. Dies ist, so bin ich der Meinung, der schwierigere Teil des Auftrags, den uns das Fest anvertraut.

Schon die letzten Jahrzehnte, die die Popularität der heiligen Hildegard außerordentlich verbreitet haben, sind uns dabei eine Warnung. Wir dürfen die heilige Hildegard nicht kurzsichtig bestimmten Bedürfnissen von heute ausliefern. Wir haben zur Genüge erlebt, wie einzelne Phänomene, wie die Hildegard-Medizin und viele esoterische Einzelheiten, nicht Randerscheinungen bleiben, die von der radikalen Mitte ihres Denkens in ihrer begrenzten Bedeutung sichtbar gemacht werden können, sondern selber in das Zentrum des Interesses rücken. Es ist eine große Hilfe, dass wir in den letzten Jahrzehnten die drei großen zentralen Schriften mit den Visionen in ihrem ganzen Gewicht, einschließlich der Illustrationen, tiefer verstehen lernten. So zeigt es sich, dass es bei der heiligen Hildegard besonders schwierig ist, einzelne Details, und seien sie noch so aufschlussreich, aus dem Ganzen zu isolieren.

Aber gerade der universale Zusammenhang aller Dinge aus der radikalen theologischen und spirituellen Mitte her macht auch eine Umsetzung ihrer Bedeutung für heute nicht leicht. Wir sind in der Theologie daran gewohnt, dass wir heute in relativ abstrakten und rationalen Kategorien denken und sprechen. Natürlich gibt es bei Hildegard diese Rationalität auch, die freilich immer auch durchdrungen ist von einer inneren Nähe, von der Verwandtschaft zur Sache („connaturalitas"). Hier kommt die platonisch-augustinische Linie im Verständnis menschlicher Erkenntnis zur Geltung: Man muss besonders in der personalen Begegnung und in Beziehungen des Glaubens zu einer bestimmten Sache und erst recht zu einer Person eine gewisse Zuneigung und Sympathie haben, um sie wirklich verstehen zu können. Heute nennen wir dies Empathie. Bei Hildegard ist dies die Liebe.

In der Mitte der theologischen und spirituellen Gedanken der heiligen Hildegard steht die Schöpfung. Schöpfung ist aber nicht einfach Natur im heutigen Sinne. Sie weist nämlich immer schon auf ihren Urheber, Gott den Schöpfer, zurück. Er hat ganz bewusst den Menschen in die Mitte der Schöpfung gestellt. Es ist Gottes auserwählende Liebe zum geschöpflichen Dasein. Dies zeigt sich besonders in der Vernunftanlage („rationalitas") des Menschen, die ihn befähigt, Gott und in ihm alle Dinge zu erkennen, ihn zu loben und die Absicht Gottes in der Welt zu verwirklichen. Dadurch wird der Mensch von Gott geehrt. Gott bezieht also den Menschen in seine eigene Liebe zur Schöpfung ein. Aber dabei kann der Mensch versagen und die Schöpfung missbrauchen. Es gibt bei der heiligen Hildegard eine richtige „Klage der Elemente". Aber deswegen nimmt Gott dem Menschen nicht die Größe seiner Schöpfung. Der Mensch soll diese seine Welt in aller Nüchternheit durchforschen, ja er soll sie ganz und gar durchdringen („perpenetrare"). Er soll sich selbst in seiner schöpferischen Begabung vor Gottes Angesicht in der Mitte der Schöpfung verwirklichen. Aber er soll sich nicht selbst ins Zentrum der Welt stellen. Die ganze Schöpfung dreht sich hin zu Gott. Sie dreht sich nicht einfach nur um den Menschen. Diese Sicht des Menschen ergibt eine eigentümliche, für uns ungewohnte Stellung. Aber wir dürfen diese nicht im neuzeitlichen Sinne anthropozentrisch verstehen, sodass der Mensch sich und seinen Bedürfnissen sowie Zielen alles unterordnet. Die anthropologische Stellung bringt zugleich eine sehr umfassende und ausgewogene Verhältnisbestimmung von Gott, Mensch und Welt.

