Mainz. „Wir dürfen nicht aufhören, den Menschen als Ebenbild Gottes in den Mittelpunkt zu stellen. Der Mensch muss die Entwicklung gestalten, die Technik dient ihm, nicht er der Technik und dem Fortschritt. Jede Ideologie zeichnete sich dadurch aus, dass der einzelne Mensch einer bestimmten Idee untergeordnet wurde. Jeder einzelne Mensch aber ist immer wichtiger als eine Idee, eine Theorie oder eine Utopie, der wir folgen.“ Das sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf beim Gottesdienst am Vorabend des Tages der Arbeit im Mainzer Dom.
Und weiter: „Wenn wir heute den Tag der Arbeit begehen, dann stellen wir den Menschen in den Mittelpunkt, als Bild Gottes, als Mitarbeiterin und Mitarbeiter Gottes an der Schöpfung. Wir erinnern an den Wert der menschlichen Arbeit, die Teilhabe an der Schöpfungstätigkeit Gottes sein soll. Sobald von ,nutzlosen Menschen‘ die Rede ist, oder in der Praxis Menschen für nutzlos erklärt oder behandelt werden, müssen wir den Mund aufmachen. Genauso, wenn Technik oder Fortschritt über den einzelnen Menschen gestellt werden.“
Kohlgraf wies darauf hin, dass bei technischen Entwicklungen Christinnen und Christen immer wieder die Frage stellen sollten, „wie wir in Zukunft Menschen sein wollen“. „Wir haben es in der Hand: Die Technik hat dem Menschen zu dienen, nicht der Mensch der Technik. Selbstverständlich stecken in den technischen Entwicklungen ungeahnte Möglichkeiten, Arbeit humaner zu gestalten. Sobald technische Errungenschaften aber an die Stelle religiöser Heilsversprechen treten, müssen wir deutlich die Stimme erheben“, betonte er. Die Digitalisierung habe Folgen für den Arbeitsmarkt der Zukunft: „Optimisten sehen zahlreiche neue Arbeitsplätze, Pessimisten den Wegfall zahlreicher Berufe, und dass viele Menschen auf der Strecken bleiben werden. Die Erinnerung an das christliche Menschenbild ist nun keine religiöse Spielerei. Auch die Entwicklungen der Digitalisierung gilt es um der Würde des Menschen willen zu gestalten, und zwar nicht im Hinblick auf einen abstrakten Menschen, sondern im Blick auf den einzelnen konkreten Menschen, der durch seine Arbeit seine Menschenwürde verwirklicht.“ Der Mainzer Bischof betonte, dass nur, wenn die Würde der Menschen ernst genommen, seine Kreativität und Teilhabe gefördert werde, auch das Unternehmen rentabel arbeiten könne. „Die christliche Botschaft steht nicht gegen Gewinn und Ertrag, aber sie haben dem Menschen zu dienen, seine Würde zu fördern, nicht ihn dem Gewinn unterzuordnen, so dass er auf der Strecke bleibt.“
Der Gottesdienst am Dienstag, 30. April, war Auftakt zum Empfang am Vorabend des 1. Mai - „Tag der Arbeit“. Das traditionelle Treffen stand unter dem Leitwort „Der Mensch ist Mittel. Punkt? – Humanisierung der (digitalen) Arbeitswelt“. Konzelebranten des Gottesdienstes waren Dekan Dieter Bockholt, Präses der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Bezirk Main-Rodgau, Dekan Hans-Joachim Wahl, Präses des Kolpingwerkes Diözesanverband Mainz, Pfarrer Dr. Friedrich Franz Röper, Mainz, Präses der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Diözesanverband Mainz, und Pfarrer Harald Christian Röper, Ehren-Präses von Kolping im Bistum Mainz; Diakon war Nico Görth. Musikalisch wurde der Gottesdienst gestaltet vom Chor Cantabile aus Alzey unter Leitung von Jürgen Kuntze sowie Domorganist Professor Daniel Beckmann an der Domorgel. Die Kollekte des Gottesdienstes kam der Initiative Arbeit im Bistum Mainz zu Gute. Veranstaltet wird der traditionelle Vorabend zum „Tag der Arbeit“ vom Referat Berufs- und Arbeitswelt im Bistum Mainz, dem Diözesanverband Mainz der KAB und dem Diözesanverband Mainz des Kolpingwerkes.
