In der ersten Ausgabe des Jahres 2023 mit einer Stellungnahme von Bischof Peter Kohlgraf zum Tod von Papst em. Benedikt XVI., Bischof Kohlgrafs Übernahme einer politischen Patenschaft, einer Andacht für Joseph Ratzinger im Mainzer Dom, dem Bistum Mainz, das die Ukraine mit 80.000 Euro unterstützt, der ersten CD der neuen Mainzer Domorgel, dem Requiem für Monsignore Klaus Mayer in St. Stephan, sowie der Dokumentation der Predigten von Bischof Kohlgraf und Weihbischof Bentz zu Heiligabend, Weihnachten und Silvester.
Stellungnahme von Bischof Peter Kohlgraf zum Tod von Papst em. Benedikt XVI.
Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf würdigt in einer Stellungnahme den am Samstag, 31. Dezember verstorbenen Papst em. Benedikt XVI./Joseph Ratzinger und ruft die Gläubigen im Bistum Mainz zum Gebet für den Verstorbenen auf. Der Mainzer Weihbischof und Generalvikar, Dr. Udo Markus Bentz, hatte alle Gemeinden im Bistum Mainz zum Totengeläut für den Verstorbenen am gleichen Tag um 12.00 Uhr aufgerufen. Im Mainzer Dom liegt ein Kondolenzbuch aus. Bischof Kohlgraf wird am Samstag, 7. Januar, um 10.30 Uhr im Mainzer Dom ein Requiem für den Verstorbenen feiern. Im Folgenden dokumentieren wir den Wortlaut der ersten Stellungnahme von Bischof Peter Kohlgraf:
Als Bistum Mainz und als Bischof nehmen wir Abschied vom emeritierten Papst Benedikt XVI. Joseph Ratzinger. Von 2005 bis 2013 war er Bischof von Rom, viele Jahre hat er als Professor, Bischof und Präfekt der Glaubenskongregation die theologische Welt und die Kirche geprägt und inspiriert. Sein überraschender Rücktritt als Papst hat viele Menschen bewegt und beeindruckt. Mit abschließenden Einordnungen eines derart vielfältigen Lebenswerks sollten wir uns jetzt zurückhalten. Es hat seinen guten Sinn, dass historische Bewertungen, seien sie kritisch oder positiv, erst in einem zeitlichen Abstand und ohne ein inhaltliches Eigeninteresse vorgenommen werden.
Jetzt ist die Zeit des Gebets. Wir begleiten den Verstorbenen im Gebet, besonders auch in der Feier der Eucharistie. Gott kennt das Ganze eines Lebens, von dem wir immer nur Ausschnitte sehen können. Auch mir steht keine Bewertung der Lebensleistung dieser Persönlichkeit zu. Ich will es persönlich machen. Als ursprünglich Kölner Priester bin ich ihm wiederholt begegnet. Gerade seine Beziehung zu Bonn, wo ich jahrelang tätig war, hat uns verbunden. Der Höhepunkt war für mich der Weltjugendtag 2005 in Köln. Wenn ich an diese Jahre zurückdenke, ist es, als würde ich in eine andere Epoche der Kirchengeschichte eintauchen. Mittlerweile liegen Themen auf dem Tisch, die weit in diese Zeit hineinreichen. Dennoch ist es zu kurz gegriffen, ein Lebenswerk im Licht jetzt offenkundiger Probleme zu sehen. Ich überlasse dieses Urteil dem großen Gott, an den wir glauben. Ich denke in Dankbarkeit an das, was mir Joseph Ratzinger in den letzten Jahrzehnten auch für mein priesterliches Wirken gegeben hat. Viele theologische Veröffentlichungen von Papst Benedikt XVI./Joseph Ratzinger haben mich gefördert oder herausgefordert. Langweilig waren seine Bücher nie, sie haben immer wichtige Horizonte für Theologie, Glauben, Kirche und auch für mich eröffnet. Sie werden mich und viele Menschen weiter begleiten. Ich bitte die Menschen im Bistum Mainz, sich dem Gebet für den Verstorbenen anzuschließen.
Nachricht voraus am 31.12.2022 (MBN)
Mainzer Bischof beteiligt sich an Solidaritätsaktion mit politischen Gefangenen im Iran
Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat eine politische Patenschaft für zwei Gefangene im Iran übernommen. Bei den beiden Inhaftierten handelt es sich um Arian Farzamnia und Reza Nowrozi. Bischof Kohlgraf setzt sich im Rahmen des Patenschaftsprojekts der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) für ihre Freilassung ein. Vermittelt hat die Patenschaft der Leiter des Malteser Migrationsbüros Rheinland-Pfalz/Hessen, Behrouz Asadi. „Das Schicksal der beiden Männer geht mir auch persönlich sehr nahe. Ich schließe Reza und Arian und ihre Familien besonders in meine Gebete ein“, sagte Bischof Kohlgraf am Mittwoch, 21. Dezember.
„Die dramatische Situation im Iran, von der wir seit Wochen in den Nachrichten hören, beschäftigt mich sehr“, sagte Bischof Kohlgraf. Er betonte: „Gerade als Präsident von pax christi Deutschland ist es mir wichtig, mit der Übernahme dieser beiden politischen Patenschaften ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Dass einem 17-Jährigen wegen der Teilnahme an einer Demonstration die Hinrichtung droht, dass ein junger Familienvater für eine Verzweiflungstat gefoltert wird – das sind gravierende Menschenrechtsverletzungen, die zeigen, wie brutal das Regime im Iran gegen die Menschen vorgeht.“ Aus diesen Beweggründen sagte Kohlgraf: „Ich fordere die Freilassung dieser beiden Männer und werde dies in Schreiben, etwa an die iranische Botschaft, und in öffentlichen Aufrufen zum Ausdruck bringen.“ Sein besonderer Dank gilt der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte und dem Malteser Migrationsbüros Rheinland-Pfalz/Hessen, insbesondere Herrn Behrouz Asadi „für die Vermittlung der Patenschaft und für Ihr beeindruckendes Engagement für die Menschen im Iran“, so Kohlgraf wörtlich.
„Je besser die Öffentlichkeit Bescheid weiß, und sich Persönlichkeiten für die Inhaftierten einsetzen, desto eher besteht die Möglichkeit, dass die Menschen nicht hingerichtet und freigelassen werden“, verdeutlichte Asadi. Reza Nowrozi protestierte zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern im Alter von drei und einem Jahr gegen die Islamische Republik in Teheran und zündete sein Auto an, um auf seine verzweifelte Lage aufmerksam zu machen. Er wurde zu einem Symbol für den Protest des iranischen Volkes gegen die repressiven Bedingungen. Nach Informationen der IGFM wurde Nowrozi in einer Einzelzelle des Geheimdienstministeriums gefoltert und seine Frau wurde gezwungen, sich von ihm zu trennen. Unter dem Vorwurf der Vereinigung und Verschwörung gegen das Regime wurde er zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, von denen fünf Jahre vollstreckbar sind. Inzwischen wurde er in das Rajaei-Gefängnis in Karaj verlegt, seitdem gebe es keine Informationen mehr über ihn, so die Organisation. Sein Leben gilt als gefährdet.
