„Der Fund der Zeichnung ist eine kleine Sensation“ (23.2.)

Kabinettausstellung mit unbekannter Urs Graf-Zeichnung in der Martinus-Bibliothek

HINKEL--PELGEN--MÜLLER (c) Bistum Mainz / Matschak (Ersteller: Bistum Mainz / Matschak)
Datum:
Mo. 21. Feb. 2011
Von:
am (MBN)
Mainz. Als eine „kleine Sensation“ hat Dr. Christian Müller, Leiter und Kurator des Kupferstichkabinetts Basel, den Fund einer bisher unbekannten Zeichnung des schweizerischen Künstlers Urs Graf (1485-1527/1528) bezeichnet. „Zeichnungen von Graf gehören zu den allergrößten Seltenheiten und sind auf dem Kunstmarkt nicht mehr zu finden. Die meisten Zeichnungen des Künstlers befinden sich heute im Museumsbesitz“, sagte Müller bei einer Pressekonferenz in der Mainzer Martinus-Bibliothek am Montag, 21. Februar.
GRAF--URS (c) Bistum Mainz / Martinus-Bibliothek (Ersteller: Bistum Mainz / Martinus-Bibliothek)

Entdeckt wurde die Zeichnung zufällig von dem Mainzer Buchwissenschaftler Dr. Franz Stephan Pelgen in einem 1560 in Basel gedruckten griechisch-lateinischen Wörterbuch, das in der Martinus-Bibliothek aufbewahrt wird: In den hinteren Deckel des Buches hatte der ehemalige Besitzer, vermutlich ein Basler Altphilologe, die Zeichnung Grafs eingeklebt. Felgen war während der Suche nach der Privatbibliothek des Wormser Weihbischofs Stefan Alexander Würdtwein (1719-1796) auf sie gestoßen. Die Zeichnung wird ab Mittwoch, 23. Februar, im Rahmen einer Kabinettausstellung in der Martinus-Bibliothek zu sehen sein. Zu Beginn der Pressekonferenz hatte der Direktor der Bibliothek, Dr. Helmut Hinkel, die Anwesenden begrüßt. Ihm seien die „die faszinierenden, aber auch verstörenden Zeichnungen" Grafs schon lange ein Begriff gewesen. Hinkel sagte, dass die gefundene Zeichnung weiterhin im Buch verbleiben und nicht heraus gelöst werde. Das Buch wird nach dem Ende der Ausstellung in der so genannten Schatzkammer der Bibliothek aufbewahrt.

Müller wies in seinem Statement darauf hin, dass die Zuweisung der Zeichnung an Urs Graf „nicht sehr schwierig" gewesen sei: Auf dem unten beschädigten Blatt würden sich Reste des Datums und das Monogramm Grafs befinden. Die Zeichnung zeigt ein Turnier von Putten, die unter musikalischer Begleitung eines Pfeifers und eines Trommlers auf grotesken Fabelwesen gegeneinander anreiten. „Hier wird ein Wettbewerb ausgeführt, bei dem der Gegner nicht durch Körperkraft als vielmehr durch die komische Gestalt des anderen beeindruckt werden soll", betonte Müller. Das Thema der Zeichnung, die stilistisch um 1513 einzuordnen sei, sei „das ungehemmte Treiben der Natur selbst, das hier einen spielerischen Ausgleich sucht".

Der in Solothurn geborene Graf war von Beruf Goldschmied. Im Rahmen seiner reichen künstlerischen Tätigkeiten ist er aber auch als Zeichner, Illustrator für Buchdrucker und als Entwerfer von Holz- und Metallschnitt bekannt geworden; er hinterlies ein zeichnerisches Werk von rund 160 Blättern. „Seine Zeichnungen zeichnen sich durch Bildwitz, hohe Lebendigkeit und eine ,scharfe Feder' aus. Sie können als persönliche Statements bezeichnet werden", sagte Müller weiter. Graf, der sich 1511 in Basel niederließ, gehöre zu den „schillerndsten Persönlichkeiten" von deutschsprachigen Künstlern der Generation nach Albrecht Dürer. Er habe jedoch nie die Berühmtheit seiner Zeitgenossen Hans Baldung Grien oder Hans Holbein der Jüngere erlangt. Dies sei auf seinen „unsteten Lebenswandel" zurückzuführen, „der in den Gerichtsakten Basels reich dokumentiert ist", hob Müller hervor. So stand Graf unter anderem wegen Raufhändel und schwerer Körperverletzung vor Gericht, misshandelte auch seine Ehefrau. Der größte Teil seines zeichnerischen Nachlasses - rund 150 Arbeiten - befindet sich heute im Besitz des Kupferstichkabinetts des Kunstmuseums Basel.

Vernissage der Ausstellung (22.2.)

Die Zeichnung Grafs ist Mittelpunkt der aktuellen Kabinettausstellung der Mainzer Martinus-Bibliothek, die ab Mittwoch, 23. Februar, bei freiem Eintritt zu den Öffnungszeiten der Einrichtung besucht werden kann. Die Ausstellung, die bis zum 6. April zu sehen ist, steht unter der Überschrift „Urs Graf in Mainz - eine neu entdeckte Zeichnung des Schweizer Dürer und Druckgrafik von Urs Graf". Gezeigt werden neben der Neuentdeckung auch 18 Bücher (aus den Jahren 1503 bis 1522) aus den Beständen der Bibliothek mit Druckgrafik von Urs Graf. Bei der Vernissage am Dienstag, 22. Februar, um 17.15 Uhr wird Christian Müller den Stellenwert der in der Martinus-Bibliothek entdeckten Zeichnung des schweizerischen Goldschmieds und Zeichners darstellen. Müller ist einer der besten Kenner des Künstlers Urs Graf.

Hinweis: Martinus-Bibliothek - Wissenschaftliche Diözesanbibliothek Mainz - Grebenstraße 8 (Eingang), Augustinerstraße 34 (Post), 55116 Mainz, Tel.: 06131/266-222, Fax: 06131/266-387, E-Mail: martinus.bibliothek@bistum-mainz.de, Internet: www.bistum-mainz.de/martinus-bibliothek - Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9.00 bis 12.30 Uhr und von 13.30 bis 18.00 Uhr