Dies hat auch erhebliche Konsequenzen für das Verständnis der geschaffenen Wirklichkeit. Hildegard sieht Mensch und Welt, Leib und Seele, Natur und Gnade nie als isolierte Einzelerscheinungen. Gerade die Anthropologie reicht weit in die Kosmologie und damit auch in die Ökologie hinein. Die ganze Schöpfung erscheint immer wieder in der Verknüpfung eines lebendigen Zusammenhangs aller Erscheinungen. Hildegard benutzt für diesen innersten Zusammenhang der ganzen Schöpfung, vor allem auch für ihre „Stimmigkeit", worin sich die Kreaturen zuordnen und ergänzen, gerne das Wort „Symphonia", und dies besonders in den Gedichten und Gesängen. „Und so hat jedes Element seinen eigenen Klang, einen Urklang aus der Ordnung Gottes. All dieses Tönen aber vereinigt sich wie der Zusammenklang aus Harfen und Zithern." In dieser Symphonie wird die ganze Welt umfasst. „Von den kleinsten Dingen des Alltags bis hinein in die Unermesslichkeit der Sternenwelten, und mitten darin nun den Menschen, der da ist das Herz der Welt. Dass der ganze Leib Licht werde und lauter Musik, dass der ganze Kosmos zum Klingen komme und zu einer Harmonie, darin ist wohl die unvergleichliche Spiritualität dieses Weltbildes zu sehen, das immer nur von der Heilsgeschichte her zu deuten ist." Gerade in diesem Zusammenhang spielen die Farben auch eine große Rolle. Es ist besonders die „viriditas", was man mit Grünkraft übersetzen könnte. Dies ist ein Herzwort der Prophetin. Physische Dimension und seelische Realität werden hier eins. Damit ist das Leben der Schöpfung gemeint, aber auch die Erneuerung durch den Heiligen Geist. Durch die Gewalttätigkeit des Menschen ist diese Grünkraft der Schöpfung geschwächt. Sie wird vom Verdorren bedroht und bedarf ständiger Pflege. Doch bleibt sie eine Kraft aus der Güte Gottes, die in der Lage ist, alles zu erneuern. „Von der Sterblichkeit geht kein Leben aus, sondern Leben besteht eben nur im Leben. Kein Baum grünt ohne Kraft zum Grünen, kein Stein entbehrt der grünen Feuchtigkeit, kein Geschöpf ist ohne diese besondere Eigenkraft, die lebendige Ewigkeit selber ist nicht ohne die Kraft zum Grünen." Der Mensch muss sich immer wieder aus der Enge seines in sich zentrierten Ichs in die Weite führen lassen. Aus der Dürre hin zur grünenden Kraft, die besonders auch dem Gottesgeist zu eigen ist.

Es müsste jetzt eigens noch gezeigt werden, wie die Schöpfung ganz eng mit Jesus Christus verknüpft ist. Im Grunde zielt die Schöpfung auf die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Erst von ihm her wird alles wahr, was wir über die Schöpfung sagten. Dazu gehört aber auch die Einsicht, dass die Schöpfung vergänglich ist, aber durch die Auferstehung Jesu Christi und der Menschen gerettet wird. Hildegard blickt immer auch auf diese Vollendung. „Denn wer den Acker seines Leibes mit Umsicht („discrete") kultiviert, dem wird das Hereinbrechen des Endes nicht schaden, weil die Musik des Heiligen Geistes (symphonia Spiritus Sancti) und ein Leben in Freude (vita laeta) ihn aufnehmen." Auch hier gibt es und zwar erst recht eine „Symphonia" der untereinander eng verbundenen Glaubensgeheimnisse. Hier gebraucht Hildegard immer wieder das Bild des Kreises.

Unterhalb und in der Folge dieser tiefen Grundlagen werden Konsequenzen sichtbar, die auch einen hohen praktischen und ethischen Rang haben. Die heilige Hildegard betrachtet mit großer Entschiedenheit unsere Welt als von Gott gut geschaffen. Sie schließt nicht die Augen vor der Sünde und dem Bösen, die viel Zerstörung und Disharmonie in die Schöpfung brachten. Deshalb kommt alles auf die Umkehr des Menschen an. Mit dieser zuversichtlich gestimmten Schöpfungstheologie kämpft Hildegard aber gegen einen in der zeitgenössischen Theologie durchaus spürbaren Einfluss des Neuplatonismus und ganz besonders gegen alle manichäisch-dualistischen Tendenzen, die den Rang der Materie herabsetzen und abwerten. Dies wird bei Hildegard vielleicht am stärksten sichtbar in der sehr positiven Sicht der Leiblichkeit und in einer immer wieder überraschend unbefangen betrachteten Geschlechtlichkeit des Menschen. Dies hat bei Hildegard auch Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Sie denkt zwar in der Beziehung zwischen beiden durchaus konservativ im Sinne einer Unterordnung der Frau unter den Mann. Aber innerhalb dieses Gefüges gibt es doch ganz kräftige korrigierende Akzente. So gibt es eine sonst keineswegs selbstverständliche Gleichrangigkeit der Gottebenbildlichkeit des Mannes und der Frau. Dabei wird auch der menschliche Leib in diese Gesamtwertung einbezogen. Jungfräulichkeit und Mutterschaft werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern in einer wechselseitigen Bedingtheit dargestellt. Bei allen Einflüssen Augustins wird die Ehe positiv umschrieben. Die Frau ist bei Hildegard nicht schlechthin schwach, sondern „mollioris roboris", was man mit „von sanfterer Kraft" übersetzen könnte, so wie die männliche Stärke durch „mansuetudo" modifiziert werden muss, also durch Milde.

Dies ist auch der Hintergrund, warum die heilige Hildegard vor allem in ihren älteren Jahren heftig gegen die sogenannten Katharer ankämpft, eine sektenähnliche Bewegung, die zwar aszetisch motivierte Wurzeln hat, aber dennoch zu einer grundsätzlich negativen Bewertung vor allem des geschaffenen Leibes kam. Die schon erwähnten Predigtreisen Hildegards an den Rhein und in den Südwesten sind von der Abwehr dieser dualistisch eingefärbten Bewegung motiviert. Es gibt bei den Katharern eine besonders dramatische Kritik der Ehe, aber auch an dem Status der Frau. Zum Teil stehen wohl bei den Katharerinnen auch sexuelle und häusliche Gewalterfahrungen im Hintergrund: „Die Ehe hat keinen Wert"; „Frauen sind Dämonen". Hier wird die heilige Hildegard von ihrer Spiritualität und Theologie her eine heftige Bekämpferin dieser häretischen Bewegung; Hildegard hat bei der Verteidigung des menschlichen Leibes und der geschaffenen Wirklichkeit überhaupt durch ihre Stellung als Ordensfrau eine eigene Glaubwürdigkeit.