Arian Farzamnis ist 17 Jahre alt und wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt. Gemeinsam mit zwei Mitschülern, nahm er an den Demonstrationen vom 2. November 2022 teil. Die Proteste fanden anlässlich der getöteten 20-jährigen Demonstrantin Hadis Najafi statt, die von sechs Polizeikugeln tödlich getroffen wurde. Zehn Tage später wurden die drei Minderjährigen in der Schule verhaftet und zu 25 Jahren Haft verurteilt. Die Urteilsbegründung lautet „Verdorbenheit auf Erden“. Dieses Urteil könnte zur Todesstrafe und dessen baldiger Ausführung in dem noch laufenden Schnellverfahren führen, darauf weist die IGFM hin. Dr. Bahar Haghanipour, Vizepräsidentin und Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin (Bündnis90/Die Grünen), hat ebenfalls eine politische Patenschaft für Arian Farzamnia übernommen.
Patenschaftsprojekt des IGFM
Die IGFM hat seit dem Jahr 2011 mehr als 200 Patenschaften für gewaltlose politische Gefangene initiiert, bei denen sich Politikerinnern und Politiker und weitere Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, öffentlich für deren Freilassung einsetzen. Ziel ist, durch öffentlichen Druck die Situation der Inhaftierten zu verbessern oder ihre Freilassung zu erreichen. Das politische Patenschaftsprogramm hat einen Fokus auf den Iran.
Hinweis: Weitere Informationen zu dem Patenschafts-Projekt unter www.igfm.de
Nachricht voraus am 21.12.22 hoff (MBN)
Requiem des Bistums Mainz am Samstag, 7. Januar, um 10.30 Uhr im Mainzer Dom
Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat den verstorbenen Papst em. Benedikt XVI / Joseph Ratzinger gewürdigt. In einer Andacht am Samstag, 31. Dezember, um 12.00 Uhr im Mainzer Dom hob er unter anderem hervor, dass dieser als Papst, Professor, Bischof und Präfekt der Glaubenskongregation „die theologische Welt und die Kirche geprägt und inspiriert“ habe. Weiter sagte Kohlgraf: „Mit abschließenden Einordnungen eines derart vielfältigen Lebenswerks sollten wir uns jetzt zurückhalten. Es hat seinen guten Sinn, dass historische Bewertungen, seien sie kritisch oder positiv, erst in einem zeitlichen Abstand und ohne ein inhaltliches Eigeninteresse vorgenommen werden. Jetzt ist die Zeit des Gebets. Wir begleiten den Verstorbenen im Gebet, besonders auch in der Feier der Eucharistie.“ Bischof Kohlgraf wird am Samstag, 7. Januar, um 10.30 Uhr im Mainzer Dom ein Requiem für den Verstorbenen feiern.
Kohlgraf feierte die sehr kurzfristig nach Bekanntwerden des Todes von Papst em. Benedikt angesetzte Andacht im Mainzer Dom gemeinsam mit Weihbischof und Generalvikar, Dr. Udo Markus Bentz, Domdekan Henning Priesel und Domkapitular Professor Dr. Franz-Rudolf Weinert. Die musikalische Gestaltung der Andacht hatten Domkapellmeister Professor Karsten Storck als Lektor und Domorganist Professor Daniel Beckmann an der Domorgel übernommen. Um 12.00 Uhr fand in allen Kirchen des Bistums Mainz ein Totengeläut für den Verstorbenen statt.
Hinweis: Die komplette Stellungnahme von Bischof Kohlgraf ist unter www.bistum-mainz.de verfügbar.
Nachricht voraus am 31.12.22 tob (MBN)
Renovabis will mit 40 Stromgeneratoren Pfarreien vor Ort unterstützen
Mainz. Mit einer Fördersumme von 80.000 Euro aus den Projektmitteln des Vergabeausschusses Weltkirche will das Bistum Mainz Nothilfe in der Ukraine leisten. „Wir bekommen viele Hilfsgesuche von unseren Projektpartnern aus verschiedenen Regionen der Ukraine. Seit der russischen Invasion am 24. Februar sind in der Ukraine mehr als elf Millionen Menschen vertrieben worden, die Not der Bevölkerung ist enorm“, sagt Eva Baillie, Referentin für Weltkirche im Bistum Mainz. „Wir koordinieren den größten Teil unserer Hilfe über das Hilfswerk Renovabis, das die Situation vor Ort besser einschätzen kann.“
„Auch dieses Weihnachtsfest werden Menschen weltweit heimatlos, in Kälte und hungrig verbringen. Und gleichzeitig gibt es überall Menschen, die nicht wegsehen, sondern versuchen, die Not zu lindern“, sagt der Mainzer Weihbischof und Generalvikar, Dr. Udo Markus Bentz, der als Missionsdirektor für den Bereich Weltkirche zuständig ist. „Die Pfarreien des Exarchats Donezk übernehmen zusätzlich zu ihren seelsorgerischen und sozialkaritativen Tätigkeiten auch humanitäre Aufgaben und gemeinsam mit Renovabis möchten wir diese Anstrengungen der Menschlichkeit unterstützen.“
Ein Großteil der Menschen, die aus den umkämpften Gebieten in der Ost- und Südukraine geflohen sind, sei entweder durch die Westukraine ins Ausland geflüchtet, oder habe sich in den westlichen Gebieten niedergelassen, erklärt Baillie. Neuesten Schätzungen des UNHCR zufolge sind aktuell fast sieben Millionen Menschen innerhalb der Ukraine vertrieben, was einem Bevölkerungsanteil von fast 20 Prozent entspricht. Renovabis weist darauf, hin, dass sich in Anbetracht des nahenden Winters und den angeordneten Evakuierungen aus den umkämpften östlichen Bezirken, in denen die Grundversorgung nicht sichergestellt werden kann, eine Verschärfung der humanitären Notlage abzeichne. Da die russische Armee seit einigen Wochen zudem gezielt Kraftwerke und andere Einrichtungen der Energieinfrastruktur beschießt, ist die Energieversorgung unsicher geworden. Häufige Stromausfälle erschweren den Menschen das Leben zusätzlich und stellen auch die Partnerorganisationen von Renovabis vor die Herausforderung, die Notstromversorgung ihrer essentiellen Einrichtungen sicherzustellen.
