Mainzer Bistumsnachrichten Nr. 35

vom 26. September 2018

Religionsforschung Arnold (c) Bistum Mainz / Blum
Religionsforschung Arnold
Datum:
Mi. 26. Sep. 2018
Von:
(MBN)
Diözesanversammlung (c) Bistum Mainz / Blum
Diözesanversammlung

Berichte

  • Erklärung von Bischof Kohlgraf zur MHG-Studie
  • Zusammenstellung zum Thema Sexueller Missbrauch
  • Kohlgraf präsentierte Vorschlag für Pastoralen Weg
  • Gesprächstage zu Pastoraler Handreichung angekündigt
  • Geschichte des Erbacher Hofes in Mainz
  • Projekt zur Religionsforschung macht in Mainz Station
  • Fast 20.000 Kilometer bei „Mit dem Rad zur Arbeit“

Vorschau

  • Symposion zum Wormser Dom (11.-13.10.)
  • 16. Forum Sozialpastoral (30.10.)

MBN vor 40 Jahren

  • Besuch einer Delegation polnischer Bischöfe

 

Berichte

Erklärung von Bischof Peter Kohlgraf

Anlässlich der Veröffentlichung der MHG-Studie am Dienstag, 25. September 2018

Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat sich anlässlich der Veröffentlichung der MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ am Dienstag, 25. September, mit einem Brief an alle Gemeinden im Bistum Mainz gewandt. Darin kündigt er an, dass im Mainzer Dom am Sonntag, 18. November, um 15.00 Uhr ein Gottesdienst für die Betroffenen von sexualisierter Gewalt durch Kirchenmitarbeiter stattfinden wird. Wörtlich schreibt er dazu: „Wir wollen in diesem Gottesdienst zum Ausdruck bringen, dass wir gemeinsam an der Seite der Betroffenen stehen, ich will sie als Bischof um Vergebung bitten - und deutlich machen, dass wir das uns Mögliche tun, dass die Taten weiter aufgeklärt, aufgearbeitet und in Zukunft verhindert werden.“ Die Pfarrer im Bistum sind gebeten, den Brief den Gottesdienstbesuchern am kommenden Wochenende (29./30. September) durch Vorlesen oder Auslegen bekannt zu machen. In seinem Brief schreibt Kohlgraf:

„Die Ergebnisse der MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch durch Diakone, Priester und männliche Ordensleute, die in diesen Tagen veröffentlicht wurden, haben mich erneut erschüttert. Dass die Wirklichkeit sexuellen Missbrauchs in der Kirche ein Thema ist, war seit Jahren klar. Dennoch zeigen die jetzt offenliegenden Erkenntnisse mir neu, dass wir als Kirche einen langen Weg der Aufarbeitung und des Umgangs mit dem Thema sexualisierter Gewalt vor uns haben. Das gilt auch für mich als Bischof von Mainz. Diesen Weg will ich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bistum Mainz, aber auch mit den Gläubigen gehen und mich dieses Themas mit seinen verschiedenen Feldern annehmen. Trotz vieler Bemühungen in den vergangenen Jahren stehen wir noch am Anfang.

Mit der nun vorgelegten MHG-Studie beginnt eine neue Phase der Aufarbeitung. Es liegen Zahlen vor, die auch für mich erschreckend sind, und die Dunkelziffer wird hoch sein. In den sieben Jahrzehnten seit 1946 sind im Bistum Mainz 53 Geistliche des Missbrauchs beschuldigt worden. Als Bischof stehe ich vor Fragen, welche die Kirche als Institution betreffen und das kirchliche Selbstverständnis in Frage stellen. Offenbar kann der Priesterberuf auch Männer anziehen, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur zum Täter werden. Klerikale Machtstrukturen und ein bestimmtes klerikales Selbstverständnis fördern möglicherweise derartige Verbrechen. Bestimmte Auffassungen der kirchlichen Morallehre verhindern einen offenen Umgang mit den Erfahrungen und Fragen menschlicher Sexualität. Klerikalismus zeigt sich auch in der Praxis der Verantwortlichen, das System zu schützen und damit die Betroffenen zum Schweigen zu bringen. Das sind einige der ganz konkreten Fragen, die von der MHG-Studie benannt werden und denen ich nachgehen werde. Mit plakativen und undifferenzierten Lösungen kommen wir hier jedoch nicht weiter. Das Thema sexualisierter Gewalt und der Umgang damit fordert von vielen einen Haltungswechsel und echte Umkehr. Wie ich als Bischof dies begleiten und selbst leben kann, ist eine drängende Frage für mich.

Der Umgang mit Sexualität und die Reflexion einer emotionalen Persönlichkeitsentwicklung im Priesterseminar ist schon seit vielen Jahren verstärkt Thema in der Priesterausbildung und auch die Präventionsarbeit hat dort einen festen Platz. Ich bin froh, dass wir im Bistum Mainz schon länger eine Theologenausbildung praktizieren, in der Frauen und Männer weite Wegstrecken der Ausbildung gemeinsam gehen, so dass sich keine klerikalen Sonderwelten bilden. Ich werde mich gemeinsam mit den anderen Bischöfen, aber auch mit den Einrichtungen des Bistums Mainz den Ergebnissen und Empfehlungen der jetzt vorgelegten MHG-Studie stellen und den Umgang mit dem Thema sexueller Missbrauch weiter sensibilisieren.

Unsere Aufmerksamkeit haben jedoch in besonderer Weise die Betroffenen von sexualisierter Gewalt verdient. Ihre Situation führt uns unmissverständlich den Auftrag des Evangeliums vor Augen, Menschen groß zu machen, die Kleinen zu stärken und zu schützen. In den kirchlichen Einrichtungen und Gruppen muss eine Kultur der Achtsamkeit gelebt werden, für die wir uns alle einsetzen müssen. Ich bin allen dankbar, die sich als Priester, Haupt- und Ehrenamtliche für diesen kirchlichen Auftrag glaubwürdig einsetzen. Im Bistum Mainz haben in den vergangenen Jahren die in der Seelsorge Tätigen Präventionsschulungen durchlaufen, ebenso alle diejenigen, die sich ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit engagieren. In diese Schulungs- und Präventionskonzepte müssen die Ergebnisse der Studie eingebracht werden.

