Mainzer Bistumsnachrichten Nr. 36

24. September 2008

Das Logo zum Bistumsfest anlässlich des Silbernen Bischofsjubiläums von Kardinal Karl Lehmann am 5. Oktober 2008 in Mainz. (c) Bistum Mainz
Das Logo zum Bistumsfest anlässlich des Silbernen Bischofsjubiläums von Kardinal Karl Lehmann am 5. Oktober 2008 in Mainz.
Datum:
Mi. 24. Sept. 2008
Von:
MBN
Kardinal Karl Lehmann (c) Bistum Mainz
Kardinal Karl Lehmann

Bischöfliche Pressestelle Mainz, Leiter: Tobias Blum, Bischofsplatz 2, 55116 Mainz
Postanschrift: Postfach 1560, 55005 Mainz, Tel. 06131/253-128 oder -129,
Fax 06131/253-402, E-Mail: pressestelle@bistum-mainz.de

Silbernes Bischofsjubiläum von Kardinal Karl Lehmann (2.10.)

  • Bistumsfest und Fernsehgottesdienst
  • Der 87. Nachfolger des heiligen Bonifatius
  • Der Autor Kardinal Lehmann
  • Das Selbstverständnis von Kardinal Lehmann
  • O-Ton Lehmann
  • Lebenslauf des Mainzer Bischofs
  • Neuerscheinung „Mut zum Dialog"
  • Buchpräsentation zum Bischofsjubiläum (1.10.)

Berichte

  • Kardinal Lehmann sprach beim Michaelsempfang
  • Kardinal Lehmann ist „Kommunikator des Jahres"
  • Jahresprogramm der Bistumsakademie Erbacher Hof
  • Dank an Hans-Werner Diehl
  • Feierstunde „80 Jahre ADDES"
  • Zwei Neuerscheinungen zu Domkapitular Schneider
  • Interview zur Arbeit der KEB Hessen
  • Dank-Münzen für die Helfer auf der LGS Bingen
  • Stiftung Weltkirche unterstützt Camarakreis Nieder-Olm
  • Qualitätsmanagement für Kindertagesstätten
  • „Tag der Arbeitswelt" bei „Procter&Gamble"

Vorschau

  • Glockenweihe in Mainz-St. Stephan (27.9.)
  • Polizeiwallfahrt mit Weihbischof Guballa (28.9.)

Personalie

  • Joachim Tschakert wird Caritasdirektor in Gießen
Kardinal Karl Lehmann (c) Bistum Mainz
Kardinal Karl Lehmann

Silbernes Bischofsjubiläum von Kardinal Karl Lehmann (2.10.)

Bistumsfest zum Silbernen Bischofsjubiläum von Kardinal Lehmann (2. & 5.10.)

Jubiläum „40 Jahre Pfarrgemeinderäte" / Kardinal bittet um Spenden für zwei Stiftungen

Mainz. Das Bistum Mainz feiert das 25-jährige Bischofsjubiläum von Kardinal Karl Lehmann am Sonntag, 5. Oktober, mit einem Bistumsfest rund um den Mainzer Dom. Der Tag beginnt um 10.00 Uhr mit einem Festgottesdienst vor dem Mainzer Dom, bei dem Kardinal Lehmann die Predigt hält. Zum Bistumsfest wird auch an die Gründung der Pfarrgemeinderäte im Bistum Mainz vor 40 Jahren erinnert. Bereits am Donnerstag, 2. Oktober, dem eigentlichen Tag der Bischofsweihe, findet im Mainzer Dom um 10.00 Uhr ein Pontifikalamt mit anschließendem Empfang im Erbacher Hof statt. Der 90-minütige Gottesdienst am 2. Oktober wird vom Südwestrundfunk (SWR) live in der ARD übertragen. Der anschließende Festakt im Erbacher Hof wird vom Sender Phoenix live übertragen.

Lehmann war nach der Wahl durch das Mainzer Domkapitel am 23. Juni 1983 von Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Mainz ernannt worden. Sein Vorgänger, Kardinal Hermann Volk, weihte ihn am 2. Oktober 1983 im Mainzer Dom zum Bischof. Als Bischof von Mainz ist Kardinal Karl Lehmann der 87. Nachfolger des Heiligen Bonifatius, der von 746 bis 754 Erzbischof in Mainz war und den Beinamen „Apostel der Deutschen" trägt.

Bistumsfest am 5. Oktober

Nach dem Gottesdienst beim Bistumsfest am 5. Oktober und dem anschließenden Mittagessen auf dem Domplatz präsentieren die Dekanate, Pfarreien und Einrichtungen des Bistums ihre Arbeit an über 100 Ständen, wo sie auch Speisen und Getränke anbieten. Auf zwei Bühnen werden sich zahlreiche Chöre sowie Musik- und Kleinkunstgruppen aus dem Bistum vorstellen. Außerdem wird das Jubiläum „40 Jahre Pfarrgemeinderäte" mit einem Bühnenprogramm gefeiert. Die Moderation auf den Bühnen übernehmen Dorit Becker (SWR) und Frank Lehmann (ehemals HR). In einem Begegnungszelt ist außerdem ein umfangreiches Programm zur Arbeit der Pfarrgemeinderäte geplant. Ausgestellt werden außerdem Arbeiten eines Fotowettbewerbs anlässlich des Bischofsjubiläums. Die Bistumszeitung „Glaube und Leben" hatte dazu aufgerufen, sich in fünf Kategorien (Menschen, Gebäude, Natur, Symbole und Pfarrgemeinderat) fotografisch mit dem Wahlspruch des Kardinals „State in fide - Steht fest im Glauben" auseinander zu setzen. Beim Bistumsfest werden die Gewinner bekannt gegeben und prämiert. Den Schlusspunkt setzt um 17.00 Uhr eine Vesper im Mainzer Dom. Der Festtag steht unter dem Motto „Du zeigst mir den Pfad zum Leben (Ps 16,11)".

Bischofsjubiläum am 2. Oktober

Beim Jubiläumsgottesdienst im Mainzer Dom am 2. Oktober wird Kardinal Lehmann die Predigt halten. Außerdem sind Grußworte geplant vom Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Jean-Claude Périsset, vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch aus Freiburg, vom Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Professor Peter Steinacker, vom Mainzer Generalvikar, Prälat Dietmar Giebelmann, und der Vorsitzenden der Diözesanversammlung im Bistum Mainz, Dr. Hildegard Dziuk. Die Ministerpräsidenten Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) und Roland Koch (Hessen) werden mit Mitgliedern ihrer Kabinette bereits zum Gottesdienst erwartet. Die Ministerpräsidenten und der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel werden Kardinal Lehmann im Rahmen eines Festaktes würdigen, der nach dem Gottesdienst um 12.00 Uhr im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes vorgesehen ist.

Spenden für Bistumsstiftungen statt persönlicher Geschenke

Kardinal Lehmann bittet darum, auf persönliche Geschenke zu seinem Silbernen Bischofsjubiläum zu verzichten und stattdessen für die Bonifatius-Stiftung oder die Stiftung Netzwerk Leben des Bistums Mainz zu spenden. Aufgabe der 2005 gegründeten Bonifatius-Stiftung ist die Förderung und Unterstützung von kirchlichen und pastoralen Zwecken und Initiativen auf Ebene der Pfarreien im Bistum Mainz. Sie dient als Gemeinschaftsstiftung für Pfarreien und Verbände im Bistum Mainz. Als Dachstiftung bietet sie Beratung und Unterstützung bei Vorbereitung und Durchführung von Stiftungsvorhaben bis hin zur vollständigen Stiftungsverwaltung.

Die Initiative Netzwerk Leben war im Januar 2001 nach dem Ausstieg der Katholischen Kirche in Deutschland aus der Schwangerenkonfliktberatung mit Beratungsnachweis gegründet worden. Ihr Ziel ist, über die konkrete Schwangerschaftsberatung von Caritas und dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) hinaus das Bewusstsein und das Engagement für den Lebensschutz im Bistum Mainz zu fördern. Im Jahr 2001 war auch die Netzwerk Leben-Stiftung gegründet worden. Unter dem Dach der Wilhelm Emmanuel von Ketteler-Stiftung hat sie zum Ziel, Projekte zu unterstützen, die Hilfen für Frauen und Familien in Schwangerschaft und Notsituationen leisten.