Diese Lage stellt sich besonders akut in Donezk dar. Bereits vor dem erneuten massiven Überfall der russischen Armee am 24. Februar 2022 befanden sich etwa 40 Prozent des Gebiets nicht mehr unter der Kontrolle der ukrainischen Regierung. Seither wurden der Großteil von Donezk und Luhansk sowie der südliche Teil der Oblast Zaporizhzhia vorübergehend von den russischen Truppen besetzt. Die humanitäre Lage ist katastrophal, es gibt riesige Flüchtlingsbewegungen in die von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete. So übernehmen die Pfarreien dort nun zusätzlich zu ihren seelsorgerischen und sozialkaritativen Tätigkeiten, auch noch humanitäre Aufgaben. In den Pfarrhäusern, Kirchen und katechetischen Zentren finden die Menschen Zuflucht, warmes Essen, materielle Hilfe sowie vor allem auch psychologische und seelsorgerische Begleitung. In einigen Einrichtungen wurden auch Binnenvertriebene für die längerfristige Unterbringung aufgenommen.
40 Stromgeneratoren für Pfarreien in der Ukraine
Damit all diese Aufgaben jedoch trotz Stromausfällen verlässlich weitergeführt werden können, sind die Pfarreien auf eine autonome Notstromversorgung angewiesen. Insgesamt 40 Stromgeneratoren will das Hilfswerk Renovabis erwerben, sie sollen in 25 besonders aktiven Pfarreien und pastoralen Zentren aufgestellt werden. Angesichts der drohenden winterlichen Energiekrise in der Ukraine stellt die Einrichtung sogenannter „Wärmepunkte“ in allen Ortschaften, in denen die Menschen Zuflucht, Erstversorgung und Strom erhalten können, eine Priorität dar. „Die Pfarreien in Donezk leisten einen wertvollen Beitrag und sind dafür auf eine unabhängige Notstromversorgung angewiesen. Gerade im umkämpften und versorgungstechnisch besonders prekären Südosten der Ukraine ist die Gewährleistung kontinuierlicher Nothilfe für die Bevölkerung von oberster Relevanz, und dies ist ohne Stromversorgung nicht möglich“, erklärt Theresa Grabinger, Renovabis-Länderreferentin für die Ukraine.
Hinweis: Nähere Informationen unter www.renovabis.de/news/themenseite-ukrainekrieg
Nachricht voraus am 22.12.22 hoff (MBN)
Livemitschnitt von Domorganist Professor Daniel Beckmann
Mainz. Am Dienstag, 20. Dezember, erscheint die erste CD zur neuen Mainzer Domorgel. Es ist ein Livemitschnitt des Festkonzerts zur Weihe der neuen Domorgeln am 21. August, bei dem Domorganist Professor Daniel Beckmann die Orgel gespielt hat. Beckmann spielt Werke von Johann Sebastian Bach, Guy Bovet, Charles-Marie Widor und Julius Reubke. Dank Aeolus Music und Dolby Surround Technologie gibt es nun die Möglichkeit, die neuen Instrumente im heimischen Wohnzimmer erklingen zu lassen.
Daniel Beckmann (geboren 1980) wirkt als Domorganist und Professor für Orgel in Mainz. Über viele Jahre hinweg hat er den Entstehungsprozess der neuen Mainzer Domorgel begleitet. Er ist seit 30 Jahre liturgischer Organist, seit 20 Jahren Hochschullehrer und blickt auf rund 1.000 internationale Konzerte als Organist, Pianist, Cembalist und Dirigent zurück. Aufnahmen für Tonträger, Rundfunk- und Fernsehanstalten (ARD, ZDF, ORF, SWR, WDR, BR, SAT1, Phoenix) runden seine Tätigkeit ab. Würdigungen seines Schaffens äußern sich in der „Bundesauswahl Junger Künstler“ durch den Deutschen Musikrat (2005), im „Premier Prix“ des Internationalen Orgelwettbewerbs der Abbaye Saint-Maurice d'Agaune (CH 2009), in der Verleihung des Kulturpreises seiner nordrhein-westfälischen Heimat (Kreis Olpe 2011) sowie in der Ernennung zum ersten Mainzer Stadtmusiker (2016). Seine Studien nahm Beckmann parallel zur gymnasialen Oberstufenzeit im Hochbegabtenzentrum der Detmolder Musikhochschule auf, wo er das kirchenmusikalische A-Examen, die künstlerische Reifeprüfung und das Konzertexamen jeweils mit Auszeichnung absolvierte.
Hinweis: „Mainzer Dom. Festkonzert zur Weihe der neuen Mainzer Domorgeln.“ Domorganist Daniel Beckmann, Super Audio CD, Aeolus, Spielzeit insgesamt: 73:20 Minuten.
Nachricht voraus am 21.12.22 hoff (MBN)
Monsignore Klaus Mayer auf dem Mainzer Hauptfriedhof beigesetzt
Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat den verstorbenen Monsignore Klaus Mayer für seine vielfältigen Verdienste gewürdigt. Im Pontifikalrequiem am Freitag, 23. Dezember, sprach Kohlgraf in der Kirche St. Stephan in Mainz über drei Gedanken, die Mayer ihm als Vermächtnis mit auf den Weg gegeben habe. Im Anschluss an das Requiem wurde Mayer von Pfarrer Thomas Winter auf dem Mainzer Hauptfriedhof beigesetzt. Den Platz für sein Grab hatte Mayer sich selbst ausgesucht: Es grenzt direkt an den jüdischen Friedhof.