Vertuschung und Schutz der Institution darf es nicht geben. Das muss auch im Umgang mit den Tätern deutlich werden. Im Bistum Mainz finden Betroffene Ansprechpartner, um über ihre Situation zu sprechen. Seit einem Jahr bin ich Bischof von Mainz. Ich trage heute die Verantwortung und stelle mich den Ergebnissen der Studie, die den Zeitraum vor meiner Bischofszeit betreffen. In diesem Jahr hatte ich noch keine Gelegenheit, Betroffenen persönlich zu begegnen. Ich kann ihr Schicksal nur erahnen. Ihr Leid bedauere ich zutiefst. Ich möchte in den kommenden Wochen und Monaten mit Betroffenen das Gespräch suchen, weil es nicht genügt, die Situationen nur aus den Akten herauszulesen. Die betroffenen Menschen möchte ich nicht als ‚Fälle’ sehen. Auch ihre Lebensgeschichten gehören zum Bistum. Ich will als Bischof auch dieses Stück Vergangenheit in meinem Bistum kennen lernen. Diese Begegnungen werden freilich ohne Öffentlichkeit stattfinden.

Dankbar bin ich der Deutschen Bischofskonferenz, die jetzt zur Veröffentlichung der MHG-Studie wieder ein Beratungstelefon für Betroffene anbietet, da die Veröffentlichung der Studie sicher manche alte Wunde aufreißen wird.“

(MBN)

 

Übersicht zum Thema Sexueller Missbrauch im Bistum Mainz

Zusammenstellung zur Veröffentlichung der MHG-Studie am 25. September 2018

Diese Übersicht führt die verfügbaren Informationen zum Thema „Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener“ im Bistum Mainz zusammen. Die meisten dieser Informationen sind vom Bistum Mainz bereits etwa nach Presseanfragen veröffentlicht worden. In diesem Dokument sind die Informationen nun anlässlich der am 25. September 2018 veröffentlichten MHG-Studie zusammengefasst und veröffentlicht. Das Bistum Mainz hat sich an der MHG-Studie mit rund 950 ausgewerteten Personalakten beteiligt.

Die MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ ist am Dienstag, 25. September 2018, im Rahmen einer Pressekonferenz auf der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda vorgestellt worden. Durchgeführt wurde die MHG-Studie von einem Forschungskonsortium, an dem folgende Institutionen beteiligt sind: das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim, das Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg, das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg und der Lehrstuhl für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug der Universität Gießen.

53 beschuldigte Geistliche sind seit 1946 bekannt geworden

Bislang sind insgesamt 53 beschuldigte Kleriker im Bistum Mainz dokumentiert: Im Rahmen der MHG-Studie wurden Akten aus dem Zeitraum von 1946 bis zum Sommer 2017 gesichtet und Missbrauchsvorwürfe gegen 50 im Bistum Mainz tätige Diözesan-  oder Ordenspriester erfasst. Hinzu kommen Vorwürfe gegen zwei Ständige Diakone, die allerdings nach den Kriterien der MHG-Studie nicht in die Dokumentation aufzunehmen waren. Darüber hinaus sind nach Abschluss der diözesanen Erhebung für die MHG-Studie Vorwürfe gegen einen schon vor Jahrzehnten verstorbenen Priester erhoben worden. Diesen insgesamt 53 Beschuldigten können derzeit 169 Opfer zugeordnet werden; von diesen sind 122 männlich und 47 weiblich. Die früheste im Rahmen der MHG-Studie erfasste Missbrauchstat datiert aus dem Jahr 1931, die letzte aus dem Jahr 2010.

Jeder Vorwurf des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen oder erwachsenen Schutzbefohlenen, der dem Bistum Mainz bekannt wird, wird - sofern der Beschuldigte noch am Leben ist - der zuständigen Staatsanwaltschaft mitgeteilt. In den letzten Jahren konnten jedoch viele dieser Vorwürfe nicht mehr staatsanwaltschaftlich verfolgt werden. Da es Missbrauchsopfern oft erst nach vielen Jahren, mitunter sogar erst nach Jahrzehnten, möglich ist, über ihre Erlebnisse zu sprechen, sind tatsächlich die meisten Fälle, die dem Bistum Mainz in den vergangenen Jahren gemeldet wurden, nach staatlichem Recht bereits verjährt. Im Zeitraum, der für die MHG-Studie in den Blick genommen wurde, das heißt seit den 1940er Jahren, wurden 18 Gerichtsverfahren gegen Mitarbeiter des Bistums Mainz (Priester, Diakone und Laien) geführt. Viermal wurden die Angeklagten zur Verbüßung von Haftstrafen verurteilt, drei Verfahren endeten mit einem Freispruch. In den übrigen Fällen lauteten die Urteile auf Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, und/oder auf Geldstrafen.

Kirchliche Verfahren

Nach heutigem kirchlichem Recht müssen alle Verdachtsfälle des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger, die sich in einer kirchlichen Vorunter­suchung bestätigen, der Römischen Glaubenskongregation gemeldet werden. Diese entscheidet dann über das weitere Vorgehen und hebt gegebenenfalls die Verjährung auf. Im maßgeblichen Zeit­raum der MHG-Studie konnten daher zum Beispiel noch Sanktionen gegen einen Kleriker des Bistums Mainz ver­hängt werden aufgrund von Taten, die bereits mehr als 30 Jahre zurücklagen.  

Gemäß der seit 2001 geltenden Rechtslage wurde die Glaubenskongregation über fünf Fälle unterrichtet, in denen Priester des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt worden waren. In einem Fall erwies sich, dass die kirchenrechtlichen Tatbestände nicht erfüllt waren; in den anderen vier Fällen kam es zu Strafverfahren. Eines der Verfahren endete mit der Laisierung des Beschuldigten, zwei Beschuldigte wurden mit geringeren Strafen und Auflagen belegt. Das vierte Verfahren ist derzeit noch nicht abgeschlossen. In vielen anderen Fällen waren die Beschuldigten entweder bereits verstorben oder nicht mehr verhandlungsfähig oder der Missbrauchsverdacht hatte sich nicht erhärten lassen.

Leistungen in Anerkennung erlittenen Leids

Im Bistum Mainz sind bislang 52 Anträge auf Anerkennung erlittenen Leids gestellt worden. Davon wurden 47 Anträge bewilligt. Vier Anträge wurden abgelehnt, ein Fall ist derzeit noch offen. Bisher wurde eine Gesamtsumme von 275.000 Euro für die gestellten Anträge gezahlt. Der niedrigste Betrag liegt bei 1.000 Euro, der höchste bei 13.000 Euro. Die Höhe der Zahlungen folgte stets mindestens den Empfehlungen der Zentralen Koordinierungsstelle bei der DBK, in einzelnen Fällen ging sie noch darüber hinaus. 