40 Jahre Pfarrgemeinderäte im Bistum Mainz

Der Pfarrgemeinderat als Gremium der Laien in der Kirche ist nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) entstanden. Leitidee ist die Mitverantwortung aller Gemeindemitglieder für die Sendung der Kirche. Die Räte sollen das Leben in den Gemeinden mitgestalten und Sorge für die Gemeindemitglieder tragen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Beratung des Pfarrers in pastoralen Fragen. Je nach Größe der Gemeinde werden zwischen drei und elf Mitglieder direkt in den Pfarrgemeinderat gewählt. Im Bistum Mainz fanden 1968 die ersten Pfarrgemeinderatswahlen statt.

Zwei Uraufführungen zum Bischofsjubiläum

Am Donnerstag, 2. Oktober, wird im Mainzer Dom um 19.30 Uhr ein Konzert anlässlich des Bischofsjubiläums stattfinden. Unter Leitung von Domkapellmeister Mathias Breitschaft findet unter anderem die Uraufführung des Werkes „Der Herr ist mein Hirte" von Christian Ridil statt. Das Werk ist eine Auftragskomposition anlässlich des Bischofsjubiläums. Ridil ist Universitätsmusikdirektor am Musikwissenschaftlichen Institut der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/Main. Bereits zum 25. Jahrestag der Bischofsernennung (23. Juni 2008) fand am Sonntag, 8. Juni, ein Domkonzert statt. Dabei stand im Mainzer Dom die Uraufführung des Werkes „Mainzer Credo - Symphonisches Glaubensbekenntnis" von Domorganist Albert Schönberger auf dem Programm.

Hinweise:

  • Geschäftsstelle der Bonifatius-Stiftung, Bettina Kolbe M.A., Postfach 1560, 55005 Mainz, Tel.: 06131/253-108, Fax: 06131/253-113, E-Mail: bonifatius-stiftung@bistum-mainz.de, Internet: http://www.bonifatius-stiftung.de/ - Bonifatius-Stiftung, Kontonummer 400 7070 018, BLZ 370 601 93, Pax-Bank Mainz eG.
  • Diözesangeschäftsstelle „Netzwerk Leben", Caritasverband für die Diözese Mainz, Bahnstraße 32, 55128 Mainz, Telefon: 06131/2826-275, Fax: 06131/2826-205, E-Mail: netzwerk-leben@bistum-mainz.de, Internet: www.bistum-mainz.de/netzwerk-leben - Ketteler-Stiftung, Kontonummer: 400 2828 028, BLZ 370 601 93, Pax-Bank Mainz eG, Stichwort Netzwerk Leben.

tob (MBN)

 

Den Glauben der Kirche bezeugen und weitergeben

Kardinal Lehmann ist der 87. Nachfolger des heiligen Bonifatius als Bischof von Mainz

Mainz. Als Bischof von Mainz ist Kardinal Karl Lehmann der 87. Nachfolger des heiligen Bonifatius, der von 746 bis 754 Erzbischof von Mainz war und den Beinamen „Apostel der Deutschen" trägt. Lehmann war am 23. Juni 1983 von Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Mainz ernannt worden. Gewählt hatte ihn das Mainzer Domkapitel am 3. Juni 1983. Sein Vorgänger, Kardinal Hermann Volk, weihte ihn am 2. Oktober 1983 im Mainzer Dom zum Bischof. Als bischöflichen Wahlspruch wählte Lehmann ein Wort aus dem ersten Korintherbrief des Apostels Paulus: „State in fide - Steht fest im Glauben (1 Kor 16,13)". Ein besonderer Höhepunkt in Lehmanns Amtszeit war die Teilnahme am Konklave im April 2005, aus dem Kardinal Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. hervorging. Papst Johannes Paul II. hatte Lehmann am 28. Januar 2001 zum Kardinal ernannt und ihm beim Konsistorium am 21. Februar 2001 im Vatikan die Kardinalswürde verliehen.

Bei seiner Vorstellung als Bischof von Mainz im Rahmen einer Pressekonferenz im Mainzer Haus am Dom am 23. Juni 1983 sagte Lehmann: „Ich komme gerne, um mit Ihnen allen auf einem altehrwürdigen Stück Boden der europäischen Christenheit den Glauben der Kirche in unverbrüchlicher Treue zu seinen Ursprüngen und zu seiner großen Geschichte, aber auch in Treue zu den Menschen, die hier und heute mit ihren Fragen und Nöten leben, zu bezeugen und weiterzugeben bis an die Schwelle des dritten Jahrtausends und darüber hinaus, wie und solange Gott es will."

Wichtige Ereignisse in Lehmanns Amtszeit im Bistum Mainz

Als Diözesanbischof hat Lehmann das Bistum Mainz in vielfältiger Weise geprägt und immer wieder die Sorge um die Nöte der Menschen in den Mittelpunkt seines Handelns gerückt. Erinnert sei an sein Engagement für Wiederverheiratete Geschiedene oder den Lebensschutz. 1993 veröffentlichte er mit Erzbischof Oskar Saier (Freiburg) und Bischof Walter Kasper (Rottenburg-Stuttgart) das Gemeinsame Hirtenwort der Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz „Zur seelsorglichen Begleitung von Menschen aus zerbrochenen Ehen, Geschiedenen und Wiederverheirateten Geschiedenen". Nach dem Ausstieg der Katholischen Kirche in Deutschland aus der Schwangerenkonfliktberatung mit Beratungsnachweis gründete er im Januar 2001 im Bistum die Initiative „Netzwerk Leben". Ihr Ziel ist es, über die konkrete Schwangerenberatung von Caritas und dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) hinaus das Bewusstsein und das Engagement für den Lebensschutz im Bistum Mainz zu fördern.

Bereits 1996 führte Lehmann mit der Strukturreform „...damit Gemeinde lebt" die Kooperative Pastoral als Grundkonzept der Seelsorge im Bistum Mainz ein. Mit Abschluss der Strukturreform „Lebendige Gemeinden in erneuerten pastoralen Einheiten" am 1. Februar 2007 wurde die bisher eher lose Zusammenarbeit der Gemeinden durch Kooperationsverträge verbindlich geregelt. Die Menschen und Pfarreien seines Bistums hat Lehmann während seiner Amtszeit in unzähligen Begegnungen kennen gelernt: „Inzwischen kenne ich jede Scheune im Bistum", hat er einmal die Erfahrungen bei seinen zahlreichen Pfarreibesuchen zusammengefasst. Dabei legt er immer großen Wert auf die Begegnung mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Weitere wichtige Ereignisse in Lehmanns Amtszeit waren der 93. Deutsche Katholikentag in Mainz (10.-14. Juni 1998), das Jubiläumsjahr anlässlich des 900. Geburtstages der heiligen Hildegard von Bingen (Eröffnung am 13. September 1997 in Bingen) mit einer großen Ausstellung im Mainzer Dom- und Diözesanmuseum, das Jubiläum „200 Jahre Bistum Mainz" im Jahr 2002 (200 Jahre nach der Wiedererrichtung im Jahr 1802) mit dem Diözesan-Katholikentag als Höhepunkt, die Eröffnung der Bonifatius-Route im Bonifatius-Jahr 2004 und die „Tage der Begegnung" im Bistum Mainz im Vorfeld des XX. Weltjugendtages 2005, der in Köln stattfand. Beim Abschlussgottesdienst im Mainzer Bruchwegstadion predigte Lehmann vor 18.000 Jugendlichen aus aller Welt. Mit der Einweihung des Bildungszentrums Erbacher Hof in Mainz am 27. Februar 1988 erhielt das Bistum einen zentralen Veranstaltungsort. Lehmann hat auch stets die Auslandsbeziehungen des Bistums gepflegt, etwa zur Diözese Oppeln in Polen. Unter anderem war das Bistum 1994 dort bei der Gründung der Universität und des Priesterseminars finanziell beteiligt.