In seiner Predigt lobte Kohlgraf Mayer als „herausragenden Menschen und Priester in unserer Diözese“. Er betonte: „Als Bischof ist es mir ein Herzensanliegen, ihm meinen Respekt zu zollen und die Hoffnung auszudrücken, dass sein Erbe hier lebendig bleibt, und das nicht nur als museale Erinnerung.“ Er dankte besonders Frau Selig, die Mayer seit 1964 begleitet hat. Im Hinblick auf Mayers Lebensweg sagte Kohlgraf: „Er hat jüdische und christliche Wurzeln, die für ihn später keinen Gegensatz, sondern eine Synthese bildeten.“ Und weiter: „Seinem Engagement verdanken wir die weltberühmten Fenster von Marc Chagall, ein unüberbietbares Zeugnis jüdisch-christlicher Freundschaft und eines gemeinsamen Fundaments.“ Über seine Begegnungen mit Mayer sagte Kohlgraf: „Von ihm strahlte eine tiefe Dankbarkeit und positive Kraft aus.“
Drei Themen waren ihm am Lebensende besonders wichtig
Vor wenigen Tagen noch hatte Bischof Kohlgraf Monsignore Mayer besucht. Kohlgraf: „Drei Themen hat er benannt, die ihn bis zuletzt beschäftigt haben: Die Freundschaft zwischen Judentum und Christentum, die Rolle der Frau in der Kirche und die Frage, wie unsere Kirche wahrhaft ‚katholisch werden‘ könne. Katholisch – das hieß für ihn inklusiv, einladend und eben nicht bewertend und ausgrenzend. Und ‚werden‘ sagte er; das hieß für ihn: Es geht um ein Ziel, nicht um einen derzeitigen Zustand. Eine Aufgabe, nicht eine Wirklichkeit.“
Das Verhältnis zwischen Judentum und Christentum sei Mayer seit seiner Kindheit ein Lebensthema gewesen, sagte Kohlgraf. „Wir haben in der christlichen Theologie viel nachzuholen im Nachdenken darüber, woher wir kommen, was es heißt, jüdische Wurzeln zu haben“, räumte er ein. Klaus Mayer habe einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung geleistet. „Jede Feindschaft und Verachtung sollten wir als Kirche ächten und verhindern“, mahnte der Bischof. Auch die so genannte „Frauenfrage“ habe Mayer beschäftigt. Schon seit den 1960er Jahren habe er eine Stagnation in manchen kirchlichen Themen festgestellt, so auch im Hinblick auf dieses Thema. „Auch dieses Thema gibt er uns mit“, sagte Kohlgraf. „Wie kann die Kirche katholisch werden?“, sprach Kohlgraf über das dritte Thema. „Er verstand dieses Wort einladend. Das will ich mit großer Überzeugung ebenfalls als Auftrag annehmen. Überall dort, wo Menschen in der Kirche und durch die Kirche verletzt werden, ist sie nicht katholisch.“
Kohlgraf schloss seine Predigt mit den Worten: „Menschen wie Klaus Mayer haben unsere Welt verändert. Zur Gestaltung der Welt braucht es vielleicht keine Helden, aber dankbare, aufmerksame und liebevolle Menschen. Wir danken Klaus Mayer und verneigen uns vor seinem Leben, und wir danken Gott für diesen Menschen, der nun in Gottes Händen ruhen möge.“
Zu Beginn des Requiems hatte Pfarrer Thomas Winter die Trauergemeinde begrüßt. Neben ihm konzelebrierten auch Pfarrer Stefan Schäfer, Pfarrer im Ruhestand Albert Schechter und Pfarrvikar Johannes Zepezauer. Auch Diakon Markus Guinchard wirkte mit. Die musikalische Gestaltung des Requiems übernahmen Hans-Gilbert Ottersbach und Ralph Hammes an der Orgel, ein Bläserkreis, sowie eine Frauenschola, Kantorinnen und der Kirchenchor der Pfarrei St. Stephan. Am Ende des Gottesdienstes sprach Carlos Mayer Abschiedsworte für seinen Onkel. Er ist der Sohn von Bernhard Mayer, Klaus Mayers Bruder. Außerdem würdigten Mayer noch der Mainzer Bürgermeister Günter Beck und Ariann Faupel-Ziehmer, die Vorsitzende des Fördervereins Biblische Botschaft Marc Chagall in Mainz e.V. (BBMC), in Nachrufen. Im Anschluss an den Gottesdienst wurde Mayer auf dem Hauptfriedhof beigesetzt.
Zur Person: Klaus Mayer
Klaus Mayer ist am Freitag, 16. Dezember, im Alter von 99 Jahren verstorben. Der frühere Pfarrer von Mainz-St. Stephan war bekannt geworden durch seine Initiative, den Künstler Marc Chagall zur Gestaltung der Glasfenster für Mainz-St. Stephan anzufragen sowie sein jahrzehntelanges Engagement zur Erläuterung von Chagalls Kunst in seinen Meditationen. Monsignore Mayer hatte bei seiner Predigt anlässlich seines 95. Geburtstages in Mainz-St. Stephan Dankbarkeit in den Mittelpunkt gestellt: „Mein Leben ist gefügt, geführt, begleitet und gesegnet von Gott“, sagte Mayer am Sonntag, 25. Februar 2018, bei der Eucharistiefeier in Mainz-St. Stephan. Mit einem Wort aus Psalm 104 sagte er: „Ich will dem Herrn singen, solange ich lebe.“ Nach den Zerstörungen von St. Stephan im Zweiten Weltkrieg sei es ungewiss gewesen, ob die Kirche überhaupt noch einmal aufgebaut werden würde, betonte Mayer damals. Und weiter: „Heute darf St. Stephan wieder Friedenskirche sein, für die deutsch-französische Freundschaft, für die Völkerverständigung und die jüdisch-christliche Verbundenheit. Wer hätte das damals gedacht? Niemand. Dank sei Gott!“ Mayer schloss seine Predigt im Jahr 2018 mit einem eindringlichen Appell für den Frieden: „Seid dankbar für den Frieden und betet für seine Erhaltung.“
Nachricht voraus am 23.12.22 hoff (MBN)
Predigt von Bischof Peter Kohlgraf im Mainzer Dom zum Jahresschluss
Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat an Silvester, 31. Dezember, im Mainzer Dom einen Gottesdienst zum Jahresschluss gefeiert. Im Folgenden dokumentieren wir den Wortlaut seiner Predigt:
Wir gehen aus dem alten Jahr in ein neues. Heute Vormittag kam die Nachricht vom Tod des emeritierten Papstes Benedikt, den wir in unser Gebet einschließen. Ich halte es für verfrüht, jetzt ein Lebenswerk zu bewerten. Im Letzten ist das die Sache Gottes selbst. Unser Part ist das Gebet für ihn. Und auch bei allen Fragen, die immer wieder kommen, die Dankbarkeit für sein Wirken in und für die Kirche. Er ist wohl mit großem Vertrauen vor das Angesicht seines Schöpfers getreten, das scheint mir ein gutes Beispiel für christliches Leben und Sterben insgesamt zu sein. Die bedrängenden großen Themen des alten Jahres sind uns schmerzlich bewusst: Krieg, Pandemie, Sorge um die wirtschaftliche Existenz, Sorgen um die Kirche, persönliche Fragen und Unsicherheiten, aber natürlich immer auch hoffnungsvolle Erfahrungen und Momente. Und selten hat mich die Frage so bewegt: Woran glauben wir, worauf hoffen wir? An diesem Abend will ich mit Ihnen dieser Frage nachgehen. Ohne jeden Glauben und ohne jede Hoffnung können Menschen nicht leben, auch wenn sie sich nicht jeden Tag Rechenschaft darüber geben. Woran glauben wir, worauf hoffen wir?
Zunächst steht die Frage im Mittelpunkt, welche Rolle der Gottesglaube spielt. Der Blick in Statistiken ist das eine, die persönliche Antwort das andere. Im letzten Jahr ist die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland erstmals unter 50% der Gesamtbevölkerung gesunken. Das sagt aber noch nicht alles über den persönlichen Glauben aus. Es gibt Menschen, die an Gott glauben und nicht in der Kirche sind; es gibt genauso Menschen, die in der Kirche sind, und an kein persönliches Gegenüber glauben, zu dem sie beten können. Glaubensformen und der Glaubensausdruck werden individueller, innerhalb und außerhalb der Kirche. An Engel glauben mehr Menschen als an ein göttliches Du.