Im Rahmen der Anträge auf Anerkennung erlittenen Leids gibt es insgesamt 13 Anträge, die nach den Kriterien der MHG-Studie keinen Eingang in diese fanden. Die Studie erforschte nur den Missbrauch, der an Minderjährigen durch katholische Priester, durch hauptamtliche Diakone oder durch männliche Ordensangehörige begangen wurde und erforderte für die Dokumentation ein Mindestmaß an Information. Die Mehrzahl der Beschuldigten in diesen 13 Fällen sind Personen, die in kirchlichen Heimen tätig waren: Leiter, Erzieher, auch Erzieherinnen bzw. Ordensschwestern. Daneben gibt es einzelne Vorwürfe gegen nichtpastorale Mitarbeiter und gegen Ehrenamtliche, zum Beispiel in der Jugendarbeit. Die Betroffenen, die diese 13 Anträge gestellt haben, sind alle männlich.

Diese Zahlen zeigen, dass bisher bei Weitem nicht jedes Opfer bzw. jeder Betroffene von sexuellem Missbrauch einen solchen Antrag gestellt hat.

Weitere Hilfen für die Opfer von sexuellem Missbrauch

Neben den Zahlungen in Anerkennung des Leids wurde den Betroffenen auch die Übernahme von Therapiekosten angeboten, wofür bislang rund 93.000 Euro aufgewendet worden sind. Einzelnen Betroffenen wurde noch weitergehende finanzielle Unterstützung gewährt. Jedem Opfer wurde das Gespräch mit der Bistumsleitung angeboten. In diesen Gesprächen konnten zum Teil zusätzliche individuelle Hilfsmaßnahmen vereinbart werden, wie zum Beispiel die Vermittlung in eine seelsorgliche Begleitung.

Ausbau der Präventionsmaßnahmen

Der Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs im Bistum Mainz richtet sich an den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz aus und wurde entsprechend der Neufassung dieser Leitlinien vom August 2013 weiterentwickelt. So wurde zum Beispiel neben dem langjährigen männlichen Beauftragten inzwischen noch eine zweite, weibliche Ansprechpartnerin für Opfer sexuellen Missbrauchs ernannt.

Opfer sexuellen Missbrauchs können auch weiterhin Anträge auf Leistungen in Anerkennung ihres Leids stellen. Darüber hinaus engagiert sich die katholische Kirche in ihren Einrichtungen für einen effizienten und umfassenden Schutz vor sexualisierter Gewalt. Im Januar 2016 wurde dazu zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM) eine Vereinbarung geschlossen. Dabei geht es um die Fortschreibung einer Vereinbarung zur Entwicklung und Implementierung von institutionellen Schutzkonzepten. Insgesamt ist die Präventionsarbeit im Bistum Mainz in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden (http://praevention.bistummainz.de).

Im Bistum Mainz nehmen alle neuen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, an der „Intensiv-Schulung Prävention für nebenberufliche/ehrenamtliche Mitarbeitende“ teil. Aktuell wird das Angebot der Präventionsarbeit aufgrund eines Personalwechsels überarbeitet. In das neue Schulungsangebot werden auch die Erkenntnisse der aktuellen MHG-Studie mit einfließen.

In den Jahren 2012 bis 2014 wurden alle Priester in eintägigen Großgruppen-Schulungen an verschiedenen Standorten im Bistum geschult. In den Jahren 2012 bis 2014 gab es außerdem jeweils zweitägige Schulungen für Leitungskräfte, unter anderem in Schulen, Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.

Die Themen Sexualität, Zölibat und Prävention sexualisierter Gewalt sind Teil der Priesterausbildung im Bischöflichen Priesterseminar Mainz. Unter anderem wird in Kooperation mit der Präventionsbeauftragten des Bistums ein Kurs zur Prävention sexualisierter Gewalt für die Priesterausbildung mit insgesamt 36 Unterrichtseinheiten durchgeführt. Darüber hinaus ist die Thematisierung von Fragen der Sexualität und sexuellen Identität fester Bestandteil der regelmäßigen Geistlichen Begleitung von Priesteramtskandidaten. Im Rahmen des Aufnahmeverfahrens in das Seminar ist ein Gespräch mit einer forensischen Psychologin verpflichtend.

Für die Aufgaben der Prävention, also etwa die Koordinationsstellenarbeit sowie Schulungen von Haupt- und Ehrenamt stehen in den Haushalten der Koordinationsstelle, der Abteilung Fortbildung sowie des Bischöflichen Jugendamtes für das Jahr 2018 rund 100.000 Euro zur Verfügung. Darüber hinaus hat das Bistum mit einer Anschubfinanzierung von 100.000 Euro den an der Universitätsmedizin beheimateten Mainzer Standort des Projektes „Kein Täter werden“ unterstützt. Das an der Berliner Charité entstandene Projekt ist ein niedrigschwelliges Beratungs- und Therapieangebot für Menschen mit pädophilen Neigungen.

Die beiden Ansprechpersonen für die Prüfung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs, eine Frau und ein Mann, sind im Bistum Mainz unabhängig von der Bistumsleitung. Sie stehen nicht in einem aktiven Dienstverhältnis zum Bistum, arbeiten aber mit der Bistumsleitung in Übereinstimmung mit den Leitlinien konstruktiv zusammen.

Ansprechpartner/-in im Missbrauchsfall im Bistum Mainz sind:

Richard Seredzun - Telefon: 06102 / 599 86 56

Sr. Marie Bernadette Steinmetz RSM - Telefon: 06165 / 2081

E-Mail:  missbrauchsbeauftragter@bistum-mainz.de

Dem diözesanen Beraterstab gehören außerdem Fachleute, Frauen und Männer, mit medizinisch-psychotherapeutischem, juristischem - insbesondere strafrechtlichem - und kirchenrechtlichem Sachverstand an.

(MBN)

 

„Wir wollen eine Kirche des Teilens werden“

Bischof Kohlgraf präsentierte Vorschlag für künftigen Pastoralen Weg im Bistum Mainz

Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat bei der Sitzung der Diözesanversammlung im Bistum Mainz einen Vorschlag für den künftigen Pastoralen Weg im Bistum Mainz präsentiert. „Was ich Ihnen heute vorstelle, ist das Ergebnis meiner zahlreichen Gespräche und Begegnungen im Bistum Mainz in den vergangenen Monaten. Meine Vorstellungen sind noch nicht in Stein gemeißelt, da wir viele Details in den Gremien noch diskutieren müssen. Aber es zeigt, wohin der Pastorale Weg konkret gehen könnte; dies soll gleichzeitig die Grundlage für den weiteren Austausch in den Räten und Gremien der Diözese sein“, sagte Kohlgraf am Samstag, 22. September, im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes in Mainz. Der Auftakt für die Umsetzung des Pastoralen Wegs im Bistum Mainz soll in der Fastenzeit 2019 erfolgen.

