Predigt Pfarrer Hubert Hilsbos

Datum:
Mi. 9. Okt. 2024
Von:
Pfarrer Hubert Hilsbos

Liebe Gemeinde,

ich gestehe, dass ich mich mit der Vorbereitung der heutigen Predigt etwas schwergetan habe. … Worauf möchte ich den Akzent legen … nicht zu viel Abschied – jedenfalls jetzt noch nicht, … sondern mehr Dank, mehr Zuversicht, … ein Augenmerk darauf, was uns trägt und fordert.

Es ist wirklich ein gutes Zusammentreffen, dass wir heute das Fest des Heiligen Franziskus feiern; seit 2014 ist er der Patron unserer Pfarrgemeinde. Als Pfarr-gemeinde tragen wir den Namen „Franziskus“ – nicht als bloßer Name oder Etikett, sondern ist zugleich auch Auftrag und Verpflichtung.

So möchte ich Sie mitnehmen auf eine kleine Zeitreise in das Jahr 1205.

1) Franzskus ist gerade mal 24 Jahre alt; er weiß nicht, was aus ihm werden soll, er sucht in etlichen Richtungen: Soll der das rentable Geschäft seines Vaters fortführen … soll er sich als Ritter bewähren und in den Krieg ziehen, …wohin geht seine Lebensreise? Als er von einer Pilgerreise von Rom zurückkehrt begegnet ihm unmittelbar vor Assisi ein Aussätziger … Zuerst wirft er ihm ein paar Münzen zu - immerhin, … er reitet kurz weiter, dann kehrt er um, steigt vom Pferd und umarmt den Aussätzigen. - Er selbst schreibt später: „…Gott hat mich unter die Geringsten geführt, und in der Begegnung mit dem Aussätzigen ist mein Herz erwacht.“

Für Ihn war das einer der wichtigsten Schlüsselerfahrungen: Unmittelbare Begegnung von Mensch zu Mensch, … Kontakt, Distanzen verringern, …vom Pferd oder was auch immer absteigen … Augenhöhe herstellen, und sich ge-meinsam auf dem Boden der Wirklichkeit stellen … schauen, was jetzt absolut wichtig ist. 

Gott ist doch in Jesus Mensch geworden, damit wir uns als Mensch und Geschwister erkennen, damit wir immer mehr werden, was wir sind. Menschen, die menschlich reden und handeln. – Christsein ist doch radikales Menschsein – motiviert und inspiriert aus unserem Glauben heraus. - Franziskus sagt es so. „Der Weg zu Gott kann niemals am Menschen vorbeiführen.“

2) Bleiben wir im Jahr 1205. Franziskus hält sich fast nur noch draußen vor der Stadt Assisi auf. Er übernachtet in Höhlen und auch in einer herunter gekommen Kirche, - nur noch eine Ruine, Schutt und ein zurückgelassenes Kreuz. Vor diesem Kreuz hört er den Auftrag an sich hören; dieses Kreuz – ein Kopie steht hier im Altarraum – vernimmt er innerlich den Anruf: „Franziskus, bau meine Kirche wieder auf!“

Und Franziskus hat dies sehr wörtlich verstanden und das kleine Kirchlein ‚San Damiano‘ vor den Toren der Stadt Assisi wiederaufgebaut. Er ist dann in seiner Heimat – Umbrien - umhergezogen wie ein Wanderprediger und Bettler und hat in der Tat etliche verfallene Kirchen wiederaufgebaut, belebt, … wohlgemerkt keine Prunkbauten, sondern kleine Kapellen, damit seine Gefährten, besonders die arme Landbevölkerung, die Ärmsten der Armen einen Ort haben, ein Dach über dem Kopf und so einigermaßen geschützt sind. So waren die kleinen Kirchen vor den Toren der Stadt zuerst auch Zufluchtsorte für Mensch und Vieh; … nie verschlossen, Tag und Nacht offen… jeder konnte hier unterkommen. …  -

Wenn wir das Transparent vor unserer Kirche lesen, dass alle, wirklich alle willkommen sind, dann ist dies ganz in der Linie von Franziskus: Kirche, wirklich ein Haus, ein mögliches Zuhause für alle, die danach suchen;  – und wir alle können eine Haltung einnehmen, die genau das versucht zu leben und so für andere erfahrbar werden zu lassen.

3) Ein dritter Gedanke: Das Evangelium war für ihn, wie er selbst sagt, das „Wort für unser Leben“. Er brauchte keine weiteren theologischen Bücher. Franziskus konnte Lesen und Schreiben; war aber kein Studierter und kein Theologe. Er las die Bibel und brauchte keine weitere Auslegung durch andere, er war – wenn man so will – schon sehr evangelisch, wenn er damals diese Unmittelbarkeit zum Evangelium suchte, herstellte und dann sehr konkret lebte.