Damit haben wir noch nicht über die übrigen christlichen Glaubensinhalte gesprochen, die Teil des christlichen Credo sind. „Wer braucht Gott?“ lautet der Titel eines Interviewbuches mit dem Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn. Die Autorin schreibt im Vorwort: „Ich weiß auch nicht, ob es Gott gibt. Für viele ist ein Blick in den Himmel, ein Spaziergang am Meer, ein Sonnenaufgang auf einem Berggipfel, ein Baby am Arm schon Beweis genug. Dabei ist es nicht leicht zu glauben“. Und so empfiehlt ein erfahrener Prediger „Bescheidenheit im Reden von Gott“ und er folgert: „Wir können und dürfen über Gott nicht so reden, als wüssten wir über alles genauestens Bescheid. Es ist geradezu notwendig, dass wir beim Reden über ihn hier und da ins Stottern geraten“. Wir stoßen an die Grenze unseres Wissens über Gott, an die Grenze unserer menschlichen Worte. Dies wohl wissend dürfen wir uns ihm nahen und doch von ihm sprechen. Wir erfahren es doch im Alltag, vielleicht sogar bei uns selbst. Oft genug leben wir, als gäbe es Gott gar nicht, als brauchten wir ihn nicht. Nicht, dass wir ihn leugnen, aber er ist nicht Thema, der Alltag mit seinen Sorgen und Themen hat uns ganz in Beschlag genommen. Ein andermal sind es eher Vorhaltungen oder Fragen. Wo ist denn Gott? Wie kann Gott das zulassen? Ich habe gebetet, aber er hat mich nicht erhört. Im eben genannten Buch fragt die Autorin den Erzbischof: „Was die Menschen ja auch immer wieder interessiert, ist die Frage: Habe ich dadurch (durch den Glauben an Gott) Vorteile?“ Darauf antwortete der Erzbischof: „Da kann man mit Blaise Pascal nur die Wette empfehlen. Lebe einmal, als wäre es so, und dann wirst du sehen, ob es dir Vorteile bringt. Es ist schwer, jemandem zu sagen, dass Schwimmen schön ist, wenn er nicht ins Wasser geht. Irgendwann muss man damit anfangen. ... Und mit der Religion ist es genauso. Man muss sie tun, um zu sehen, ob sie nützlich ist. Im Trockendock kann ich nicht ergründen, ob die Religion hilft“.
Ein Aspekt, vielleicht der wichtigste, fehlt noch in unseren Überlegungen. Ich erinnere mich an eine Prüfungsfrage des Professors an der Universität. Er fragte nach dem Unterschied zwischen biblischem und philosophischem Gottesbild. Der gefragte Student zögerte mit der Antwort, suchte nach Begriffen, und dann gab der Professor selbst die Antwort: „Zum Gott der Bibel kann man beten“. Nicht von Gott, nicht über Gott, sondern zu Gott heißt es zu sprechen. Ich bin davon überzeugt: Wir brauchen ihn und wir werden ihn brauchen. Ich will mir keine Welt vorstellen, in der der Glaube an den menschenfreundlichen Gott der Bibel verschwunden ist. Insofern werden wir alle nach unserer persönlichen Antwort suchen müssen auf die Frage, woran glauben wir, worauf hoffen wir. Die Antwort auf die Gottesfrage ist immer einer persönliche, aber sie wird nie privat bleiben, denn sie hat gesellschaftliche, öffentliche Folgen. Gott wird Mensch, das haben wir in diesen Tagen gefeiert. Gott glaubt offenbar auch an die Möglichkeiten des Menschen, er glaubt an ihn, sein Geschöpf. Ich bitte Sie alle, nach Ihrer persönlichen Antwort zu suchen, und sie beherzt zu geben.
Woran glauben wir, worauf hoffen wir? Verlieren wir auch nicht den Glauben an die guten Fähigkeiten des Menschen. Wir erleben täglich die schrecklichen Folgen menschlichen Handelns, aber wir erleben auch die guten Kräfte. Als Glaubender sehe ich darin die Möglichkeiten des Menschen als Gottes Ebenbild und Gottes Kind. Umso schlimmer sind die Verbrechen, die Menschen einander antun. Ich will aber in diesen Zeiten auf die Kräfte des Guten bauen. Menschen haben bedrückende Monate des Krieges hinter sich, auch wir spüren seine Folgen, manche reden von einem katastrophalen Jahr 2022. Immer wieder erlebe ich aber auch die Fähigkeiten, die Menschen entwickeln, um sich gegenseitig zu unterstützen, zu helfen und einander beizustehen. Wie andere auch, habe ich Patenschaften für vom Tode bedrohte Menschen im Iran übernommen, und das hat nur dann einen Sinn, wenn ich Gott zutraue, Menschen zu Einsicht und Umkehr zu führen. Bei den aktuellen Themen und Diskussionen in der Kirche geht es ja nicht nur um Kontroversen, sondern vielfach zeigt sich dabei auch die Bereitschaft, anstehende Aufgaben zu bewältigen, die sicher nicht nur vergnüglich sind. Wir erleben in diesen Zeiten so viele Haupt- und Ehrenamtliche, die sich einsetzen, und ich will einfach dafür meinen herzlichen Dank sagen. Im Bistum Mainz gehen wir in eine zweite Phase des Pastoralen Weges. Viele Aufgaben sind zu bewältigen. Konflikte werden kommen. Ich bitte Sie herzlich, nie die zentralen Fragen aus dem Blick zu verlieren, was uns eigentlich motiviert und welcher Glaube uns eint. Immer wieder sollten wir uns daran erinnern. Wenn wir uns in operative Fragen verkrallen, müsste einer oder eine die Frage stellen: Welchen Nutzen hat dies für die Verkündigung des Evangeliums? In einer Glaubenszuversicht dürfen wir den Glauben an die guten Möglichkeiten des Menschen nicht verlieren. Auch in der Pandemie haben sich vielfach diese guten Gaben gezeigt. Menschen waren und sind solidarisch, aktuell auch in den neuen Herausforderungen durch Menschen auf der Flucht aus der Ukraine und von anderswo.
Woran glauben wir, worauf hoffen wir? Glauben wir mehr an die Kraft der Waffen oder glauben wir mehr an den Mut zum Frieden? Ich will die Hoffnung auf den Frieden nicht aufgeben. Es ist doch widersinnig, dass Hass die Zukunft von Völkern und Menschen dauerhaft zerstören soll. Natürlich geht es in den jetzigen Zeiten darum, auch in der Ukraine, aber ebenso im Iran und anderenorts Gerechtigkeit herzustellen. Ich will aber die Hoffnung nicht aufgeben, dass Menschen mit Gottes Hilfe in der Lage sind, eine gerechte Weltordnung zu erhoffen und an ihr zu arbeiten. Wenn es den Tyrannen gelingt, die Sehnsucht nach Frieden auszulöschen, haben sie gewonnen.