Kohlgraf wies darauf hin, dass mit dem Pastoralen Weg auch eine theologische Neuorientierung einhergehe. „Wir wollen eine Kirche des Teilens werden, in der nicht nur Leben und Glauben, sondern auch Ressourcen und Verantwortung geteilt werden“, sagte er. Dafür brauche es eine „neue Kultur des Miteinanders“. „Wir wollen die Frage stellen: Was ist die innere Motivation für Menschen, dass sie glauben? Was motiviert sie, damit Kirche lebendig bleibt? Und wir als Kirche müssen uns fragen: Bekommen die Menschen das, was sie brauchen? Brauchen sie das, was sie bekommen? Wir wollen uns also grundlegend fragen: Was wollen wir als Kirche heute?“ Leitfigur für den Pastoralen Weg solle der heilige Martin sein, sagte Kohlgraf.

Veränderte Rahmendaten

Der Bischof wies in seinem Vortrag auf sich verändernde Rahmendaten hin, „die man nicht ignorieren kann und mit denen man jetzt konstruktiv umgehen muss“: So werde sich der Zahl der aktiven Priester von derzeit 198 bis 2030 voraussichtlich auf 104 verringern. Auch die Zahl der Pastoralreferenten werde von derzeit 140 auf 101, die Zahl der Gemeindereferenten von 238 auf 153, die Zahl der hauptamtlichen Diakone von 28 auf zehn zurückgehen. Zudem rechne man für das Bistum Mainz mit demographischen Veränderungen: Schon jetzt gebe es beispielsweise in Rheinland-Pfalz mehr ältere Menschen als jüngere.

Die Zahl der Katholiken werde von jetzt rund 730.000 bis 2030 voraussichtlich auf rund 650.000 zurückgehen, dazu werde die Kirchenbindung weiter abnehmen: „Die Zahl der Getauften schrumpft schneller als die Bevölkerung als Ganzes. Wir haben es nicht nur mit einem Mangel an Seelsorgern, sondern auch mit einer kleiner werdenden Gruppe von Gläubigen zu tun“, sagte Kohlgraf. Dies bedeute, dass auch die Kirchensteuereinnahmen von derzeit rund 220 Millionen Euro pro Jahr auf voraussichtlich unter 200 Millionen Euro sinken werden. Dies wolle er „nicht beklagen“, betonte Kohlgraf. „Vielmehr kommt es jetzt darauf an zu sagen, wie wir innerhalb dieser Rahmenbedingungen unser Glaubensleben positiv organisieren können.“

„Die Gemeinden vor Ort lebendig halten“

Mit dem Pastoralen Weg werde es daher auch strukturelle Veränderungen geben, sagte Kohlgraf. Sie zielten in erster Linie darauf hin, die „Gemeinden vor Ort lebendig zu halten“: „Die lokalen Gemeinden sollen Orte des christlichen Lebens im Bistum Mainz bleiben“, betonte er. Die Pfarreien werden sich aus mehreren dieser lokalen Einheiten zusammensetzen. „Die Pfarreien verstehe ich als Verwaltungseinheiten. Sie begleiten und unterstützen das Leben in den Gemeinden vor Ort“, sagte der Mainzer Bischof. Für diese Pfarreien schlug Kohlgraf zwei grundsätzliche Modelle vor: Neben „Pfarreien mit Mittelpunkt“ soll es künftig auch „Pfarreien aus Einzelgemeinden“ geben. Bei beiden Modellen werden die bisher bestehenden Pfarreien fusionieren, es werde nur noch einen Pfarrgemeinde- und einen Verwaltungsrat geben. Wichtig sei, dass die unterschiedlichen Kulturen in den Gemeinden bewahrt bleiben.

Geleitet werden die Pfarreien von einem Pfarrer, da dies vom Kirchenrecht so vorgeschrieben sei, betonte der Bischof. Für die Pfarreien werde ein Team aus Seelsorgern gebildet, eine „tragende Säule“ werden zudem die Ehrenamtlichen vor Ort in den Gemeinden haben, sagte der Mainzer Bischof. Zu entscheiden sei auch noch, inwieweit hauptamtliche pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gemeinden vor Ort an der Leitung beteiligt werden. Grundsätzlich kann sich Kohlgraf neue Leitungsmodelle vorstellen: So ist es nach dem katholischen Kirchenrecht möglich, dass Laien an Leitungsaufgaben teilnehmen (Canon 517, §2 CIC). Zudem werde es eine Entlastung in Verwaltungsangelegenheiten geben. Die größeren Räume seien eine Chance, „den Reichtum kirchlichen Lebens zu entdecken“. „Mit dem Prozess kann auch eine Verlebendigung des Glaubens einhergehen, sagte er. Bei der Umsetzung werde „viel davon abhängen, dass Menschen Verantwortung teilen, Verantwortung abgeben und anderen Verantwortung zutrauen“, sagte der Bischof.

Dekanate erarbeiten Konzepte

Von Seiten des Bischöflichen Ordinariates werde vorgegeben, wie viele Pfarreien als Verwaltungseinheiten in den 20 Dekanaten des Bistums Mainz gebildet werden sollen. „Die Menschen in den Dekanaten vor Ort sollen selbst bestimmen, welches Modell für sie passend ist“, sagte er. Er gehe davon aus, dass es im Bistum Mainz künftig rund 60 Pfarreien geben werde, sagte Kohlgraf. Derzeit hat das Bistum Mainz 134 Pastorale Einheiten (Pfarrgruppen und Pfarreienverbünde). Bis zum Sommer 2021 soll in den Dekanaten das entsprechende Konzept vorliegen. Unterstützt werden die Dekanate von einem Moderator, die Umsetzung soll bis zum Jahr 2030 erfolgt sein. „Wir werden dabei mit Ungleichzeitigkeiten im Bistum Mainz leben müssen“, sagte Kohlgraf, möglicherweise werde es auch Modellpfarreien geben, in denen der Prozess beispielhaft umgesetzt werde. Für die Umsetzung des Pastoralen Weges ist im Bischöflichen Ordinariat Mainz zum 1. November eine Koordinierungsstelle eingerichtet worden, die von Pastoralreferent Dr. Wolfgang Fritzen geleitet wird.