Nachdem seine Gemeinschaft sehr schnell gewachsen war, wurde er aufge-fordert, dass er eine Regel, wenn man so will eine Ordnung schreibt, wonach seine Gemeinschaft leben sollte. Er war dagegen und hat gesagt, dass das Evangelium völlig ausreichend sei – besonders die Seligpreisungen, die Bergpredigt und die Aussendungsreden. Die kirchlichen Oberen ließen aber nicht locker und bestanden auf eine Regel. Franziskus hat kurzum ein paar von den oben angedeuteten Evangelienzitaten aus der Bibel gerissen, diese zusam-mengeklebt und gesagt: „So wollen wir leben!“

Das Kirchenrecht der Katholischen Kirche hat 1752 Einzelvorschriften, dazu kommen noch weitere Paragrafen. Dieses Kirchenrecht ist umfangreicher als das Markus- oder Lukasevangelium. Vielleicht brauchen größere Organisationen auch ordnende Vorschriften. - Oft habe ich allerdings den Eindruck, dass das Kirchenrecht, Vorschriften, die kirchliche Bürokratie und aktuelle Strukturprozesse … das Evangelium überlagert, einordnet, klein macht und unwichtig werden lässt.

Jesus, seine befreiende Botschaft ist doch das Zentrum und der Sprit. Und darum sollte es doch zuerst gehen: Das Evangelium zu leben, ganz konkret werden zu lassen in unserem Tun und Lassen! Das Evangelium ist keine Poesie oder nur ein erbaulicher Text am Sonntag. Das Evangelium war für Franziskus ein Lebenskonzept. - Der Gründer der ökumenischen Taizé-Gemeinschaft in Burgund, Freré Roger, hat es so gesagt – sozusagen für jeden von umsetzbar: „Lebe das vom Evangelium, was du verstanden hast, wovon du ergriffen bist – und lebe es!“

4) Franziskus – und das mag der der letzte Gesichtspunkt sein – war ein wirk-licher Friedensstifter. Er hatte jene Menschlichkeit, Stärke und Mut, damit Menschen mit sich selbst und anderen aussöhnen konnten: Angefangen von einem heftigen Streit zwischen dem Bürgermeister und dem Bischof von Assisi bis zu seiner Fahrt nach Ägypten in die kriegerischen Auseinandersetzungen eines Kreuzzuges. In Assisi konnte er die Menschen zusammenführen; in Ägypten brachte es ihm zwar die hohe Anerkennung des Sultans – aber keinen wirklichen Frieden zwischen den feindlichen Lagern. Franziskus verstand, dass der Friede mit anderen immer im eigenen Herzen beginnt und sagt: „Wenn ihr mit den Lippen Frieden verkündet, achtet darauf, diesen umso mehr auch in unserem Herzen zu tragen.“

Unser gemeinsames Menschenhaus, die Erde mit allen Menschen, ist von der Idee Gottes her ein gemeinsames Haus des Friedens … immer noch große Men-schheitsaufgabe, die in uns und vor uns liegt – heute mehr denn je.

Jetzt noch ein abschließender Gedanke, … etwas, was bei Franziskus sich durch alles durchzieht. –

Obwohl Franziskus allen Grund zur Entmutigung und Enttäuschung gehabt hätte, war er immer ein Mensch mit tiefer Freude. Er wusste, dass er unabhängig von allem, - ob es gelingt oder nicht, immer – wie er selbst sagt „der frohe Herold des großen Königs sei“. Denn, so sagt Franziskus weiter: „Unsere Berufung besteht doch darin, die Herzen der Menschen zu erheben und ihnen alle Gründe zur echten Freude dazulegen.“

Bei aller Schwere des Lebens, sollen wir als Christen die Troubadoure und Spielleute Gottes sein. Wir sollen freie und frohe Menschen sein, die andere ebenfalls erfahren lassen, was Gott für die Menschen ist und sein kann.

Franziskus machte sich zur Angewohnheit, dass er seine Briefe mit einem kurzen Segenswort beendete: „Pace e bene“: Und auf dem Erinnerungsbild zum Gründungsfest unserer Pfarrei steht sozusagen eine Ausformulierung dieses kurzen Segenswortes, was ich mir auch am Ende meiner Predigt und am Ende meines Wirkens als Pfarrer dieser Gemeinde für jeden von Ihnen ganz zu Eigen mache:

„Ich wünsche Dir Gnade und Heil, einen umfassen Frieden für Leib und Seele, und all die Güter und Beziehungen, die Du zu einem gelingenden Leben brauchst.“

In diesem Sinn: Euch und Ihnen allen!  Pace e bene - Pax et bonum; -– Amen.