Kohlgraf: Erinnerung an Vergänglichkeit ist Dienst an Menschlichkeit

Gottesdienst zu Aschermittwoch mit Bischof Peter Kohlgraf in Mainzer Dom

Mainz, 17. Februar 2021: Beim Gottesdienst an Aschermittwoch teilte Bischof Peter Kohlgraf die Asche ohne Berührung aus, durch Bestreuen des Kopfes mit Asche. (c) Bistum Mainz / Blum
Datum:
Mi. 17. Feb. 2021
Von:
tob (MBN)

Mainz. „Es scheint mir ein Dienst der Kirche an der Menschlichkeit unserer Gesellschaft zu sein, an die Vergänglichkeit zu erinnern.“ Das sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf in seiner Predigt beim Gottesdienst zum Aschermittwoch im Mainzer Dom. Bei der Feier am Mittwoch, 17. Februar, teilte Bischof Kohlgraf mit den Worten „Bedenke Mensch, dass du Staub bist, und zum Staub zurückkehrst“ das Aschenkreuz aus. Die Austeilung der Asche erfolgte ohne Berührung, durch Bestreuen des Kopfes mit Asche.

Kohlgraf warnte vor „geradezu messianischen Heilsversprechen“. Wörtlich sagte er: „Forscher arbeiteten an der Überwindung des Todes, auch durch digitale Weiterentwicklung. Wir lebten dann halt digital ewig. Derartige Visionen sind für mich der blanke Horror. Was bedeutet so eine oder auch in weniger radikalen Vorstellungen verheißene grenzenlose Selbstoptimierung für den Umgang mit den Menschen, die nicht hinterherkommen, mit den Kranken, den Versehrten, den Alten? Es hilft der Menschlichkeit, Leiden und Tod als zum Leben gehörig zu akzeptieren. So bekommt jedes Leben Wert und Würde, so bekommt die endliche Zeit Bedeutung. So lerne ich auch, meine Sterblichkeit zu bejahen, mein Älter- und Schwächerwerden und am Ende den Tod anzunehmen als Erfüllung meiner Tage.“

Weiter sagte Bischof Kohlgraf mit Blick auf die Corona-Pandemie: „Nachdem wir es wirkungsvoll geschafft haben, die Erfahrung des Todes, auch des Alterns und der Krankheit weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen, rücken uns Krankheit und Tod in diesen Monaten bedrohlich nahe. Wir können sie als zum Leben gehörende Realitäten nicht abschaffen. Bilder von Särgen, die nicht bestattet werden können, haben sich beinahe traumatisch in das Gedächtnis eingebrannt. So etwas kannten wir nicht mehr. Viele Menschen haben noch nie einen Toten gesehen.“

Und weiter: „Verdrängung jeglicher Art dient dem Menschen erfahrungsgemäß jedoch nicht. Wir diskutieren über das selbstbestimmte Sterben mit fremder Hilfe und preisen dies als Fortschritt der Freiheit. Gleichzeitig verbannen wir die alten Menschen und die Sterbenden an den Rand. Sehen wollen wir sie nicht. Wird sich dies durch die Pandemie ändern, nachdem die Pflegerinnen und Pfleger beklatscht wurden? Ich melde Zweifel an der Nachhaltigkeit dieses Jubels an. Ich bin in diesem Zusammenhang froh für moderne Einrichtungen auch der Caritas, die die alten Menschen, auch die Sterbenden in die Mitte der Gesellschaft zurückholen, wo es Begegnung mit anderen Menschen aus dem Ortsteil gibt. Die Entlarvung der Illusion, diese Themen beträfen nur die Anderen, dient einer menschlichen Gesellschaft, die den Freitod nicht als Fortschritt preist, und nicht - wie wir in anderen Ländern sehen - kranken Menschen das Gefühl vermittelt, eine Last für andere zu sein. Ich kann den Freiheitsgewinn nicht erkennen, ohne diejenigen moralisch verurteilen zu wollen, die aus Verzweiflung anderes entscheiden. Unsere Antwort muss sein, Menschen in jeder Lebenslage zu begleiten, und auch die Phase von Krankheit und Sterben mit Nähe und Leben zu füllen.“

Aufzeichnung des traditionellen Aschermittwochs der Künstler

Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst durch ein Ensemble unter Leitung des Mainzer Domkapellmeisters, Professor Karsten Storck, sowie den Mainzer Domorganisten Professor Daniel Beckmann an der Mainzer Domorgel. Dem Gottesdienst vorausgegangen war die traditionelle Veranstaltung der Bistumsakademie Erbacher Hof zum „Aschermittwoch der Künstler“. Eine Aufzeichnung der Veranstaltung unter der Überschrift „Alles anders – Perspektiven aus der Corona-Kriese für Kunst und Kultur“ aus dem Mainzer Staatstheater erfolgt in den nächsten Tagen auf dem Youtube-Kanal der Bistumsakademie.