Woran glauben wir, worauf hoffen wir? Können wir den Glauben an die katholische Kirche noch teilen? Im Bistum Mainz werden wir im Frühjahr 2023, wie andere Bistümer, die Ergebnisse einer unabhängigen Studie zum sexuellen Missbrauch in unserem Bistum erhalten; Rechtsanwalt Ulrich Weber und sein Team erarbeiten sie. Die Studie wird systemische Probleme im Bistum Mainz erhellen. Ich will der Studie nicht vorgreifen, da auch ich die unabhängigen Ergebnisse noch nicht kenne, aber ich ahne: Auch hier bei uns war der Schutz des Systems Kirche im Blick und nicht ausreichend die Situation der Betroffenen. Angenehm wird das nicht werden. Viele Menschen werden dadurch erneut erschüttert, denn natürlich werden Verantwortliche benannt, die in hohem Ansehen stehen. Auch für die Betroffenen wird dies möglicherweise Wunden neu aufreißen. Seitens des Bistums werden wir Hilfen anbieten für die verschiedenen Ebenen. Viele Jahrzehnte, gerade nach dem Zweiten Weltkrieg haben Menschen auf die moralische Kraft der Kirche gesetzt. Das funktioniert nicht mehr so einfach. Wir suchen heute nach Wegen der Glaubwürdigkeit. Denn nicht nur Bischöfe und Priester haben versagt, viele haben das System von Verschweigen und Vertuschen mitgetragen. Heute gilt es, ein transparentes System zu gestalten. Wie schwierig das ist, merken wir immer wieder. Bis in Zeitungsartikel hinein werden alte Kirchenbilder gefestigt, alte Seilschaften gestärkt. Transparenz betrifft viele Ebenen der Kirche und des Bistums, für manche ist dies ein neuer Gedanke. Kirche ist kein Selbstzweck, sie soll uns im Glauben stärken.
Doch bei aller Kritik: Kirche ist mehr als die Probleme. So viele gestalten Kirche mit, und Christus ist gegenwärtig in Wort und Sakrament. Deswegen bleibt die Kirche für mich ein Hoffnungsort. Die innerkirchlichen Konfliktthemen will ich nicht geringschätzen, aber wir dürfen den Kern der christlichen Botschaft nicht aus dem Blick verlieren. Von der Botschaft der Liebe Gottes in Jesus Christus, die mir in den Sakramenten und der Gemeinschaft der Kirche vermittelt wird, würde ich um keinen Preis die Gemeinschaft trennen. Über Entscheidungen anderer Menschen habe ich nicht zu urteilen. Ich sehe die Kirche nicht am Ende, wohl aber auf dem Weg zu einer neuen Gestalt, auch im Bistum Mainz. Sorgen habe ich, Angst nicht. Denn auch hier geht Gott die Wege mit, und mit uns viele Menschen in großem Realismus und Liebe zur Kirche und Welt.
Woran glauben wir, worauf hoffen wir? Möge jeder und jede auch die eigenen Lebensthemen im Blick des Glaubens anschauen. Gott gibt nicht immer einfache Antworten, aber er geht unsere Wege mit. Die persönlichen Freuden, Sorgen und Hoffnungen wollen wir heute Abend Gott anvertrauen. Der jüdische Rabbiner von Berlin hat in einem Beitrag formuliert: Lassen wir die Flüche des vergangenen Jahres hinter uns, beginnen wir ein Jahr des Segens. Und vielleicht war auch 2022 für viele Menschen nicht nur ein Jahr der Katastrophen. Dann gilt es Danke zu sagen und die Haltung der Dankbarkeit in das neue Jahr mitzunehmen. Uns allen wünsche ich ein gesegnetes Jahr 2023.
(MBN)
Predigt von Bischof Peter Kohlgraf am ersten Weihnachtsfeiertag im Mainzer Dom
Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat am ersten Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember, den Weihnachtsgottesdienst im Mainzer Dom gefeiert. Im Folgenden dokumentieren wir den Wortlaut seiner Predigt:
„Auf der Suche nach dem treffenden Wort“ – so lautete der Titel unseres aktuellen Podcast mit der Schriftstellerin und Mainzer Stadtschreiberin Dörte Hansen. Wir leben in einer Welt vieler Worte, umso wichtiger sind treffende Worte. „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. (…) In ihm war Leben (…) Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ (Joh 1). Dies haben wir im heutigen Weihnachtsevangelium gehört. Gott schenkt uns ein treffendes Wort. Ein treffendes Wort ist genau, richtig und passend zugleich. Es bringt etwas auf den Punkt. Manchmal hat man den Eindruck, lange Antworten drücken sich vor einer punktgenauen Antwort. So spricht Gott nicht. Sein Wort ist kurz, prägnant, treffend. Er redet nicht um ein Thema herum. Das Wort Gottes ist keine schöne Theorie, es ist eine Person. Er spricht zu uns in seinem Sohn. Er spricht uns an „wie Freunde“, sagt das II. Vatikanische Konzil.
Der Ton sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft als ganzer ist kein freundschaftlicher. Im Hinblick auf den innerkirchlichen Umgang ist das nicht nur betrüblich, sondern noch problematischer: oft geht es nur mehr um das Rechthaben-Wollen, um einen Kampf der Worte. Und am Ende machen sie Jesus selbst unhörbar. Das eine Wort, Jesus Christus, wird dabei nur selten beachtet oder auch für die eigene Politik benutzt. Immer wieder spielen sich eher zweitrangige Themen an die erste Stelle. Auch ich als Bischof erlebe, dass man mich mit einzelnen Zitaten aus dem Katechismus oder der Bibel konfrontiert, um mir meine Fehlerhaftigkeit vorzuhalten. Dabei wird der Kern der Botschaft vergessen, das eigentliche Wort, um das oder um den es geht. Es geht um Leben in Fülle, um Licht, um die freundschaftliche Zuwendung Gottes in Jesus Christus zu allen Menschen. Auch viele innerkirchliche Debatten könnten eigentlich mit derselben Heftigkeit geführt werden, wenn es Gott nicht gäbe. Immer wieder dreht man sich um eigene Ideen. Dabei ist es höchste Zeit, an Gott zu denken, wie ein Buch von Kardinal Karl Lehmann heißt (erschienen 2000). Und es geht nicht um irgendeinen nebulösen, unsagbaren Gott, sondern um einen Gott, der selbst sein Wort geschenkt hat, eine Person, einen Bruder der Menschen, einen Freund der Menschen, Jesus Christus.
Um solch ein eindeutiges, kurzes, prägnantes Wort geht es in unserem christlichen Glauben. Gott hat viele Möglichkeiten, zum Menschen zu sprechen, aber er gibt uns ein Wort, das im Rahmen der unendlichen Weltgeschichte so kurz, so unscheinbar ist, aber doch alles enthält, was Gott zu sagen hat. Millionen Jahre Weltgeschichte, und doch ist in den dreiunddreißig Lebensjahren Jesu alles enthalten, was Gott uns sagen will. Er ist ein Gott mit uns. Er will bei uns sein, trägt unsere Krankheiten und Leiden, und Freuden und Hoffnungen und will Licht in das Dunkel unserer Welt bringen.
