An der Tagung anlässlich des zehnten Jahrestages der Veröffentlichung der Enzyklika „Fides et Ratio" (Glaube und Vernunft) nehmen unter anderen Professor Robert Spaemann, Stuttgart, und Weihbischof Peter Henrici SJ, Chur/Schönbrunn, teil. Akademiedirektor Professor Peter Reifenberg äußert sich im Gespräch zum Jubiläum und dem Selbstverständnis des Erbacher Hofes.
MBN: Sie feiern den 20. Geburtstag des Erbacher Hofes am kommenden Wochenende mit prominenten Referenten. Was dürfen die Besucher der Akademietagung vom 18./19. April erwarten?
Peter Reifenberg: Tatsächlich feiern wir den 20. Geburtstag des Erbacher Hofs, der zentralen Bistumsakademie, die zugleich ihren zehnten Geburtstag feiert, mit einer Akademietagung und beschreiben damit auch am reinsten die Arbeitsweise unseres Hauses, die sich in einer kontinuierlichen philosophisch-theologischen Programmarbeit darstellt. Denn der Vollzug der Arbeit selbst ist der beste Ausweis der Verstetigung einer gelingenden Akademiearbeit, die in der Zuversicht aus dem Glauben mitten in eine säkulare Gesellschaft hineinzusprechen bemüht ist. Insofern sind Erinnerungsarbeit, gründliche systematische Reflexion auf hohem Niveau mit interdisziplinären Spitzenvertretern und aktueller Bezugnahme auf die drängenden Fragen des Menschen heute wie ein Dreiklang zusammenzubringen. Die Tagung erfüllt alle diese Kriterien. Dabei gilt es auch immer, als Akademie Anwalt der Vernunft zu sein, und das bedeutet in einer postsäkularen Gesellschaft, dass der Glaube, der vernünftig verantwortet wird, sich auch im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs bewähren soll. Argumentativ wird dem „Neuen Atheismus" begegnet, nüchtern wird die These einer Renaissance der Religion beurteilt und prospektiv der Streit zwischen der Schöpfungstheologie und der Evolutionsbiologie beantwortet.
Dies geschieht entschieden im Dialog und von einer entschiedenen, glaubensgetragenen Plattform aus. Die gegenseitige Bedingtheit von Glauben und Wissen bietet paradigmatisch eine prospektive Antwort auf die brennenden Fragen zwischen Schöpfung und Evolution, zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft. Das Ziel muss sein, weder in eine rationalistische noch in eine naturalistische Verengung hinein zu geraten, sondern die Weite der philosophisch-theologischen Tradition nutzend, das Spektrum der möglichen Antworten zu erweitern. So verstand sich auch die vor zehn Jahren erschienene Enzyklika „Fides et Ratio".
MBN: Bischof Lehmann hatte bei der Einweihung die „elementare Befähigung zur Auseinandersetzung mit Mensch, Welt und Gott" als eine der Hauptaufgaben des Erbacher Hofes genannt. Wie ist der Erbacher Hof diesem Grundauftrag angesichts des gesellschaftlichen Wandels der letzten zwei Jahrzehnte treu geblieben?
Reifenberg: Ohne Zweifel ist die Notwendigkeit des Fragens nach der schweigend verborgenen Unbegreiflichkeit Gottes, nach Gott, dem bleibenden Geheimnis, dann die Frage nach dem Ja oder Nein der menschlichen Existenz und seiner Bestimmung und schließlich die Frage nach dem Handeln in der Weltwirklichkeit die entscheidende Trias, um die sich die Akademiearbeit im Erbacher Hof seit Jahren erfolgreich bemüht. Dabei ist die Spurensuche nach der mystischen Unerreichbarkeit des Geheimnisses, gerade im Spannungsfeld zu den hoch komplexen Wissenschaften, eine immer drängendere Frage geworden.
Nicht Nebenschauplätze werden bedient und auch Formen der vordergründig medialen Performance oder des Event, sondern die gründliche Reflexion erst lässt die religiöse Erfahrung hinreichend deuten, vermitteln und begründen. Unsere Antwort auf eine hektisch schnelllebige Medienwelt kann nur lauten: Die Akademie bietet die Möglichkeit einer unverzweckten Reflexion, eine „Auszeit", welche die Selbstfindung ermöglichen hilft und die Gottsuche dabei nicht vergessen lässt. Insofern kann man die Frage getrost dahingehend beantworten, dass sich der Erbacher Hof dem Auftrag des Kardinals stets neu stellt und in den letzten zwei Jahrzehnten treu geblieben ist. Ohne Übertreibung darf ich heute sagen, dass wir zu einem der ersten Tagungshäuser gehören, uns aber auch des Rufes, einer der ersten Akademien in Deutschland zu sein, erfreuen dürfen.
MBN: Wo sehen Sie Zukunftsperspektiven des Erbacher Hofes als zentral gelegenes Bildungshaus und für die Arbeit einer Katholischen Akademie am Beginn des 21. Jahrhunderts?
Peter Reifenberg: Entgegen manchem skeptischen Trend sehe ich mit Zuversicht und Hoffnung in die Zukunft hinein. Die Lage unseres hervorragend angenommenen Hauses ist ideal, Tagungszentrum und Akademie bilden personell, inhaltlich und strukturell eine Einheit. Etwas mit Stolz darf ich sagen, dass der Kardinal mit großem persönlichen Einsatz hinter seiner Akademie steht und auch deren ökonomische und inhaltliche Ausrichtung immer im Blick behält. Die thematisch gebundenen, berufsbezogenen Kreise wie Ärzte, Wirtschaftler und Juristen prosperieren zunehmend. Wir freuen uns über den regen Zuspruch zur Jubiläumstagung mit weit über 100 Anmeldungen. Die Akademie ist nicht nur Denkwerkstatt des Bistums Mainz und Anwältin der Vernunft, sondern auch Kulturstation und Glaubensforum. Der spirituelle Schwerpunkt erfreut sich ebenso großer Beliebtheit wie alle kunstgeschichtlichen Veranstaltungen. Besonders bei den Exkursionen und Studienfahrten - demnächst geht es nach Laon, Reims und Straßburg - müssen wir die vielen Interessierten wegen Überfüllung auf die nächste Fahrt vertrösten. So lebt die Akademie selbstbewusst in die Zukunft hinein und lässt sich nicht durch aufgeregte Flügelschläge am Rande beunruhigen. Es gilt, das große Erbe aus Geistesgeschichte, Theologie und Philosophie ins Gespräch zu bringen, ich nenne nur das Denken Maurice Blondels, Hans Urs von Balthasars, Karl Rahners oder Martin Heideggers. Vom Ertrag des abendländischen Denkens ausgehend, erweitern wir unser eigenes Bewusstsein. Um eine Zukunftsperspektive zu haben, muss man sich selbst treu bleiben, Qualität halten und keinen verängstigenden Anpassungsversuchen erliegen.
Hinweis: Weitere Informationen beim Erbacher Hof, Akademie des Bistums Mainz, Grebenstraße 24-26, 55116 Mainz, Tel.: 06131/257-521 oder -550, Fax: 06131/257-525, E-Mail: ebh.akademie@bistum-mainz.de