Seelsorge -

nach dem Leben fragen

Museum Emmaus (c) sensum

kurz:

Seelsorge

Immer wieder beeindrucken die Erzählungen des Neuen Testaments, wenn sie über den Umgang Jesu mit den Menschen berichten. Jesus tritt als Lehrer und Prediger auf, der das Reich Gottes verkündet. Doch spricht er nicht nur davon, dass Gott sich liebend den Menschen zuwendet, er lässt sie es auch leibhaftig spüren. So wendet er sich an Einzelne, er spricht ihnen Mut zu, heilt ihre Krankheiten, holt sie aus einer Außenseiterrolle heraus und vergibt ihnen sogar ihre Sünden.

Die Seelsorge in der Kirche und in den Gemeinden setzt das Werk Jesu Christi fort. Alle Christen sind durch ihre Taufe und ihre Firmung dazu beauftragt. Priester oder Laien, die im seelsorglichen Dienst der Kirche stehen, sollen dieser Aufgabe in besonderer Weise und als Beruf wahrnehmen. Wie Jesus sollen sie die Menschen fragen: „Was brauchst du? Was soll ich dir tun?"

ausführlich:

Seelsorge

Wie das Neue Testament zeigt, ist Jesus Christus selbst der erste und eigentliche Seelsorger. Er hat den Christen und allen, die als Priester und Laien im Auftrag der Kirche ihren Dienst tun, viele Beispiele dafür gegeben, was Seelsorge bedeutet.

Diese Erzählung ist eine Osterbotschaft, zugleich aber ein Vorbild dafür, wie Seelsorge zu verstehen ist. Seelsorge bedeutet, dass der Seelsorger sich - wie hier Jesus - auf den Weg macht, um bei den Menschen zu sein, und sie auf diesem Weg begleitet.

Das Lukasevangelium berichtet davon, wie am Ostertag zwei Jünger nach Emmaus gehen. Sie stehen unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse um den Tod Jesu. Da gesellt sich Jesus zu ihnen, ohne dass sie ihn erkennen. Er fragt sie nach dem Inhalt ihres Gesprächs. Traurig berichten sie, was sie erlebt haben. Jesus hört geduldig zu und deutet ihre Erfahrungen auf dem Hintergrund der Schriften des Alten Testaments. Als sie in Emmaus ankommen, bitten sie ihn, bei ihnen zu bleiben. Er isst mit ihnen. Da nimmt er das Brot, betet und bricht es und gibt es ihnen. Den Jüngern gehen die Augen auf und sie erkennen ihn. Sie spüren, dass ihr Herz während des gemeinsamen Weges brannte. Sie machen sich noch am selben Abend auf den Weg zurück nach Jerusalem, um den anderen Jüngern von ihrer Begegnung zu berichten. (nach Lk 24,13-35)

Seelsorge heißt: Gemeinschaft mit den Menschen haben

Seelsorge heißt gemäß der Emmaus-Erzählung, dass der Seelsorger sich in die Lebenssituationen der Menschen hineinbegibt. Er schaut nicht zu, wie die Menschen leben. Er lebt mit ihnen, geht mit ihnen ihre Lebenswege. Er lässt sich auf die Menschen ein, teilt das Leben mit ihnen. Er verwirklicht ganz konkret das, was Kirche und Gemeinde eigentlich sein wollen: Gemeinschaft.

Die Menschen spüren sehr genau, ob sich  die Seelsorger auf sie einlassen wollen oder ob sie auf Abstand bleiben. Die Menschen möchten als Seelsorger keine Besser- und Alles-Wisser, sondern Lebens- und Glaubensbegleiter in den unterschiedlichsten Lebenssituationen.

Seelsorge in besonderen Lebens- und Grenzsituationen

Die Kirche möchte eine begleitende Seesorge nicht nur in den Gemeinden, sondern auch dort anbieten, wo Menschen in besonderen Bereichen leben. So gibt es Seelsorge in Schulen und Betrieben, in Behinderteneinrichtungen und Krankenhäusern, in Kindergärten und Altenheimen, bei der Polizei und Bundeswehr, an Flughäfen und an den Urlaubsorten. Auch in Grenzsituationen, wie etwa in Gefängnissen, sind Seelsorger bereit, Menschen zu begleiten. Wenn schwere Unfälle und Katastrophen etwa auf Autobahnen geschehen, stehen Notfallseelsorger bereit für Gespräch und konkrete Hilfe.