Ein Schwerpunkt seines Wirkens, das er auch als Bischof und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz immer intensiv verfolgt hat, ist die Ökumene. Bereits während seiner Mainzer Professur wurde er im Jahr 1969 Mitglied des Arbeitskreises katholischer und evangelischer Theologen, der nach den beiden Gründern benannte Jaeger-Stählin-Kreis. 1975 wurde er wissenschaftlicher Leiter des Kreises von katholischer Seite und 1989 übernahm er in der Nachfolge von Kardinal Hermann Volk den Vorsitz von katholischer Seite. Stets weist Lehmann bei seinen öffentlichen Auftritten darauf hin, dass es keine Alternative zur Ökumene gibt: „Ich bin überzeugt, dass wir auf dem eingeschlagenen Weg des ökumenischen Gesprächs weiter vorangehen müssen."

Lehmanns Bedeutung und die Wertschätzung, die ihm von der Gesellschaft entgegengebracht wird, ist neben zahlreichen Preisen und Ehrungen auch an den Feiern anlässlich seiner Jubiläen abzulesen. Zu den Feierlichkeiten an seinem 60. Geburtstag im Jahr 1996 kam Bundeskanzler Helmut Kohl. An seinem 70. Geburtstag würdigte ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel vor rund 1.300 Gästen in der Mainzer Rheingoldhalle. Als Anfang Dezember 2007 anlässlich der Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag des Landes Rheinland-Pfalz die 100 größten Rheinland-Pfälzer gewählt wurden, belegte Kardinal Lehmann Platz fünf. Bei der Wahl, zu der der Südwestrundfunk (SWR) sowie die Tageszeitungen „Rhein-Zeitung" und „Rheinpfalz" aufgerufen hatten, waren mehr als 25.000 Stimmzettel abgegeben worden.

Die Mainzer Bischöfe

Soweit die Namen aus der Zeit vor Bonifatius überhaupt bekannt sind, ist Karl Lehmann der 102. Mainzer Bischof. Allerdings gibt es aus dieser Zeit nur wenig gesichertes Wissen. Der erste, legendäre Bischof Crescenz ist nur dem Namen nach bekannt. Historisch bezeugt ist für das vierte Jahrhundert Bischof Marinus oder Martinus (343/346) und im fünften Jahrhundert Aureus und Maximus.

Zu den bekanntesten Mainzer Erzbischöfen in der Nachfolge des heiligen Bonifatius (746-754) gehören dessen Schüler, der heilige Lullus (754-786), der heilige Rabanus Maurus (847-856) und der heilige Willigis (975-1011), der 975 mit dem Bau des Mainzer Doms begann. Die einzigen Mainzer Erzbischöfe, die zu Kardinälen ernannt wurden, waren Konrad I. von Wittelsbach (zwei Amtsperioden: 1161-1165 und 1183-1200) und Albrecht von Brandenburg (1514-1545). Maßgeblichen Anteil am Zustandekommen des Westfälischen Friedens im Jahr 1648 hatte Johann Philipp von Schönborn, der von 1647 bis 1673 Erzbischof von Mainz war.

Nach der Auflösung des Erzbistums Mainz wurde Josef Ludwig Colmar (1802-1818) erster Bischof des neu errichteten Bistums Mainz. Besonders bekannt wurde im 19. Jahrhundert der Sozialbischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler (1850-1877). Lehmanns Vorgänger Hermann Volk (1962-1982) war als erster Bischof des Bistums Mainz mit der Kardinalswürde ausgezeichnet worden. An seinem 79. Geburtstag (27. Dezember 1982) war Volk aus Alters- und Gesundheitsgründen von seinem Amt entpflichtet worden. Er starb am 1. Juli 1988.

Karl Lehmann wurde am 16. Mai 1936 in Sigmaringen als Sohn des Volksschullehrers Karl Lehmann und seiner Frau Margarete geboren. Nach seiner Schulzeit in Sigmaringen studierte er zwischen 1956 und 1964 Philosophie und Theologie in Freiburg und Rom. Am 10. Oktober 1963 wurde er in Rom von Kardinal Julius Döpfner zum Priester geweiht. 1962 und 1967 erwarb Karl Lehmann Doktortitel in Philosophie und Theologie mit Arbeiten über den Philosophen Martin Heidegger und über das Thema „Auferweckt am dritten Tag nach der Schrift". Als Assistent von Karl Rahner zwischen 1964 und 1967 arbeitete er an den Universitäten von München und Münster, erlebte aber auch das Zweite Vatikanische Konzil in Rom (1962-1965) aus nächster Nähe mit. Mit 32 Jahren (1968) wurde er auf den Lehrstuhl für katholische Dogmatik und Theologische Propädeutik in Mainz berufen; drei Jahre später übernahm er in Freiburg/Breisgau die Professur für Dogmatik und Ökumenische Theologie. An beiden Universitäten ist er heute Honorarprofessor.

1983 wurde er zum Bischof von Mainz gewählt und ernannt. Am 2. Oktober 1983 empfing er die Bischofsweihe im Mainzer Dom. Im Jahr 1985 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt. 1987 folgte die Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. In den Jahren 1993, 1999 und 2005 wurde er in diesem Amt für jeweils weitere sechs Jahre durch Wahl bestätigt. Zum 18. Februar 2008 trat er aus gesundheitlichen Gründen vom Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zurück. In der Deutschen Bischofskonferenz übernahm er daraufhin den Vorsitz der Glaubenskommission. Von 1993 bis 2001 war er Erster Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Am 28. Januar 2001 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Kardinal. In dieser Funktion nahm er am Konklave im April 2005 teil, aus dem Papst Benedikt XVI. (Kardinal Joseph Ratzinger) hervorging.

Neben seinen Aufgaben als Theologieprofessor und als Bischof sowie als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz hat sich Karl Lehmann stets in vielen weiteren Institutionen und Gremien engagiert: Er war unter anderem Mitglied der Gemeinsamen Synode der Bistümer in Deutschland (1971-1975), war von 1969 bis 1983 im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und ist seit 1969 im Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen. Von 1974 bis 1984 gehörte er der Internationalen Theologenkommission beim Heiligen Stuhl in Rom an und war von 1986 bis 1998 in der Glaubenskongregation. Seit 1998 ist er Mitglied in der Kongregation für die Bischöfe, seit 2002 Mitglied des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Kardinal Lehmann ist Mitglied in der Kongregation für die Ostkirchen und in weiteren vatikanischen Institutionen tätig.

Lehmann ist zudem Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, der Europäischen Akademie der Wissenschaften in Salzburg sowie seit 2005 Ehrenmitglied der Akademie der gemeinnützigen Wissenschaften zu Erfurt. Hinzu kommen neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen mittlerweile acht Ehrendoktorwürden, das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (2000), die Ehrenbürgerschaft der Landeshauptstadt Mainz (2001) und der Universität Mainz (2006) sowie der Ehrenring der Görres-Gesellschaft (2001).

tob (MBN)

 

Der Autor Kardinal Lehmann

Die Bibliographie des Mainzer Bischofs umfasst nahezu 3.500 Einträge

Mainz. Kardinal Karl Lehmann ist ein Mann des Wortes. Als Theologe, Bischof und langjähriger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz umfasst seine Bibliographie inzwischen fast 3.500 Einträge. Neben zahlreichen Monographien sind darin unter anderem Artikel in Zeitschriften und Lexika, Vorträge, Rezensionen, Interviews und Pressemitteilungen enthalten.