Beim anschließenden Empfang im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes hielt Oliver Suchy das Eingangsreferat. In seinem Vortrag zeigte der Leiter der Abteilung Digitale Arbeitswelten und Arbeitsweltberichterstattung beim DGB-Bundesvorstand in Berlin die Chancen und Risiken der Digitalisierung auf. Bei allen Fragen um dieses Thema gehe es nicht „um einen Kampf gegen Maschinen“, sondern darum, „welche Menschen welche Maschinen wie nutzen“. Eine viel größere Frage sei zudem, welche Grenzen bei der Nutzung menschlicher Daten gezogen würden. „Kommen wir über die Digitalisierung in eine Totalüberwachung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern? Da gibt es mir zu wenig Diskussionen“, sagte er. Darüber hinaus sprach sich Suchy für eine stärkere Mitbestimmung und Beteiligung bei der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) aus.
Bei der anschließenden Diskussion gab Michelle Serret, Geschäftsführerin der Initiative Arbeit im Bistum Mainz, ihrer Sorge Ausdruck, dass Langzeitarbeitslose komplett von der Digitalisierung abgehängt würden. Diejenigen, die zu wenig qualifiziert seien, dürften nicht aus dem Blick verloren werden. „Es braucht ein System, wo diese Menschen einen Platz haben“, sagte sie. Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Rheinhessen, wies darauf hin, dass viele Handwerksbetriebe auf der Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seien: „Das ist ein neues Massenphänomen.“ Sie betonte, dass insbesondere Arbeitsplätze mit der Möglichkeit, digital zu arbeiten, attraktiv für junge Menschen seien. Karl-Norbert Merz, Vorsitzender des Betriebsrates der Kreissparkasse Groß-Gerau, sagte, dass der Wunsch, mobil arbeiten zu können, bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern „enorm“ sei Als Arbeitgeber müsse man das heutzutage anbieten, „um attraktiv zu sein“. Die Moderation der Aussprache, in die auch das Publikum einbezogen wurde, hatte Claudia Deeg vom Südwestrundfunk (SWR) übernommen.
Hans-Peter Greiner, Diözesanvorsitzender der KAB Bistum Mainz, hatte die Gäste im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes begrüßt. Greiner wies darauf hin, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt weit voran geschritten sei, dieser Prozess sei nicht aufzuhalten. Greiner betonte in diesem Zusammenhang: „Umso mehr muss uns die Frage bewegen, ob diese technologischen Veränderungen zu einem Mehr an menschenwürdiger Arbeit beitragen können. In ihrem Krefelder Beschluss ,Arbeit.Macht.Sinn‘ hat sich die KAB der Orientierung am Leitbild der menschenwürdigen Arbeit verpflichtet – gerade im Hinblick auf die Debatte um Digitalisierung und um Arbeit 4.0. Und wir sind der Überzeugung, dass hierzu ein deutlicher Ausbau der Mitbestimmung der arbeitenden Menschen hin zu einer neuen Unternehmensverfassung und zur Wirtschaftsdemokratie von Nöten ist.“
Für besonderes Engagement im Bereich der Ausbildung hatte Bischof Kohlgraf am Ende des Gottesdienstes im Mainzer Dom den Preis der „Pfarrer Röper-Stiftung“ verliehen. Preisträger in diesem Jahr ist die Firma SAM Sondermaschinen Apparatebau Manufacturing GmbH in Mainz. Kohlgraf überreichte den Preis an den Gesellschafter der Firma, Stefan Bernhard Kaster. Seit 2016 hat das Unternehmen drei Jugendliche als Auszubildende im Fach Feinmechanik eingestellt. Vorschlagen wurde der Preisträger von Astrid Göttert, Jobfux an der Kanonikus-Kir-Realschule plus in Mainz-Gonsenheim. Kohlgraf würdigte insbesondere den Zusammenhalt, die Menschlichkeit und das Gebot der Nächstenliebe bei SAM: „Das sind für Sie, Herr Kaster, gelebte Prinzipien.“
Der „Röper-Preis“ wird seit 2004 an Menschen und Firmen verliehen, die sich in besonderer Weise für die Integration von benachteiligten Jugendlichen in die Arbeitswelt einsetzen. Die Preisträger erhalten neben einer Urkunde, eine Bronzeskulptur. Sie stellt eine Frauengestalt als Symbol der „Caritas-Nächstenliebe“ dar. Die Figur wurde vom Bildhauer Karlheinz Oswald entworfen und ausgeführt. Bisher wurden damit das Engagement von 29 Einzelpersonen, Unternehmen und Initiativen herausgehoben und öffentlich gewürdigt.
Hinweis: Weitere Informationen unter: www.arbeitswelt-bistum-mainz.de