Nicht nur kurz sollte ein Wort sein. Es muss auch etwas aussagen. Es muss verständlich sein. Man kann natürlich auch kurz sprechen und wenig sagen. Gottes Wort in Jesus Christus ist nicht nur kurz, sondern es antwortet auf die wichtigsten Fragen des Menschen: Wer bin ich? Wohin bin ich unterwegs, wer hilft mir zu leben? Was muss ich tun? Darauf gibt Gott keine theoretischen Antworten, sondern Jesus lebt es vor. Sein ganzes Handeln erinnert uns daran, dass wir nicht nur Kinder Gottes heißen, sondern es in Wahrheit sind. Dass wir Gott unendlich wertvoll sind, und zwar jeder Mensch. Dass Gott und sein Reich meine Zukunft sind, trotz Schuld und Versagen. Er zeigt, dass ich Gutes tun soll in der Freiheit der Kinder Gottes – nicht aus Angst oder weil ich mir seine Liebe verdienen müsste. Er zeigt mir in seinem ganzen Tun: Gott ist an meiner Seite, gerade wenn ich arm, schwach, sündig bin, wenn ich meine Sterblichkeit und Schwäche erfahre. Das Wort Gottes hat uns viel, ja eigentlich alles zu sagen. Jesus Christus, das lebendige Wort Gottes, fasst alles, was zu tun ist, in dem einen Gebot der Gottes- und Nächstenliebe zusammen. Heute ist es besonders wichtig, daran zu erinnern: Es geht nicht um Beliebigkeit, sondern um die Frage: Wie können wir als Christinnen und Christen glaubwürdig dieses Liebesgebot leben und verwirklichen? Erst dann beginnt das Evangelium von der Menschwerdung neu zu strahlen. Und Weihnachten feiere ich nicht ohne den Blick auf das Ostergeheimnis. Ich sehe in dem Kind und dem Auferstandenen auch das Ziel meines Lebens. Das ist der Kern unserer Botschaft, von dem im alltäglichen Getümmel so selten die Rede ist.
Das Wort, das andere überzeugt, muss nicht nur kurz und aussagekräftig sein, es muss auch glaubwürdig sein. Einem Prediger, der Wasser predigt und Wein trinkt, wird man auf Dauer nicht zuhören. Jesus predigt nicht die Liebe, er lebt sie. Angefangen von der Geburt in Bethlehem, bis zum Tod am Kreuz. Er verlangt nicht von anderen einen radikalen, am anderen Menschen orientierten Lebensstil, er lebt ihn. Wer also ihm wirklich nachfolgen will, kann nur an Jesus Maß nehmen. Wir ringen in der Kirche um Glaubwürdigkeit. Ohne das Maßnehmen an der Glaubwürdigkeit Jesu, des einen Wortes Gottes, wird es und nicht gelingen, glaubwürdig zu sein.
Schließlich kann ein Wort nur ankommen, wenn der Hörer und die Hörerin spüren: Sie sind persönlich gemeint. Da redet nicht jemand über ihren Kopf hinweg. Das ist das eigentlich Faszinierende, wenn man sich mit Jesus beschäftigt. Dass er eine unheimliche Gabe hatte, den einzelnen Menschen zu sehen, seine Not, seine Bedürfnisse. Viele glaubende Menschen haben erfahren: Das galt nicht nur für die Menschen vor 2000 Jahren in Galiläa, sondern Jesus blickt auch heute mich persönlich an, wie die Menschen damals, er sieht mein Leid, meine Fragen, meine Sorgen und trägt sie mit. Schließlich: Das eine Wort Gottes ist ein gewaltloses Wort. Es ist nicht harmlos, aber ohne Gewalt. Das ist in diesen Kriegszeiten keine Nebensächlichkeit. Es ist viel diskutiert worden über Krieg, Verteidigung, über Hilfe für ein bedrängtes Volk, dem die Vernichtung droht. Und auch Christinnen und Christen sind ernüchterter geworden in der Einschätzung des Selbstverteidigungsrechts eines angegriffenen Volkes. Aber ich meine auch, wir haben uns auffallend schnell an Gewalt in Tat und Wort gewöhnt. Das gilt auch für das alltägliche Miteinander. Und ich gestehe: Unsere Kirche gibt oft kein gutes Bild ab in der Nachfolge des gewaltlosen Jesus, der sicher kein weicher Charakter war. Unrecht deutlich zu benennen verstößt gerade nicht gegen das Liebesgebot. Für viele Menschen ist die Kirche in ihrer konkreten Gestalt kein glaubwürdiges Zeugnis einer gewaltfreien Menschheit. Das gilt für bestimmte Gruppen, das gilt für viele von der Kirche Enttäuschte, das gilt, wenn wir heute um ein neues synodales Miteinander ringen.
Johannes erinnert an Jesus, die Mitte unseres Glaubens. Lassen wir ihn immer wieder und immer mehr zu Wort kommen. Entdecken wir seine unerschöpflichen Reichtümer, mit denen wir nie an ein Ende kommen. Um Jesus geht es, er ist das kurze und prägnante Wort. Er trifft die Wirklichkeit der Welt, er hat die Botschaft für mein Leben, besser: er ist selbst die Botschaft, das Wort. Er ist glaubwürdig, und wir sollten ihm nacheifern, selbst glaubwürdiges Wort in Tat und Reden zu werden. Lernen wir ihn immer besser kennen, indem wir seine Freundschaft annehmen und erwidern. Er kommt gerade nicht in eine heile Welt, aber er will sie heilen. Wir dürfen uns in seinen Dienst nehmen lassen. Ich habe von ihm noch viel zu lernen.
(MBN)
Predigt von Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz in der Christmette im Mainzer Dom
Mainz. Der Mainzer Weihbischof und Generalvikar, Dr. Udo Markus Bentz, hat am Heiligen Abend, 24. Dezember, die Christmette im Mainzer Dom gefeiert. Im Folgenden dokumentieren wir den Wortlaut seiner Predigt:
Liebe Schwestern und liebe Brüder,
„Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst.“ - So Franklin Roosevelt bei seiner Amtsantrittsrede als Präsident der USA 1933. Es waren in Amerika die Jahre der großen Depression vorangegangen. Roosevelt wollte einen neuen politischen Anfang setzen: Angst lähmt. Angst blockiert das Leben. Angst zersetzt die Selbstbestimmung des Menschen. Freie Menschen sollten keine Angst vor der Angst haben müssen. (Vgl. Heinz Bude, Gesellschaft der Angst). Das Einzige, wovor wir Angst haben sollten, ist die Angst selbst - heute an diesem Weihnachtsfest hören ich Roosevelts Satz mit neuen Ohren.