Schon in seiner Zeit als Professor hat Lehmann die Bedeutung des Wortes für das Bischofsamt klar benannt. In einer Würdigung zum 60. Geburtstag des damaligen Bischofs von Rottenburg-Stuttgart, Georg Moser, die am 31. Mai 1983 von der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) veröffentlicht wurde, schreibt Lehmann unter der Überschrift „Der Bischof als Schriftsteller": „Ein Bischof ist stets um ein Wort der Orientierung und der Klärung gebeten. Von den täglichen Besprechungen mit seinen Mitarbeitern bis zur Predigt und zum Vortrag außerhalb des kirchlichen Raumes gehört das Zeugnis für das Evangelium Gottes zum täglichen Brot."

Neben Sammelbänden mit Predigten und Vorträgen sind Lehmanns Veröffentlichungen als Bischof geprägt von Kurzkommentaren, die ein sehr breites Themenspektrum abdecken. In der Einführung zu seinem Buch „Mut zum Umdenken" aus dem Jahr 2002 erläutert er diesen Umstand unter der Überschrift „Lob der kleinen Form". In der Öffentlichkeitsarbeit gebe es „geradezu einen Zwang zur Knappheit, wenn man an der Börse der Nachrichten gehandelt werden will". Und weiter: „Ich habe diese Kurzformen der heutigen Kommunikation, besonders im Fernsehen, mühsam zu lernen gesucht. Gerade wenn man von einer wissenschaftlichen Tätigkeit herkommt und gewohnt ist, bestehende Probleme in ihrer ganzen Differenziertheit und Komplexität darzulegen, tut man sich damit schwer. Aber ich muss heute bekennen: Eine solche geraffte Stellungnahme ist in den meisten Fällen auch in wenigen Zeilen bzw. in einer Minute und 30 Sekunden oder manchmal auch nur in 30 Sekunden durchaus möglich. Es gibt ja andere Formen, solche Positionen eingehender nachzuarbeiten."

Kurzkommentare in Zeitungen seien gerade für Theologen eine besondere Chance. Er schreibt dazu im „Lob der kleinen Form": „Es ist nicht nur, wie soeben erläutert, die Kommentierung gesellschaftlicher, politischer und geschichtlicher Vorkommnisse. Man kann auch aufmerksam machen auf Gefahren, die in gewissen Entwicklungen drohen. Man kann ein einziges Wort aufgreifen und es in seiner tieferen Bedeutung nach allen Seiten hin bedenken. Man kann Schlagworte entlarven und zugleich ihren wahren Hintergrund aufzeigen. Probleme, die im Augenblick eher gering erscheinen, können auf ihre größere Bedeutung hin abgehört und abgeklopft werden. Man kann religiöse Bilder neu deuten, die ganz verschüttet sind. Christliche Feste lassen sich erschließen. Vergessene Tugenden kann man wieder zum Leuchten bringen. Die Gattung Kurzkommentar ist wie ein Kaleidoskop." Und weiter: „Es kostet freilich Mut, sich mit dem zeitüberlegenen Glauben so konkret und bestimmt auf eine flüchtige Realität einzulassen. Aber gerade dies ist auch eine große Chance, mit der christlichen Botschaft die geschichtliche Situation mit Augenmaß zu treffen."

Lehmann und die Bücher

Kardinal Lehmann hat sein Verhältnis zu Büchern bei einem Vortrag auf dem 89. Deutschen Bibliothekentag am 25. Mai 1999 in Freiburg im Breisgau auf den Punkt gebracht. Unter der Überschrift „Zeitenwende - Medienwende? Schrift, gedrucktes Wort und Buch als bleibende Kulturleistungen" heißt es darin: „Ich bin nicht nur ein großer Freund des Buches. In meinem relativ großen Haus ersticke ich fast an Büchern, aber ich liebe sie auch. In meinem Bischofswappen habe ich die Bibel als aufgeschlagenes Buch, ein geöffnetes Buch, das nicht einfach wie im Museum abgestellt wird, sondern es soll ein Buch sein, das zum Lesen ermutigt und zum Leben sowie Denken führt, ähnlich wie es Augustinus im Zusammenhang seiner Bekehrung erfahren hat: Tolle, lege! - Nimm und lies!" Die private Bibliothek des Bischofs von Mainz umfasst, wie er einmal in einem Interview sagte, inzwischen rund 100.000 Bücher, vor allem aus der Systematischen Theologie und der Philosophie, aber auch aus Literatur und Kunst.

Kardinal Kasper über Lehmanns Leidenschaft für Bücher

Kardinal Walter Kasper hat die Leidenschaft Lehmanns für Bücher mit folgenden Worten charakterisiert: „Seit seiner Zeit als Oberbibliothekar am Collegium Germanicum in Rom war er ein Bücherfreund, um nicht zu sagen ein Bücherwurm, der sich inzwischen zu einem wandelnden wahrhaftigen Lexikon ausgewachsen hat. Er will es genau wissen. Mit Schlagworten und Schablonen gibt er sich nicht zufrieden. Auch große Systementwürfe und Programme wird man bei ihm nicht finden. Seine Schriften und seine Vorträge zeichnen sich durch nachbohrendes Fragen und sorgfältiges Differenzieren aus." Das Zitat stammt aus Kaspers Laudatio auf Kardinal Lehmann anlässlich dessen 70. Geburtstages am 16. Mai 2006 in der Rheingoldhalle in Mainz.

Sammelbände

Die Grundsatzreferate, die Kardinal Lehmann als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz gehalten hat, sind in dem Band „Zuversicht aus dem Glauben" versammelt, der 2006 zu seinem 70. Geburtstag erschienen ist. Er enthält die von 1988 bis 2005 bei der jährlichen Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda gehaltenen Eröffnungsreferate. Sie werden ergänzt durch seine Predigten aus den Eröffnungsgottesdiensten.

Einen guten Überblick über Veröffentlichungen bis zum Beginn der 1990er Jahre gibt der Band „Glauben bezeugen, Gesellschaft gestalten. Reflexionen und Positionen", der 1993 im Herder-Verlag in Freiburg erschienen ist. Er enthält rund 70 Vorträge, Reden, Predigten und Artikel, die Lehmann als Professor und in seinen ersten Jahren als Bischof von Mainz gehalten und veröffentlicht hat. Vor allem Kommentare für die Allgemeine Zeitung in Mainz und die Bistumszeitung „Glaube und Leben" sowie Hörfunkansprachen aus den Jahren 1995 bis 2001 enthält das Buch „Mut zum Umdenken. Klare Positionen in schwieriger Zeit" aus dem Jahr 2002. In Fortsetzung dazu ist zu seinem Silbernen Bischofsjubiläum im August 2008 das Buch „Mut zum Dialog. Orientierung für unsere Zeit" erscheinen. Es enthält rund 70 Zeitungsbeiträge und Hörfunkansprachen aus den Jahren 2002 bis 2008. Die Hirtenworte aus den Jahren 1983 bis 2003 vereint das Buch „Frei vor Gott. Glauben in öffentlicher Verantwortung", das 2003 im Herder-Verlag aus Anlass des 20. Jahrestages seiner Bischofsweihe erschienen ist.

Aus Lehmanns Zeit als Theologieprofessor an der Universität Freiburg stammt das Buch „Signale der Zeit - Spuren des Heils", das 1983 im Herder-Verlag erschienen ist, als Lehmann gerade zum Bischof von Mainz ernannt worden war. Darin sind acht Vorträge aus den Jahren 1978 bis 1980 veröffentlicht. Einen guten Überblick über viele aktuelle Positionen bietet auch das Interviewbuch „Es ist Zeit, an Gott zu denken", das im Jahr 2000 im Herder-Verlag erschienen ist. Das Gespräch führte der SWR-Journalist Jürgen Hoeren. Auch auf der Internetseite des Kardinals (www.bistum-mainz.de/kardinal) finden sich zahlreiche Texte im Wortlaut bis zurück ins Jahr 1997.

