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Predigt von GR Herbert Kohl:Der Fang meines Lebens

Volle Netze
Die Netze auswerfen, wider alle Vernunft
Datum:
6. Mai 2025
Von:
Herbert Kohl

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist ein ruhiger Morgen am See von Tiberias. Die Jünger haben die ganze Nacht gefischt – vergeblich. Leere Netze. Nichts. Wer von uns kennt das nicht? Dieses Gefühl, sich abzumühen, sich zu sorgen, sich einzusetzen – und am Ende bleibt der Erfolg aus.

Ich denke an Menschen, die immer wieder ihre Netze auswerfen – in ihrer Familie, im Beruf, in Beziehungen – und doch oft nur Leere einholen. An ältere Menschen, die sich einsam fühlen. An Kranke, die sich nach Nähe sehnen. An junge Menschen, die auf der Suche nach dem richtigen Platz im Leben sind – nach dem einen Menschen, der bleibt. An Eltern, die sich um ihre Kinder sorgen. An Politikerinnen und Politiker, die müde werden, weil der Frieden so weit weg scheint. Und an alle, die den Eindruck haben: Da ist nix. Schon wieder nichts. Schon wieder leer. Und dann hören wir diesen Satz von Jesus:
„Werft das Netz auf der rechten Seite aus.“

Fast trotzig möchte man sagen: Oh nein, nicht schon wieder! Aber da ist dieser Jünger, von dem es heißt: „der Jünger, den Jesus liebte.“ Und er ist es, der plötzlich erkennt: „Es ist der Herr!“ Die Liebe erkennt Jesus. Die Liebe ist es, die uns immer wieder aufbrechen lässt. Die Liebe lässt uns die Netze doch noch einmal auswerfen. Die Liebe lässt uns nicht aufgeben. Auch wenn alles dagegen spricht.

Papst Franziskus hat es einmal so gesagt: „Jesus ist immer an unserer Seite. Auch wenn wir meinen, alles sei verloren, er steht am Ufer unseres Lebens und sagt: Werft eure Netze neu aus.“

Und dann geschieht das Wunder: 153 Fische – voller Netze – der größte Fang ihres Lebens. Jesus lädt sie ein, sich zu setzen. Wie beim letzten Abendmahl nimmt er das Brot, gibt es ihnen. Er stärkt sie – mit seiner Gegenwart, mit seiner Liebe. Und so sagt er auch uns: „Du bist nicht allein. Deine Netze sind nicht leer. Du hast mich.“

Liebe Schwestern und Brüder,
was ist unser größter Fang im Leben? Wer ist unser größter Schatz? Vielleicht denken Sie an einen Menschen, der Sie geliebt hat. Vielleicht an einen Moment des Friedens, an das Lächeln eines Kindes, an die Hand eines Freundes, die Sie gehalten hat.
Überall dort, wo Liebe war – da war Jesus nicht weit. Denn wie es im ersten Johannesbrief heißt: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“

Vielleicht fragen auch wir uns: Was ist mir im Leben gelungen? Worauf bin ich stolz? Welche Erinnerung trägt mich durch schwere Zeiten?
Diese Erinnerungen sind wie die Fische im Netz – Zeichen der Liebe, Spuren Gottes in unserem Leben. Und jetzt, in der Eucharistie, geschieht genau das: Jesus lädt uns ein. Er gibt uns sein Brot, sein Herz, seine Liebe. Er fragt: „Habt ihr nichts zu essen?“ Und wir dürfen ihm unser Herz hinhalten – leer oder voll, müde oder offen.

Liebe Jugendliche, liebe Erwachsene, liebe Seniorinnen und Senioren: Jesus ist der Fang unseres Lebens. Nicht aus eigener Kraft haben wir ihn „gefangen“, sondern weil er uns schon längst gefunden hat. Und wenn wir auf unser Herz hören – auf die Liebe in uns – dann werden auch wir sagen können: „Es ist der Herr!“ Und vielleicht, ganz leise, auch das: „Du, Jesus, bist mein größter Schatz.“

Amen.