Ich bin gewiss, dass diese Bedeutung der heiligen Hildegard für uns heute in vielen Hinsichten noch ergänzt und vor allem vertieft werden kann. Diese Umsetzung kann selten unmittelbar sein. Hildegard bleibt uns bei aller Nähe in manchen Gedanken fremd und bedarf einer sorgfältigen Interpretation. Dann werden wir auch in einer authentischen Weise bereichert. Die nächste Zeit muss nach vielen gründlichen historischen und editorischen Arbeiten dieser Aufgabe gehören. Dabei ist die systematische Theologie in besonderer Weise gefordert. Aber dabei werden wir viel Geduld brauchen (vgl. den geplanten Hildegard-Kongress im Februar/März 2013 in Mainz).

Vielleicht darf am Ende das stehen, was der Chronist über die letzten Lebensjahre der heiligen Hildegard berichtet: „Denn es brannte in ihrer Brust eine so gütige Liebe, dass sie keinen aus ihrem Wirkungskreis ausschloss. ... Da aber ‚der Brennofen die Gefäße des Töpfers prüft‘ (Sir 27,6 Vg.) und ‚die Tugendkraft in der Schwäche vollendet wird‘ (2 Kor 12,9), blieb sie etwa seit ihrer Kindheit nicht verschont von häufigen und fast ununterbrochenen schmerzhaften Krankheiten, so dass sie äußerst selten ihre Füße zum Gehen nutzte, und da die gesamte Konstitution ihres Fleisches unbeständig war, war ihr Leben wie das Abbild eines kostbaren Todes. Was aber den Kräften des äußeren Menschen fehlte, das wuchs dem inneren Menschen durch den Geist des Wissens und der Stärke zu, und während ihr Körper verfiel, brauste auf wunderbare Weise die Glut ihres Geistes auf."

Der Schluss dieser „Vita" hebt hervor, dass Hildegard nachdem sie „dem Herrn in zahlreichen schweren Kämpfen treu gedient hatte [Lebensüberdruss ergriff] und sie begehrte täglich, ‚abgelöst zu werden und bei Christus zu sein‘ (Phil 1,23). Gott erhörte ihren Wunsch, und wie sie es selbst zuvor begehrt hatte, offenbarte er ihr im prophetischen Geist ihr Ende, das sie auch ihren Schwestern ankündigte. Nachdem sie sich eine Zeitlang mit ihrer Krankheit abgemüht hatte, wanderte sie also im 82. Jahr ihres Lebens am 17. September in glücklichem Heimgang zu ihrem himmlischen Bräutigam."

IV. Dank an den Heiligen Vater

Vielen gebührt Dank. Der größte Dank gehört Papst Benedikt XVI. für seinen Mut, die heilige Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin zu erheben. Vielleicht wird seine Einstellung zu ihr aus einem kleinen Grußwort gut erkennbar, das er 1994 an Tagungsteilnehmer eines Internationalen Hildegard-Symposions gerichtet hat, zu dem er eingeladen war: „Gerne hätte ich die Einladung angenommen, zu Ihrer Tagung über Hildegard von Bingen zu kommen, zumal mich die Gestalt dieser Frau von Jugend an fasziniert hat. Mein Interesse war zu Beginn der vierziger Jahre durch den damals populären Roman von Hünermann ‚Das lebendige Licht‘ geweckt worden; dieser erste Zugang ermutigte mich später, der Quelle dieses Lichtes ein wenig mehr nachzugehen, auch wenn ich leider nie zu eigentlichen Hildegard-Studien die Zeit gefunden habe. Heute steht Hildegard in ihrer ganzen kühnen Universalität vor uns. Wir fühlen uns angesprochen durch ihre liebevolle Zuwendung zu den heilenden Kräften der Schöpfung wie durch ihre vielseitige künstlerische Begabung; vor allem aber durch ihre eindringliche Glaubensverkündigung; sie ist uns daher nahe als eine Frau, die Christus in seiner Kirche liebte, aber nichts von Weltfremdheit oder Ängstlichkeit zeigt, sondern gerade von ihrer Berührung mit dem Geheimnis Gottes her ihrer Zeit das rechte Wort furchtlos und frei zu sagen vermochte. In der Krise des Menschenbildes, die wir durchschreiten, hat Hildegard Wesentliches zu sagen. So wünsche ich Ihnen fruchtbare Gespräche, damit die Botschaft Hildegards in ihrer unverblassten Aktualität neu gehört und verstanden wird."