Die Doktorarbeiten

Der erste Eintrag in der Bibliographie von Kardinal Lehmann ist auch gleich der umfangreichste: Die philosophische Doktorarbeit Lehmanns aus dem Jahr 1962 umfasst 1.417 Schreibmaschinenseiten. Während der dreijährigen Arbeit an der Promotion zum Thema „Vom Ursprung und Sinn der Seinsfrage im Denken Martin Heideggers" war Lehmann im August 1959 und im August 1961 zu längeren Gesprächen mit dem Philosophen Martin Heidegger in Meßkirch zusammengekommen. Der Text war 1964 und 1966 teilweise veröffentlicht worden. Erst im Jahr 2003 war die Dissertation in zwei Bänden ungekürzt von Professor Albert Raffelt (Freiburg), einem Schüler Lehmanns, herausgegeben worden. Die zweibändige Arbeit ist inzwischen in zweiter Auflage erschienen.

Im Jahr 1968 legte Lehmann seine theologische Dissertation vor. Sie trägt den Titel „Auferweckt am dritten Tag nach der Schrift. Früheste Christologie, Bekenntnisbildung und Schriftauslegung im Lichte von 1 Kor 15,3-5", die in der Reihe „Quaestiones disputatae" (Nr. 38) erschienen ist, inzwischen ebenfalls in zweiter Auflage. Noch im gleichen Jahr wurde der 32-Jährige zum Professor für Dogmatik und Theologische Propädeutik an der Theologischen Fakultät der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität ernannt (25. Juli 1968). Ab diesem Zeitpunkt steigt die Zahl von Lehmanns Veröffentlichungen von Jahr zu Jahr stetig an.

Vier Festschriften und eine Biographie

Bisher sind insgesamt vier Festschriften für Kardinal Lehmann erschienen. Zu seinem 60. Geburtstag erschien 1996 beim Echter-Verlag in Würzburg die Festschrift „Aus der Hitze des Tages: Kirchliches Leben in Momentaufnahmen und Langzeitperspektiven". Herausgeber des Buches sind der Würzburger Generalvikar Karl Hillenbrand und Barbara Nichtweiß, heute Leiterin der Abteilung Publikationen im Bischöflichen Ordinariat Mainz. „Weg und Weite" heißt die Festschrift zum 65. Geburtstag, die 2001 im Herder-Verlag in Freiburg erschienen ist. Herausgegeben wurde der Band von Albert Raffelt, stellvertretender Direktor der Universitätsbibliothek Freiburg, und Barbara Nichtweiß.

Zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 2006 sind zwei Festschriften erschienen: Kardinal Walter Kasper hat den Band „Logik der Liebe und Herrlichkeit Gottes: Hans Urs von Balthasar im Gespräch" (Mathias Grünewald-Verlag, Ostfildern) herausgegeben. Außerdem ist im Herder-Verlag in Freiburg das Buch „Wir Nachbarn des Himmels: Erfahrungen und Begegnungen mit Karl Kardinal Lehmann" erschienen. Herausgeber sind der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, und der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer SJ. Im Jahr 2002 erschien außerdem das Buch „Der Kardinal. Karl Lehmann - Eine Biographie". Der Band von Daniel Deckers, Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ist in mehreren Auflagen erschienen und inzwischen vergriffen.

Hinweise:

  • Karl Lehmann, Mut zum Dialog. Orientierung für unsere Zeit. Herausgegeben von Michael Kinnen. Verlag Herder, Freiburg 2008, 8,95 Euro. ISBN 978-3-451-06021-2
  • Karl Lehmann, Zuversicht aus dem Glauben. Die Grundsatzreferate des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz mit den Predigten der Eröffnungsgottesdienste. Verlag Herder, Freiburg 2006, 576 Seiten, 35,00 Euro. ISBN 3-451-28940-7
  • Karl Lehmann, Frei vor Gott. Glauben in öffentlicher Verantwortung. Verlag Herder, Freiburg 2003, 224 Seiten, 16,90 Euro. ISBN 3-451-28252-6
  • Karl Lehmann, Mut zum Umdenken. Klare Positionen in schwieriger Zeit. Herausgegeben von Beate Hirt. Verlag Herder, Freiburg 2002, 206 Seiten, 8,90 Euro. ISBN 3-451-05255-5
  • Die Titel „Es ist Zeit, an Gott zu denken. Ein Gespräch mit Jürgen Hoeren" und „Signale der Zeit - Spuren des Heils" sind im Buchhandel vergriffen.
  • Die aktuelle Bibliographie von Kardinal Lehmann ist auf dem Server der Universität Freiburg zu finden unter: www.ub.uni-freiburg.de/referate/04/lehmann/lehmann1.htm
  • Die philosophische Dissertation über Martin Heidegger ist als Volltext im Internet verfügbar unter: www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7/
  • Die theologische Dissertation über 1 Kor 15, 3-5 ist als Volltext im Internet verfügbar unter: www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/1293/

tob (MBN)

 

Zeuge Jesu Christi

Ein Blick auf das Selbstverständnis von Kardinal Karl Lehmann

Mainz. Durch seine Offenheit und Dialogbereitschaft genießt Kardinal Karl Lehmann, Bischof von Mainz, und über zwei Jahrzehnte Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (1987 bis 2008), als Gesprächspartner in Kirche, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft hohes Ansehen in Deutschland und darüber hinaus. In einem Referat am Tag vor seiner dritten Wiederwahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, am 19. September 2005 in Fulda, hat er Perspektiven für die Zukunft der Kirche vorgestellt. Doch der Text macht auch deutlich, was ihn selbst antreibt und mit welchem Selbstverständnis er seine zahlreichen Aufgaben wahrnimmt: „Unsere Welt verlangt schon gehörig das persönliche Eintreten für die Sache Jesu Christi und der Kirche", schreibt er an einer Stelle. Diesen Mut, Zeuge Jesu Christi zu sein, beweist er Tag für Tag aufs Neue an seinem Platz in Kirche und Welt. Das grundlegende, 25-seitige Referat trägt den Titel „Neue Zeichen der Zeit. Unterscheidungskriterien zur Diagnose der Situation der Kirche in der Gesellschaft und zum kirchlichen Handeln heute".

In Anlehnung an ein Wort seines Lehrers Karl Rahner schreibt Lehmann: „Der künftige Christ wird ein Zeuge sein, oder er wird bald nicht mehr sein. Als Zeuge vermittelt er und ist selbst jemand, der hinter seiner Sache zurücktritt, aber gerade dadurch wirkt. Es wird ein missionarisches Zeugnis sein, das in viele Winkel unseres Lebens hineinleuchten kann, wo der Arm des Amtes nicht hinreicht. Dann verwirklichen wir die viel zitierte Mündigkeit des Christen und das gemeinsame Priestertum. Daran werden wir schließlich alle einmal gemessen und gerichtet, nicht an den Funktionen und Ämtern, die wir haben."

Der Glaube hat für Lehmann auch in der säkularisierten Gegenwart eine Zukunft. „Er ist in besonderer Weise zukunftsfähig, und zwar nicht erst durch eine vom Menschen her versuchte Anpassungsstrategie, sondern von innen heraus." Dabei müsse „die bleibende Neuheit des christlichen Glaubens" immer wieder aufs Neue entdeckt werden. „Dies ist nur möglich, wenn man sich den jeweiligen Herausforderungen stellt. Man möchte wissen, welche Stunde geschlagen hat. So kommt es darauf an, die Zeit anzusagen und darin die entscheidenden Herausforderungen zu entdecken und zu formulieren." Der Anschein, als bewege sich in der Kirche nichts, täusche gründlich. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Kirche überhaupt nicht zwei Jahrtausende hätte überleben können, wenn sie nicht im Medium des Geistes eine solche lebendige Strategie von Beharrlichkeit und Wandel befolgt hätte, oft gleichsam instinktiv, nicht immer mit reflektierter Absicht."

