Das Fragment habe „einen großen Wert für die Literaturgeschichte", sagte Könitz, auch wenn bislang nur ein Blatt des Textes bekannt sei. Unter der Überschrift „Das fünfte Leben der heiligen Elisabeth von Thüringen. Eine mittelalterliche deutsche Dichtung in Mainz - neu entdeckt" wird Dr. Könitz das Fragment und seine Geschichte am Dienstag, 7. Mai, um 18.15 Uhr bei einem Vortrag in der Bibliothek vorstellen. Der Eintritt ist frei.
Bislang seien unter allen bekannten deutschen Elisabeth-Texten überhaupt nur vier gereimte Erzählungen bekannt, wie Könitz ausführte. Daneben gebe es noch rund zehn mittelalterliche Texte in Prosa über die heilige Elisabeth. Bislang gilt das um 1300 entstandene „Leben der heiligen Elisabeth" als älteste Elisabeth-Dichtung. Man könne nicht feststellen, ob das jetzt entdeckte Fragment noch älter ist, sagte Könitz. Der Text ist wohl zu Beginn des 14. Jahrhunderts im hessisch-thüringischen Raum entstanden, erläuterte er. Das Werk sei mit keiner der bisher bekannten Elisabeth-Dichtungen identisch und habe deswegen einen hohen Stellenwert für die deutsche Literaturgeschichte des Mittelalters. Die jetzt in der Martinus-Bibliothek entdeckten Bruchstücke seien der einzige Beweis für die Existenz dieser sehr frühen Elisabeth-Dichtung in deutscher Sprache. Das handliche und kompakte Format lasse darauf schließen, dass die Handschrift als private Lektüre angefertigt worden sei, vielleicht als Privatexemplar eines Adligen, sagte Könitz.
Gefunden wurde das Fragment in einer lateinischen Vergil-Ausgabe aus dem Jahr 1517. Die zwei mittelalterlichen Pergamentstücke waren dort zur Verstärkung des Buchrückens verwendet worden, weil die Handschrift rund 200 Jahre nach ihrer Abfassung nicht mehr benötigt wurde. Entdeckt hatte das Fragment der Mainzer Buchwissenschaftler Dr. Franz Stephan Pelgen, der im Rahmen eines Forschungsprojektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Publikationsstrategien des Wormser Weihbischofs Stephan Alexander Würdtwein (1722-1796) und dessen Korrespondenzen untersucht hat.
Dr. Hinkel wies darauf hin, dass die heilige Elisabeth „eine Mainzer Heilige" sei, „weil sie ihr Leben im damaligen Erzbistum Mainz verbracht hat". Auf den vollständig und zweiseitig beschriebenen Doppelblatt sind 63 Textzeilen aus der deutschsprachigen Erzählung über das Leben der heiligen Elisabeth erhalten. Darin geht es um Elisabeths Zeit in Marburg, wo sie die letzten drei Jahre ihres Lebens verbracht hat. Es wird beschrieben, wie sie sich nach ihrer Ankunft in der Stadt mit der Bitte um Kraft an Gott wendet, um sich von ihrem weltlichen Besitz lossagen zu können. Anschließend schildert der Text, wie Konrad von Marburg Elisabeths Gefolge fortschickt.
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