Gerade in Zeiten großer Umbrüche und Unsicherheiten, in denen sich gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten, Institutionen und Leitvorstellungen auflösten, brauche es um der Zukunft willen Menschen mit Rückgrat, Zivilcourage und der Wahrheit verpflichteter Überzeugungskraft. „Hier wird Freiheit nur durch Tapferkeit und Mut errungen", betonte der Bischof. Allerdings dürfe Tapferkeit nicht mit blinder Risikobereitschaft verwechselt werden. „So jemand ist nicht mutig oder stark, sondern gierig oder wahnsinnig oder besessen", erklärte Wiesemann und erinnerte an die „Wahnsinnsspekulationen, die die letzte Wirtschafts- und Finanzkrise ausgelöst haben". Ohne die Tugenden der Klugheit und Gerechtigkeit könne der Mut leicht zerstörerisch wirken und zum Hebel des Bösen werden.
Deutlich kritisierte Bischof Wiesemann auch den „im Ansatz totalitären Irrtum des ideologischen Laizismus", der den Staat absolut setzt. Das Gute, Wahre und Gerechte, für das sich alles einzusetzen lohne, überschreite immer den Horizont des gesetzlich und staatlich Regelbaren. Weder der Staat noch das autonome Subjekt dürften sich selbst an deren Stelle setzen. Deshalb sei die Loyalität des Christen zum Staat zwar sehr weitgehend, habe aber eine entscheidende Grenze, weil man nach dem Bibelwort „Gott mehr gehorchen muss als den Menschen". Bei aller loyal verpflichtenden Bedeutung bleibe der irdische Staat das Vorletzte, er könne nicht der unbedingte Rahmen der Tugend sein. „Wir bleiben verwiesen insbesondere auf das Gewissen und, wie die Väter und Mütter des Grundgesetzes aus historischer Erfahrung festgeschrieben haben, auf die Verantwortung vor Gott."
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck dankte den Bischöfen und dem katholischen Büro Mainz für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr. Die Begegnungen seien stets von gegenseitigem Respekt geprägt und „der Grundüberzeugung, dass in einem Miteinander für die Menschen ein weites Feld der Überschneidungen besteht, das es zu bewältigen gilt". Besonders dankte er dem Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann für seine Arbeit als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. „Wir sind froh, dass ein Weg gefunden zu sein scheint, der wieder Vertrauen aufbaut." Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, dankte in seinem Schlusswort für die Fortsetzung der guten Zusammenarbeit mit der Landesregierung. Wörtlich sagte er: „Je länger man in Rheinland-Pfalz lebt, desto stärker spürt man die Eigenschaften im gegenseitigen Umgang: die Fähigkeit, aufeinander zuzugehen und Kompromisse zu schließen. Leben und leben lassen ist das, was wir erfahren und besonders schätzen können in Rheinland-Pfalz."
Ordinariatsdirektor Bernhard Nacke, der Leiter des Katholischen Büros in Mainz, hatte zu der traditionellen Begegnung rund 170 Gäste aus Politik, Verwaltung und Kirche begrüßt. Aus den rheinland-pfälzischen Bistümern waren neben dem Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, unter anderen der Limburger Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst und der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann gekommen. Von Seiten des Bistums Mainz nahmen unter anderen Weihbischof Dr. Ulrich Neymeyr und Generalvikar Prälat Dietmar Giebelmann an dem Treffen teil. Musikalisch gestaltet wurde der Abend von Mädchen des Großen Orchesters des St. Franziskus-Gymnasiums und -Realschule aus Kaiserslautern unter leitung von Oberstudienrätin Brigitte Gemmecker-Gropp.