Spurenlesen als undankbare, aber lebenswichtige Aufgabe der Kirche

Den Blick auf diese „Zeichen der Zeit" bezeichnet Lehmann als „zentrales Vermächtnis des Zweiten Vatikanischen Konzils", der jedoch mit einer vielschichtigen und nie ganz auflösbaren Spannung verbunden sei. „Die Zeichen der Zeit können auch manchmal neue Spuren des Heils enthalten. Aber es ist nicht zwangsläufig so. Deshalb ist dieses Spurenlesen eine zwar undankbare, aber lebenswichtige Aufgabe der Kirche. Man muss sich tief hineinbeugen in den Staub einer Zeit, aber in dieser spannenden Gegenwart gibt es auch rasch Pfade, die sich freilich bisweilen auch als Holz-, Ab- und Irrwege erweisen. Später sieht man dies oft besser. Jetzt aber kann man die Karte unserer Zeit nur auf diese Weise vermessen."

Die Kirche dürfe sich nicht einfach den dynamischen Kräften der Gesellschaft überlassen, schreibt der Kardinal. Sonst gehöre sie „zum üblichen Treibsand dieser Zeit". „Sie muss vielmehr die innere Kraft zum Dialog und zum Widerstand zugleich haben." Wörtlich heißt es: „Wenn wir im Pluralismus überleben wollen, dann brauchen wir mehr Mut zum eigenen Platz und zum unverwechselbaren Profil des eigenen Standortes." Und weiter: „Wir müssen endlich heraus aus der Situation eines immer noch vorhandenen Minderwertigkeitsbewusstseins und brauchen zum Erweis unserer Geistesgegenwart nicht allen möglichen Tendenzen nachzulaufen. Wir kommen sonst ohnehin immer zu spät und sind morgen schon von gestern."

Kirche muss die Offensive wagen

Lehmann weist darauf hin, dass die Kirche bereits seit langer Zeit mit dem Rücken an der Wand stehe und sich ständig selbst verteidigen müsse. „Diese Position ist nicht gut, weil der Spielraum immer enger wird. Andere bestimmen die Themen. Wir sind stets wie in einem Verhör." Es komme darauf an, „dass wir aufbrechen und mehr in einen geistigen Wettbewerb eintreten als bisher", fordert Lehmann. „Man wartet viel mehr auf uns, als wir uns zutrauen. Jetzt ist nicht die Zeit des Kleinmuts, freilich auch nicht großer Sprüche. Alle großen Scheine müssen heute ohnehin in Münze eingelöst werden." Wenn die Kirche diese Offensive wage, dann werde es ihr auch gelingen, „aus der bestimmten Alternative des Glaubens eine Einladung an alle werden zu lassen".

Als Teil der Gesellschaft könne der Kirche vor allem das Schicksal der Menschen nicht gleichgültig sein. „Deshalb kann sie sich nicht integralistisch auf ihre eigene wirklich oder angeblich heile Welt zurückziehen und sich frei halten von dem bösen Äon. Um nicht missverstanden zu werden: Damit ist nicht gesagt, dass die Kirche sich nicht rein erhalten sollte, dass sie nicht um ihre eigene Herkunft und ihr eigenes Ziel weiß. Sie darf sich nicht einfach anpassen und sich mit dem Geist dieser Zeit vermischen. Aber sie hat gerade auch aufgrund vielfacher Solidarität eine innere Nähe und damit auch eine echte Sorge im Blick auf das Schicksal der Menschen in dieser Zeit. Wegen dieser Nähe muss sie sich auf die konkrete Situation einlassen, ohne ihr zu verfallen. Dies ist ganz entscheidend. Davon hängt die wirkliche Gegenwart der Kirche in unserer Welt ab."

Alle Hoffnung auf Gott setzen

Grundlage für das Handeln der Christen müsse dabei stets die „Leidenschaft für Gott" sein, fordert der Kardinal. „Wir beschäftigen uns mit vielem, allzu vielem. Deswegen sehen wir oft vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Es fällt uns schwer, uns auf das Eine Notwendige im Sinne des Jesuswortes (Lk 10,42) zu konzentrieren. Wir haben die Radikalität und Einfachheit des Glaubens verloren und müssen sie wiedergewinnen: alle Hoffnung auf Gott zu setzen. Dann müssen freilich Besinnung, Meditation, Gebet und Anbetung einen ganz anderen Rang bekommen. Wir sind versucht, Gott zu verwalten, wenn wir es denn könnten; aber wir müssen ihn täglich von ganzem Herzen und mit allen Kräften neu suchen. Uns ist die Leidenschaft für Gott verloren gegangen. Wenn wir Gott Gott sein lassen und er wirklich alles in allem ist, verlieren wir nichts, wenn wir uns ihm vorbehaltlos zuwenden. Die Bibel verspricht uns, dass uns dann alles andere dazugegeben wird."

Hinweis: Der vollständige Text des Referates ist im Internet unter www.bistum-mainz.de/kardinal in der Rubrik „Referate/2005/HVV-Referat" verfügbar.

tob (MBN)

 

O-Ton Lehmann

25 Zitate aus 25 Amtsjahren des Mainzer Bischofs, Kardinal Karl Lehmann

Mainz. Zum Silbernen Bischofsjubiläum des Mainzer Bischofs, Kardinal Karl Lehmann, soll diese Sammlung mit 25 Zitaten aus 25 Amtsjahren eine kleine Auswahl aus der großen Fülle von Lehmanns Positionen und Einblicken in sein Selbstverständnis bieten.

 

„Ich komme gerne, um mit Ihnen allen auf einem altehrwürdigen Stück Boden der europäischen Christenheit den Glauben der Kirche in unverbrüchlicher Treue zu seinen Ursprüngen und zu seiner großen Geschichte, aber auch in Treue zu den Menschen, die hier und heute mit ihren Fragen und Nöten leben, zu bezeugen und weiterzugeben bis an die Schwelle des dritten Jahrtausends und darüber hinaus, wie und solange Gott es will."

Bei der Vorstellung als neuer Mainzer Bischof im Rahmen einer Pressekonferenz im Mainzer Haus am Dom am 23. Juni 1983.

 

„Ich war gerne Hochschullehrer, bin aber das, was mir jetzt aufgetragen ist, mit ganzem Herzen. Es gibt keinen wehmütigen Blick zurück: In der Nachfolge unseres Herrn darf man sich nicht lange umdrehen und zurückschauen. Ich hätte auch keine Zeit dazu."

Aus einem Interview, das Mechtild Heiner für die Mainzer Kirchenzeitung „Glaube und Leben" vom 29. September 1984 geführt hat.

 

„Eine weiche Stelle in der Grundhaltung der Achtung vor dem Menschenleben genügt, um einer Lawine der Unmenschlichkeit Wege zu öffnen, auch wenn die Beteiligten dies sicher nicht wollen."

Aus dem Geistlichen Wort bei der „Kundgebung für das Leben des ungeborenen Kindes - Das Licht der Welt erblicken" am 11. September 1986 auf dem Katholikentag in Aachen.

 

„Es ist ja nicht so, dass er der Papst in Deutschland ist."

Über die Bedeutung des Amtes des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) als Sprecher der Bischöfe direkt nach der ersten Wahl zum DBK-Vorsitzenden am 22. September 1987 vor Journalisten im Hof des Fuldaer Priesterseminars.

 

„Lesen - besonders, wenn ich mir die Lektüre auswählen kann."

Auf die Frage nach seiner Lieblingsbeschäftigung im Fragebogen des Magazins der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 4. März 1988.

 

„Im Tod wird der Mensch sich ganz entrissen. Gerade in dieser Situation entscheidet sich, ob der Mensch auch noch in dieser letzten Ohnmacht sich selbst behalten will, ob er in einem stillen oder lauten Protest gegen diesen Fall in das Unbestimmte endigt oder ob er - nicht ohne Kampf - willig seinen Tod annimmt, in seiner Verzweiflung sich trösten lässt und vielleicht erfährt, dass er nicht in den Abgrund des Nichts fällt, sondern in die Fülle und Vollendung seines eigenen Wesens kommt. Nochmals zeigt sich, dass der Tod die Frucht der menschlichen Freiheit ist. In der sittlichen Entscheidung der Freiheit wird gerade bejaht, dass es diese radikale und leere Willkür nicht gibt, die nur in das Nichts flüchten will. Recht getane Freiheit erfährt bereits jetzt, dass sie mehr ist als Zeit, die ihr Ende fürchten müsste, dass sie vielmehr jetzt schon eine reife Frucht von etwas in sich trägt, das nicht einfach untergeht."