Seelsorge heißt: die Menschen nach ihrem Leben fragen

Als Jesus Weggemeinschaft mit den beiden Wanderern aufgenommen hat, fragt er sie nach dem, was sie bewegt, und lässt ihnen lange Zeit, von ihren Erfahrungen zu sprechen. Seelsorge bedeutet also vor allem Zuhören und fragen, was sich im Leben der Menschen ereignet.

Wenn Eltern ein neugeborenes Kind auf den Armen halten und dann zur Taufe bringen, wenn Menschen sich das Jawort zur Ehe geben, wenn alte oder junge Menschen sterben, dann stehen sie unter dem Eindruck ihrer Erfahrungen. Seelsorge geht davon aus, dass Gott die Menschen immer schon bei diesen und allen Ereignissen ihres Lebens begleitet. Diesen tiefgründigen Schatz freizulegen und zu heben, ist ein wichtiger Dienst der Seelsorge.

Seelsorge heißt: das Leben der Menschen aus dem Glauben deuten

In der Emmaus-Erzählung weist Jesus, nachdem die beiden Jünger ihre Erlebnisse geschildert haben, auf die Heilige Schrift hin. Er ist der Überzeugung, dass jene Erfahrungen keine Zufälle und Missgeschicke sind, sondern Wege Gottes. Die Bibel hilft dabei, diese Erfahrungen im Licht des Glaubens zu deuten.

So ist es Aufgabe der Seelsorge, mit den Menschen nach dem Sinn ihrer Erfahrungen zu fragen. Gerade dann, wenn Menschen an wichtigen Kreuzungspunkten ihres Lebens stehen, wenn sie große Freude oder auch tiefes Leid empfinden, stellen sie die Frage nach dem Sinn: Warum passiert mir das? Warum gerade mir? Warum muss ausgerechnet mich das treffen? Seelsorge will mithelfen, diese Fragen zuzulassen und Antworten aus dem Glauben zu finden.

Dabei ist es wichtig, dass den Menschen nicht etwas eingeredet werden soll. Sinnerschließung aus dem Glauben ist ein Angebot. Seelsorger müssen ein Gespür dafür entwickeln, welche Antworten zu den einzelnen Menschen passen und hilfreich sind.

Seelsorge heißt: das Leben vor Gott bringen

In Emmaus angekommen, feiert Jesus mit den beiden Weggefährten Eucharistie, er „bricht das Brot", wie die ersten christlichen Gemeinden die Feier der Eucharistie nannten.  Hier steht am Ende also das Gebet, die gottesdienstliche Feier, die Liturgie.So ist auch das gemeinsame Beten und die Feier der heiligen Messe an den Sonntagen (und an den Werktagen) der Höhepunkt von Seelsorge. Die Menschen bringen ihr Leben und ihre Erfahrungen mit und tragen sie vor Gott, symbolisch in Brot und Wein. Christen glauben, dass in der Feier der Eucharistie mit den Gaben von Brot und Wein auch ihr Leben selbst von Gott aufgenommen, angenommen und verwandelt wird.. Das bedeutet auch,  den tiefen Sinn und die besondere Würde des eigenen Lebens zu erfahren.

Seelsorge heißt: zu einem Leben aus dem Glauben ermutigen

Die Emmaus-Jünger sind so erfüllt und begeistert von ihrer Christus-Erfahrung, dass sie sich noch in der Nacht aufmachen, um in Jerusalem den Freunden zu berichten. Die Erfahrung, Jesus Christus begegnet zu sein, macht das Herz so voll, dass der Mund darüber sprechen will.

So ist es ein wichtiger Teil der Seelsorge, die Menschen zu diesem Zeugnis zu ermutigen. Die Menschen sollen angeregt werden, von ihrem Leben zu erzählen, und davon, wie sie in diesem Leben Erfahrungen der begleitenden Nähe Gottes machen durften.

Dabei kommt es nicht darauf an, besonders ausgefallene Erfahrungen zu machen. Oft sind es die kleinen und alltäglichen Ereignisse, die das Lebensgefühl prägen. Wenn Menschen überzeugt sind, dass Gott mit auf dem Weg ist, dann ist keine Erfahrung, keine Aufgabe, keine Dienst, kein Beruf gewöhnlich oder gar banal. Alles ist eine Möglichkeit, den Gott des Lebens zu suchen, zu ahnen und zu entdecken.

Autor(en): Hubertus Brantzen