(MBN)

 

Erinnern - Bewahren - Weitergeben

Wort der deutschen Bischöfe zum Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils

Fulda/Mainz. Anlässlich des Auftakts der Jubiläumsfeierlichkeiten zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren haben die deutschen Bischöfe ein gemeinsames Wort vorgelegt. Wir dokumentieren im Folgenden den Wortlaut des Textes:

„Alle Konzilien, ..., die im Laufe der Geschichte gefeiert wurden, bezeugen offensichtlich die Lebenskraft der katholischen Kirche und zählen in den Annalen zu den strahlenden Lichtern." So sah es der selige Papst Johannes XXIII. bei der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962 - also vor fast genau 50 Jahren -. Seine Eröffnungsansprache lässt uns noch heute den Geist des Aufbruchs und die Hoffnungen spüren, die das Konzil weit über den Raum der Kirche hinaus weckte. Die Älteren unter uns werden sich an die umfangreiche Berichterstattung in den Medien und die beeindruckenden Bilder erinnern, die damals um die Welt gingen. Unvergessen ist sicher der feierliche Einzug der fast 2.500 Bischöfe aus aller Welt in den Petersdom. Doch auch wer keine persönlichen Erinnerungen mit dem Konzil verbindet, weiß, dass das Zweite Vaticanum eine grundlegende Erneuerung eingeleitet hat, die das Leben der Kirche bis in die Gegenwart prägt und auch zukünftig prägen wird. Für die jüngeren Generationen in der Kirche ist das Konzil allerdings bereits ein Ereignis der Geschichte. Umso wichtiger ist es, die Beschlüsse und richtungweisenden Reformen immer neu ins Gedächtnis zu rufen. Welches sind die wesentlichen Elemente dieser Reform?

I.

Wie die vorangegangenen Konzilien stand auch das Zweite Vaticanum vor der Aufgabe, die überlieferte Lehre so zu erforschen und auszulegen, wie es die Gegenwart erfordert. Genau dies meint das viel zitierte Wort „aggiornamento". Denn die Treue zur Tradition besteht nicht darin, einfach an den alten Formen und Gestalten festzuhalten, sondern die Verkündigung der Kirche so zu reformieren, dass die Tradition lebendig und wirksam bleibt. Die Treue zur Tradition schließt daher immer die Bereitschaft zur Reform ein. Jede Reform der Kirche zielt darauf, das Evangelium Jesu Christi in Wort und Tat so zu verkünden, dass es von den Menschen angenommen und in ihrem Leben fruchtbar werden kann. Die Botschaft der Kirche muss daher immer in Bezug zu den Herausforderungen der jeweiligen Gegenwart gesetzt werden. „(...) es ist nicht unsere Aufgabe", mahnte Papst Johannes XXIII. die Konzilsteilnehmer, „diesen kostbaren Schatz (des Evangeliums) nur zu bewahren, als ob wir uns einzig und allein für das interessieren, was alt ist, sondern wir wollen jetzt freudig und furchtlos an das Werk gehen, das unsere Zeit erfordert, und den Weg fortsetzen, den die Kirche seit zwanzig Jahrhunderten zurückgelegt hat."

Mit dem Konzil ist also keine neue Kirche entstanden; es hat auch nicht einfach mit dem Alten gebrochen und an dessen Stelle Neues gesetzt. Es reihte sich vielmehr in eine zweitausendjährige Kirchengeschichte ein und setzt das Werk der vorangegangenen Konzilien in der Gegenwart fort. Die Konzilsväter wollten die überlieferte Lehre wieder neu zum Sprechen bringen, um den Menschen von heute einen Zugang zum katholischen Glauben zu eröffnen. Dies zeigt sich in den großen Konzilsdokumenten über die Liturgie, die Kirche, das Wort Gottes und das Verhältnis der Kirche zur modernen Welt:

Am deutlichsten sichtbar wurde die vom Konzil eingeleitete Reform der Kirche in der Erneuerung der Liturgie. Gemäß dem Zweiten Vaticanum ist die Liturgie der Kirche, besonders die eucharistische Liturgie, Höhepunkt und Quelle allen kirchlichen Tuns. Als solche ist sie stets Feier der ganzen Gemeinde. Der Gekreuzigte und Auferstandene wird gegenwärtig im Wort, im Sakrament, in der Person des Priesters und in allen Versammelten. Er selbst handelt als Hoherpriester. Die Teilhabe der Gläubigen am Priestertum Christi kraft der Taufe erfordert von der feiernden Gemeinde die geistliche Haltung tätiger Teilnahme am liturgischen Geschehen. Um dies zu fördern, hat das Konzil die Erneuerung der Liturgie angeregt und den Gebrauch der Muttersprache in der Liturgie ermöglicht. Den Glanz edler Einfachheit und die Durchschaubarkeit der Riten wünschten die Konzilsväter (SC 34). So war es denn auch nicht verwunderlich, dass das von Papst Paul VI. herausgegebene Messbuch in allen Teilen der Weltkirche rasche und breite Zustimmung fand.

Es war den Konzilsvätern ein besonderes Anliegen, das Wesen und den Auftrag der Kirche als „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" (LG 1) näher zu erklären. Dies ging zusammen mit einem neuen Bewusstsein für die tiefe Verwurzelung der Kirche im dreifaltigen Gott sowie für ihre Zuwendung zu allen Menschen und für die gesellschaftliche und kirchliche Sendung aller Gläubigen. Die Konzilsväter machten deutlich, dass es keinen Gegensatz zwischen Amtsträgern und Laien gibt, sondern dass beide auf der Grundlage des gemeinsamen Priestertums durch Taufe und Firmung aufeinander bezogen sind. Die Kirche und ihre Ämter sind von ihrem Dienst her zu verstehen. Um ihren Auftrag erfüllen zu können, bedarf es immer wieder der Erneuerung ihrer Heiligkeit in allen Gliedern.

