Mainz. Die Mainzer Martinus-Bibliothek übergibt drei biblische Pergamentrollen an die Israelische Nationalbibliothek in Jerusalem. Es handelt sich dabei um zwei Ester-Rollen und eine Samaritanische Genesis-Rolle.
Das Buch Ester hat im Judentum eine besondere Bedeutung. Dort wird die Geschichte von der Rettung des jüdischen Volkes in der persischen Diaspora erzählt, die Ursprung des Purimfestes ist. Die drei Buchrollen waren touristische Mitbringsel von einer Israelreise aus den 1960er-Jahren und stammen aus dem Nachlass des im Jahr 1970 verstorbenen Mainzer Neutestamentlers Nikolaus Adler.
Die Handschriften gehörten nicht zum gewachsenen Bestand der Martinus-Bibliothek und konnten auch nicht die erforderliche bibliothekarische und wissenschaftliche Betreuung erfahren, sagte der Direktor der Martinus-Bibliothek, Dr. Helmut Hinkel, am Mittwoch, 19. Juni, vor Journalisten. Er sei dankbar, dass die Schriftrollen „jetzt dahin kommen, wo sie hingehören und dort der Wissenschaft zur Verfügung stehen“, sagte Hinkel. Professor Dr. Andreas Lehnhardt vom Lehrstuhl für Judaistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, bezeichnete es als „Glücksfall“, dass durch den Kontakt von Leor Jacobi mit der Martinus-Bibliothek die Übergabe der Schriftrollen erfolgen konnte.
Leor Jacobi aus Jerusalem brachte seine Dankbarkeit für die Übergabe der Schriftrollen nach Jerusalem zum Ausdruck. Jacobi ist derzeit Projektkoordinator für „Die Tora-Arche in Deutschland“, die deutsch-israelische Stiftung für wissenschaftliche Forschung und Entwicklung, sowie im Vorstand der Israelischen Vereinigung für visuelle Kultur im Mittelalter (IMAGO). Der Kontakt zur Martinus-Bibliothek wurde über Professor Dr. Claus Arnold hergestellt. Der Mainzer Kirchenhistoriker betreut den Mainzer Teil des EU-Projektes Research Infrastructure on Religious Studies (RelReS) an der Johannes Gutenberg-Universität, wo Jacobi seit März als erster RelReS-Stipendiat tätig ist.
Die beiden Ester-Rollen sind aus Pergament und handgeschrieben, wie es das jüdische Recht vorschreibt. Die erste Ester-Rolle stammt aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert und ist in einem sehr guten Zustand. Die zweite Rolle entstand möglicherweise bereits im 18. Jahrhundert und befindet sich in einem verzierten Messinggehäuse. Die Schriftrolle ist teilweise beschädigt. Von der kleinen Gemeinschaft der Samaritaner, die nur die fünf Bücher Mose als Bibel anerkennen, stammt die dritte Rolle, die im 20. Jahrhundert entstanden ist und den Text der Genesis enthält. Der Kurator der Israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem, Dr. Yoel Finkelman, hat in einem Brief für die Übergabe der Rollen gedankt. Die beiden Ester-Rollen seien ein wesentlicher Beitrag für die Sammlung von rund 200 Ester-Rollen der Nationalbibliothek. Im Bestand des Hauses seien bislang acht Exemplare der Samaritanischen Genesis-Rolle.
Bei der Feierstunde „Die Heimkehr der Ester-Rollen“ am Mittwochabend, 19. Juni, um 17.15 Uhr in der Martinus-Bibliothek wird Dr. Hinkel die Handschriften-Rollen an Leor Jacobi überreichen und in einem kurzen Vortrag auf die Geschichte der Rollen und ihre Heimkehr nach Jerusalem eingehen. Zuvor stehen zwei weitere Kurzvorträge auf dem Programm: Leor Jacobi spricht über „Possenreißer, fröhliche Leute, Purim und der Karneval: Der Einfluss von Mainz und seinen Talmudgelehrten auf jüdisches Leben und den Text des Talmud“; Professor Dr. Andreas Lehnhardt vom Lehrstuhl für Judaistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz referiert zum Thema „Das Frankfurter Purimspiel aus der Martinus-Bibliothek“. Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.
Hinweis: Martinus-Bibliothek - Wissenschaftliche Diözesanbibliothek im Priesterseminar Mainz - Grebenstraße 8 (Eingang), Augustinerstraße 34 (Post), 55116 Mainz, Telefon: 06131/266-222, Fax: 06131/266-387, E-Mail: martinus.bibliothek@bistum-mainz.de, Internet: www.bistum-mainz.de/martinus-bibliothek - Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9.00 bis 12.30 Uhr und von 13.30 bis 18.00 Uhr