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Das Tor Amazoniens - in Venezuela? Eine Einheimische Perspektive.

Die Gran Sabana mit den magischen und berühmten Tepuis.
Ein Gastbeitrag von Mishiko. Übersetzt, ergänzt & editiert von Joshi. Wir verlassen die Ortschaft Pui und wandern los. Los, Richtung Pauji. Stunden für Stunden laufen wir und vor uns öffnet sich eine enorme Landschaft aus Steppe und Wäldern. Die „Gran Sabana“. Mit dem letzten Licht und nach ca. 20 gewanderten...
Datum:
8. Nov. 2025
Von:
Joshi Nichell
Ca. 20km wandern wir zu Fuß durch die Gran Sabana zum „Tor des Amazonas.“

...Kilometern kommen wir im Dorf Pauji an. In uns kribbelt es. Denn das, was uns hierhergeführt hat, ist die Sehnsucht, auf den Abismo zu steigen. Der Abismo ist ein Ort, von wo man in den venezuelanischen Amazonas optisch eintauchen kann. In den Amazonas, der sich mit dem brasilianischen Teil verbindet. Es ist ein wirklich magischer Ort. Als ich neun Jahre alt war, sind wir nach St. Helena umgezogen, um dort zu leben. Es ist mit 80km Entfernung die nächstgelegene Stadt. 

Die Gran Sabana am Rand Amazoniens ist ein wahres Naturspektakel. Das war jahrelang der Spielplatz von Mishiko.

Schon lange fühle ich eine sehr starke Verbindung zum Abismo. Ein Ort,an dem ich stets viel Frieden und eine große Verbindung zur Natur und deren Grandiosität spüren konnte. Der Abismo ist unheimlich grün. Er wimmelt nur so an Tieren und Pflanzen. Unter anderem der Jaguar, der Puma, Tukane & Papageien und diverse Schlangen fühlen sich hier zuhause. Er ist wahrhaft reich an Flora & Fauna. Ein magischer Ort. Leider komme ich nicht drum herum, zu erzählen, dass aufgrund der politischen Situation Venezuelas, die viele Menschen dazu brachte, dass sie in der Gold- & Diamantenmine arbeiten, ich nun sehr traurigen Auges sehen muss, wie diese Perle der Natur gegenwärtig ausgebeutet und zerstört wird. Die Flüsse & Bäche mit Quecksilber verseucht und mit schwerem Gerät verformt. Ich komme zum Abismo, weil er für mich wie eine gigantische Lunge fungiert, die uns Leben gibt.

Bereits auf meiner ersten Reise durch Südamerika vor über 10 Jahren durfte ich mich stark mit Amazonien verbinden. Ich tauchte ein und durfte Indigene in ihrer Verbindung zur Natur erleben. Nun bin ich wieder unterwegs. Diesmal mit Joshi. Auf dieser zweiten Reise durch Amazonien spüre ich noch tiefer meine Liebe zur Erde. Und auch die Notwendigkeit, diesen Schatz Erde zu schonen. Denn es gibt mir neue Lebenskraft, wenn ich die Tiere und Pflanzen sehe – ihnen nah bin. Für mich ist jede Begegnung stets ein Verbinden mit dem, was uns Leben schenkt.

Wasser - die Quelle des Lebens - sprudelt in der Gran Sabana. Vielerorts leider durch Goldminen stark bedroht.

Und wenn wir uns nicht verbinden, antwortet die Natur auf unsere fehlende Verknüpfung. Wenn wir ausbeuten, wenn wir die Bäume roden, Gewässer vergiften und verseuchen, die Biodiversität der Ökosysteme verändern, dann - und das sind wir leider gegenwärtig am Tun - wird die Natur auf unsere Aggression, auf unsere Respektlosigkeit antworten. Wir erleben hierzulande Malariamutationen, sehr viele Menschen, die an frühzeitig an Krebs versterben und zunehmende Hitze. Alles Magische des Amazonas, was ich bisher gesehen habe, geht aus einer großen Sensibilität des Schützens – des Nichtzerstörens durch indigene Gemeinschaften empor. Leider lässt auch bei Ihnen zum Teil die Kraft nach und sie lassen sich von Goldsuchern „bestechen“.

Ein Morgen voll Magie.

Früh am Morgen – noch vor Sonnenaufgang – brechen wir auf. Dank einem sehr lieben Freund meines Vaters, der im Dorf El Pauji Honig und Kunst kreiert, konnten wir gut geschützt übernachten. Kaum angekommen begrüßte ein gigantisches Gewitter die Nacht. Und nun eröffnet sich vor uns ein magischer, ein fabelhafter Morgen. Voll von Farben. Es ist eine wahrlich mystische Wanderung. 

Sonnenaufgang am Abismo - und es wird immer magischer!

Während wir dem Tor des Amazonas entgegentrachten, steigt die Sonne über der Berg. Und so kommen wir bestens gelaunt oben auf dem Abismo an.

Die Tepuis. Sehen wie Hüte aus, die sich aus der Landschaft erheben.

Der Abismo ist einer der 150 Tepuis, die in der Gran Sabana existieren. Man kann sich einen Tepui wie einen Hut aus Fels vorstellen, der sich aus der Gran Sabana und deren Wälder erhebt. Und plötzlich sind wir da!

 

Ein spiritueller Moment.
Vor uns eröffnet sich ein Wolkenmeer mit dem Regenwald darunter.

Wir atmen tief ein und aus. Welch‘ eine Magie! Vor uns eröffnet sich ein Meer aus Wolken. Darunter der Regenwald. Wir meditieren den Ort. Stille. Und vor uns nur diese Weite. 

Papageien erheben sich aus dem Wolkenmeer.

Ein paar Tukane und Papageien rufen. Aus der Tiefe dringen Vogelstimmen hinauf. 

Eine wunderschöne Begegnung am frühen Morgen auf dem Abismo.

Ein orangeverzierter Vogel nähert sich. Guten Morgen!

Welch' Baummagie! Bäume, die gelb und andere, die violett blühen.

Die Wolken ziehen über die Bergkuppe, am Rand schauen die mächtigen Bäume raus. Manche blühen violett. Ein Zauber. Ein Geschenk.

Oben auf dem Abismo. In großen Schritten nähern wir uns Amazonien. Hier beginnt Amazonien Venezuelas.

Mit diesem geschenkten Morgen im Herzen trampen wir vier Stunden hinten auf einem Allrad-Toyota-LKW stehend die durchlöcherte 80km-Piste zurück nach St. Helena. Mit uns fährt ein junger Mann, der nun nach einem Monat in der Goldmine für zwei Wochen zu seiner Frau und seinen vier Kindern zurückkehrt. Um dann wieder neu sich dem Goldrausch zu ergeben, der so viel „Reichtum“ verspricht und stattdessen den wahren Reichtum, die Mutter Natur, unseren Lebensraum zerstört.

Mishiko & ich erleben in diesen Tagen auch mit einer Art Trauer, Wut und Frust über die Ausmaße der Exploitation und gleichzeitig sind wir hierhergekommen –, um ganz bewusst zu staunen. Und ja, es wäre auch falsch zu sagen es gäbe nichts zum Bestaunen. Ganz im Gegenteil, liebe Leser:in. Auch im nächsten Blogartikel wollen wir von diesem Reichtum Amazoniens – diesmal einem ganz besonderen tierischen - erzählen. Denn so wie es uns Indigene auf dem Boot nach Belém erzählen, geht es weniger für sie über Fakten, als über das spirituelle Erleben. Und genau das durften wir auf dem Abismo erleben und werden es auch weiterhin in Amazonien.