Ebenso wichtig war es den Konzilsvätern, die göttliche Offenbarung in den Blick zu rücken, in der Gott sich selbst von Anfang an den Menschen zuwendet (vgl. DV 3), die durch die Menschwerdung seines Sohnes ihren Höhepunkt findet (vgl. DV 2) und die im Wort der Heiligen Schrift in besonderer Weise vermittelt ist (vgl. DV 11). Deshalb ist es den Konzilsvätern ein Anliegen, das ganze kirchliche Leben am Wort Gottes auszurichten und den Gläubigen einen neuen Zugang zur Heiligen Schrift zu eröffnen (vgl. DV 22). Die Konzilsväter haben uns wieder bewusst gemacht, dass „jede kirchliche Verkündigung sich von der Heiligen Schrift nähren und sich an ihr orientieren (muss)" (DV 21). Denn Gott offenbart sich uns in seinem Wort in der Heiligen Schrift, wie die Offenbarungskonstitution hervorhebt. Somit kommt der Heiligen Schrift ein sakramentaler Charakter zu und ist die Schriftverkündigung im Gottesdienst auch ein sakramentales Geschehen. Die Kirche mit ihrem Verkündigungs- und Auslegungsauftrag steht nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm. Sie muss mit dem Beistand des Heiligen Geistes zuerst auf das Wort Gottes voll Ehrfurcht hören, es unversehrt bewahren und treu auslegen (vgl. DV 10).

In der Pastoralkonstitution machen die Konzilsväter deutlich, dass die Kirche eine Kirche für die Menschen und bei den Menschen sein muss, um Kirche Jesu Christi sein zu können. „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi (GS 1). Das Konzil machte den Gläubigen deshalb Mut, sich den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen, um ihr eigenes Leben und das Leben der Gesellschaft aus dem Glauben heraus zu gestalten. Es forderte alle Glieder der Kirche auf, sich selbstbewusst und ohne innere Vorbehalte mit den Fragen der Gesellschaft und der Kultur zu beschäftigen. Die Konzilsväter sprachen sogar von der „Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Lichte des Evangeliums zu deuten" (GS 4).

Schließlich hat das Konzil grundlegende Impulse zur Ökumene wie auch zum Dialog mit den anderen Religionen und allen Menschen guten Willens gegeben. Es ermutigte die Gläubigen dazu, allen Menschen offen und vorurteilsfrei zu begegnen. Die Religionsfreiheit ist Ausdruck der Würde, die jedem Menschen eigen ist (vgl. DH 2). Dialog im Sinne einer ernsthaften und zielgerichteten Begegnung auf der Suche nach Wahrheit ist das Schlüsselwort in der Zuwendung der Kirche zur Welt. Mit großer Dankbarkeit sehen wir heute, wie eng wir mit Christen aller Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, insbesondere unseren orthodoxen und evangelischen Mitchristen zusammenarbeiten. Dabei bleibt das vom Konzil aufgezeigte Ziel der Wiederherstellung der Einheit aller Christen eine unverzichtbare Gegenwartsaufgabe. Dankbar dürfen wir auch darauf schauen, wie sehr sich das Verhältnis zur jüdischen Gemeinschaft verbessert hat und wie viel gegenseitiges Verständnis in unseren Beziehungen zu den Muslimen in unserem Land gewachsen ist. Der durch das Konzil angestoßene interreligiöse Dialog zeigt sich heute in seiner ganzen Bedeutung für die Zukunft der Menschheit.

Die konziliaren Leitgedanken zur Reform der Kirche haben die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (1971 bis 1975) und die Pastoralsynode der Katholischen Kirche in der DDR (1973 bis 1975) aufgegriffen und für die kirchliche Arbeit im damals noch geteilten Deutschland fruchtbar gemacht.

II.

Das Konzil ist nicht nur ein bedeutendes Ereignis der Vergangenheit. Das Konzil bleibt auch heute eine wichtige Orientierungsmarke auf dem Weg der Kirche. Es sind auf dem Fundament des lebendigen Glaubens der Kirche vor allem der Mut und die Zuversicht, mit der die Konzilsväter sich den Fragen und Herausforderungen innerhalb und außerhalb der Kirche gestellt haben, die uns auch heute noch beeindrucken und die wir uns zum Vorbild nehmen dürfen. Unsere Gegenwart ist ja an Herausforderungen nicht ärmer.

Zu diesen Herausforderungen gehört zunächst die Krise des Glaubens in unserem Land. Der christliche Glaube hat aufgehört, eine Selbstverständlichkeit zu sein, und ist zu einer Option unter vielen geworden. Christen werden in einem deutlich höheren Maße als früher angefragt und sind in ihrem Glauben angefochten. Nicht wenige haben in den vergangenen Jahren die Kirche verlassen oder sind innerlich auf Distanz zur Kirche gegangen. In den Augen vieler hat die Kirche an Glaubwürdigkeit verloren. Wir stehen heute vor der Aufgabe, den Glauben so zu verkünden und zu leben, dass er wieder zu einem anziehenden und überzeugenden Angebot wird. Wir sind daher dem Heiligen Vater dankbar, dass er Initiativen zur Neuevangelisierung Europas ergriffen und zu Beginn des Konzilsjubiläums ein Jahr des Glaubens ausgerufen hat. Von der Bischofssynode zur Neuevangelisierung, die am 7. Oktober 2012 in Rom beginnt, und vom Jahr des Glaubens 2012/13 dürfen wir auch wichtige Impulse für die Kirche in Deutschland erwarten.