Denn - ich nehme wahr, wie die Angst bei uns um sich greift. Ein schweres Jahr neigt sich dem Ende entgegen:
Angst: ein über alle Lebenssituationen hinweg gemeinsames Erleben?
Überhaupt: Was macht diese Angst mit uns? Ich nehme wahr, je länger die Krise nun schon anhält, umso mehr heißt die Angstbewältigungsstrategie „Ablenkung“ oder „buisness as usual“… Ich nehme auch eine latente, alltägliche Aggressivität im Ton und im Umgang miteinander wahr, die an Stellen aufbricht, an denen man es gar nicht vermutet. Vielleicht ergeht Ihnen das ähnlich. Mich macht auch der ständige Ruf nach Sicherungs- und Ausgleichsmaßnahmen in mancher Hinsicht nachdenklich. Angst engt ein. Angst lähmt. Angst zersetzt die Selbstbestimmung. Roosevelts Satz trifft einen Kern: Das einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst. Die Furcht dient nicht dem Leben. Sie zersetzt das Leben. Der Umgang mit konkreten, mehr noch mit den diffusen Ängsten aber wird ein Maßstab für unsren sozialen Zusammenhalt sein. Das dürfen wir nicht übersehen.
Die Botschaft der Weihnacht klingt da wie ein trotziger Fanfarenstoß: „Fürchtet euch nicht!“ So die Botschaft der Engel an die verunsicherten Hirten auf dem Feld. Wir selbst sind heute verunsicherte Hirten auf dem Feld. „Fürchtet euch nicht!“ Für manchen mag das beschwichtigend klingen oder wie eine Trotzparole wider aller Wirklichkeit.
Ich möchte mir dieses Wort der Engel an diesem Heiligen Abend neu zusprechen lassen. Es an mich heranlassen: „Fürchte dich nicht!“ Vor allem und zuerst höre ich darin zunächst einmal: Hab keine Angst vor deiner Angst! Fürchte dich nicht, deine Angst anzuschauen. Wo immer wir uns als Gesellschaft, aber auch als Kirche und als Bistum nicht unsrer Lebensrealität stellen, sondern „nur abfedern“, „beschwichtigen“ bzw. schmerzhafte Schritte nur verschleppen und verzögern, werden die vitalen, zur Bewältigung der Krise notwendigen Kräfte nicht in ausreichendem Maße freigesetzt. Das gilt auch für die ganz persönliche Lebenssituation.
„Fürchtet euch nicht“, sprechen die Engel zu den Hirten. Worte allein helfen noch nicht! Was hilft mir denn in meiner Furcht? Mir hilft in meiner Furcht, dass ich jemanden an meiner Seite weiß! Einen Menschen an meiner Seite, der mich liebt. Menschen an meiner Seite, die mich unterstützen und es in einem aufrichtigen Sinn „gut mit mir meinen“. Menschen an meiner Seite, die einen anderen Blick und andere Möglichkeiten haben, als ich nur allein für mich. Was also hilft mir in meiner Furcht? Jemand an meiner Seite! Und hier greift in einer immer noch und immer wieder „unglaublichen Weise“ die Botschaft von Weihnacht. Du hast nicht nur Menschen an deiner Seite. Du hast Gott selbst an deiner Seite! Gott würdigt unser menschliches Leben, ganz gleich wie holprig unser Weg ist, ganz gleich wo wir unseren Platz im Leben finden, ganz gleich vor welcher Aufgabe wir stehen: Fürchte dich nicht! - Du hast Gott an deiner Seite! Er wartet nicht, bis du perfekt bist. Er wartet nicht, bis alles von dir selbst ins Lot gebracht ist und du deine Angst gemeistert hast. Er wartet nicht, bis du alles Menschenmögliche selbst getan hast. Gott stellt sich - indem er selbst Mensch wird - unverrückbar an unsre Seite im Ringen mit der Härte und den Zumutungen des Lebens. An unsrer Seite wirkt er mit uns (!) Heil und Heilung zu ermöglichen!
Weihnachten ist deshalb nicht zuerst eine gesellschaftspolitische Botschaft, sondern eine, die das Innere des Menschen erreichen will. Zuversicht, Mut, Heilung und Heil - all das beginnt im Innern des Menschen, in der Mitte der Person - im Herzen - nämlich dort, wo gerade auch die Angst ihren Ausgang nimmt. Deshalb: Nehmen wir uns das Wort dieser Nacht im wahrsten Sinne des Wortes zu Herzen: „Fürchtet euch nicht!“
Das ist der Beitrag, den der christliche Glaube für unsere Gesellschaft leisten kann: die „Ressource in der Krisendiagnose unsrer Zeit, die fehlt“, wie Journalist heute Morgen in der Zeitung geschrieben hat. Niemand muss diese Botschaft annehmen. Sie ist auch nicht das Einzige, was hilft, die Krise zu bewältigen. Aber sie ist eine Botschaft, von der ich überzeugt bin, dass unsrer Gesellschaft etwas Entscheidendes fehlt, wenn sie fehlt. Gott wird Mensch und stellt sich an deine Seite! Diese Zusage ist ein fester innerer Kompass, der Halt und zugleich Freiheit zur Verantwortung gibt. Ich brauche keine Angst vor meiner Angst zu haben.
Damit ist aber auch klar: Es geht um mehr als um emotionale Ergriffenheit. Ergriffenheit hat vor allem eine narkotisierende Wirkung. Es geht auch um mehr als um Innerlichkeit. Es geht darum, mit diesem inneren Halt Verantwortung zu übernehmen: Wer Gott an seiner Seite weiß, muss bereit sein, sich auch ganz konkret an die Seite der Menschen zu stellen. Wer aus der Botschaft lebt „Fürchte dich nicht!“, der kann diese Botschaft nicht einfach nur in die Welt posaunen, der muss so nahe bei den Menschen sein, dass das Menschen bewegt und in Bewegung setzt, wie die Hirten sich auf den Weg machen voller Neugier, was diese Botschaft der Engel konkret heißt.
So ist es auch für uns als Kirche: Jenseits aller Strukturdebatten bleibt die Gretchenfrage unsrer Existenz und Sendung als Kirche: Wie nah bleiben wir bei den Menschen? Caritativ, seelsorglich, in der Begleitung menschlicher Krisen und Nöte, in der Suche nach Sinn und Halt. Alles, was uns mit unsrer Botschaft des menschgewordenen Gottes nah bei den Menschen sein lässt, hat Priorität.
Erinnern wir uns: Was hilft mir in meiner Furcht? Dass ich jemand an meiner Seite weiß! Gerade diese Botschaft „Fürchte dich nicht!“ setzt Nähe voraus, damit man ihr glauben kann. Wissen die Menschen also die Kirche an ihrer Seite, damit man der Botschaft vertrauen kann?
Es gilt auch an diesem Weihnachtsfest das wunderbare Wort von Alfred Delp: „Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt!“
Amen.
(MBN)