Stichwort: Diözesanversammlung

Die Diözesanversammlung des Bistums Mainz tritt in der Regel einmal im Jahr zusammen. Sie ist nach den Worten des früheren Bischofs von Mainz, Kardinal Karl Lehmann, so etwas wie eine „kleine Synode des Bistums“ mit seinen rund 730.000 Katholiken. Ihr gehören 122 Mitglieder an. Sie setzt sich unter dem Vorsitz des Bischofs aus den diözesanen Räten (Priesterrat, Katholikenrat und Konferenz der Dekane) und den Vertretern der Bistumsleitung zusammen. Hinzu kommen Vertreter der Orden, der Ständigen Diakone, der Pastoralreferentinnen und -referenten, der Gemeindereferentinnen und -referenten sowie des Diözesan-Caritasverbandes. Außerdem können bis zu sieben Persönlichkeiten hinzugewählt werden. Die Organe der Diözesanversammlung sind der Vorstand mit dem Bischof als Vorsitzendem, der Diözesan-Pastoralrat (eine Art Hauptausschuss) und neun Sachausschüsse, die bei der konstituierenden Sitzung gebildet wurden. Geschäftsführende Vorsitzende der Diözesanversammlung ist Dr. Hildegard Dziuk.

am (MBN)                     

 

„Ich möchte das Thema breit diskutieren“

Bischof Kohlgraf lädt zu regionalen Gesprächstagen zur Pastoralen Handreichung ein

Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf will im Bistum Mainz über die von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) veröffentlichte Pastorale Handreichung „Mit Christus gehen - Der Einheit auf der Spur. Konfessionsverbindende Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie“ ins Gespräch kommen. Dafür wolle er in der Diözese zu regionalen Gesprächstagen einladen. Das kündigte Kohlgraf bei der Sitzung der Diözesanversammlung im Bistum Mainz am Freitagabend, 21. September, an. „Ich möchte dieses Thema mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bistums breit diskutieren“, sagte der Bischof. Es sei ihm wichtig, die Handreichung „für das Bistum Mainz funktionstüchtig zu machen“, daher soll nach den Gesprächen im kommenden Jahr eine Pastorale Leitlinie für das Bistum Mainz zu diesem Thema veröffentlicht werden.

Im Rahmen der regionalen Gesprächstage will Kohlgraf über den Stand der ökumenischen Theologie informieren sowie ausführlich den Sinn und den Zweck der Handreichung erklären. Zudem sollen auch betroffene Ehepaare zur Wort kommen. „Mir ist wichtig, dass sich sowohl Befürworter als auch Kritiker der Handreichung äußern können“, betonte Kohlgraf. Gleichzeitig unterstrich er, dass diese Frage nicht nur ein ökumenisches Thema sei: „Auch an uns Katholiken wird die Frage nach der Bedeutung der Eucharistie gestellt.“ Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hatte Ende Juni die Veröffentlichung der Handreichung beschlossen.

Die Diözesanversammlung des Bistums Mainz tritt in der Regel einmal im Jahr zusammen. Das synodale Beratungsgremium mit rund 122 Mitgliedern setzt sich unter dem Vorsitz des Bischofs aus den diözesanen Räten (Priesterrat, Katholikenrat und Konferenz der Dekane) und den Vertretern der Bistumsleitung zusammen. Hinzu kommen Vertreter von Orden, der pastoralen Berufsgruppen und des Diözesan-Caritasverbandes.

am (MBN)

 

„Abend in eigener Sache“

Einblicke in die Geschichte des Erbacher Hofes mit Dr. Hartmut Heinemann

Mainz. Zu einem „Abend in eigener Sache“ begrüßte Dr. Felicitas Janson, Studienleiterin der Bistumsakademie Erbacher Hof, am Dienstag, 18. September, rund 30 Gäste. Der Wiesbadener Historiker Dr. Hartmut Heinemann referierte zum Thema „Der Erbacher Hof in Mainz – Einblicke in seine Geschichte“. Der Archivoberrat a.D. beim Hessischen Hauptstaatsarchiv stellte bislang unbekanntes Archivmaterial von der Gründung des Zisterzienserklosters Eberbach im Rheingau im Jahr 1136 bis zur Auflösung des Klosters Eberbach 1803 vor. Heinemann hat mehr als 4.000 Urkunden komplett erfasst, registriert und ausgewertet.

Der heutige Erbacher Hof – sein Name ist eine Kurzform von „Eberbacher Hof“ – wurde nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges ab 1975 auf den Resten des alten klösterlichen Stadthofes wieder aufgebaut und mit modernen Zubauten erweitert. Die Baumaßnahmen wurden mit erheblichem Aufwand von Fachleuten wissenschaftlich begleitet, erläuterte Heinemann. Dazu erschien 1988/89 ein Dokumentarband, der auch einen tiefen Einblick in die Baugeschichte des Klosterhofs enthält. Die historischen Beziehungen von Kloster Eberbach zu Mainz und seinem Stadthofwerden wurden darin aber nur kurz gestreift, erläuterte Heinemann. Daher bewege er sich als Historiker und Archivar „gewissermaßen im historischen Niemandsland“.

Die Beziehungen des Klosters zu Mainz waren vielfältig. Sie beginnen mit dem Mainzer Erzbischof, der dem Zisterzienserorden den Grund und Boden für die Klosteranlage im Rheingau zur Verfügung stellte und zumindest im Mittelalter als „Fundator“ des Klosters auftrat. Das enge Verhältnis ist unter anderem durch die Grabmäler der Erzbischöfe in der Klosterkirche belegt.

Eng, teilweise aber auch spannungsreich waren die Kontakte Eberbachs zu den Mainzer Stiften und Klöstern, berichtete Heinemann. „Diese waren vor allem im Rheingau begütert und waren dort mit ihren Rechten längst präsent, als Eberbach 1136 als Neuling die historische Bühne betrat.“ Sie leisteten dem Kloster einen viel hartnäckigeren Widerstand als etwa die Welt der Laien, wenn es zum Streit kam. Heinemann erwähnte insbesondere das Liebfrauenstift, bekannter unter seinem Namen „Mariengreden“. Dessen eindrucksvoller gotischer Bau stand vor dem Ostchor des Doms und somit räumlich ganz in der Nähe des Erbacher Hofs. Im Jahr 1322 betraute Papst Johannes XXII. „Mariengreden“ damit, die Rechte und Freiheiten von Kloster Eberbach vor kirchlichen Gerichten zu vertreten und das Kloster in seinen Privilegien zu schützen. „Damit hatte Mariengreden über Jahrhunderte hinreichend zu tun“, berichtete der Historiker.