Ebenso stehen wir vor der Herausforderung, den hohen Anspruch des Evangeliums an die Lebensführung des Einzelnen so zu verkünden, dass er nicht mit einem moralischen Rigorismus verwechselt wird. Es ist die bleibende Aufgabe der kirchlichen Verkündigung, diesen Anspruch immer wieder neu in die sich wandelnde Lebenswirklichkeit zu übersetzen. Der moralische Ernst, der zur Nachfolge Christi gehört, darf uns zudem nicht vergessen lassen, dass wir alle - der Einzelne wie auch die Kirche - von der Barmherzigkeit Gottes leben.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Christen nachdrücklich aufgefordert, sich den gesellschaftlichen und politischen Fragen zu stellen und mit allen Menschen guten Willens nach überzeugenden Lösungen zu suchen. Deshalb dürfen wir uns auch in einer von vielen als unübersichtlich und bisweilen sogar bedrohlich empfundenen Gegenwart nicht auf uns selbst zurückziehen, sondern müssen uns mit Zuversicht den schwierigen Fragen der Globalisierung, der internationalen Gerechtigkeit und Solidarität, des Schutzes des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum Tod und der ökologischen Krise stellen. Die Lösung dieser Probleme erfordert ein gemeinsames Nachdenken, das offene Fragen und das aufrichtige Ringen um überzeugende Antworten zulässt.

III.

Der Mut und die Zuversicht, die Papst Johannes XXIII., seinen Nachfolger Papst Paul VI. und die Konzilsväter beseelten, haben ihre Quelle nicht in einem allgemeinen Optimismus oder Fortschrittsglauben, sondern im Glauben daran, dass Christus seine Kirche auf dem Weg durch die Geschichte begleitet. Die Gegenwart Christi in seiner Kirche erfahren wir vor allem in der Feier der Eucharistie, die das Konzil zu Recht „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens" (LG 11) nennt. Aus der sakramentalen Verbindung mit Christus wachsen Mut und Zuversicht, sich den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen. Deshalb gehören der Gesprächsprozess, der Nationale Eucharistische Kongress 2013 in Köln und die Jubiläen des Konzils sowie der Synoden in Würzburg und Dresden innerlich zusammen.

Wir Bischöfe laden Sie ein, in den kommenden Jahren mit uns das Konzilsjubiläum zu feiern und sich im Lichte des Konzils den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Wir laden alle Gläubigen und insbesondere alle, die für die Verkündigung Verantwortung tragen, ein, den Glauben lebensnah und glaubwürdig zu bezeugen, die Liturgie würdig zu feiern und sich engagiert an der Gestaltung des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens zu beteiligen.

Fulda, den 27. September 2012

(MBN)

 

Berichte

Vor 50 Jahren wurde das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet

Öffentlichkeitsarbeit stellt neues „Konzilsportal" online - Fotos von Bischof Volk

Mainz. Anlässlich des 50. Jahrestages der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils (11. Oktober 1962) hat die Öffentlichkeitsarbeit des Bistums Mainz ein neues Internetportal freigeschaltet. Die Internetseite www.bistum-mainz.de/konzil ist auch ein Beitrag des Bistums zum „Jahr des Glaubens", das Papst Benedikt XVI. zum Konzilsjubiläum ausgerufen hat.

Auf den neuen Internetseiten ist der „Mainzer Blick" auf das Konzil zu finden. Kernstück des Portals sind Fotoaufnahmen, die der damalige Mainzer Bischof, Hermann Volk, als Teilnehmer des Konzils selbst gemacht hat. Die etwa 100 Fotoaufnahmen, die vom Bischöflichen Dom- und Diözesanarchiv zur Verfügung gestellt wurden, zeigen einen einzigartigen Einblick in die Arbeit des Konzils aus nächster Nähe. In den Kategorien „Bischof Hermann Volk als Konzilsvater", „Die Konzilspäpste", „Persönlichkeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils" und „Konzilsimpressionen" kann der Internetnutzer sich diese Diaschau ansehen. Unter anderem sind auch die späteren Päpste Johannes Paul II. (Karol Wojtyla) und Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger) auf den historischen Fotoaufnahmen von Bischof Volk zu sehen.

Der heutige Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, hat von sich gesagt: „Ich bin ein Sohn, Erbe und Verteidiger des Konzils. Ich kann mich gar nicht denken ohne diese Erfahrungen." In zahlreichen Vorträgen, Referaten und Interviews hat er immer wieder die Bedeutung des Konzils für die Kirchengeschichte und für die Gesellschaft unterstrichen. Persönlichkeiten, die das Konzil geprägt haben - wie der Mainzer Bischof und spätere Kardinal Hermann Volk, die Kardinäle Julius Döpfner und Franz König und der Jesuitenpater Karl Rahner kommen in eigenen Beiträgen ebenso zur Sprache wie eine Würdigung einzelner Konzilsdokumente aus heutiger Sicht. Eine Auswahl dieser Texte aus den vergangenen Jahren bis in heutige Tage hinein finden sich ebenfalls im Internetportal. Aktuelle Veranstaltungen und Nachrichten rund um die Feierlichkeiten des Konzilsjubiläums in Rom und im Bistum Mainz ergänzen die Internetseiten. Wer sich lieber multimedial den Eindrücken des Konzils nähern will, der findet Videos und Radiobeiträge, auch aus der Arbeit der Rundfunkabteilung des Bistums. Ergänzt wird die Seite mit einer Linkliste. Das Portal soll im Verlauf des Konzilsjubiläums nach und nach mit weiteren Beiträgen - auch aus dem „Jahr des Glaubens" - ergänzt werden.

