Nachlese Pilgerreise

Ägypten 4

Datum:
Mi. 18. Juli 2018
Von:
Ronald Givens

Es hat etwas gedauert, bis es mir aufgefallen ist. Dann habe ich gestutzt. Wenn Menschen, die sonst mit Schuhen an den Füßen unterwegs sind, diese ausziehen müssen, und nun barfuß oder mit Strümpfen unterwegs sind,  sprechen sie automatisch leiser und sind behutsamer im Gehen.

Beim Betreten der koptischen Kirchen in Ägypten mussten wir, wie alle, unsere Schuhe ausziehen und sie vor der Türe zurücklassen. War die Gruppe gerade noch am Erzählen und am Reden, wurde es schlagartig still, wenn jemand seine Schuhe ausgezogen hatte und die Kirche betrat.

Mose muss bei seiner Gottesbegegnung die Schuhe ausziehen, bevor er sich dem brennenden Dornbusch nähern darf. Gott begründet dies damit, dass er nun heiligen Boden betritt. Heilig, weil Gott gegenwärtig ist.

Meine Beobachtung bestätigte sich, als wir eine nichtkoptische Kirche betreten haben. Hier mussten wir die Schuhe nicht ausziehen. Ich ertappte mich dabei, dass ich weniger behutsam gegangen bin, dass ich fotographiert habe und auch mit anderen gesprochen habe. Das hat mich nachdenklich gemacht, als ich es an mir bemerkt habe. Ehrfurcht erfahre ich demnach auch über die Sinne.

Es war ein gute Ritual, wenn auch ein „duftendes“, vor dem Betreten eines heiligen Raumes inne halten zu müssen. Den Alltagschritt bewusst zu stoppen und nun anders einen Raum zu betreten, der Gott und der Begegnung mit ihm geweiht ist. Ein Wenig so, wie wenn wir am Eingang unserer Kirchen Weihwasser nehmen und uns bekreuzigen. Schuhe ausziehen oder Bekreuzigen mit geweihtem Wasser als äußere Haltung für ein inneres Geschehen: jetzt betrete ich einen Raum der Gottesbegegnung. Stelle dich darauf ein, dass Gott gegenwärtig ist.