Die Ebersbacher Beziehungen zu den Mainzer Klöstern und Stiften reichten noch weiter. Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurde Eberbach von der Kirche beauftragt, 14 Nonnenklöster geistlich zu betreuen, wofür jeweils ein Mönch als Beichtvater abzustellen war. Vier dieser Nonnenklöster lagen in der Stadt selbst oder direkt vor den damaligen Stadtmauern: Altmünster, Weißfrauen, St. Agnes und Maria Dalheim. Sie unterstanden der Paternität von Eberbach bis zu dessen Aufhebung 1803.

Heinemann ging auch auf die grundsätzliche Bedeutung der Stadthöfe für die Zisterzienser ein. Deren Grundidealen, in der Abgeschiedenheit der Welt Gott zu dienen, entsprachen sie nämlich eigentlich nicht. Aber man war auf die städtischen Märkte angewiesen. Dort fand sich alles, was man nicht selbst produzieren konnte, was aber für den Alltag nötig war. Umgekehrt konnte man dort eigene Produkte verkaufen. Auf den Aufbau der ländlichen Wirtschaftshöfe im 12. Jahrhundert folgten daher im 13. und 14. Jahrhundert der Auf- und Ausbau der Stadthöfe. Für Eberbach wurden sie „das Herzstück des wirtschaftlichen, des sozialen, dann aber auch des kulturellen und selbst des spirituellen Lebens außerhalb der Klostermauern“.

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts besaß das Kloster acht Stadthöfe und hat diese bis in die Zeit der Säkularisation um 1800 auch gehalten. Sechs Höfe lagen am Rhein, sämtlich auf der linken Flussseite: Oppenheim, Mainz, Bingen, Oberwesel, Boppard und Köln. Hinzu kamen Frankfurt und Limburg. Mit der Lage am Rhein ist die Verkehrsachse aufgezeigt, entlang derer die Produkte mit dem Schiff transportiert wurden, insbesondere der Wein. In der Regel besaß das Kloster dort jeweils auch Bürgerrecht und beteiligte sich an öffentlichen Bauwerken.

Mainz fiel unter den Stadthöfen aufgrund der geografischen Nähe eine besondere Bedeutung zu. So wurden hier die Mönche medizinisch versorgt. Über den Klosterhof war problemlos auch eine längere Behandlungsphase möglich. Und in der frühen Neuzeit wurden bei italienischen Kaufleuten Lebensmittel der gehobenen Kategorie – wie etwa Südfrüchte – eingekauft. Hier bezog man auch frischen Fisch, für den man hohen Bedarf hatte. Denn die Mönche durften kein Fleisch essen. Auch kunsthandwerkliche Erzeugnisse sowie liturgische Gerätschaften bezog man gerne in Mainz.

Heinemann wies auch auf den in der Eberbacher Literatur bislang unbeachteten Immobilienbetrieb hin, der vom Stadthof verwaltet wurde. Eine Zusammenstellung der Mainzer Immobilien fand der Historiker auf einigen überlieferten Pergament-Blättern der Zeit um 1430. Zu dieser Zeit gehörten Eberbach mehr als ein Dutzend Häuser, die verpachtet waren. Zudem hat Eberbach „über seine rheinischen Stadthöfe zu allen Zeiten vielerlei Kontakte zu den Juden gepflegt“. Dies galt vor allem dort, wo der städtische Klosterhof in der Nähe der Synagoge lag. „Hier begegneten sich beide Seiten auf Augenhöhe und hatten gleiche Interessen.“

Wie war der Alltag im Erbacher Hof? „Es ging durchaus weltlich zu“, erläuterte Heinemann. „Der Klosterhof war ein Wirtschaftsbetrieb, in dem gelebt und gearbeitet wurde.“ Es gab weibliches Dienstpersonal, wie eine für 1514 nachgewiesene Mägdekammer belegt. Im Stadthof wohnten auch wohlhabende Frauen, oft Beginen, wie für Oberwesel 1336 belegt ist. Auch Vorratsbauten gab es und eine Kelter: Das Kloster besaß im Mainzer Stadtgebiet Weinberge in Eigennutzung.

Am Ende des „Abends in eigener Sache“ führten Felicitas Janson und Hartmut Heinemann ihre Gäste in die gotische Marienkapelle, um ihnen einen Einblick in die Gegenwart des Erbacher Hofs zu ermöglichen, und in den dritten Stock: Vom Balkon aus bot sich hier ein abendlicher Ausblick auf den nur etwa 50 Meter entfernten Mainzer Dom.

ath (MBN)

 

Projekt zur Religionsforschung trifft sich in Mainz

Auftakt der internationalen Tagung in der Mainzer Martinus-Bibliothek

Mainz. In Mainz treffen sich von Sonntag, 23., bis Freitag, 28. September, Wissenschaftler von zwölf Institutionen aus sieben europäischen Ländern im Rahmen eines Projektes zur Religionsforschung. Die Tagung „Use and study of special documents“ wurde am Montag, 24. September, mit einer ersten Arbeitseinheit in den Räumen der Mainzer Martinus-Bibliothek eröffnet. Federführend für das Projekt an der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität ist der Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät von Professor Dr. Claus Arnold, der auch Leiter des Instituts für Mainzer Kirchengeschichte ist. Die Projektkoordination hat Alexandra Nusser.

Neben der Martinus-Bibliothek sind auch die Bereichsbibliothek Theologie der Johannes Gutenberg-Universität mit der Jüdischen Bibliothek, das Gesangbucharchiv sowie die Wissenschaftliche Stadtbibliothek Mainz beteiligt. Das Mainzer Teilprojekt will die großen historischen Bücherschätze von Stadt, Kirche und Universität zusammenbringen und deren internationale Sichtbarkeit und transnationale Zugänglichkeit, unter anderem durch Vergabe von Stipendien an europäische Gastwissenschaftler, steigern.

Die Mainzer Tagung ist Bestandteil des Projektes „Research Infrastructure on Religious Studies“, das zum Ziel hat, eine innovative Infrastruktur für Religionsforschung innerhalb Europas zu schaffen. Im Rahmen des Projektes werden Nachwuchs-Wissenschaftlerinnen und- Wissenschaftler darin geschult, wie sie Daten und Materialien für ihre Forschungen nutzen können. Es wird für drei Jahre aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der EU Horizon 2020 finanziert.

tob (MBN)

 

Fast 20.000 Kilometer mit dem Rad zur Arbeit

Teams des Bistums Mainz sparen knapp vier Tonnen Kohlendioxid

Mainz. 38 Mitarbeiterinnen und -mitarbeitern des Bistums Mainz in zehn Teams haben von Mai bis August an der Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“ von ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) und AOK teilgenommen und dabei fast 20.000 Kilometer zurückgelegt. Dadurch wurden knapp vier Tonnen Kohlendioxid gespart. Eingeladen zur Teilnahme an der Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“ hatten der Umweltbeauftragte, Dr. Franz J. Hock, und der Umweltbeirat des Bistums Mainz. Neben den Radlerinnen und Radlern rund um Mainz war auch eine Gruppe aus Alsfeld sowie Einzelpersonen aus Bingen und Darmstadt dabei.