Hinweis: www.bistum-mainz.de/konzil

mk (MBN)

 

Rund 80.000 Euro für den Mainzer Dom

Benefiz-Dinner der Stiftung Hoher Dom zu Mainz im Hofgut Laubenheimer Höhe

Mainz. Das zweite Benefiz-Dinner der Stiftung Hoher Dom zu Mainz am Freitagabend, 5. Oktober, wird einen erwarteten Erlös von rund 80.000 Euro einbringen. 260 Gäste waren in das Hofgut Laubenheimer Höhe bei Mainz gekommen und hatten sich ein Drei-Gänge-Menü schmecken lassen. Veranstaltet wurde der Abend von der Stiftung Hoher Dom zu Mainz.

Initiator der Veranstaltung war Professor Wolfgang Strutz, der Mitglied des Stiftertages der Domstiftung ist. „Wir sind hier, damit auch die Generationen nach uns den Mainzer Dom so erleben können, wie wir heute das Glück haben", sagte Strutz in seiner Begrüßung. Ein erstes Benefiz-Dinner im Jahr 2009 hatte anlässlich des Jubiläums „1.000 Jahre Mainzer Willigis-Dom" stattgefunden.

Im Rahmen des Abends fand auch eine Diskussion zum Thema „Glaube und Glaubwürdigkeit" statt, an der der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, Professor Markus Schächter, ehemaliger Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) und Vorsitzender der Mainzer Domstiftung, sowie Professor Dr. Andreas Barner, Sprecher der Unternehmensleitung von Boehringer Ingelheim, teilnahmen. Lehmann unterstrich im Laufe des Gesprächs, dass zur Glaubwürdigkeit stets auch die Kompetenz gehöre. „Wir Menschen sehen alles stets nur aus einer bestimmten Perspektive. Deswegen muss es uns möglich bleiben, Fehler einzugestehen", sagte er. Weiter plädierte er für eine „aktive Kultur der Toleranz": Man müsse emphatisch dafür bleiben, was anderen heilig und wichtig ist.

Schächter unterstrich, dass qualitativer Journalismus von drei Faktoren lebe: Unabhängigkeit, Kompetenz und Professionalität. Durch die rasante Entwicklung des Internets sehe er diese Faktoren in Gefahr. „Es macht den öffentlichen Diskurs immer schwieriger, wenn stundenschnell auf im Internet verbreitete Behauptungen reagiert werden muss", sagte er. Dass in Deutschland seit 60 Jahren eine Demokratie funktioniere, sei auch den „erstklassigen publizistischen Medien" und dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Rundfunk zu verdanken. Barner wies unter anderem darauf hin, dass die Bankenkrise 2009 nicht dazu beigetragen habe, die Wirtschaft glaubwürdiger zu machen. Zwar werde oft Kritik an Wirtschaftsunternehmen geübt, allerdings „leben wir alle davon, dass Unternehmen erfolgreich sind", sagte er. Die Leitung des Gesprächs hatte der ZDF-Journalist Elmar Theveßen übernommen.

am (MBN)

 

Zwischen Tradition und Moderne

Missio-Gast Father John Willio Atit zu Gast bei Domdekan Heckwolf

Mainz. Anlässlich des „Monats der Weltmission" hat Domdekan Prälat Heinz Heckwolf, der auch Missionsdirektor des Bistums Mainz ist, Missio-Gast Father John Willio Atit zum Gespräch getroffen. Die Begegnung fand am Donnerstag, 4. Oktober, im Bischöflichen Ordinariat in Mainz statt. Begleitet wurde Atit, der aus Papua-Neuguinea stammt, von der neuen Missio-Diözesanreferentin Stefanie Völkl.

Father Atit wirkt als Bischofsvikar in der Hauptstadtdiözese Port Moresby. Er bereitet die Pastoralbesuche von Erzbischof John Ribat in den Pfarreien vor und koordiniert und leitet die pastoralen Aktivitäten seiner Diözese. Im Gespräch mit Domdekan Heckwolf unterstrich er, dass es die größte Herausforderung der Katholischen Kirche in seinem Land sei, die aufbrechenden Konflikte zwischen den verschiedenen Stämmen und Ethnien zu bewältigen. In Papua-Neuguinea, dem drittgrößten Inselstaat der Erde, gibt es über 830 verschiedene Volksgruppen. Die meisten Menschen in dem Land sind Christen, 27 Prozent sind katholisch. Atit wies darauf hin, dass die Menschen in der Hauptstadt zwischen Tradition und Moderne hin- und hergerissen seien. „Die meisten Städter haben das traditionelle Leben in den Dörfern verlassen, um eine bessere Perspektive in der Stadt zu finden", sagte er. Oft würden sie enttäuscht. Weiter sagte er, dass es eine wichtige Aufgabe der Kirche sei, die Menschen auf ihrem Weg in die Moderne zu begleiten. Für diesen Weg hat die Diözese unter anderem mit Hilfe von Missio einen Pastoralplan entwickelt.

