Am Donnerstag, 18. November, wird der langjährige Direktor der Mainzer Martinus-Bibliothek, Dr. Helmut Hinkel, in den Ruhestand verabschiedet. Um 15.00 Uhr wird Bischof Peter Kohlgraf ein Pontifikalamt in der Seminarkirche feiern. Anschließend ist ein kleiner Empfang vorgesehen, an dem aufgrund der bestehenden Corona-Beschränkungen nur geladene Gäste teilnehmen können. Seit 1999 steht die Wissenschaftliche Diözesanbibliothek des Bistums Mainz unter der Leitung von Dr. Hinkel.
Nicht zuletzt besondere Entdeckungen wie die Fragmente aus einer Nibelungenlied-Handschrift, die erste Niederschrift und deutsche Übersetzung des „Ave verum corpus“ aus dem 13. Jahrhundert, ein unbekanntes Talmud-Fragment (ebenfalls 13. Jahrhundert), Fragmente eines Schulheftes der Mainzer Domschule aus dem 15. Jahrhundert oder eines bislang unbekannten, gereimten Textes über die heilige Elisabeth tragen der Martinus-Bibliothek große öffentliche Aufmerksamkeit ein. Dazu kamen noch viele Publikationen, Vorträge und Ausstellungen. Bereits seit 1985 war Hinkel als wissenschaftlicher Direktor der Bibliothek des Mainzer Priesterseminars tätig.
Das vielfältige Spektrum der kirchenhistorischen Arbeiten von Hinkel ist unter anderem in den beiden Festschriften zu seinen letzten runden Jubiläen abgebildet. Zu seinem 70. Geburtstag war im Mainzer Nünnerich-Asmus-Verlag ein Sammelband mit den Mainzer kirchenhistorischen Arbeiten von ihm erschienen. Der Band enthält unter der Überschrift „Fides Moguntina. Studien zur Mainzer Kirchengeschichte“ 37 quellen-, personen- und kulturgeschichtliche Studien aus seiner 40-jährigen wissenschaftlichen Tätigkeit. Zu seinem 75. Geburtstag erschien eine Festschrift mit geisteswissenschaftlichen Studien aus dem Umfeld der Mainzer Martinus-Bibliothek („Bibliothecarius Martinianus“). Beide Festschriften wurden von Dr. Winfried Wilhelmy, dem Direktor des Mainzer Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum, herausgegeben.
Helmut Hinkel wurde am 17. November 1943 in Worms geboren und ist in Osthofen aufgewachsen. Nach einer Buchhändlerlehre und einigen Berufsjahren in der Mainzer Buchhandlung Schöningh in der Augustinerstraße absolvierte er das Abitur, trat dann ins Mainzer Priesterseminar ein und nahm an der Johannes Gutenberg-Universität sein Philosophie- und Theologiestudium auf. Er promovierte im Jahr 1976 als wissenschaftlicher Assistent von Professor Anton Philipp Brück, der damals auch Direktor des Dom- und Diözesanarchivs sowie der Bibliothek des Priesterseminars war, mit einer kirchengeschichtlichen Arbeit über die Reformationszeit. Am 30. Juni 1979 wurde er von Kardinal Hermann Volk im Mainzer Dom zum Priester geweiht. Nach einer Kaplansstelle in Bingen-Büdesheim und einer Station als Religionslehrer in Bad Nauheim wurde er 1983 Pfarrer in der Gemeinde St. Marien in Ginsheim-Gustavsburg. Anfang 1985 wurde er zusätzlich zum wissenschaftlichen Direktor der Bibliothek des Mainzer Priesterseminars ernannt. Mitte 1985 wechselte er in die Seelsorge der Mainzer Innenstadtpfarreien St. Ignaz, St. Quintin und der Mainzer Dompfarrei. In der Folge nahm er neben seiner Tätigkeit in der Bibliothek verschiedene weitere pastorale Aufgaben in Mainz wahr, unter anderem als Pfarrer von Heilig Kreuz und bis 2018 als rector ecclesiae der Kapelle des Mutterhauses der Schwestern von der Göttlichen Vorsehung in Mainz.
Die Martinus-Bibliothek - Wissenschaftliche Diözesanbibliothek im Priesterseminar Mainz - ist eine für jeden zugängliche theologisch-geisteswissenschaftliche Bibliothek. Mit einem Bestand von rund 300.000 Bänden und etwa 200 laufenden Zeitschriften ist sie eine der großen wissenschaftlich-theologischen Spezialbibliotheken Deutschlands. Der Schwerpunkt der Bestände liegt in den Bereichen Theologie, Philosophie, Ethik, Quelleneditionen und Kirchengeschichte, insbesondere des Mainzer Raumes. Hinzu kommt ein großer Altbestand, darunter rund 1.000 Inkunabeln (vor dem Jahr 1500 gedruckte Bücher), 270 Handschriften und 300 Handschriftenfragmente. Der Altbestand sichert der Bibliothek ein unverwechselbares wissenschaftliches Profil. Ein Schwerpunkt ist die „Schlossersche Bibliothek“ mit Originalausgaben aus allen Wissensgebieten, der deutschen Literatur des 16. bis 19. Jahrhunderts und vielen Goethiana.
Das älteste Fragment in der Schatzkammer der Martinus-Bibliothek stammt aus dem Jahr 830. Das älteste erhaltene Buch ist ein Sakramentar aus Mainz-St. Alban aus dem Jahr 880. Im großen Altbestand der Bibliothek macht Direktor Hinkel immer wieder neue Entdeckungen. So hatte er wenige Wochen vor den Feierlichkeiten zum 350-jährigen Bestehen der Bibliothek im Jahr 2012 eine Inkunabel mit einem Pesttraktat entdeckt. Das von einem Doktor Apollonius aus Mainz verfasste Büchlein war als Druck bisher vollkommen unbekannt. Gerade durch solche Funde und den „ganz fantastischen Altbestand, der die Bibliothek im Vergleich zu ähnlichen Einrichtungen auszeichnet“ könne die Martinus-Bibliothek der Wissenschaft immer wieder neue Perspektiven eröffnen, betont Hinkel.
Die Diözesanbibliothek wendet sich mit ihrem kostenlosen aktuellen Angebot in besonderer Weise an Theologie-Studierende und pastorale Mitarbeiter, aber auch an alle philosophisch-theologisch Interessierten. Mit ihren Beständen ist sie ebenso eine wertvolle Fundgrube für alle Geisteswissenschaftler, insbesondere für Historiker und Germanisten, aber auch für Mediziner und Naturwissenschaftler. Der Lesesaal der Martinus-Bibliothek bietet 20 Arbeitsplätze. Darüber hinaus helfen und beraten die Mitarbeiter bei der Literatursuche und der Besorgung von in Mainz nicht verfügbaren Büchern.
Seit 1968 ist die Martinus-Bibliothek im Arnsburger Hof in der Mainzer Grebenstraße untergebracht. Damals wurde der Bestand auch öffentlich zugänglich gemacht. Seit dem Jahr 2000 trägt sie als theologische Zentralbibliothek des Bistums den Namen „Martinus-Bibliothek“ - nach dem Mainzer Dom- und Diözesanpatron Martin von Tours. Errichtet wurde die Bibliothek 1662 durch Kurfürst Johann Philipp von Schönborn für das Mainzer Priesterseminar. Die Martinus-Bibliothek ist damit die älteste Bibliothek in Mainz, die bis heute ihre ursprüngliche Funktion erfüllt. 2017 konnte Bischof Dr. Peter Kohlgraf die umfassend renovierten und modernisierten Räume der Bibliothek segnen.