Hinweis: www.mit-dem-rad-zur-arbeit.de, www.umwelt.bistummainz.de, www.um-welt-bedacht.de

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Vorschau

„Worms 1018-2018: Dom und Stadt“ (11.-13.10.)

Symposion der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte

Worms. Die Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte lädt anlässlich des 1.000-jährigen Jubiläums des Wormser Domes zu einem Symposion ein. Von Donnerstag 11., bis Samstag, 13. Oktober, treffen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Tagungszentrum „DAS WORMSER“. Die Veranstaltung steht unter der Überschrift „Worms 1018-2018: Dom und Stadt“.

In der Ankündigung zu dem Symposion heißt es: „Der vor 1.000 Jahren geweihte Wormser Dom ist ein herausragendes Zeugnis für die intensive kirchliche Bautätigkeit, die vom Ende des zehnten bis zur Mitte des elften Jahrhunderts die sakrale Landschaft Europas prägte. Für den zeitgenössischen Geschichtsschreiber Rodulf Glaber hatte es den Anschein, als wollten alle christlichen Gemeinden einander durch den Aufwand und Glanz ihrer Bauten übertreffen. Mit diesen Entwicklungen ist der Wormser Dom ebenso verbunden wie mit der Geschichte der Stadt, deren geistliches Zentrum er bildet. In seiner 1.000-jährigen Geschichte hat der Dom vielfache Funktionen in Worms erfüllt: Als Ort der liturgischen Feier, als Ort der öffentlichen Kommunikation, als Ort der Identifikation, als Ort der Erinnerung. Von der Bauzeit unter Bischof Burchard über das späte Mittelalter und die Reformation bis zu den Auseinandersetzungen des Kulturkampfes und der Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus sollen zentrale Momente dieser facettenreichen Geschichte des Doms in der Stadt im Rahmen des interdisziplinären Symposions präsentiert und diskutiert werden.“

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16. Forum Sozialpastoral (30.10.)

„Jeder Mensch braucht ein Zuhause! Wohnen ist ein Menschenrecht“

Heppenheim. Das 16. Forum Sozialpastoral steht unter der Überschrift: „Jeder Mensch braucht ein Zuhause! Wohnen ist ein Menschenrecht“. In der Einladung heißt es: „Wir wollen uns an diesem Tag die Frage stellen, wie wir als Caritas und Seelsorge der Wohnungsnot entgegenwirken und die Menschen in unserem Umfeld, die von dieser Not betroffen sind, unterstützen können.“ Die Tagesveranstaltung findet am Dienstag, 30. Oktober, von 9.00 bis 16.30 Uhr im Haus am Maiberg in Heppenheim statt. Angeboten werden verschiedene Workshops zum Thema; Impulsreferate halten Dr. habil Sebastian Schipper zum Thema „Die Rückkehr der Wohnungsfrage. Strategien für bezahlbaren Wohnraum“ und Peter Grundler zum Thema „Bezahlbarer Wohnraum Biberach“.

Die Initiative Sozialpastoral ist ein Projekt von hauptamtlichen Mitarbeitern aus dem Bistum Mainz, das im Jahr 2002 gegründet wurde. Die Initiative will die Option für die Armen zur Geltung bringen und Mitarbeiter aus Seelsorge und Caritas, die sich im Bereich der Sozialpastoral engagieren, miteinander vernetzen und unterstützen. Seit dem Jahr 2003 veranstaltet die Initiative einmal jährlich ein Forum Sozialpastoral im Bistum Mainz.

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MBN vor 40 Jahren

Über den Besuch einer Delegation polnischer Bischöfe schreiben die Bistumsnachrichten: „‚Vergebendes Vergessen’ sei die Voraussetzung für den nicht selbstverständlichen Besuch des Primas von Polen, Kardinal Stefan Wyszynski, und der polnischen Bischöfe Kardinal Karol Wojtyla, Erzbischof von Krakau, Dr. Jerzy Stroba, Bischof von Stettin und seit 23. September Erzbischof von Posen, Dr. Wladislaw Rubin, Weihbischof in Gnesen mit ständigem Sitz in Rom, Generalsekretär der Bischofssynode, Delegat des Primas von Polen für die Emigrantenseelsorge, sagte der Bischof von Mainz, Kardinal Hermann Volk, als er die Gäste vor dem Dom zu Mainz am 24. September von ganzem Herzen im Namen aller Gläubigen willkommen hieß. Das polnische Volk habe den deutschen Katholiken in den vergangenen schweren Zeiten einen großen Dienst durch sein Beispiel der Standhaftigkeit im Glauben und seine Frömmigkeit erwiesen. Der Kardinal wies auf das von Ketteler gegründete Bischöfliche Willigis-Gymnasium hin, das sich seit Jahren die Polenbegegnungen zum Programm gemacht habe. ‚Wir ergreifen die uns entgegengestreckte Hand sehnsüchtig.’

Zu Beginn des von den Kardinälen Volk, Wojtyla, Weihbischof Wolfgang Rolly und anderen Geistlichen konzelebrierten Pontifikalamtes dankte Kardinal Wojtyla für den Empfang und die Möglichkeit, gemeinsam zu beten und den Gottesdienst im Geiste der Versöhnung zu feiern. ‚Wir kommen im Geist des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung, um den gemeinsamen Anfang zu betrachten, zum Beispiel am Grab des heiligen Bonifatius, und wir sind dankbar für die große Gestalt Bischof Kettelers.’ Der Erzbischof von Köln, Kardinal Josef Höffner, dankte den Gästen, die als Boten der Versöhnung und des Friedens gekommen seien. ‚Der Primas hat unser Herz gewonnen. Er kehrt nach Polen zurück mit der Liebe und dem Vertrauen der deutschen Katholiken.’ Annähernd 3.000 Gläubige füllten den Dom und ehrten die Gäste mit begeistertem Beifallsklatschen.