Atit ist noch bis Montag, 8. Oktober, Gast im Bistum Mainz. Am Samstag, 6. Oktober, nimmt er beispielsweise ab 14.00 Uhr in der Pfarrgemeinde St. Bonifatius in Bad Nauheim am Missio-Spendertreffen teil. Darüber hinaus besucht er Schulen und Pfarreien in Bingen-Büdesheim, Darmstadt, Fürth, Gau-Algesheim, Gernsheim und Mainz. Der Monat Oktober ist traditionell der „Monat der Weltmission". Er steht in diesem Jahr unter der Überschrift „Dein Wort ist ein Licht für meine Pfade" und rückt die Arbeit der Katholischen Kirche in Papua-Neuguinea in den Fokus. Bei der Kollekte zum Sonntag der Weltmission wird am Sonntag, 28. Oktober, (und in den Vorabendmessen) für die Arbeit des Hilfswerkes Missio gesammelt.

Zum Abschluss seines Besuches im Bistum Mainz traf Atit am Montag, 8. Oktober, den Generalvikar des Bistums, Prälat Dietmar Giebelmann, zu einem Gespräch im Bischöflichen Ordinariat in Mainz. Atit berichtete Giebelmann über seine Besuche und Begegnungen im Bistum Mainz und zog eine positive Bilanz seines Aufenthalts in der Diözese.

Hinweis: Weitere Informationen zum Monat der Weltmission bei der Missio-Diözesanstelle, Stefanie Völkl, Tel.: 06131/253-269 oder -270, E-Mail: weltmission@bistum-mainz.de sowie im Internet unter www.missio.de

am (MBN)

 

„Seh' ich den Himmel"

Abschluss des Kultursommers Rheinland-Pfalz im Mainzer Dom

Mainz. Unter dem Motto „Seh' ich den Himmel ...(Ps 8,4) - Eine künstlerische Spurensuche" stand am Freitag, 28. September, die Abschlussveranstaltung des Kultursommers Rheinland-Pfalz 2012 im Mainzer Dom. Zu der Veranstaltung waren rund 600 Menschen in den Dom gekommen. Zu den Mitwirkenden des Kultursommerfinales mit künstlerischen Darbietungen und Gesprächsrunden gehörten der Kabarettist Lars Reichow, die Musiker „Falk & Sons", der Geiger Linus Roth, der Mainzer Domorganist Daniel Beckmann, der Domkammerchor unter Leitung von Domkapellmeister Karsten Storck, der Maler Bernd Zimmer sowie Karl-Heinz Steffens, Chefdirigent der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz; Büchner-Preisträger Arnold Stadler las aus seinem Roman „Salvatore".

An einer von zwei Gesprächsrunden beteiligten sich darüber hinaus die evangelische Theologin Margot Käßmann und der CDU-Politiker und frühere Bundesminister Heiner Geißler; moderiert wurden die Gesprächsrunden von Thomas Friedrich Koch vom Südwestrundfunk (SWR). Zu Beginn der Veranstaltung hatte der Mainzer Generalvikar, Prälat Dietmar Giebelmann, die Anwesenden begrüßt. Der Abend wurde vom Bistum Mainz, der Bistumsakademie Erbacher Hof und vom Kultursommer Rheinland-Pfalz veranstaltet. Der diesjährige Kultursommer stand unter der Überschrift „Gott und die Welt".

am (MBN)

 

Diözesanversammlung des Kolpingwerks

Toni Brunold als Diözesanvorsitzender wiedergewählt

Herbstein. Toni Brunold von der Kolpingsfamilie Alzey ist bei der Diözesanversammlung des Kolpingwerks im Bistum Mainz als Diözesanvorsitzender wiedergewählt worden. Die Diözesanversammlung fand am Samstag, 22. September, im Kolpingferiendorf Herbstein statt. Im Rahmen der Versammlung wurde auch das neue Referat „Beraten und Begleiten von Kolpingsfamilien" vorgestellt. Es soll gemeinsam mit den Kolpingsfamilien vor Ort Strategien für die lokale Kolpingarbeit entwickeln und helfen, das Profil der Kolpingsfamilien zu schärfen.

Darüber hinaus standen die Vorbereitungen zum 150-jährigen Bestehen des Kolpingwerkes im Bistum Mainz im Jahr 2014 im Mittelpunkt der Beratungen. Diözesangeschäftsführer Winfried Straube präsentierte unter anderem das Motto des Jubiläumsjahres „Werde Licht" sowie die neue Internetseite www.150jahre.kolping-dvmainz.de. Zu den Veranstaltungen im Jubiläumsjahr wird auch eine „soziale Aktionswoche" gehören, an der sich alle Kolpingsfamilien im Bistum Mainz beteiligen sollen. Um für diese Aktion und die anderen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr zu werben, wird der Diözesanvorstand im kommenden Jahr alle 72 Kolpingsfamilien der Diözese besuchen.

am (MBN)

Bilder zu Mainzer Bistumsnachrichten Nr. 35 vom 10. Oktober 2012

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