Vortrag zum Thema „Der Mensch und sein Tod" in der Veranstaltungsreihe „Bischöfe kommentieren Fragen der Zeit" in St. Petri zu Lübeck am 7. April 1991.

 

„Freilich ist es der Kirche nicht erlaubt, sich vorschnell aus komplexen und schwierigen Situationen unserer Gesellschaft einfach zurückzuziehen. Auch ein Rückzug in eine vermeintlich eindeutigere und heile Welt kann schuldig machen. Wer gibt zum Beispiel die Ermächtigung, auf die Rettung vieler ungeborener Kinder und die Ermutigung vieler schwangerer Frauen zu verzichten, indem man seinen Auftrag nicht mehr in dem gesetzlichen Beratungssystem erfüllt? Jedenfalls ist die künftige Stellung von Beratungsstellen für schwangere Frauen - übrigens nicht nur im Konfliktfall - ein Test auf das konkrete Verhältnis von Kirche und Gesellschaft. Eine Kirche, die sich aufrichtig auf die Wunden und Verletzungen einer Gesellschaft einlässt, muss zwar allen Nötigungen der ihr eigenen Freiheit wehren, aber sie darf nicht die größtmögliche Nähe zu denen aufgeben, die um Hilfe rufen. Für manche mag dies wie Verstrickung in eine anfechtbare Situation aussehen. Doch wenn man kein Wagnis mehr eingehen will, gibt man auch viele Chancen des Einsatzes auf. Schließlich ist der Glaube selbst das höchste Wagnis unseres Lebens, das uns für die kleineren Risiken den Rücken stärken und uns Mut machen kann."

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zum Thema „Beratung zwischen Lebensschutz und Abtreibung" am 21. September 1992 in Fulda.

 

„Europa lebt zwar geistig von vielen Kräften, aber es war vor allem der Geist des Christentums, der es in Gemeinschaft und Auseinandersetzung mit vielen Kräften aufgerichtet hat. Die Bibel ist dabei die Seele Europas geworden. Sie ist ein Buch, das eine ganze Bibliothek enthält und im Lauf eines vollen Jahrtausends entstanden ist. Die Bibel, älter als Europa, hat immer wieder neue Räume des Geistes und der Kultur eröffnet. Die Schrift ist immer wieder der Motor gewesen, die höchsten menschlichen Leistungen zu entfalten. Die Bibel ist die geheime und offene Mitte der europäischen Kultur."

Aus dem Grußwort beim Empfang anlässlich der Abschlussfeier des „Jahres mit der Bibel" am 31. Januar 1993 in Dresden.

 

„Wenn das Niveau der künstlerischen Darstellung mäßig ist, schadet dies auch dem so verkündeten Gott. Man tut Gott einen schlechten Dienst, wenn die dichterische Kraft stümperhaft ist. So suche ich nicht nach mehr oder minder theologischer Rede über Gott in der Dichtung, sondern entdecke ihn eher inkognito zwischen den Zeilen, zum Beispiel in der Verzweiflung an der Abgründigkeit der Wirklichkeit oder auch in der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Gott kommt meist nicht direkt in die Literatur. Man muss seine verborgenen Spuren eigens entdecken."

Aus der Ansprache „Was ich von der Literatur für den Glauben gelernt habe" beim Diözesantag der Katholischen Öffentlichen Büchereien des Bistums Mainz am 3. Juli 1993 in Mainz.

 

„Im Übrigen bin ich kein Typ, der schnell das Handtuch wirft. Zähigkeit und Ausdauer, Langmut und Unverdrossenheit sind neben Entschlossenheit und Ergreifen der Situation meine Lieblingstugenden, denen ich wenigstens nachjagen möchte. Ich habe in vielen Jahren gelernt, nicht so schnell aufzugeben. Gerade auch als historisch erfahrener Theologe, was ein dogmatischer und ökumenischer Theologe nun einmal sein muss, weiß ich, dass man, wenn es um die Erneuerung in der Kirche geht, einen langen Atem haben muss. Nein, ich habe auch durchaus Freude am Einsatz für eine Sache, von der ich überzeugt bin."

Auf die Frage, ob es in seiner ersten Amtszeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz Situationen gegeben habe, „in denen Sie gerne das Handtuch geworfen hätten?". Das Interview der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) mit Peter de Groot ist am 17. September 1993 erschienen.

 

„Die Kirche ist Gottes Kraft in menschlicher Schwäche. Damit werden Fehler und Sünden nicht gerechtfertigt, auch nicht theologisch verbrämt. Sie ist für viele in diesem Erscheinungsbild Anlass zur Anfechtung und Prüfung des Glaubens. Wer freilich keine Praxis des Glaubens mehr kennt und keine lebendige Teilnahme am Leben der Kirche ausübt, hat geringe Chancen, in der menschlichen Schwäche auch die Kraft Gottes erkennen zu können. Er sieht nur Versagen und Schande. Wer mit den Augen des Glaubens sieht, der sieht jedoch, dass Gott selbst am Werk ist. So wie man am Kreuz nicht nur den Gemarterten sehen darf, so darf man auch nicht die Kirche in ihr menschliches Elend allein einschließen. Aber das Kreuz wird nur ein Zeichen der Auferstehung, wenn wir in der Nachfolge des Herrn umkehren und mit ihm den neuen Weg gehen."

Aus der Ansprache beim „Tag für die Geistlichen" am 4. Oktober 1993 im Kurfürstlichen Schloss in Mainz. Der Text trägt den Titel „Die Kirche - Gottes Kraft in menschlicher Schwäche. Versuch einer geistlichen Zwischenbilanz nach zehn Jahren".

 

„Zählt am Ende wirklich nur der, welcher in unseren Augen lebenstüchtig und gesund ist, der sich durchzusetzen versteht? Wird die Geschichte nur nach den strahlenden Siegern und den gewonnenen Schlachten geschrieben? Wehe, wenn auch wir Christen keinen Sinn mehr aufbringen für den glimmenden Docht und das geknickte Rohr. Mitleid und äußerliches Bedauern machen uns nicht schon zu Partnern. Unsere praktische Indifferenz ist solange nicht beseitigt, als wir keine konkrete Solidarität und Verantwortung für diese Menschen in uns und um uns wecken - bis zum Einsatz für die politischen Folgen. Der Geringste unserer Brüder - mag der ‚Fall' menschlich noch so ‚hoffnungslos' erscheinen, trägt insgeheim und inkognito das Antlitz Christi. Der verspottete, zerschlagene und gekreuzigte Herr ist die stets lebendige Mahnung, dass wir an solchen Schwestern und Brüdern nicht achtlos vorbeigehen."

Aus dem Vortrag „Der Preis der Glaubwürdigkeit. Heilender Umgang mit Behinderten" am 29. April 1994 in der Katholischen Akademie Rabanus Maurus in Frankfurt am Main.

 

„Ein wirklicher Dialog ist also sehr anspruchsvoll, wird allzu leicht verletzt und gelingt darum gar nicht so oft, wie man vielleicht denkt. In einem Dialog muss gewährleistet sein, dass die Zustimmung der Redenden nicht bloß vorgetäuscht oder erschlichen ist. Darum kann kein Dialog zur Wahrheit führen, wenn er über den erforderlichen Sachverstand hinaus nicht von Aufrichtigkeit und Freimut, von Aufnahmebereitschaft im Hören der Wahrheit und vom Willen zur Selbstkorrektur getragen wird. Dialogische Aufnahmebereitschaft hat zur Konsequenz, dass sich die Partner von der gemeinsam erkannten Wahrheit umstimmen bzw. verändern lassen oder mindestens in der Wahrheitserkenntnis wachsen. Ohne eine solche Änderungsbereitschaft verkümmert jeder Dialog."