In seiner Predigt sagte Kardinal Wyszynski: „Der Dom zu Mainz ist eine Stätte meiner jugendlichen Begeisterung und Hoffnung. Hier habe ich beim Grabe von Bischof Emmanuel von Ketteler, im Jahre 1930, viele Stunden in Betrachtung und Gebet verbracht. Seine Gestalt hat mich seit meinen Studien der katholischen Soziallehre rege interessiert: Vor allem seine sozialen Schriften über ‚die Arbeiterfrage’. Heute, nach vielen Jahren, kann man abwägen, in welchem Maße die Voraussichten des Bischofs von Mainz sich bewahrheitet haben. Inwieweit sind seine Programme ins Leben umgesetzt worden? Wie sieht das heute aus? Zweifelsohne übte Bischof Ketteler einen großen Einfluss auf die Entstehung der christlichen Arbeiterbewegung und auf die Enzyklika ‚Rerum novarum’ aus. Für viele Menschen, auch für meine katholisch-soziale Formation, wurde er zum Vorbild und Meister. Sein Programm aber, das den Charakter einer moralisch-sozialen Wandlung trug, wurde nur zum Ausgangspunkt für katholische Sozial-Reformatoren. Viele von ihnen haben die berufliche und wirtschaftliche Richtung eingeschlagen. Die moralisch-soziale Seite der sogenannten Arbeiterfrage ist dagegen oft vernachlässigt worden trotz der Ermahnungen der Sozial-Enzykliken Leo XIII., Pius XI., Pius XII. und Johannes XXIII.

Heute sehen wir das besonders gut. Zwar hat der berufliche und wirtschaftliche Aufstieg in vielen Ländern den Industriearbeitern nicht wenige Erfolge gebracht, doch ist die moralisch-soziale und kulturelle Komponente dabei zurückgeblieben. Tatsächlich kommt die Materie, wie Pius XI. schrieb, aus den Werkstätten veredelt heraus, der Mensch aber wird dabei schlechter.  Die zeitgenössische soziale Unzufriedenheit der Arbeiterschichten ist ein Beweis dafür, dass die von Bischof Ketteler sogenannte ‚Arbeiterfrage’ noch nicht völlig gelöst wurde.

Wir sind zum Grabmal dieses bischöflichen Hirten und dieses für das Gemeinwohl engagierten Menschen gekommen, um durch seine Vermittlung die gänzliche Erlösung der Kinder Gottes von der Unterjochung der Materie und des Materialismus zu erbitten, damit der Mensch sich die Erde untertan, und nicht sich selber zu ihrem Sklaven mache. Wir sind hierhergekommen um zu erbitten, dass auch in der menschlichen Arbeit sich die wahre Heiligung des Zeitlichen und die wahre Erlösung aller Söhne Gottes vollziehe.“

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Vogel übergab bei einer Feierstunde das erste Chagall-Kirchenfenster an die Gemeinde St. Stephan in Mainz. Dazu schreiben die MBN: „Einen ungewöhnlichen Vorgang nannte es der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Dr. Bernhard Vogel, dass sich einer der großen Künstler dieses Jahrhunderts, Marc Chagall, für eine Pfarrkirche in Deutschland entschieden habe, um ein Zeichen der Versöhnung zu setzen. In der Feierstunde in St. Stephan in Mainz, in der am 23. September Dr. Vogel das von der Landesregierung gestiftete neue Chagall-Fenster der Kirchengemeinde übergab, betonte er, nicht die Sensation dieses Ereignisses sei entscheidend, sondern die Langzeitwirkung des Fensters auf die Meditation der Betrachter. Chagall vollziehe in seiner gläubigen Naivität die Gotteskindschaft in seinem Werk, die sich mitteile. Für ihn sei Kunst Mission und für ihn sei die Welt nur durch die Liebe, der sich Kunst und Wissenschaft unterordnen müssten, zu retten. Der Inhalt der Kunst Chagalls, dem die Allgegenwart des Heiligen aufgegangen sei und der das Glück wieder entdeckt habe, sei die Versöhnung mit Gott und den Menschen. Aus der Glut der Farben, die ihm die Liebe symbolisierten, entwickelten sich die Formen und Linien von selbst, würden die Figuren transparent wie in den französischen gotischen Kathedralen. Dr. Vogel dankte Frau Chagall, die in Vertretung ihres Mannes an der Feierstunde teilnahm, und den ebenfalls anwesenden Glaskünstlern aus Reims für das Werk.

Der Bischof von Mainz, Kardinal Hermann Volk, wies auf die Abgründe hin, die zu überbrücken gewesen seien, ehe ein jüdischer Künstler ein Kirchenfenster für eine katholische Pfarrkirche habe schaffen können. Damit sei ein weiterer Schritt getan auf dem Weg, die gemeinsamen Wurzeln des christlichen und jüdischen Glaubens sichtbar zu machen. Durch das neue Fenster werde die Heilsgeschichte, Abraham als Vater der Glaubenden, präsent. Er sei glücklich über die bildliche Darstellung, betonte Kardinal Volk. Denn es sei nicht Weisheit, auf Bilder zu verzichten. Die Einbeziehung des Leibes sei notwendig für Gebet und Glauben. Das Fenster unterstreiche dies in der zärtlichen Begegnung der Gestalten. Daher sei es nicht nur Dekoration für die Kirche, sondern Hilfe, den Glauben als Standortverlagerung bis zur Radikalität wie bei Abraham zu verstehen. Kardinal Volk dankte den Künstlern und der Landesregierung für dieses Geschenk.

In der Feierstunde, an der viele Gäste, darunter der französische Botschafter, Vertreter des Zentralrates der Juden in Deutschland, der evangelischen Kirche, des Bundes- und Landesparlamentes, der Stadt Mainz, teilnahmen, wurde eine Kantate über die Botschaft der Bibel zum Chagall-Fenster von dem Mainzer Komponisten Theo Brandmüller uraufgeführt. Die Sängerin Ursula Mayer-Reinach kam aus Israel. Für seine Verdienste bei der Erstellung des Chagall-Fensters in Mainz zeichnete Oberbürgermeister Jockel Fuchs den Pfarrer von St. Stephan, Klaus Mayer, mit der Gutenberg-Plakette der Stadt Mainz aus.“

Mainzer Bistumsnachrichten Nr. 24 vom 27. September 1978

Diözesanversammlung (c) Bistum Mainz / Blum
Diözesanversammlung (c) Bistum Mainz / Blum
Diözesanversammlung (c) Bistum Mainz / Blum
Bischof Peter Kohlgraf (c) Bistum Mainz
Mit dem Rad zur Arbeit (c) Bistum Mainz / Matschak