Speyer, Worms und Mainz digitalisieren Handschriften aus dem Mittelalter

Martinus-Bibliothek, Dommuseum, Diözesanarchiv und Archiv des Domchors beteiligt

Unter anderem wird das Chorbuch der Karmeliter aus dem Dommuseum Mainz (Signatur B 330 C, CC0) in der Universitätsbibliothek Mainz digitalisiert. (c) Foto/©: Christian George / UB Mainz
Datum:
Fr. 19. Apr. 2024
Von:
PM/tob (MBN)

Mainz. Mit einer Kick-off-Veranstaltung in der Universitätsbibliothek Mainz ist am Freitag, 19. April, ein Projekt zur Digitalisierung von 462 mittelalterlichen Handschriften aus den Bischofsstädten Speyer, Worms und Mainz gestartet worden. In dem Projekt werden einzigartige Kulturgutschätze erstmals hochwertig digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zudem wird ein Teil der Handschriften erstmalig wissenschaftlich beschrieben. Auf Antrag der Universitätsbibliothek Mainz, der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Mainz und des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Digitalisierung in den kommenden drei Jahren mit 310.000 Euro.

„A“-Initiale mit auferstandenem Christus vor innovativer Luftmalerei; Initiale mit reichem Rankenbesatz, gebändigten Drachen und über einer Jagdszene hinwegspringendem (Oster-) Hasen (Inv. Nr. B 00330 B, fol. 242v). Beginn der Verse Angelus Domini descendit de c[a]elo: et accedens revolvit lapidem, …  – Ein Engel des Herrn stieg vom Himmel herab, trat [an das Grab], wälzte den Stein [vom Eingang] hinweg … (Mt 28,2) (c) Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Mainz / Foto: Marcel Schawe

Als Kooperationspartner unterstützen die Martinus-Bibliothek Mainz und das Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek Leipzig das Projekt. „Die politische, religiöse und wirtschaftliche Spitzenstellung machte den Mittelrhein im Mittelalter zu einer herausragenden Region der Handschriftenproduktion“, betont Dr. Christian George von der Universitätsbibliothek Mainz. „Wir freuen uns daher sehr, dass wir diese Schätze nun digitalisieren und öffentlich zugänglich machen können.“

462 Handschriften mit rund 170.000 Seiten für die Zukunft gespeichert

Digitalisiert werden die mittelalterlichen Buchbestände aus öffentlichen Einrichtungen der Städte Speyer, Worms und Mainz – insgesamt 462 Handschriften mit etwa 170.000 Seiten. Dazu zählen beispielsweise so wichtige Schriften wie das aus dem neunten Jahrhundert stammende Sakramentar von St. Alban, das zu den ältesten Handschriften des Projekts gehört und in der Martinus-Bibliothek Mainz aufbewahrt wird, sowie die sechs großformatigen Chorbücher der Karmeliter aus dem Bestand des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums, mit deren Digitalisierung das Projekt begonnen hat. „Unter den 462 Handschriften befinden sich zahlreiche, die ins Hochmittelalter zu datieren sind, darunter einige, die aus dem zehnten oder sogar neunten Jahrhundert stammen. Der Schwerpunkt liegt aber auf der Zeit ab Ende des 14. Jahrhunderts“, ergänzt George, der als Leiter der Abteilung Archive und Sammlungen an der Universitätsbibliothek (UB) Mainz das DFG-Projekt koordiniert. 

Bistum Mainz mit 79 Handschriften vertreten

Das Bistum Mainz ist mit insgesamt vier Einrichtungen und insgesamt 79 Handschriften bei dem Projekt vertreten: die Martinus-Bibliothek mit 56 Handschriften, das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum Mainz mit 14 Handschriften, das Mainzer Dom- und Diözesanarchiv mit acht Handschriften sowie das Archiv des Mainzer Domchores mit einer Handschrift. Die Leiterin der Mainzer Martinus-Bibliothek, Dr. Hedwig Suwelack, würdigte in einem Grußwort bei der Startveranstaltung das Projekt: „Es bringt uns Einrichtungen zusammen und vereint die bedeutenden Kulturgüter digital und stellt diese für alle Menschen zur Verfügung. Auch die Tiefenerschließung der Handschriften aus Speyer und Worms wird ein wichtiger Beitrag zur Erschließung des kulturellen Raumes Mainz-Speyer-Worms leisten.“ Suwelack wird die Abnahme der Wasserzeichen der Wormser und Speyerer Papierhandschriften übernehmen, die Voraussetzung der Tiefenerschließung ist. Am Projekt „Digitalisierung mittelalterlicher Handschriftenbestände in den rheinischen Bischofsstädten Speyer, Worms und Mainz“ sind insgesamt 13 Kulturinstitutionen als Leihgeber beteiligt.

Ausstellung der Chorbücher aus dem Mainzer Karmeliterkloster (ab 8.11.)

Alle sechs Chorbücher der Mainzer Karmeliter, die Teil des Handschriften-Projektes sind, werden ab dem 8. November in einer Ausstellung des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums zu sehen sein. Die Sonderausstellung „Die ganze Welt auf Pergament. Die Chorbücher aus dem Mainzer Karmeliterkloster“ wird dort bis zum 23. März 2025 gezeigt und ist Auftakt der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des im Jahr 1925 gegründeten Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum Mainz. „Wir möchten die fragilen, einzigartigen Chorbücher der Karmeliter einer breiten Öffentlichkeit präsentieren,“ erklärt Dr. Anja Lempges, stellvertretende Direktorin des Dom- und Diözesanmusums. Die Chorbücher aus dem Bestand des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Mainz wurden ab 1430 für das Mainzer Karmeliterkloster geschaffen und waren wichtiger Bestandteil des Chorausstattung. Aus den Büchern wurde mehrfach am Tag und in der Nacht das für die Klerikergemeinschaft verpflichtende Chorgebet gesungen. So enthalten die Bände die Anfänge der 150 Psalmen sowie Antiphonen, Hymnen, Cantica und Responsorien und ein Band auch die wechselnden Gesänge für die Messfeier.

Projekt will Fragen der Kultur- und Überlieferungsgeschichte erforschen

Die reiche mittelalterliche Buchlandschaft der drei rheinischen Städte ist heute sehr unübersichtlich, nachdem die Kriege der Neuzeit und die Folgen der Französischen Revolution erhebliche Schädigungen verursacht hatten. Mit der umfassenden Digitalisierung und der Bereitstellung der Bilddaten will das Projekt Möglichkeiten eröffnen, übergreifende Fragen der Kultur- und Überlieferungsgeschichte zu erforschen. Der Nachweis der Handschriften erfolgt über das Handschriftenportal der Handschriftenzentren. Die Präsentation der digitalisierten Schriften übernimmt das Portal Gutenberg Capture der UB Mainz, die auch die Langzeitarchivierung und die freie Zugänglichkeit der produzierten Daten sicherstellt. 

Das Projekt wird ergänzt durch die Tiefenerschließung von 39 in Speyer und Worms liegenden Handschriften, die bisher nur nach Minimalanforderungen berücksichtigt wurden. Mit dem Vorgang der Tiefenerschießung ist die detaillierte Erfassung der in einer Handschrift enthaltenen Texte sowie die Beschreibung der Geschichte der Handschrift, der Schrift, der Miniaturen, Initialen und Zierseiten und des Einbands gemeint.