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 19. September 1994 in Fulda. Das Referat trägt den Titel „Vom Dialog als Form der Kommunikation und Wahrheitsfindung in der Kirche heute".

 

„Gott hat uns für diese Aufgabe, in Wahrheit und Liebe die Einheit des Glaubens wiederzufinden, eine in der Geschichte unserer Trennungen einmalige Stunde geschenkt. Darum kommt alles darauf an, dass wir in höchster Verantwortung diese geschenkte Zeit nützen. Es wäre schlimm, wenn wir später einmal - wie unsere Vorfahren aus dem Rückblick zu den Verhandlungen 1530 in Augsburg - sagen müssten, wir wären nie mehr so nahe beieinander gewesen, hätten aber die Chance nicht genützt. Ökumenische Arbeit ist immer eine Gratwanderung zwischen dem leidenschaftlichen Eifer für die Wahrheit und konfessionalistischer Verbohrtheit. Unsere Generationen müssen, gerade wenn wir auf Martin Luther schauen, das Wagnis vollbringen um der Wahrheit und der Liebe willen den Brückenschlag weiter voranzutreiben."

Aus dem Grußwort bei der Gedenkveranstaltung zum 450. Todestag von Martin Luther am 17. Februar 1996 in Eisleben.

 

„Ich empfinde überhaupt nicht, dass ich kusche. Aber die Kirche sollte mit weisen Vorschlägen zurückhaltend sein, denn wir sind keine Fachleute. Mir kommt es darauf an, Einstellungen zu ändern und Grundhaltungen einzufordern. Ich finde, es ist entsetzlich schwierig für die Menschen heutzutage, wirklich zu teilen, das heißt, elementare Lebenschancen abzugeben und umzuverteilen. Ich schließe mich selbst da nicht aus. Den Willen zum Teilen zu verstärken ist viel wichtiger, als irgendeine Detailregelung anzubringen. Die Kirchen sind dazu da, Solidarität und Bereitschaft zum Teilen, aber auch Eigenverantwortung und Mut zum Risiko zu stärken. Ich denke, dass aus einer intensiveren Pflege dieser Grundhaltungen letzten Endes die Fähigkeit zu Detailregelungen erwächst. Wir können Lösungen inspirieren, aber nicht selber machen."

In einem Spiegel-Interview als Antwort auf den Vorwurf „Sie wollen bei Politikern und Wirtschaftsführern möglichst nicht anecken". Das am 8. April 1996 erschienene Interview führten Ulrich Schwarz und Peter Wensierski.

 

„Ich bin nicht nur ein großer Freund des Buches. In meinem relativ großen Haus ersticke ich fast an Büchern, aber ich liebe sie auch. In meinem Bischofswappen habe ich die Bibel als ein aufgeschlagenes Buch, ein geöffnetes Buch, das nicht einfach wie im Museum abgestellt wird, sondern es soll ein Buch sein, das zum Lesen ermutigt und zum Leben sowie Denken führt, ähnlich wie es Augustinus im Zusammenhang seiner Bekehrung erfahren hat: Tolle, lege! - Nimm und lies!"

Beim Festvortrag auf dem 89. Deutschen Bibliothekentag am 25. Mai 1999 in Freiburg im Breisgau. Der Vortrag trägt den Titel „Zeitenwende - Medienwende? Schrift, gedrucktes Wort und Buch als bleibende Kulturleistungen".

 

„Wir haben uns das Leben nicht selbst gegeben. Wir sind bei allem, was wir selbst erreicht haben, immer auch die Beschenkten. Darum ist es wichtig, nie zu vergessen, dass wir vor Gott immer, ob wir jung oder alt sind, arm sind, dass wir immer ihn und andere brauchen. Erst durch die Dankbarkeit für das, was wir von Gott jeden Tag erhalten, werden wir reich. Auch das Alter ist letztlich nur dann wirklich weise, wenn es fähig wird, das Leben wieder in die Hände Gottes zurückzulegen. Wo es zu dieser schrittweisen Übereignung an Gott kommt, ist Altern - mit all seinen Gebrechen - das Gegenteil des Scheiterns."

Aus dem Vortrag „Dem Leben auf der Spur - Einsichten beim Älterwerden" beim dritten Seniorenkongress des Landes Rheinland-Pfalz am 24. Oktober 2000 in Mainz.

 

„Jede Religion muss die recht verstandene Freiheit der Menschen fördern. Gewiss kennt jede Religion eine eigene Ordnung und Bindung an ethische Normen und religiöse Weisungen. Auch gehören Gehorsam und Gemeinschaftsverpflichtung zu jeder Religion. Aber ein maßgeblicher Beweggrund für jede Religion besteht in der Überwindung infantiler Bevormundung und in der Förderung wahrer Freiheit zu einem guten Leben. Darum möchte die Religion immer auch die Menschen von falschen Autoritäten, Magie und Aberglauben befreien und den Menschen zu seiner eigenen Verantwortung führen. Zugleich soll der rechte Gebrauch von Freiheit, die in ihrer Zügellosigkeit und Willkür für alle schädlich werden kann, eingeübt werden. Bei aller Notwendigkeit von Orientierung und Weisung, Führung und Autorität darf ihre Ausübung nicht zur Unmündigkeit und zum Verlust personaler Verantwortung führen. Die eigene Kritik- und Denkfähigkeit müssen gefördert und vertieft werden. Begeisterung, die dies auslöschen würde, und ein blinder Fanatismus können deshalb auch sehr fragwürdige Gestalten innerhalb einer Religion werden."

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 23. September 2002 in Fulda. Das Referat trägt den Titel „Das Christentum - eine Religion unter anderen? - Zum interreligiösen Dialog aus katholischer Perspektive".

 

„Der künftige Christ wird ein Zeuge sein, oder er wird bald nicht mehr sein. Als Zeuge vermittelt er und ist selbst jemand, der hinter seiner Sache zurücktritt, aber gerade dadurch wirkt. Es wird ein missionarisches Zeugnis sein, das in viele Winkel unseres Lebens hineinleuchten kann, wo der Arm des Amtes nicht hinreicht. Dann verwirklichen wir die viel zitierte Mündigkeit des Christen und das gemeinsame Priestertum. Daran werden wir schließlich alle einmal gemessen und gerichtet, nicht an den Funktionen und Ämtern, die wir haben."

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda am 19. September 2005, am Tag vor seiner dritten Wiederwahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Das Referat trägt den Titel „Neue Zeichen der Zeit. Unterscheidungskriterien zur Diagnose der Situation der Kirche in der Gesellschaft und zum kirchlichen Handeln heute".

 

„Die Zeichen der Zeit können auch manchmal neue Spuren des Heils enthalten. Aber es ist nicht zwangsläufig so. Deshalb ist dieses Spurenlesen eine zwar undankbare, aber lebenswichtige Aufgabe der Kirche. Man muss sich tief hineinbeugen in den Staub einer Zeit, aber in dieser spannenden Gegenwart gibt es auch rasch Pfade, die sich freilich bisweilen auch als Holz-, Ab- und Irrwege erweisen. Später sieht man dies oft besser. Jetzt aber kann man die Karte unserer Zeit nur auf diese Weise vermessen."

Aus dem Eröffnungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda am 19. September 2005, am Tag vor seiner dritten Wiederwahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Das Referat trägt den Titel „Neue Zeichen der Zeit. Unterscheidungskriterien zur Diagnose der Situation der Kirche in der Gesellschaft und zum kirchlichen Handeln heute".

 

„Man kann, wie wir aus unserer eigenen Erfahrung wissen, Freude, Glück und Seligkeit nicht direkt ansteuern. Bestenfalls sind dann ‚gute Stimmung' und vielleicht auch Ausgelassenheit das Ergebnis. Freude und Glück stellen sich auf dem Rücken von Handlungen ein, die auf ganz andere Inhalte zielen. Glück und Freude erscheinen indirekt, wenn